23.11.2005 · IWW-Abrufnummer 053263
Bundesgerichtshof: Urteil vom 17.03.1992 – VI ZR 62/91
Wird ein Kraftfahrer, der die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten hat, in einen Unfall verwickelt, so kann er sich, wenn er auf Ersatz des Unfallschadens in Anspruch genommen wird, nicht auf die Unabwendbarkeit des Unfalls iSv StVG § 7 Abs 2 berufen, es sei denn, er weist nach, daß es auch bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre.
Tatbestand
Der Erstbeklagte geriet, als er am 19. Juli 1986 gegen 21.20 Uhr mit hoher Geschwindigkeit mit seinem Porsche 911 auf dem linken Fahrstreifen der dreispurigen Bundesautobahn von K. in Richtung F. fuhr, mit dem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Wagen, den er hinter einem von der mittleren auf seine Fahrspur wechselnden BMW abgebremst hatte, ins Schleudern. Das Fahrzeug überquerte die mittlere Fahrspur und stieß auf der rechten Fahrspur gegen ein Wohnwagengespann. Dadurch riß der Anhänger ab und prallte auf einen auf dem Standstreifen abgestellten Opel-Kadett. Hierdurch wurde der Kläger, der unter dem Opel-Kadett lag, um die Lichtmaschine des Wagens zu reparieren, schwer verletzt.
Der Kläger hat behauptet, der Erstbeklagte sei ausweislich der Bremsspur mit einer Geschwindigkeit von 251 km/h gefahren und habe deshalb nicht mehr rechtzeitig auf das Fahrverhalten des vorausfahrenden BMW-Fahrers reagieren können. Er hat von den Beklagten seinen mit 78.536,14 DM bezifferten unfallbedingten materiellen Schaden ersetzt verlangt und ein angemessenes Schmerzensgeld geltend gemacht; ferner hat er - vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs auf öffentlich-rechtliche Versicherungs- oder Versorgungsträger - die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz aller materiellen und immateriellen Unfallschäden beantragt.
Die Beklagten haben behauptet, im Unfallzeitpunkt seien die Sichtverhältnisse gut und die Strecke sei übersichtlich gewesen. Als der Erstbeklagte bei freier Fahrspur mit einer Geschwindigkeit von etwa 150 km/h den vorausfahrenden BMW links habe überholen wollen, sei dieser plötzlich und ohne Vorankündigung auf die linke Fahrspur hinübergewechselt. Der Erstbeklagte habe eine Notbremsung vornehmen müssen, um eine Kollision zu verhindern; dadurch sei der Porsche ins Schleudern geraten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche nur noch hinsichtlich der materiellen Schäden weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält aufgrund von Zeugenvernehmungen für bewiesen, daß der Erstbeklagte zu einer Vollbremsung gezwungen gewesen ist, weil der (unbekannt gebliebene) vorausfahrende BMW-Fahrer unvermittelt und in nur kurzem Abstand vor dem Erstbeklagten von der mittleren Fahrspur nach links ausgeschert ist. Dem Erstbeklagten könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er in dieser Situation versucht habe, auf die freie mittlere Fahrspur auszuweichen; seine Fahrgeschwindigkeit habe, wie sich aus einem in einem Parallelverfahren erstatteten und hier im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Sachverständigengutachten ergebe, vor der Vollbremsung etwa 145 - 183 km/h betragen. Diese Geschwindigkeit begründe in Anbetracht der Straßen- und Sichtverhältnisse im Unfallzeitpunkt keinen Schuldvorwurf; auf der Autobahn habe wenig Verkehr geherrscht, die Fahrstrecke sei gut zu übersehen und es sei noch hell gewesen. Vielmehr stelle der Unfall für den Erstbeklagten ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG dar; auch ein besonders sorgfältiger Fahrer dürfe darauf vertrauen, daß einem anderen Verkehrsteilnehmer ein derart grober Verkehrsverstoß, wie ihn der BMW-Fahrer begangen habe, nicht unterlaufe. Daß der Erstbeklagte die AutobahnRichtgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten habe, stehe der Annahme eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG nicht entgegen; andernfalls würde ein Überschreiten der Richtgeschwindigkeit regelmäßig sanktioniert, was der bloße Empfehlungscharakter dieser Regelung aber gerade nicht zulasse. Im übrigen müsse selbst dann, wenn der Beweis der Unabwendbarkeit als nicht geführt erachtet würde, die Abwägung der Verursachungsbeiträge zur Klageabweisung führen. Die den Beklagten dann anzulastende, durch die erhebliche Geschwindigkeit erhöhte Betriebsgefahr des Porsches müßte gegenüber dem grob verkehrswidrigen und schuldhaften Verhalten des BMW-Fahrers sowie dem Mitverschulden des Klägers außer Ansatz bleiben; keinesfalls habe der Kläger auf der Standspur der Autobahn, wo grundsätzlich das Halten verboten sei, eine - überdies noch nicht einmal dringliche - Reparatur vornehmen dürfen.
