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07.04.2016 · IWW-Abrufnummer 184991

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 18.01.2016 – 1 Sa 17/15

§ 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L, wonach die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten einschlägigen Berufserfahrungszeiten bei der Stufenzuordnung nur bis maximal zur Stufe 3 angerechnet werden, während die beim selben Arbeitgeber zurückgelegten einschlägigen Berufserfahrungszeiten nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L voll berücksichtigt werden, verstößt nicht gegen die Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV .


In der Rechtssache
- Bekl./Berufungskl. -
gegen
- Kläger/Berufungsbeklagter -
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 1. Kammer -
durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter,
den ehrenamtlichen Richter Brucker
und den ehrenamtlichen Richter Ruoff
auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2016
für Recht erkannt:

Tenor:
1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts S. vom 29.07.2015 - 29 Ca 1319/15 - abgeändert:


Die Klage wird abgewiesen.


2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.


3. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die tarifgerechte Stufenzuordnung des Klägers.



Der am 26.11.1956 geborene Kläger ist seit 1. Oktober 2011 bei dem beklagten Land als Schulpsychologe in einer Beratungsstelle tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 29. September 2011 zugrunde. Hiernach gelten für das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sowie sonstige für den öffentlichen Dienst des Landes einschlägige Tarifverträge. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe E 13 eingruppiert. Bei seiner Einstellung wurde der Kläger der Stufe 3 zugeordnet. Bei einer Teilzeittätigkeit von 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit belief sich das Bruttomonatsentgelt des Klägers auf € 2.952,09. Am 1. Oktober 2014 erreichte der Kläger die Stufe 4. Hiernach belief sich sein Bruttoarbeitsentgelt auf € 3.243,97.



Der Kläger ist Diplom-Psychologe. Vom 1. August 1995 bis 15. November 1995 war er an der R-Universität H. zunächst als studentische Hilfskraft und vom 16. November 1995 bis 30. April 1996 als geprüfte wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Gerontologie in einem Forschungsprojekt tätig. Vom 15. Mai 1996 bis 31. August 2000 war der Kläger mit einer Unterbrechung im Jahr 1997 als geprüfte wissenschaftliche Hilfskraft und als wissenschaftlicher Angestellter am Z-Institut in M. beschäftigt. Er war hierbei in die Vergütungsgruppe IIa BAT eingruppiert. Vom 1. September 2000 bis 8. Februar 2002 war der Kläger bei den H. Werkstätten mit einer halben Stelle Mitarbeiter eines Projekts; auch hierbei war er in die Vergütungsgruppe IIa BAT eingruppiert. Zeitweise parallel hierzu war der Kläger Einzelbetreuer eines Menschen mit autistischen Zügen; hierbei war er in die Vergütungsgruppe Vc eingruppiert.



Vom 18. März 2002 bis 31. Dezember 2009 war der Kläger als Psychologe bei der Stiftung Haus L. tätig; hierbei war er in die Vergütungsgruppe 2 AVR Caritas eingruppiert. Vom 1. Januar 2010 bis 30. September 2011 war der Kläger schließlich als Psychologe bei den Werkstätten E/K als Psychologe beschäftigt; hierbei war er in die Entgeltgruppe 13 TVöD-VKA eingruppiert. Wegen der Einzelheiten seiner Tätigkeiten wird auf die vorgelegten Arbeitszeugnisse (Abl. 136 der erstinstanzlichen Akte) verwiesen.



Mit Schreiben vom 4. August 2014 (Abl. 113 der erstinstanzlichen Akte) teilte der Kläger dem Regierungspräsidium S. mit, er habe 16 Jahre Berufserfahrung bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt. Wäre diese einschlägige Berufserfahrung angerechnet worden, hätte er der Stufe 5 zugeordnet werden müssen. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Dezember 2013 - C-514/12 - sei es unzulässig, Zeiten bei anderen Arbeitgebern unberücksichtigt zu lassen. Er sei daher rechtlich seit Beginn seiner Tätigkeit am 1. Oktober 2014 (richtig: 2011) der Stufe 5 zugeordnet. Die Entgeltdifferenz mache er hiermit geltend. Das Regierungspräsidium S. entsprach diesem Anliegen nicht.



Mit seiner am 6. März 2015 eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst die monatlichen Entgeltdifferenzen von Februar 2014 bis Februar 2015 zwischen der Stufe 4 und 5 in Höhe von € 401,03 geltend gemacht. Auf die Mitteilung des beklagten Landes, der Kläger habe erst am 1. Oktober 2014 die Stufe 4 erreicht, hat der Kläger die Klage für den Zeitraum 2014 bis September 2014 dahingehend erweitert, dass die Vergütungsdifferenz zwischen den Stufen 3 und 5 in Höhe von € 692,10 brutto begehrt wird. Der Kläger hat vorgetragen, er verfüge aufgrund der vorherigen Arbeitsverhältnisse über eine einschlägige langjährige Berufserfahrung. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Dezember 2013 sei es unzulässig, die bei anderen Arbeitgebern erworbenen Berufserfahrungszeiten unberücksichtigt zu lassen.



Der Kläger hat beantragt:

1. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 692,10 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.03.2014 zu bezahlen. 2. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 692,10 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.04.2014 zu bezahlen. 3. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 692,10 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.05.2014 zu bezahlen. 4. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 692,10 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.06.2014 zu bezahlen. 5. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 692,10 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.07.2014 zu bezahlen. 6. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 692,10 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.08.2014 zu bezahlen. 7. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 692,10 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.09.2014 zu bezahlen. 8. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 692,10 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.10.2014 zu bezahlen. 9. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 401,03 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.11.2014 zu bezahlen. 10. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 401,03 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.12.2014 zu bezahlen. 11. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 401,03 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.01.2015 zu bezahlen. 12. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 401,03 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.02.2015 zu bezahlen. 13. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 401,03 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.03.2015 zu bezahlen.



Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Es hat vorgetragen, der Kläger sei am 1. Oktober 2011 zutreffend der Stufe 3 zugeordnet worden. Nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L könnten die bei anderen Arbeitgebern erworbenen einschlägigen Berufserfahrungszeiten maximal bis zur Stufe 3 angerechnet werden. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Dezember 2013 stehe dem nicht entgegen. Die Regelung in § 16 Abs. 2 TV-L unterscheide sich grundlegend von den österreichischen Vorschriften, über die der Europäische Gerichtshof befunden habe. Zudem fehle es im vorliegenden Fall am erforderlichen Auslandsbezug. Der Kläger habe seine einschlägige Berufserfahrung nur in Baden-Württemberg erworben.



Der Kläger hat erwidert, entscheidend sei nicht, dass sich die in Rede stehende Regelung auch zum Nachteil der inländischen Arbeitnehmer auswirken könne. Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei außerdem zu entnehmen, dass die beim selben Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer davon abgehalten werden könnten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, wenn ihre Dienstzeiten bei einer eventuellen Rückkehr nur teilweise angerechnet würden.



Mit Urteil vom 29. Juli 2015 hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. In Anlehnung an ein Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. März 2015 hat es ausgeführt, Art. 45 Abs. 2 AEUV verbiete jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Zwar handele es sich im vorliegenden Fall nicht um eine unmittelbare an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Diskriminierung. Die Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L stelle jedoch eine mittelbare Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern dar. Einschlägige Berufserfahrung werde von inländischen Arbeitnehmern mit etwas höherer Wahrscheinlichkeit beim beklagten Land erworben als von Wanderarbeitnehmern.



Die Regelung über die unterschiedlichen Anrechnungen der Berufserfahrungszeiten sei auch nicht durch ein im Vertrag genanntes legitimes Ziel oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Dazu, die Bindung an einen bestimmten Arbeitgeber zu honorieren, sei die Regelung von vornherein nicht geeignet, weil sie nicht die Treue zum beklagten Land, sondern (nur) die einschlägige Berufserfahrung honoriere. Auch andere Gründe könnten die unterschiedliche Behandlung der Berufserfahrungszeiten nicht rechtfertigen. Dass es sich im vorliegenden Fall um eine tarifvertragliche Regelung handele, stehe nicht entgegen.



Gegen das ihm am 10. August 2015 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 2. September 2015 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 10. November 2015 begründet. Das beklagte Land trägt vor, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs habe einen österreichischen Rechtsstreit betroffen. Die Entscheidung sei nicht auf § 16 Abs. 2 TV-L übertragbar. Bereits der Anwendungsbereich des Unionsrechts sei nicht eröffnet, weil sich der Kläger nicht auf den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen könne. Es handele sich um eine rein innerstaatliche Fallkonstellation, weil der Kläger nur in Baden-Württemberg tätig gewesen sei. Zudem führe § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern. Die vom Arbeitsgericht vertretene Rechtsauffassung zu Ende gedacht führe dazu, dass eine unzulässige mittelbare Diskriminierung schon dann vorliege, wenn die Regelung nur einen einzigen inländischen Arbeitnehmer privilegiere oder einen einzigen Wanderarbeitnehmer benachteilige. Jedenfalls liege ein legitimes Interesse an der unterschiedlichen Behandlung bei der Stufenzuordnung vor. Anders als im Fall des Europäischen Gerichtshofs komme es nach § 16 Abs. 2 TV-L nicht auf die Vordienstzeit, sondern auf die Zeiten einer einschlägigen Berufserfahrung an. Ausschließlich die beim selben Arbeitgeber zurückgelegten Zeiten würden vollständig berücksichtigt. Die Tarifregelung in § 16 Abs. 2 TV-L sei objektiv gerechtfertigt und stehe auch in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel. Es sei allgemein bekannt, dass die Einstiegsgehälter im öffentlichen Dienst nicht sehr hoch seien. Die Tarifvertragsparteien hätten Anreize dafür schaffen wollen, auch jüngere Personen für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zu gewinnen. Ohne eine solche Regelung bestehe die Gefahr, dass jüngere Arbeitnehmer zunächst bei anderen Arbeitgebern arbeiteten, um erst später zum Land zu wechseln, wenn das dortige Gehalt interessanter geworden sei. Wenn die von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung beanstandet werde, sei dies ein gravierender Eingriff in die Tarifautonomie.



Das beklagte Land beantragt:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2015 - 29 Ca 1319/15 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.



Er trägt vor, die vom beklagten Land vorgebrachten Argumente könnten das Urteil des Arbeitsgerichts nicht erschüttern. Es sei unerheblich, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs die Anrechnung von Dienstzeiten betreffe, während es im vorliegenden Fall um Berufserfahrungszeiten gehe. In beiden Fällen wären ausländische Arbeitnehmer mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit betroffen als inländische Arbeitnehmer. Es fehle im vorliegenden Fall auch nicht an einem grenzüberschreitenden Element. Es komme nicht darauf an, dass der Kläger persönlich grenzüberschreitend tätig geworden sei. Im Übrigen liege ein Eingriff in die Arbeitnehmerfreizügigkeit bereits dann vor, wenn im Ausland erworbene Dienstzeiten bei einer Rückkehr zum beklagten Land keine volle Berücksichtigung fänden.



Der Eingriff in die Arbeitnehmerfreizügigkeit sei auch nicht gerechtfertigt. Die Regelung in § 16 Abs. 2 TV-L sei kein geeignetes Mittel, die Bindung von Arbeitnehmern, weil nicht die Treue zum beklagten Land, sondern die einschlägige Berufserfahrung honoriert werde. Die Regelung sei auch nicht geeignet, Anreize für jüngere Beschäftigte zu schaffen. Jüngere Beschäftigte hätten zu Beginn ihrer Karriere gerade keine einschlägige Berufserfahrung.



Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.



