26.04.2016 · IWW-Abrufnummer 185424
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 03.03.2016 – 5 Sa 363/15
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 17. Juni 2015, Az. 1 Ca 988/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Der Streitwert wird auf 7.699,80 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Erstattung von Dienstreisekosten.
Der Kläger ist bei dem beklagten Kirchengemeindeverband als Organist und Chorleiter mit Dekanatskantorentätigkeit beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet die kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung KAVO für das Bistum Trier einschließlich der Anlagen Anwendung. Im beklagten Verband gibt es insgesamt 13 Kirchen und Kapellen mit Orgeln. Die Kirchenchöre, die der Kläger leitet, proben in M. und in G., entweder in der Kirche oder in Räumlichkeit in der Nähe. Der Kläger wohnt in T.. Der Beklagte hat seinen Sitz im ca. 45 Kilometer entfernten M. im Hunsrück. Die politische Gemeinde M. gliedert sich in 19 Ortsbezirke (B., E., Go., G., H., He., Hi., Ho., Hu., Hun., Me., Mo., Mor.-R., O., R., W., We., Wen. und Wo.).
In Anlage 8 zur KAVO ist die Dienstreisekostenerstattung auszugsweise wie folgt geregelt:
Der Kläger ist der Ansicht, dass aufgrund der Verwendung des steuerrechtlichen Reisekostenbegriffs in § 6 der Anl. 8 KAVO und der Änderung der Rechtsprechung des BFH mit Urteil vom 09.06.2011 (VI R 55/10), wonach ein Arbeitnehmer nicht mehr als eine "regelmäßige Arbeitsstätte" innehaben kann, auch wenn er fortdauernd und immer wieder verschiedene Einsatzstellen seines Arbeitgebers aufsucht, die Dienstelle St. A. in M. als "regelmäßige Arbeitsstelle" anzusehen sei. Damit seien Fahrten zwischen seiner Wohnung und allen anderen Einsatzorten als Dienstreisen zu entschädigen.
Sein Anspruch folge auch aus einem Informationsblatt des Bischöflichen Generalvikariats T. vom 01.06.2012 zur Abrechnung von Reisekosten von Mitarbeitern mit mehreren Einsatz- bzw. Tätigkeitsstätten. Hierin heißt es ua:
Außerdem folge der Anspruch aus dem Schreiben des Referenten für Kirchenmusik und Leiters der Bischöflichen Kirchenmusikschule auf Briefpapier des Bischöflichen Generalvikariats T. vom 01.08.2013, in dem es heißt:
Nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung verlangt der Kläger mit seiner am 13.08.2014 erhobenen Klage die Zahlung von Wegstreckenentschädigung iHv. € 0,30 pro Kilometer für Fahrten mit seinem privaten Kraftfahrzeug von seinem Wohnort in T. zu Gottesdiensten oder Chorproben, die nicht unmittelbar im Ortsbezirk M. (Dienststelle St. A.) stattfanden, und zurück. Für den Zeitraum vom 03.07.2011 bis 31.12.2013 machte er erstinstanzlich insgesamt € 9.097,90 nebst Zinsen geltend.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
Der Beklagte hat beantragt,
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.06.2015 der Klage iHv. € 1.398,99 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Wegstreckenentschädigung aus Anl. 8 KAVO für Fahrten zwischen seinem Wohnort und weiteren Einsatzorten. Auch aus dem Informationsschreiben des Generalvikariats vom 01.06.2012 könne der Kläger keinen Anspruch herleiten. Ein Anspruch folge aber daraus, dass der Kläger mit dem Beklagten eine Reisekostenvergütung für die Fahrten zwischen T. und weiteren Einsatzorten vereinbart habe, denn das Schreiben des Generalvikariats vom 01.08.2013 sei als Angebot auszulegen, das der Kläger angenommen habe. Da mit dem Schreiben jedoch nur Ansprüche im Rahmen der Ausschlussfrist gem. § 2 Abs. 5 Anl. 8 KAVO (ein Jahr ab Beendigung der Dienstreise) anerkannt werden sollten, seien Ansprüche bis 31.07.2012 verfallen. Der Kläger könne daher für die Monate von August bis Dezember 2012 Wegstreckenentschädigung iHv. insgesamt € 1.398,00 beanspruchen.
Gegen das am 14.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 14.08.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 28.09.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 28.09.2015 begründet.
Er ist der Ansicht, dass er Reisekostenerstattung für Fahrten zwischen seinem Wohnsitz und einem weiteren Einsatzort, der nicht Dienstort sei, unmittelbar aus Anl. 8 KAVO beanspruchen könne. Die einschränkende Auslegung des Arbeitsgerichts widerspreche dem Wortlaut. Er stütze den Anspruch des Weiteren auf das Informationsschreiben des Bischöflichen Generalvikariats Trier vom 01.06.2012. Jedenfalls sei das Schreiben des Generalvikariats vom 01.08.2013 anspruchsbegründend. Aus dem Wortlaut des Schreibens sei nicht lediglich eine einjährige Rückwirkung abzuleiten, vielmehr sollten alle bereits eingereichten Reisekostenabrechnungen - ohne zeitliche Einschränkung - korrigiert werden. Das Arbeitsgericht sei offensichtlich aus Versehen davon ausgegangen, dass er Erstattungsansprüche nur bis zum 31.12.2012 geltend mache, seine Klage umfasse jedoch seine Reisekosten bis einschließlich 31.12.2013.
Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,
Der Beklagte beantragt,
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.
II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Wegstreckenentschädigung für die Zeit vom 03.07.2011 bis zum 31.12.2013 in Höhe weiterer € 7.699,80. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage.
1. Der geltend gemachte Anspruch folgt nicht aus Anlage 8 zur KAVO, die gem. § 30 KAVO die Erstattung der Dienstreisekosten regelt.
a) Die Berufungskammer hat das kirchliche Recht der Anl. 8 KAVO auszulegen. In einem Arbeitsverhältnis auftretende Fragen des bürgerlichen Rechts sind Streitigkeiten aus einem für alle geltenden Gesetz iSv. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die für diese Streitigkeiten zuständigen Arbeitsgerichte müssen auch das entscheidungserhebliche kirchliche Recht anwenden. Sie sind zu einer eigenen Auslegung berechtigt, wenn sich die Kirchen keine Vorfragenkompetenz vorbehalten haben. Die KAVO und andere kirchliche Bestimmungen begründen keine solche Vorfragenkompetenz (vgl. BAG 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 40 mwN, [...]).
b) Die Fahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung in T. und den innerhalb der politischen Gemeinde M. gelegenen Kirchen und Kapellen, um dort Gottesdienste musikalisch zu begleiten, Orgelunterricht zu erteilen oder mit Kirchenchören zu proben, sind keine Dienstreisen.
Bei der rechtlichen Beurteilung des Klagebegehrens ist von der Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 Anl. 8 KAVO auszugehen, die aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Danach sind Dienstreisen im Sinne dieser Regelung Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 6 Anl. 8 KAVO ist Dienstort die politische Gemeinde, in der die zuständige Dienststelle, bei der der Mitarbeiter regelmäßig beschäftigt ist, ihren Sitz hat. Hiernach ist Dienstort des Klägers die politische Gemeinde M. im Hunsrück. Die politische Gemeinde M. gliedert sich in 19 Ortsbezirke (B., E., Go., Gu., H., He., Hi., Ho., Hu., Hun., Me., Mo., Mo.-R., O., R., W., We., Wen. und Wo.). Die Kirchen und Kapellen, die der Kläger ausweislich der als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Reisekostennachberechnungen in der Zeit vom 03.07.2011 bis zum 31.12.2013 aufgesucht hat, liegen zu 99 % im Gemeindegebiet M..
Da Fahrten des Klägers von seiner Wohnung in T. zu Kirche und Kapellen in der politischen Gemeinde M. keine Dienstreisen iSv. § 1 Abs. 2 Anl. 8 KAVO darstellen, kann er von dem Beklagten keine Wegstreckenentschädigung gem. § 6 Abs. 1 Anl. 8 KAVO beanspruchen. Es ist unerheblich, ob diese Fahrten gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH 09.06.2011 - VI R 55/10 und VI R 36/10 - [...]) als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Diese Frage hat der Kläger im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung mit den Steuerbehörden zu klären. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es für die Bewertung einer Fahrt als Dienstreise iSd. Anl. 8 KAVO nicht auf die steuerrechtliche Bewertung an. Maßgebend ist vielmehr, ob die Fahrt eine Dienstreise iSd. Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 Anl. 8 KAVO darstellt. Der Umstand, dass sich die Wegstreckenentschädigung gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 Anl. 8 KAVO nach dem jeweils geltenden steuerlich zulässigen Höchstbetrag für Dienstreisen richten soll, ändert daran nichts. Der Anspruch setzt das Vorliegen einer Dienstreise voraus. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
c) Selbst wenn man das Vorliegen einer Dienstreise zu Gunsten des Klägers unterstellen wollte, wenn er nicht unmittelbar von T. zur Kirche St. A. in M. gefahren ist, bestünde kein Anspruch auf Wegstreckenentschädigung in eingeklagter Höhe. Denn in § 2 Abs. 1 Anl. 8 KAVO ist bestimmt, dass bei der Berechnung der Reisekostenvergütung nur die dienstlich veranlassten Mehraufwendungen zu erstatten sind. Die Dienstreise soll dem Mitarbeiter keine wirtschaftlichen Nachteile, aber auch keine besonderen Vorteile verschaffen. Die Erstattung von Reisekosten kommt demnach nur in Betracht, wenn der Mitarbeiter Aufwendungen machen musste, die nicht durch seine allgemeine Lebensführung verursacht sind. Das erfordert einen rechnerischen Vergleich zwischen den ihm durch die Dienstreise entstandenen Aufwendungen und den Kosten, die ihm dadurch entstehen würden, dass er andernfalls von seiner Wohnung zur Dienststelle und zurück fahren müsste (vgl. zu § 3 Abs. 1 BRKG BVerwG 23.10.1985 - 6 C 3/84 - [...]). Der durch die Wegstreckenentschädigung abzugeltende Aufwand beläuft sich demnach (nur) auf die Differenz zwischen den dienstlich veranlassten Fahrtkosten und den der allgemeinen Lebensführung zuzurechnenden Kosten der Fahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung in T. und der Kirche St. A. in M.. Diese Mehraufwendungen hat ihm der Beklagte erstattet.