II.
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 BGB, § 3 PflVG mangels eines Verschuldens des Erstbeklagten verneint, weil die von ihm gefahrene Geschwindigkeit nach Maßgabe von § 3 StVO nicht übersetzt gewesen sei, er mit dem groben Verkehrsverstoß des BMW-Fahrers nicht habe rechnen müssen und er in der durch diesen geschaffenen Notlage nicht falsch reagiert habe. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.
Die Erwägungen dagegen, mit denen das Berufungsgericht auch eine Einstandspflicht aus dem Gesichtspunkt der Halterhaftung des Erstbeklagten aus § 7 StVG ablehnt, weil es den Unabwendbarkeitsbeweis nach § 7 Abs. 2 StVG als geführt erachtet, halten den Angriffen der Revision nicht stand. Dasselbe gilt für die Hilfserwägung, daß auch die Abwägung der Verursachungsbeiträge zur Verneinung der Klageansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG führen würde.
1. Der Unfall ist für den Erstbeklagten kein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG gewesen. Mit seiner gegenteiligen Wertung hat das Berufungsgericht dem der Regelung zugrundeliegenden Haftungsmaßstab und der Bedeutung der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung vom 21. November 1978 (BGBl. I 1824) für die Auslegung dieser Vorschrift nicht Rechnung getragen.
a) Der Begriff "unabwendbares Ereignis" im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 StVG meint, wofür allerdings bei isolierter Betrachtung der Wortsinn sprechen könnte, zwar nicht absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern, wie sich aus § 7 Abs. 2 Satz 2 StVG ergibt, ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört jedoch ein sachgemä ßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt i.S. von § 276 BGB hinaus (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1986 - VI ZR 136/85 - VersR 1987, 158, 159 m.w.N.). Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muß sich wie ein "Idealfahrer" verhalten haben (vgl. Senatsurteile vom 28. Mai 1985 - VI ZR 258/83 - VersR 1985, 864 und vom 17. Februar 1987 - VI ZR 75/86 - VersR 1987, 1034, 1035, vgl. ferner BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - III ZR 205/83 - NJW 1985, 1950, 1951 m.w.N.). Denn die Haftung aus § 7 StVG ist nicht wie die Haftung aus § 823 BGB Haftung aus Verhaltensunrecht, sondern sie bezweckt den Ausgleich von Schäden aus den Gefahren auch eines zulässigen Kraftfahrzeugbetriebs. § 7 Abs. 2 StVG stellt deshalb nicht einem verkehrswidrigen Verhalten das im Straßenverkehr vom Kraftfahrer zu verlangende gegenüber, sondern sein Maßstab hat die Gefahren aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs, für die die Gefährdungshaftung eintreten soll, auszugrenzen gegenüber fremden Gefahrenkreisen, für die, wenn sie sich im Schadensereignis aktualisieren, die Gefährdungshaftung nach ihrem Sinn und Zweck nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Die dazu von der Rechtsprechung benutzte Ausrichtung an dem Verhalten eines "Idealfahrers" umschreibt personifizierend dieses Abgrenzungsmerkmal.
Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG verlangt damit eine sich am Schutzzweck der Gefährdungshaftung für den Kraftfahrzeugbetrieb ausrichtende Wertung (vgl. Senat BGHZ 105, 65, 69). Diese Wertung hat unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrsumstände zu erfolgen (vgl. Senatsurteil vom 24. März 1964 - VI ZR 12/63 - VersR 1964, 777, 778). Dabei darf sich die Prüfung aber nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein "Idealfahrer" reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein "Idealfahrer" überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre; der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, daß sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) "ideal" verhält (vgl. Krumme/Steffen, StVG, 1977, § 7 Rdn. 25). Damit verlangt § 7 Abs. 2 StVG, daß der "Idealfahrer" in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
b) Solche Erkenntnisse haben in der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung Ausdruck gefunden. Allerdings beschränkt sich diese Verordnung auf die Empfehlung, u.a. auf Autobahnen auch bei günstigen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen nicht schneller als 130 km/h zu fahren. Sie ist damit anders als § 3 StVO keine Vorschrift für das im Straßenverkehr erforderliche Fahrverhalten, an deren Verletzung sich unmittelbare Sanktionen knüpfen. So hat die Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bisher einhellig entschieden, daß die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit allein einen Schuldvorwurf noch nicht begründet (vgl. OLG Hamm, NZV 1992, 30; OLG Köln, VersR 1991, 1188, 1189; KG, VM 1985, 63, 64; OLG