Entscheidungsgründe



I.



Die Berufung des beklagten Landes ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Gegenstand der Berufung sind wie in der ersten Instanz die Vergütungsdifferenzen zwischen den Stufen 3 bzw. 4 und 5 für den Zeitraum von Februar 2014 bis Februar 2015.



II.



Die Berufung des beklagten Landes ist auch begründet. Die Kammer kann sich nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts anschließen, dass die tarifliche Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L gegen die in Art. 45 AEUV verankerte Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit verstößt.



1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrags vom 29. September 2011 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Nach § 15 Abs. 1 TV-L erhält der Beschäftigte monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in der der Beschäftigte eingruppiert ist, und nach der für ihn geltenden Stufe.



a) Die Stufenzuordnung ist in § 16 TV-L geregelt. Nach § 16 Abs. 1 TV-L umfasst die hier maßgebliche Entgeltgruppe 13 fünf Stufen. Welcher Stufe der Beschäftigte bei der Einstellung zuzuordnen ist, ergibt sich aus § 16 Abs. 2 TV-L. Nach Satz 1 der Vorschrift werden Beschäftigte der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Nach Satz 2 erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis, wenn der Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber verfügt. Der Begriff des "vorherigen Arbeitsverhältnisses" im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L ist von den Tarifvertragsparteien definiert worden. Es besteht, wenn zwischen dem Ende des vorigen und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von längstens sechs Monaten liegt; bei Wissenschaftlern/innen ab der Entgeltgruppe 13 verlängert sich der Zeitraum auf längstens zwölf Monate.



Nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L wird der Beschäftigte bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren der Stufe 3 zugeordnet, wenn die einschlägige Berufserfahrung in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben wurde. Nach Satz 4 kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist. Schließlich kann der Arbeitgeber nach dem mit Wirkung vom 1. Januar 2008 eingefügten Absatz 2a des § 16 TV-L bei der Einstellung von Beschäftigten im unmittelbaren Anschluss an ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst die beim vorherigen Arbeitgeber erworbene Stufe bei der Stufenzuordnung ganz oder teilweise berücksichtigen.



b) Aus der dargestellten tariflichen Regelung ergibt sich, dass § 16 Abs. 2 TV-L - anders als § 16 Abs. 2 TVöD/VKA und § 16 Abs. 3 TVöD/Bund, aber Übereinstimmung mit § 16 Abs. 2 TVöD/Bund - für die Stufenzuordnung danach unterscheidet, bei welchem Arbeitgeber die einschlägige Berufserfahrung erworben wurde. Hat der Beschäftigte die einschlägige Berufserfahrung in einem vorherigen Arbeitsverhältnis (im Sinne der Protokollerklärung Nr. 3) bei demselben Arbeitgeber erworben, werden die Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung uneingeschränkt angerechnet. Hat er hingegen die einschlägige Berufserfahrung in einem Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber erworben, erfolgt eine Zuordnung maximal in die Stufe 3.



2. Der Kläger wäre bei seiner Einstellung am 1. Oktober 2011 der Stufe 5 zugeordnet worden, wenn er seine Berufserfahrung in einem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land erworben hätte.



a) Der Begriff der einschlägigen Berufserfahrung wird in der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 definiert. Danach ist eine einschlägige Berufserfahrung eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 AP TVöD § 16 Nr. 2 Bd. Nr. 23; BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 964/11 - AP TV-L § 16 Nr. 4 Rn 20; BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - AP TV-L § 16 Nr. 5 Rn 45) ist die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L dahingehend zu verstehen, dass eine erworbene Berufserfahrung bei der Einstellung nur dann zu berücksichtigen ist, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird oder zumindest gleichartig war. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Beschäftigte die Berufserfahrung in einer Tätigkeit erlangt hat, die in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit der Tätigkeit entspricht, die er nach seiner Einstellung auszuüben hat.



b) Nach diesem rechtlichen Maßstab sind die Berufserfahrungszeiten, die der Kläger in den Arbeitsverhältnissen mit den H. Werkstätten für Behinderte vom 1. September 2000 bis 8. Februar 2002, mit der Stiftung Haus L. vom 18. März 2002 bis 31. Dezember 2007 und mit der Werkstätten E/K GmbH vom 1. Januar 2010 bis 30. September 2011 zurückgelegt hat, als einschlägig im Sinne des Tarifrechts zu betrachten. Etwas anderes gilt hingegen für die zeitlich früheren Arbeitsverhältnisse mit dem Z-Institut und der R-Universität H..



Für die drei jüngeren Arbeitsverhältnisse ist prägend, dass der Kläger als Diplom-Psychologe beratend, anleitend und überwachend tätig war. Darüber hinaus wirkte er bei der Erstellung und Durchführung von Konzeptionen und Präsentationen mit. Im Wesentlichen gleichartig ist die Tätigkeit des Klägers als Schulpsychologe. Auch wenn er seine Tätigkeit schriftsätzlich nicht näher erläutert hat, so hat sich in der Berufungsverhandlung ergeben, dass der Kläger sein früher erworbenes Wissen und Können in seiner jetzigen Tätigkeit unverändert einsetzen kann. Dieses Wissen und Können ist auch in der jetzigen Tätigkeit erforderlich.



Darüber hinaus ist auch die weitere Voraussetzung erfüllt, dass sich die früheren Tätigkeiten und die jetzige Tätigkeit in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit entsprechen. Ausweislich der in der Berufungsverhandlung vorgelegten Auflistung war der Kläger bei den H. Werkstätten in die Vergütungsgruppe IIa eingruppiert. Diese entspricht der Entgeltgruppe 13 TV-L. Während des Arbeitsverhältnisses bei der Stiftung Haus L. war der Kläger in die Vergütungsgruppe 2 der AVR Caritas eingruppiert. Auch diese entspricht der Entgeltgruppe 13 TV-L. Schließlich war der Kläger während des Arbeitsverhältnisses bei der Werkstätten E/K GmbH in die Entgeltgruppe 13 TVöD/VKA eingruppiert. Auch diese entspricht der Entgeltgruppe 13 TV-L.