2. Der geltend gemachte Anspruch folgt nicht aus den beiden Informationsschreiben auf Briefpapier des Bischöflichen Generalvikariats Trier vom 10.06.2012 und 01.08.2013. Beide Schreiben stellen keine selbständige Anspruchsgrundlage für die Erstattung von Reisekosten dar. Es kann deshalb dahinstehen, ob das Bischöfliche Generalvikariat T. innerhalb der kirchlichen Organisation für den beklagten Kirchengemeindeverband rechtsverbindliche Erklärungen abgeben und insb. ob die Unterzeichner der Schreiben den Generalvikar vertreten dürfen.
Der Kläger konnte angesichts des Wortlauts der beiden Schreiben nicht davon ausgehen, dass ihm das Generalvikariat eine Reisekostenvergütung - unabhängig vom Vorliegen der in Anl. 8 KAVO geregelten Voraussetzungen - zusagen wollte. Beide Schreiben nehmen vielmehr ausdrücklich auf die Regelungen der KAVO Bezug. Sie enthalten keine zugunsten des Klägers hiervon abweichende konstitutive Zusage, sondern lediglich Rechtsauskünfte zur Reisekostenabrechnung nach Anl. 8 KAVO im Anschluss an die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Sie sind aber nicht als eine eigenständige Verpflichtungserklärung aufzufassen, dass der Beklagte bzw. das Bistum Trier sich verpflichte, unabhängig vom Vorliegen einer Dienstreise iSd. Anl. 8 KAVO, dem Kläger Reisekosten zu vergüten. Im Informationsblatt vom 01.06.2012 ist ausdrücklich ausgeführt worden, dass eine Dienstreise nur dann vorliegt, wenn ein Mitarbeiter außerhalb des Dienstortes tätig wird, wobei als Dienstort die politische Gemeinde gilt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Berufung meint, dass das Generalvikariat im Informationsschreiben anstelle der politischen Gemeinde eine bestimmte Arbeitsstätte als Dienstort behandle. Das Gegenteil ist richtig. Auch im Schreiben vom 01.08.2013 wird ausdrücklich auf die vereinbarte Anl. 8 KAVO Bezug genommen.
3. Entgegen dem Berufungsvorbringen hat der Kläger keinen Anspruch auf die geltend gemachte Reisekostenvergütung aus betrieblicher Übung. Der Beklagte hat dem Kläger bisher keine Wegstreckenentschädigung für Fahrten zwischen seinem Wohnort in T. und den in der politischen Gemeinde M. gelegenen Kirchen und Kapellen gezahlt. Es gibt daher kein Verhalten des Beklagten, woraus der Kläger schließen dürfte, ihm werde eine Leistung oder Vergünstigung, die er nie erhalten hat, auch künftig gewährt.
Im Übrigen könnte ein Anspruch aus betrieblicher Übung nur entstehen, wenn keine andere kollektiv- oder individualrechtliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung besteht. Eine betriebliche Übung entsteht demnach nicht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen - wie hier Anl. 8 KAVO - verpflichtet war. Sie entsteht auch nicht, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte (vgl. BAG 10.12.2013 - 3 AZR 832/11 - Rn. 62 mwN, [...]), was der Kläger aus den Informationsschreiben des Bischöflichen Generalvikariats herauslesen will.
4. Soweit der Kläger die Erstattung von Reisekosten für Fahrten von T. über K. nach M. (04.08. und 05.09.2011), von T. nach Sp. (24.10.2011), von T. nach K. (04.02. und 20.11.2012), von T. nach Mo. (09.11.2012), von Tr. über B. nach M. (24.06.2013) und von T. über Mo. nach M. (18.11.2013) geltend macht, hat ihm der Beklagte bereits Fahrtkosten für 344 Kilometer mit einem Satz von € 0,30 erstattet. Wenn der Kläger für weitere 470 Kilometer Wegstreckenentschädigung verlangt, verkennt er, dass die Fahrten zwischen T. und M. - wie oben ausgeführt - keine Dienstreisen sind, § 1 Abs. 6 Anl. 8 KAVO. Er kann daher gem. § 2 Abs. 1 Anl. 8 KAVO nur Reisekostenvergütung für die dienstlich veranlassten Mehraufwendungen beanspruchen. Diese ist ihm gewährt worden.
III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.
Verkündet am: 03.03.2016