Karlsruhe, DAR 1988, 163; vgl. ferner OLG Saarbrücken, VM 1987, 54, 55). Das Fehlen unmittelbarer Sanktionen bedeutet indes nicht absolute rechtliche Irrelevanz auch für das Haftungsrecht. Vielmehr kommt in der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung Erfahrungswissen zum Ausdruck, das bei der Auslegung des Begriffs des unabwendbaren Ereignisses mit zu berücksichtigen ist (vgl. BGHZ 103, 338, 341 f. zum Empfehlungscharakter von DIN-Normen). Die Verordnung beruht auf der Ermächtigung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG; schon daraus ergibt sich, daß sie der Sicherheit des Verkehrs zu dienen bestimmt ist. Dies findet auch in dem Schlußbericht einer Projektgruppe aus Wissenschaftlern Ausdruck, der dem Verordnungsgeber vorlag (VkBl 1978, 478). Dieser gründet vor allem auf der Erkenntnis, daß die Einhaltung solcher ermäßigten Geschwindigkeit auf Autobahnen auch bei günstigen Orts- und Verkehrsbedingungen nachhaltig zur Vermeidung von Unfällen, vor allem von solchen mit schweren Folgen, beiträgt (vgl. den allerdings auf die Auswirkungen einer Richtgeschwindigkeit im Vergleich zu einer Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen beschränkten Bericht der Projektgruppe "Autobahngeschwindigkeiten", herausgegeben von der Bundesanstalt für Straßenwesen, 1977). Die Empfehlung des Verordnungsgebers stellt sich damit trotz ihrer fehlenden rechtlichen Verpflichtungswirkung als "Vernunftaufruf" und Appell an die Verantwortung des Verkehrsteilnehmers dar (vgl. Jagusch, NJW 1974, 881, 882 f; Begründung des Bundesrates zur Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung vom 13. März 1974, VkBl 1974, 225), den ein Kraftfahrer, der den erhöhten Anforderungen an einen "Idealfahrer" genügen will, nicht unbeachtet lassen darf. Die Empfehlung strebt zur Herabsetzung der Betriebsgefahren des Kraftfahrzeugs auf Autobahnen die Bildung eines allgemeinen Verkehrsbewußtseins an, dem der Kraftfahrer auch ohne Bestehen einer Höchstgeschwindigkeitsregelung Rechnung tragen soll. Nur wer die Richtgeschwindigkeit einhält, verhält sich als "Idealfahrer", wie ihn § 7 Abs. 2 StVG meint. Im Rahmen der Halterhaftung des § 7 StVG kann sich nur ein solcher Idealfahrer, wenn er durch das Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers auf der Autobahn in einen Unfall verwickelt wird, auf den Vertrauensgrundsatz berufen; wer schneller als 130 km/h fährt, vergrößert in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, daß sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellt, insbesondere die Geschwindigkeit unterschätzt.
Dem steht nicht entgegen, daß die heutigen Kraftfahrzeuge aufgrund des technischen Entwicklungsstandes auch bei Geschwindigkeiten von mehr als 130 km/h einen gefahrlosen Betrieb ermöglichen. Auch kommt es nicht darauf an, daß der Ausbauzustand vieler Autobahnstrecken eine solche Geschwindigkeit gefahrlos zuläßt. Entscheidend ist vielmehr, daß diese technischen Möglichkeiten ihre Begrenzung in den Eigenschaften und Fähigkeiten der Menschen finden, die sich ihrer bedienen. Nicht nur verlangen höhere Geschwindigkeiten ein überproportional zunehmendes Maß an Aufmerksamkeit, Voraussicht und Reaktionsvermögen des Fahrers, um auf die sich ihm stellenden Verkehrssituationen angepaßt zu reagieren, sondern der Kraftfahrer hat auch zu bedenken, daß er sich auf der Autobahn gemeinsam mit anderen Verkehrsteilnehmern bewegt, deren Fähigkeiten häufig nicht ausreichen, die durch einen langen Brems- und Anhalteweg gekennzeichneten besonderen Gefahren zu erkennen und zu beherrschen, die von einem mit hoher Geschwindigkeit fahrenden anderen Fahrzeug ausgehen (vgl. OLG Hamm, DAR 1991, 455, 456; vgl. ferner Greger, NZV 1990, 269, 270). Die Erfahrung zeigt, daß immer wieder Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeit eines sich schnell nähernden Fahrzeugs, zumal wenn es von hinten herankommt, nicht richtig einzuschätzen und sich hierauf bei einem Wechsel der Fahrstreifen nicht einzustellen vermögen. Dem muß der "Idealfahrer" in seiner Fahrgeschwindigkeit auch dann Rechnung tragen, wenn er selbst in der Lage ist, sein eigenes Fahrzeug bei der von ihm gefahrenen hohen Geschwindigkeit voll zu beherrschen. In einem Unfall, in den er auf diese Weise auf der Autobahn verwickelt wird, aktualisiert sich in aller Regel diejenige Betriebsgefahr, an die die Gefährdungshaftung des § 7 StVG anknüpft, selbst unter günstigen Verkehrsbedingungen und bei Beachtung aller übrigen Verkehrsvorschriften jedenfalls dann, wenn er die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschreitet, es sei denn, er weist nach, daß es auch bei Einhaltung dieser Geschwindigkeit zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre.