Zuletzt erfüllte der Kläger auch die weitere Voraussetzung, dass zwischen den aufgeführten Arbeitsverhältnissen keine Unterbrechung von mehr als sechs Monaten lag. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 1088/12 - AP TV-L § 16 Nr. 8 Rn 24) ist die Regelung über die unschädliche Unterbrechungsdauer nach der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L aus Gründen der Gleichbehandlung der beim selben Arbeitgeber und bei anderen Arbeitgebern tätigen Personengruppen auch auf den Satz 3 von § 16 Abs. 2 TV-L anzuwenden. Nach Auffassung der TdL (Durchführungshinweise unter Ziff. 16.2.3.3) soll die Gleichbehandlung der beiden Personengruppen hingegen - umgekehrt - dadurch erreicht werden, dass Zeiten beim selben Arbeitgeber, deren Berücksichtigung allein wegen der Dauer der schädlichen Unterbrechung ausgeschlossen ist, nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L, also maximal bis zur Stufe 3, angerechnet werden. Selbst wenn man der für die Arbeitnehmer ungünstigeren Auffassung des Bundesarbeitsgerichts folgt, so wäre im vorliegenden Fall eine uneingeschränkte Anrechnung vorzunehmen, weil zwischen den Arbeitsverhältnissen des Klägers seit 1. September 2000 keine Unterbrechung von mehr als sechs Monaten lag.



Die Beschäftigungszeiten des Klägers in den zeitlich früheren Arbeitsverhältnissen mit dem Z-Institut und der R-Universität H. können hingegen nicht als einschlägige Berufserfahrungszeiten angerechnet werden. Denn in diesen Arbeitsverhältnissen erbrachte der Kläger hauptsächlich wissenschaftliche Dienstleistungen. Insgesamt verfügte der Kläger somit vor Aufnahme der Beschäftigung bei dem beklagten Land über eine einschlägige Berufserfahrung von 10 Jahren, 11 Monaten und 20 Tagen. Damit hätte er die nach § 16 Abs. 3 TV-L erforderliche Zeit von 10 Jahren für die Zuordnung zur Stufe 5 bei Beginn des Arbeitsverhältnisses mit dem beklagten Land am 1. Oktober 2011 überschritten.



3. Die Unterscheidung in § 16 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 TV-L zwischen Arbeitnehmern, die ihre einschlägige Berufserfahrung in einem Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber (ohne schädliche Unterbrechung) erworben haben, und den Arbeitnehmern, die ihre Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber erworben haben, verstößt nicht gegen Art. 45 AEUV.



a) Art. 45 Abs. 1 AEUV gewährleistet die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union. Art. 45 Abs. 2 AEUV verbietet jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Die Vorschrift soll eine Abschottung der Arbeitsmärkte verhindern (EuGH 30. September 2003 - C-224/01 - NJW 2003, 597 Rn 86). Eine entsprechende Regelung enthält Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/211. Diese Regelung stellt nur eine besondere Ausprägung des in Art. 45 Abs. 2 AEUV enthaltenen Diskriminierungsverbots auf dem speziellen Gebiet der Beschäftigungsbedingungen und der Arbeit dar (EuGH 5. Dezember 2013 - C-514/12 - NZA 2014, 204 Rn 22).



b) Der Anwendungsbereich des Art. 45 Abs. 2 AEUV ist im vorliegenden Fall nicht eröffnet. Denn es fehlt am erforderlichen Auslandsbezug des Sachverhalts.



aa) Der Kläger ist Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift. Im vorliegenden Fall geht es um eine - nach dem Vorbringen des Klägers - auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer in Bezug auf die Entlohnung. Der Kläger ist auch nicht nach Art. 45 Abs. 4 AEUV von der Gewährleistung der Freizügigkeit ausgenommen. Nach dieser Vorschrift findet Art. 45 AEUV keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Diese Bestimmung ist so auszulegen, dass sich ihre Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Belange des Staates unbedingt erforderlich ist. Der Begriff der öffentlichen Verwaltung betrifft diejenigen Stellen, die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung von Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind (EuGH 10. September 2014 - C-270/13 - NVwZ 2014, 1508 Rn 43 und 44; ErfK/Wißmann 16. Aufl. Art. 45 AEUV Rn. 52; Streinz/Franzen EUV/AEUV 2. Aufl. Art. 45 Rn. 148)). Zu diesem Personenkreis zählt der Kläger als Schulpsychologe ersichtlich nicht.



bb) Art. 45 AEUV erfasst aber nur Fälle, die einen relevanten Auslandsbezug aufweisen. Die Bestimmungen über die Freizügigkeit können nicht auf Sachverhalte angewandt werden, die keine Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Unionsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedsstaats hinausweisen (EuGH 15. November 2011 - C-256/11 - NVwZ 2012, Rn 60). Hierbei genügt die rein hypothetische Aussicht, das Recht auf Freizügigkeit auszuüben, nicht, um einen Bezug zum Unionsrecht herzustellen, der eng genug wäre, um die Anwendung der Unionsbestimmung zu rechtfertigen (EuGH 8. November 2011 - C-40/11 - NVwZ 2013, 397 Rn 77).



