31.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146715
Landgericht Passau: Urteil vom 06.07.2015 – 1 O 121/15
Landgericht Passau
Az.: 1 O 121/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
xxx
wegen Forderung
erlässt das Landgericht Passau - 1. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht Heinrich als Einzelrichter am 06.07.2015 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2015 folgendes
Endurteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.948,75 Euro zuzüglich 5 % Zinsen hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2013 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/6 und die Beklagte 5/6.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten aus ihrer Hausratversicherung Ansprüche nach einem Einbruchsdiebstahl geltend.
Die Klägerin ist bei der Beklagten gegen Einbruchsdiebstahl versichert. Nach den Versicherungsbedingungen liegt ein Einbruchsdiebstahl dann vor, wenn der Dieb
a) in einen Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mittels eines Schlüssels, dessen Anfertigung für das Schloss nicht von einer dazu berechtigten Person veranlasst oder gebilligt worden ist (falscher Schlüssel) oder mittels anderer Werkzeuge eindringt; der Gebrauch eines falschen Schlüssels ist nicht schon dann bewiesen, wenn fest steht, dass versicherte Sachen abhanden gekommen sind.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass aus ihrer Garage aufgrund eines Einbruchs entsprechend den Versicherungbedingungen Gegenstände (Anlage K 2) entwendet worden seien.
Die streitgegenständlichen Gegenstände seien bei einem Umzug in der Garage gelagert worden. Die Klägerin habe das Tor am Abend des 27.09.2013 ordnungsgemäß verschlossen. Am Morgen des 28.09.2013 habe sie das Tor wieder aufgesperrt und das Fehlen der Gegenstände bemerkt.
Die Klägerin beantragt,
der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.959,00 Euro zu bezahlen zuzüglich 5 % Punkten Zinsen hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2013.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Die Beklagte bestreitet, dass die von Seiten der Klägerin geltend gemachten Gegenstände in der Garage eingelagert und aufgrund eines Diebstahls entwendet worden seien. Darüber hinaus liege nach Ansicht der Beklagten kein Einbruchsdiebstahl im Sinne der Versicherungsbedingungen vor. Die Entriegelung des Torblattes sei durch einfaches Aufbiegen erreicht worden. Das Torblatt sei mit relativ geringem Kraftaufwand zu verschieben gewesen. Das Tor müsse lediglich angelehnt und nicht verschlossen worden sein.
Die Werte, welche von Seiten der Klägerin in Bezug auf die gestohlenen Sachen angegeben worden sind, seien ebenfalls zu bestreiten.
Das Gericht hat den Lebensgefährten der Klägerin vernommen und den Sachverständigen (Dipl.-Ing. xxx), welcher im Beweissicherungsverfahren (Landgericht Passau, 4 OH 47/14) ein Gutachten in Bezug auf die streitgegenständliche Garage erstellt hat, persönlich angehört. Im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig und hat sich überwiegend als begründet erwiesen.
1. Einlagerung des Umzugsgutes in die streitgegenständliche Garage:
Die von Seiten der Klägerin in Anlage K 2 aufgelisteten Gegenstände waren aufgrund eines geplanten Umzuges in die streitgegenständliche Garage eingelagert worden. Des Weiteren waren die dort aufgelisteten Gegenstände von einem unbekannten Täter entwendet worden. Der Zeuge xxx beschrieb glaubhaft, dass die in der Anlage aufgelisteten Gegenstände noch am 27.9.2013 eingelagert waren und am 28.9.2013 fehlten. Der Zeuge hatte insoweit eine detaillierte Erinnerung. Zweifel an dem Sachvortrag bestehen nicht.
2. Entwendung der Gegenstände durch einen Einbruchsdiebstahl im Sinne der Versicherungsbedingungen:
In die streitgegenständliche Garage ist auch im Sinne der zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbdingungen „eingebrochen“ worden.
Zutreffend setzt der Begriff „Einbrechen“ voraus, dass „Gewalt“ gegen Gebäudebestandteile ausgeübt wird, um sich Zugang zu den Gebäuden zu verschaffen. Das Vorliegen von „Gewalt“ wird dabei stets dann bejaht, wenn die Substanz eines Gebäudeteils verletzt wurde oder wenn ein Werkzeug verwendet wird, um das dem Zugang zu dem Gebäude entgegenstehende Hindernis zu beseitigen. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen xxx wurde weder die Substanz der streitgegenständlichen Garage beschädigt, noch hat der unbekannte Täter ein Werkzeug verwendet, um sich Zugang zu dem Gebäude zu verschaffen. Der Sachverständige xxx führte überzeugend aus, dass er - mangels Aufbruchspuren - ausschließen kann, dass ein Werkzeug verwendet worden war.
Liegt weder eine Verletzung der Substanz noch eine Verwendung von Werkzeugen vor, setzt die Anwendung von „Gewalt“ voraus, dass eine „nicht unerhebliche körperliche Kraft“ angewendet worden war oder eine „nicht ganz unerhebliche Anstrengung“ oder eine „gewisse körperliche Anstrengung von nicht ganz unerheblicher Art“ unternommen wurde, um das Hindernis zu beseitigen (Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.02.2000, Az.: 5 U 443/99).