c) Der Erstbeklagte kann nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nachweisen, daß er langsamer als 183 km/h gefahren ist. Damit ist der Beweis der Einhaltung der Richtgeschwindigkeit nicht geführt. Dazu, ob der Unfall mit seinen schweren Folgen auch bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h geschehen wäre, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
2. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht im Rahmen der Hilfserwägung zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Erstbeklagten bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge außer Ansatz bleiben müsse, hält einer Überprüfung gleichfalls nicht stand.
Zwar trifft es zu, daß sich der Kläger einen Verursachungsbeitrag entgegenhalten lassen muß. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, wer - der Halter des Opel-Kadett oder der Kläger - das Anhalten des Fahrzeugs auf der Standspur der Autobahn zur Reparatur veranlaßt hat. Entscheidend ist vielmehr, daß sich der Kläger unter den vorschriftswidrig (§ 18 Abs. 8 StVO) auf dem Seitenstreifen angehaltenen Wagen gelegt hat, um eine - nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht einmal dringliche - Reparatur vorzunehmen. Das Berufungsgericht hat indes darüber hinaus das grob verkehrswidrige und schuldhafte Verhalten des unbekannt gebliebenen BMW-Fahrers zu Lasten des Klägers in die Abwägung der Verursachungsbeiträge einbezogen. Das ist nicht richtig. Mit Recht weist die Revision darauf hin, daß die Einstandspflicht des Erstbeklagten nach Maßgabe einer Einzelabwägung seines Verursachungsbeitrags mit dem des Klägers zu bestimmen ist. Eine Gesamtschau aller Verursachungsbeiträge, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl. BGHZ 30, 203, 205, 212; 61, 351, 354; Steffen, DAR 1990, 41, 42).
III.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird festzustellen haben, ob es zu dem Unfall mit vergleichbar schwerwiegenden Folgen auch gekommen wäre, wenn der Erstbeklagte die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h eingehalten hätte. Verbleibt es danach bei einer Haftung der Beklagten, so hat das Berufungsgericht eine erneute Abwägung der Verursachungsbeiträge vorzunehmen. Im Rahmen dieser Abwägung erweist sich, wovon das Berufungsgericht auch ausgeht, die Fahrgeschwindigkeit des Erstbeklagten als wichtiger Faktor. Insoweit sind weitere Feststellungen geboten. Der Kläger hatte in seiner Berufungsbegründung unter Beweisantritt geltend gemacht, daß der Erstbeklagte mit einer Geschwindigkeit von 251 km/h gefahren ist. Diesem Beweisantritt ist das Berufungsgericht nicht gefolgt, weil es das in einem Parallelverfahren zur Fahrgeschwindigkeit des Erstbeklagten erstattete und im Wege des Urkundenbeweises verwertete Gutachten des Sachverständigen S. für nachvollziehbar und überzeugend gehalten hat. Das rügt die Revision zu Recht. Der Urkundenbeweis darf nicht dazu führen, daß den Parteien das ihnen nach §§ 397, 402 ZPO zustehende Recht, dem Sachverständigen Fragen zu stellen, verkürzt wird. Deshalb hat der Tatrichter eine zusätzliche schriftliche oder mündliche Begutachtung anzuordnen, wenn eine Partei zu erkennen gibt, daß sie vom Sachverständigen die Beantwortung bestimmter, das Beweisthema betreffender Fragen erwartet (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1982 - IVa ZR 76/80 - VersR 1982, 793, 795). So liegen die Dinge hier. Der Kläger hatte in seinem Schriftsatz vom 13. September 1990 im einzelnen die Punkte bezeichnet, in denen das Gutachten nach seiner Auffassung Mängel aufweist. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, daß er an seinem Antrag, ein Sachverständigengutachten zur Fahrgeschwindigkeit des Erstbeklagten einzuholen, festhält. Auch wenn dem Kläger der Beweis der behaupteten Geschwindigkeit von 251 km/h nicht gelingt, kann der Verursachungsbeitrag des Erstbeklagten gegenüber dem Mitverschulden des Klägers bei der Abwägung nicht außer Ansatz bleiben. In der wiedereröffneten Tatsacheninstanz erhält der Kläger ferner Gelegenheit, seine Rügen in Bezug auf den ihm vom Berufungsgericht gemachten Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung weiter zu verfolgen.