cc) Nach diesen Begriffsbestimmungen fehlt es im vorliegenden Fall bereits am erforderlichen Auslandsbezug (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 06.10.2015 - 7 Sa 773/15 Rn. 30 ff; LAG Berlin-Brandenburg 08.10.2015 - 5 Sa 660 und 668/15 Rn. 68 ff). Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt in seiner beruflichen Laufbahn in einem Mitgliedsstaat der Union tätig. Seine gesamte Berufserfahrung hat er in der Bundesrepublik Deutschland erworben. Soweit sich der Kläger darauf beruft, der Europäische Gerichtshof sehe in seinem Urteil vom 5. Dezember 2013 (C-514/12 - NZA 2014, 204) bereits bei möglicherweise grenzüberschreitenden Konstellationen den Anwendungsbereich des Art. 45 AEUV als eröffnet an, folgt die Kammer dieser Interpretation des Urteils nicht. Es trifft zwar zu, dass der Gerichtshof in Rn. 26 des Urteils ausgeführt hat, mittelbar diskriminierend seien auch solche Vorschriften anzusehen, die sich ihrem Wesen nach stärker auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken könnten. Es trifft weiter zu, dass der Gerichtshof unter Rn. 33 des Urteils ausgeführt hat, die Möglichkeit, sich auf eine so grundlegende Freiheit wie die Freizügigkeit zu berufen, könne nicht durch Überlegungen rein subjektiver Art eingeschränkt werden.



Diese Ausführungen hat der Gerichtshof aber im Zusammenhang mit der anders gelagerten Frage getätigt, ob die fraglichen Bestimmungen des § 54 L-VBG eine mittelbare Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern beinhalten. Im Entscheidungsfall vom 5. Dezember 2013 musste der Gerichtshof den Auslandsbezug nicht im Einzelnen prüfen, weil klagende Partei nicht ein individueller Arbeitnehmer, sondern ein kollektiv-rechtliches Organ (ein Zentralbetriebsrat nach österreichischem Recht) war, das aufgrund des nationalen Rechts parteifähig war. Mit der hier zu prüfenden Frage, ob im konkreten Fall einer Individualklage der erforderliche Auslandsbezug vorliegt, musste sich der Gerichtshof daher nicht befassen. Er konnte die Vorlagefrage des Landesgerichts Salzburg abstrakt beantworten, ohne konkret auf die Frage einzugehen, ob einer der in Rn. 10 aufgeführten 340 Arbeitnehmer aus einem anderen Mitgliedsstaat dort berufliche Erfahrungen erworben hatte. Dies unterstellte der Gerichtshof in Rn. 28 seines Urteils als "sehr wahrscheinlich".



dd) Mit der hier vertretenen Auffassung sieht sich die Kammer in Übereinstimmung mit dem unionsrechtlichen Schrifttum. Hiernach können die Freizügigkeitsregeln des AEUV nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte angewandt werden (Streinz EUV/AEUV 2. Aufl. Art. 45 Rn 33; ErfK/Wißmann 16. Aufl., Art. 45 Rn 14; Grabitz/Forsthoff, Art. 45 AEUV Rn 55). Hierbei mag es zutreffen, dass der Europäische Gerichtshof an das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts relativ geringe Anforderungen stellt. Nicht ausreichen kann jedoch die rein hypothetische Möglichkeit, irgendwann einmal Beschäftigungszeiten in einem anderen Mitgliedsstaat der Union zurückzulegen. Entscheidungserheblich ist im vorliegenden Fall, ob die im Inland erworbenen Berufserfahrungszeiten bei der Einstellung des Klägers beim beklagten Land am 1. Oktober 2011 hätten in vollem Umfang berücksichtigt werden müssen. Dass sich die Frage der Anrechnung erneut stellen könnte, falls der Kläger beim beklagten Land ausscheiden, eine Tätigkeit in einem Mitgliedsstaat der Union aufnehmen und anschließend zum beklagten Land zurückkehren könnte, ist zwar denkbar, hat aber für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung.



c) § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L bewirkt keine Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern. Anders als in den bisher vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fällen hat die Bestimmung weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteiligung von Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedsstaaten zur Folge.



aa) Der Gerichtshof hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Entgeltsystemen befasst, die eine Benachteiligung für Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedsstaaten bewirken (zusammenfassend Resch ZESAR 2014, 155). In der Rechtssache Scholz (EuGH 23. Februar 1994 - C-419/92) ging es um die Anerkennung von in einem anderen Mitgliedsstaat zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Ein solcher Sachverhalt lag auch dem Urteil in der Rechtssache Kommission / Griechenland (EuGH 12. März 1998 - C-187/96) zugrunde. Das Urteil in der Rechtssache Schöning-Kougebetopoulou (EuGH 15. Januar 1998 - C-15/96) betraf die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten aus einem anderen Mitgliedsstaat beim Zeitaufstieg nach dem Bundesangestelltentarifvertrag. Im Urteil des Gerichtshofs vom 30. September 2003 (C-224/01) ging es um die Gewährung einer besonderen Dienstalterszulage für Universitätsprofessoren, die nur für im Inland erworbene Dienstalterszeiten gewährt wurde. Schließlich entschied der Gerichtshof mit Urteil vom 26. Oktober 2006 (C-371/04) in der Rechtssache Kommission / Italienische Republik erneut über die Anrechnung von Beschäftigungszeiten aus einem anderen Mitgliedsstaat.



bb) Art. 45 Abs. 2 AEÜV verbietet nicht nur eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle mittelbaren Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen (EuGH 12. März 1998 - C-198/96 Rn 18; EuGH 5. Dezember 2013 - C-514/12 Rn 25). Hierbei ist eine Vorschrift bereits dann als mittelbar diskriminierend anzusehen, falls sie sich ihrem Wesen nach stärker auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt. Stellt eine nationale Regelung auf den Erwerb von Beschäftigungszeiten im Inland ab, so wirkt sie sich stärker auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer aus, weil Wanderarbeitnehmer sehr wahrscheinlich ihre Berufserfahrung in einem anderen Mitgliedsstaat erworben haben. Die Gewährleistung der Freizügigkeit ist darüber hinaus dann berührt, wenn nationale Bestimmungen einen Arbeitnehmer davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen.



cc) Nach diesem rechtlichen Prüfungsmaßstab bewirkt § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteiligung von Wanderarbeitnehmern. Eine unmittelbare Benachteiligung bewirkt die Vorschrift schon deswegen nicht, weil sie nicht auf im Inland erworbene Berufserfahrungszeiten abstellt. Ebenso wenig hat sie aber eine mittelbare Benachteiligung von Wanderarbeitnehmern zur Folge.