Vorliegend kann von einer Gewaltanwendung ausgegangen werden.
Der Sachverständige xxx führte aus, dass der Verschlussriegel (= Schließfalle) an der rechten Seite der Garage defekt war. Die Verriegelung funktionierte nur auf der linken Seite. Durch diesen Defekt kann mittels des Türgriffs bei ordnungsgemäßer Versperrung - wovon das Gericht aufgrund der Aussage des Zeugen xxx ausgeht - die Garage nicht geöffnet werden. Bei ordnungsgemäßer Versperrung ist der Türgriff nicht drehbar und das Garagentor wird durch den linken funktionstüchtigen Verschluss ausreichend gehalten. Eine Öffnung des Türblattes ist aber dennoch möglich. Erforderlich ist, dass das rechte untere Eck, an dem sich der defekte Verschluss befindet, angehoben, das Türblatt verdreht wird und sich dadurch der Riegel auf der linken Seite zurückziehen lässt. Bei einer solchen Vorgehensweise, insbesondere unter Verdrehung des Türblattes, kann von einer nicht unerheblichen körperlichen Kraftentfaltung bzw. einer nicht unerheblichen Anstrengung gesprochen werden. Das Gesamtgepräge des Vorgangs (Anheben/Verdrehen des Türblattes/dadurch Lösen aus der linken Verankerung) stellt sich als Einbruch im Sinne der Versicherungsbedingungen dar.
Der Sachverständige hat auch überzeugend ausgeführt, dass nach dieser Vorgehensweise das Garagentor in die ursprüngliche Lage durch den unbekannten Täter zurückversetzt werden kann. Bei einer ordnungsgemäßen Benutzung (Aufsperren/Drehen am Türgriff) ist der Defekt nicht erkennbar.
3. Schadenshöhe:
Der Zeuge xxx hat überzeugend dargelegt, dass die in der Anlage K 2 aufgelisteten Gegenstände in der Garage vorhanden und durch den Diebstahl entwendet worden waren. Die Anlage K 2 wird somit der Schadensberechnung zugrunde gelegt. Es kann offen bleiben, ob es ausreichend ist, wenn die Beklagte die dort angegebenen Werte mit Nichtwissen bestreitet. Letztlich hat sich herausgestellt, dass der Beklagten ein Anlagenkonvolut hinsichtlich der Rechnungen übersandt worden war (vgl. Schriftsatz vom 01.06.2015 mit Rückreichung dieses Anlagenkonvoluts). Eine substantiierte Klageerwiderung bzgl. der einzelenen Schadenspositionen wäre zu erwarten gewesen.
Da der Zeuge xxx in seiner Vernehmung angegeben hat, dass die Gegenstände ein Jahr bzw. 2 1/2 Jahre, vereinzelt auch drei bis vier Jahre alt gewesen waren, wird hinsichtlich der Positionen Fahrräder und Werkzeug ein Abschlag von 15 %, hinsichtlich der Angelausrüstung ein Abschlag von 20 %, ebenso ein Abschlag von 20 % bezüglich der Rucksäcke mit Inhalt und erneut ein Abschlag von 15 % hinsichtlich der Bekleidungsstücke vorgenommen (§ 287 ZPO).
Dies ergibt insgesamt einen Schadenswert von 4.948,75 Euro, welcher zuzusprechen war. Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Der Zinsbeginn war nicht bestritten worden.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.
Heinrich
Richter am Landgericht
Verkündet am 06.07.2015
In dem Rechtsstreit
Xxx
wegen Forderung
erlässt das Landgericht Passau - 1. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht Dr. Heinrich als Einzelrichter am 17.08.2015 im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze eingereicht werden konnten bis 10.08.2015, folgenden
Beschluss
Das Endurteil des Landgerichts Passau - 1. Zivilkammer - vom 06.07.2015 wird
im Tatbestand wie folgt berichtigt:
„Mit Schriftsatz vom 25.3.2015 beantragte die Klägerin 297,62 € vorgerichtliche nicht anrechenbare Anwaltsgebühren“.
im Tenor wie folgt berichtigt:
„Die Beklagte wird verurteilt weitere 258,17 € an die Klägerin zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
Gründe:
1. Tatbestandsergänzung
Es liegt ein offensichtliches Versehen vor, § 319 ZPO. Der Antrag vom 25.3.2015 wurde in der Verhandlung vom 18.5.2015 ausdrücklich gestellt, letztlich bei der Urteilsabfassung aber übersehen.
2. Ergänzung des Tenors und der Entscheidungsgründe
Das Urteil war hinsichtlich des Nebenantrags gemäß § 321 ZPO zu ergänzen.
a) Der Ergänzungantrag wurde form - und fristgerecht erhoben (§ 321 Abs. 1, 2 ZPO).
b) Die Klägerin beantragt weitere 297,62 vorgerichtliche Anwaltsgebühren zuzusprechen. Die Beklagte beantragt auch insoweit Klageabweisung.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 28.11.2013 die von Seiten der Klägerin geltendgemacht Forderung zurückgewiesen. Die vorgerichtlichen Anwaltsgebühren aus dem zugesprochenen Betrag von 4.948,75 € stehen der Klägerin gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB in Höhe von 258,17 € zu; im Übrigen war der Antrag abzuweisen.