(1) Anders als in den bisher vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fällen unterscheidet § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 TV-L nicht - mittelbar - zwischen den beiden Personengruppen der inländischen und ausländischen Arbeitnehmer, sondern zwischen den Arbeitnehmern, die - von einer sechs- bzw. zwölfmonatigen Unterbrechungszeit abgesehen - "arbeitgebertreu" einschlägige Berufserfahrungen erworben haben, und allen sonstigen Arbeitnehmern, die bei anderen Arbeitgebern tätig waren. Bei den "sonstigen Arbeitnehmern" kann es sich um inländische und ausländische Arbeitnehmer, um Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft und sogar um solche Arbeitnehmer handeln, die dem Tarifwerk des TV-L unterliegen. Bevorzugt werden ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, die die einschlägige Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber erworben haben.



Aber selbst diese Arbeitnehmer erfahren eine Benachteiligung, wenn sie ihre Beschäftigung beim selben Arbeitnehmer für die Dauer von mehr als sechs bzw. zwölf Monaten unterbrochen haben. Liegt eine schädliche Unterbrechung im Sinne der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L vor, so fallen die beim selben Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer auf den Status der "sonstigen Arbeitnehmer" zurück. Sie erfahren eine Benachteiligung, weil sie das Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber für einen Zeitraum von mehr als sechs bzw. zwölf Monaten unterbrochen haben. Folgt man der unter 2b dargestellten Rechtsauffassung der TdL, so kann die beim selben Arbeitgeber erworbene Berufserfahrung maximal bis zur Stufe 3 angerechnet werden.



(2) Bei dieser Sachlage kann nicht der Schluss gezogen werden, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L benachteilige Wanderarbeitnehmer besonders. Der Kreis der Wanderarbeitnehmer zählt zwar zum Kreis derjenigen Arbeitnehmer, die ihre Berufserfahrung regelmäßig bei anderen Arbeitnehmern erworben haben. Zu diesem Kreis zählen aber auch zahllose inländische Arbeitnehmer und wie dargestellt auch solche Arbeitnehmer, die nach einer schädlichen Unterbrechungszeit zum selben Arbeitgeber zurückkehren. Damit liegt zwar eine unmittelbare Diskriminierung der von § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L erfassten "sonstigen Arbeitnehmer" vor, die einer Rechtfertigung nach Art. 3 Abs. 1 GG bedarf (dazu unten 4.). Hingegen fehlt es an einer mittelbaren Diskriminierung der Wanderarbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt der Arbeitnehmerfreizügigkeit.



d) Selbst wenn man im Streitfall eine mittelbare Diskriminierung von Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedsstaaten durch § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L annähme, verstieße die Vorschrift nicht gegen die Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Denn in diesem Fall wäre die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.



aa) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nur dann gerechtfertigt, wenn mit ihr eines der in Art. 45 Abs. 3 AEUV genannten legitimen Ziele verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Darüber hinaus muss in einem derartigen Fall ihre Anwendung geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (EuGH 5. Dezember 2013 - C-514/12 - aaO Rn 36; EuGH 18. Dezember 2014 - C-523/13 - NZA 2015, 91 Rn 38; ausführlich hierzu Grabitz/Forsthoff Art. 45 AEUV Rn 371 ff.).



Der Gerichtshof hat eine Vielzahl von Schutzanliegen als Gründe anerkannt, die eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit rechtfertigen können. Hierzu zählt etwa das Anliegen, die Treue zum Arbeitgeber zu fördern (EuGH 15. Januar 1998 - C-15/96 - aaO Rn 26; EuGH 5. Dezember 2013 - C-514/12 - aaO Rn 37). Nicht anerkannt als Schutzanliegen hat der Gerichtshof hingegen wirtschaftliche Gründe und administrative Erfordernisse.



bb) Nach diesem rechtlichen Maßstab dient § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 TV-L dem berechtigten Schutzanliegen des Arbeitgebers, die Betriebstreue der Arbeitnehmer zu fördern. Die Regelung ist auch erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen, und geht auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist.



(1) Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L stellt - anders als im Entscheidungsfall des Gerichtshofs vom 5. Dezember 2013 - darauf ab, dass die Arbeitnehmer ihre einschlägige Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber erworben haben. Die Vergünstigung der vollen Anrechnung der Berufserfahrungszeiten erhalten somit ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, die beim selben Arbeitgeber verbleiben. Damit werden - wie bereits oben ausgeführt - nicht nur diejenigen Arbeitnehmer benachteiligt, die ihre Berufserfahrung in der Privatwirtschaft erworben haben. Benachteiligt werden auch solche Arbeitnehmer, die bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes einschlägige Berufserfahrungszeiten zurückgelegt haben, und zwar selbst dann, wenn diese Arbeitgeber den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder angewandt haben.



Anders als im Entscheidungsfall des Gerichtshofs vom 5. Dezember 2013 will die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 TV-L somit nicht die Mobilität der Arbeitnehmer zwischen einer Vielzahl potentieller Arbeitgeber gewährleisten, sondern ausschließlich die Treue des Arbeitnehmers gegenüber demselben Arbeitgeber honorieren. Hätte der Kläger beispielsweise seine Berufserfahrung als Schulpsychologe in der Schulverwaltung des Landes Bayern erworben, so würde dies nicht zu einer Anrechnung seiner Berufserfahrungszeiten im vorliegenden Arbeitsverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg führen. Eine Anrechnung dieser Zeiten käme nur unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L (Förderlichkeit) und § 16 Abs. 2a TV-L (unmittelbarer Anschluss) in Betracht, wobei hier die Anrechnung im Ermessen des Arbeitgebers steht.



(2) Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L benachteiligt darüber hinaus, wie bereits unter c) ausgeführt, sogar diejenigen Arbeitnehmer, die sich zunächst arbeitgebertreu verhalten haben, jedoch sodann für einen Zeitraum von mehr als sechs bzw. zwölf Monaten aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Im Falle einer derartigen schädlichen Unterbrechung gehen die Tarifvertragsparteien im Rahmen einer typisierenden Betrachtung davon aus, dass die Arbeitnehmer die Verbindung zum Arbeitgeber "gekappt" haben. In diesem Fall wird die früher beim selben Arbeitgeber erworbene Berufserfahrung - folgt man der Rechtsauffassung der TdL - so behandelt, als sei sie bei einem anderen Arbeitgeber erworben worden. Auch in diesem Fall folgt eine Stufenzuordnung maximal in die Stufe 3. Gerade die Regelung in der Protokollerklärung Nr. 3 zur schädlichen Unterbrechung bringt augenfällig zum Ausdruck, dass § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L - anders als in den Entscheidungsfällen des Gerichtshofs vom 15. Januar 1998 und 5. Dezember 2013 - nicht auf eine Beschäftigung des Arbeitnehmers bei einem der zahlreichen öffentlichen Arbeitgeber abstellt, sondern ausschließlich auf die allenfalls zeitlich geringfügig unterbrochene Treue zum selben Arbeitgeber.



cc) Die Förderung der Betriebstreue stellt im vorliegenden Fall auch ein berechtigtes Schutzanliegen dar. Dies ergibt sich aus der Eigenart des Entgeltsystems des Tarifwerks TV-L. Anders als nach zahlreichen Tarifwerken der Privatwirtschaft bemisst sich das Entgelt der Beschäftigten im Geltungsbereich des TV-L einerseits nach der Entgeltgruppe und andererseits nach der für den Beschäftigten geltenden Stufe. Hierbei ist die Spanne zwischen der niedrigsten und der höchsten Stufe beträchtlich. So beläuft sich das Entgelt in der Entgeltgruppe 13 Stufe 1 auf 3.517,36 € und in der Stufe 5 auf 5.076,23 € (jeweils im Jahr 2016).



Dieses Entgeltsystem könnte bei uneingeschränkter Anrechnung einschlägiger Berufserfahrungszeiten, die bei anderen Arbeitgebern erworben wurden, den Anreiz dafür bieten, erst nach längeren Berufsjahren in der Privatwirtschaft in ein Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land zu wechseln, um dort die nunmehr attraktiv gewordene Vergütung und gleichzeitig die gerade für ältere Arbeitnehmer interessante höhere Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Dienst zu nutzen. Im Interesse eines ausgewogenen Altersaufbaus hat das beklagte Land ein berechtigtes Interesse daran, dass die Beschäftigten bereits in jungen Jahren beim beklagten Land eintreten und die anfangs im Verhältnis zum Endgehalt niedrigeren Vergütungen in Kauf nehmen. Hierdurch wird zugleich ein ausgewogenes Entgeltgefüge erreicht, weil sich die Beschäftigten aus schlechter und besser bezahlten Gruppen zusammensetzen.



Wie das beklagte Land zutreffend darauf hinweist, wird dieses Entgeltsystem ergänzt durch die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L. Hiernach kann der Arbeitgeber Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise auf die Stufenzuordnung anrechnen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist. Hierdurch wird der Arbeitgeber in die Lage versetzt, durch das Angebot eines höheren Entgelts gezielt das Personal zu gewinnen, an dem er ein besonderes Interesse hat. Hat der Arbeitgeber ein solches Interesse hingegen nicht, so ist er nicht gezwungen, die arbeitgebertreuen Arbeitnehmer mit den "sonstigen Arbeitnehmern" gleich zu behandeln.



dd) Die Regelung ist auch geeignet, um eine Bindung der Arbeitnehmer an denselben Arbeitgeber zu gewährleisten. Der gegenteiligen Auffassung des Klägers und des Arbeitsgerichts kann sich die Kammer nicht anschließen. Das Arbeitsgericht hat im Anschluss an das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. März 2015 (60 Ca 4638/14 Rn 39) ausgeführt, die Vorschrift honoriere nicht die Treue beim selben Arbeitgeber, sondern (nur) die einschlägige Berufserfahrung. Dieses Verständnis trifft nicht zu. Die Regelung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nicht nur einschlägige Berufserfahrungen erworben hat, sondern auch seine Dienstzeit beim selben Arbeitgeber verbracht hat. Hierfür genügt es nicht, dass der Arbeitnehmer die Verwaltungsstrukturen kennengelernt hat (was in der Tat innerhalb kurzer Zeit möglich wäre), sondern dass er wie oben ausgeführt, eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit erworben hat. Grundvoraussetzung bleibt hierbei stets, dass die Berufserfahrung beim selben Arbeitnehmer erworben wurde. Daher setzt die Regelung einen Anreiz, im Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber zu verbleiben.



ee) Die Regelung ist auch erforderlich, um das Schutzanliegen, die Betriebstreue zu fördern, zu verwirklichen. Ein anderes, für die Arbeitnehmer weniger belastendes Mittel zur Verwirklichung des Zwecks ist nicht ersichtlich. Das Entgelt der Beschäftigten im Geltungsbereich des TV-L ist strukturell so aufgebaut, dass es sich einerseits nach der Entgeltgruppe und andererseits nach der für den Beschäftigten geltenden Stufe bemisst. Wenn Vorteile bei der Entgeltbemessung zugunsten der arbeitgebertreuen Arbeitnehmer geschaffen werden sollen, so stellt die Stufenzuordnung das maßgebende Steuerungsinstrument dar.



ff) Die Regelung geht auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Die Tarifvertragsparteien haben ein differenziertes System geschaffen, das verhältnismäßig im engeren Sinn ist. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:



Die bei anderen Arbeitgebern erworbenen Berufserfahrungszeiten bleiben nicht völlig unberücksichtigt, sondern werden bis zur Stufe 3 angerechnet. Bezogen auf die Entgeltgruppe 13 bedeutet dies, dass ein Beschäftigter mit Berufserfahrungszeiten aus anderen Arbeitsverhältnissen nicht etwa nur das Entgelt nach der Stufe 1, also 3.517,36 € (2016), sondern nach der Stufe 3, also 4.112,35 € erhält. Das sind gut 40 % der Entgeltdifferenz zwischen Stufe 1 und der Stufe 5. Außerdem kann der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L und § 16 Abs. 2a TV-L unter den dort genannten Voraussetzungen ganz oder teilweise anrechnen. Hierbei handelt es sich zwar um eine Ermessensentscheidung des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat aber Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung (anders wohl Breier/Dassau TV-L § 16 Rn. 44: freies Ermessen).



Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn darf darüber hinaus nicht außer Acht gelassen werden, dass die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L auf einer Vereinbarung der Tarifvertragsparteien beruht. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit der Überleitung der Beschäftigten in den TVöD entschieden, aus der Tatsache, dass es den Sozialpartnern überlassen sei, einen Ausgleich zwischen ihren jeweiligen Interessen festzulegen, ergebe sich eine nicht unerhebliche Flexibilität, da jede der Parteien ggf. die Vereinbarungen kündigen könne (EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - NZA 2011, 1100 Rn 92 [EuGH 08.09.2011 - C 297/10] ; ferner BAG 20. Mai 2010 - 6 AZR 148/09 AP BAT § 27 Nr. 9 Rn. 31). Im konkreten Fall hat der Gerichtshof die Besitzstandswahrung bei der Überleitung der Beschäftigten vom BAT in den TVöD als legitimes Ziel angesehen, das die Tarifvertragsparteien verfolgen durften. Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Tarifvertragsparteien es ebenfalls als legitimes Ziel ansehen durften, den Erwerb von einschlägigen Berufserfahrungszeiten beim selben Arbeitgeber besonders zu honorieren, während dies bei dem Erwerb gleichartiger Zeiten bei anderen Arbeitgebern nach einem differenzierten System nur in einem geringeren Umfang der Fall ist.



4. Die Unterscheidung in § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 TV-L zwischen Arbeitnehmern, die ihre einschlägige Berufserfahrung in einem Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber (ohne schädliche Unterbrechung) erworben haben, und den Arbeitnehmern, die ihre Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber erworben haben, verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.



a) Mit Urteil vom 23. September 2010 (6 AZR 180/09 - AP TV-L § 16 Nr. 2 Rn 18) hat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass durch die angeführte Differenzierung zwischen den beiden Arbeitnehmergruppen das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt werde. Das Bundesarbeitsgericht hat hervorgehoben, dass die Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L den Besitzstand der bereits zuvor im öffentlichen Dienst beim selben Arbeitgeber Beschäftigten schützen wolle. Die Tarifvertragsparteien hätten im TV-L und TVÜ-L ein höchst differenziertes Konzept zur Wahrung von Besitzständen vereinbart. Sie hätten damit gezeigt, welchen Besitzstand sie unter welchen Voraussetzungen in welchem Umfang als schützenswert ansähen. Bei typisierender Betrachtung hätten die Tarifvertragsparteien annehmen dürfen, dass zwischen den beiden Beschäftigtengruppen Unterschiede vorlägen, die die unterschiedliche Berücksichtigung der erworbenen Berufserfahrung rechtfertigten. Sie hätten davon ausgehen dürfen, dass in der weit überwiegenden Mehrzahl von Fällen eine nicht länger als sechs bzw. zwölf Monate zurückliegende Tätigkeit beim selben Arbeitgeber den Beschäftigten befähige, nach seiner Wiedereinstellung die im vorherigen Arbeitsverhältnis erworbene Berufserfahrung schneller in vollem Umfang im neuen Arbeitsverhältnis einzusetzen, als dies einem Arbeitnehmer möglich sei, der seine Berufserfahrung in den andersartigen Strukturen bei anderen Arbeitgebern erworben habe. Außerdem hätten die Tarifvertragsparteien einen Anreiz zur Rückkehr solcher Beschäftigten in den öffentlichen Dienst schaffen dürfen, die bereits einschlägige Berufserfahrung beim selben öffentlichen Arbeitgeber erworben hätten.



b) Die Kammer schließt sich dieser Rechtsauffassung an, soweit das Bundesarbeitsgericht tragend auf den Gesichtspunkt der Betriebstreue abgestellt hat. Hierbei ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die sachlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und den Regelungsfolgen zukommt. Zwar ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ein fundamentales Rechtsprinzip, das auch der Normsetzungsautonomie der Tarifvertragsparteien Grenzen setzt (BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - AP TzBfG § 14 Nr. 64 Rn 31). Die Tarifvertragsparteien sind aber nicht dazu verpflichtet, die jeweils gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - NZA 2015, 1388 Rn 32). In diesem Zusammenhang durften die Tarifvertragsparteien jedenfalls deswegen zwischen den arbeitgebertreuen und den sonstigen Arbeitnehmern unterscheiden, um einen Anreiz für die Beschäftigten zu schaffen, im Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber zu verbleiben oder jedenfalls nach kurzer Unterbrechung zum selben Arbeitgeber zurückzukehren. Auf die Ausführungen zu 3c wird verwiesen.



III.



Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er unterlegen ist. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.

Dr. Natter
Brucker
Ruoff

Verkündet am 18.01.2016

VorschriftenArt. 45 Abs. 2 AEUV, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, Art. 45 AEUV, § 16 Abs. 2 TVöD, § 16 Abs. 3 TVöD, Art. 45 Abs. 1 AEUV, Art. 45 Abs. 4 AEUV, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 45 Abs. 3 AEUV, § 91 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

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