17.05.2016 · IWW-Abrufnummer 185859
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 11.04.2016 – 2 Sa 655/15
Wird einem beurlaubten Beamten, der befristet Sonderurlaub zur Arbeitsleistung bei einem Tochterunternehmen der DTAG erhalten hat, kein Sonderurlaub mehr gewährt und ist dieser auch nicht bereit, aus dem Beamtenverhältnis auszuscheiden, kann die Arbeitgeberin den Konflikt zwischen Arbeitsverhältnis und Beamtenverhältnis durch personenbedingte Kündigung zum Ende der Sonderurlaubserlaubnis auflösen. Die Arbeitgeberin muss es nicht tolerieren, dass ein Beamter seinen Arbeitsvertrag unter offener Verletzung der Verpflichtungen aus dem Beamtenverhältnis erfüllen will. Die Beschäftigung des hierdurch vertragsbrüchig werdenden Beamten ist der Arbeitgeberin unzumutbar.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 19.05.2015 - 1 Ca 3007/14 - teilweise abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung mit Auslauffrist und einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie über die vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am . .1961 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit und dem Postnachfolgeunternehmen D T AG (DTAG) zugeordnet. Als Beamter hat der die Besoldungsgruppe A6 erreicht. Seit dem 01.01.1995 ist er nach § 13 Abs. 1 SUrlV durchgängig zur Wahrnehmung arbeitsvertraglicher Pflichten befristet beurlaubt. Seit dem Jahre 1999 ist er bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, einer Tochtergesellschaft der DTAG, beschäftigt. Der letzte Arbeitsvertrag datiert vom 15.03.2005. Danach ist der Kläger als außertariflicher Angestellter auf der Position eines Senior Service Manager für die Beklagte tätig. Nach diesem Arbeitsvertrag, der alle vorherigen vertraglichen Regelungen aufhebt, gelten für das Anstellungsverhältnis lediglich die Konzernbetriebsvereinbarung über Beschäftigungsbedingungen für außertarifliche Angestellte sowie die örtlichen Betriebsvereinbarungen. Nach § 7 Buchst. b KBV AT gilt für Mitarbeiter, die das 53. Lebensjahr vollendet haben und 15 Jahre betriebszugehörig sind im Fall einer betriebsbedingten Kündigung eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Monatsende.
Der Kläger ist ver.di-Mitglied. Die Beklagte hat mit der Gewerkschaft ver.di einen Haustarifvertrag abgeschlossen. Dieser MTV-TSI ist auf Arbeitnehmer nicht anwendbar, deren Aufgabengebiet höhere Anforderungen stellt, als die höchste tarifliche Vergütungsgruppe es verlangt und deren Jahreszielgehalt mindestens 21,8 % über der Banduntergrenze des tariflichen Jahreszielgehalts der Vergütungsgruppe 10 liegt, wenn sie durch Einzelvertrag aus dem Geltungsbereich des MTV-TSI herausgenommen worden sind. Der Kläger hat zuletzt ein Jahreszielgehalt von 70.700,00 EUR bezogen. Nach dem MTV-TSI wäre der Kläger unkündbar.
Der Kläger hat zunächst die Ansicht vertreten, die übertragenen Aufgaben stellten keine höheren Anforderungen, als die höchste tarifliche Vergütungsgruppe es verlangt. Deshalb gelte für ihn der besondere Kündigungsschutz aus § 29 MTV-TSI. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass für in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallende Mitarbeiter Sonderregelungen zwischen der Beklagten und ver.di abgeschlossen wurden, die für beurlaubte Beamte und Arbeitnehmer gelten, sieht sich der Kläger nunmehr wieder uneingeschränkt als AT-Mitarbeiter. Nach § 4 dieser tariflichen Sonderregelungen endet das Arbeitsverhältnis zur Beklagten für einen beurlaubten Beamten, wenn das ruhende Beamtenverhältnis bei der D T AG wieder auflebt, also die Sonderurlaubsgenehmigung nicht verlängert wird.
Im Jahr 2014 hielt die Beklagte es für erforderlich, Kosteneinsparungsmaßnahmen durchzuführen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. In diesem Zusammenhang plante die Beklagte den Abbau von über 1000 Vollzeitarbeitsplätzen aus dem Geschäftsfeld Market Unit und weiterer über 1160 Arbeitsplätze aus dem Geschäftsfeld Telekom IT. Hierzu fanden Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat und den restlichen Betriebsräten statt. Interessenausgleich und Sozialplan wurden abgeschlossen. Danach ergab sich für die Abteilung des Klägers, dass 18 Mitarbeiter teilbetroffen waren. Eine Teilbetroffenheit ist gegeben, wenn innerhalb gleicher Arbeitsplätze nicht alle Arbeitnehmer beschäftigungslos werden, sondern das verringerte Arbeitsvolumen umverteilt werden muss. In diesem Fall sind die vollbetroffenen Mitarbeiter durch Auswahlvereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung festzustellen. Danach war der Kläger von einem Arbeitsplatzwegfall vollbetroffen. Dies wurde ihm in einem Gespräch am 15.10.2014 mitgeteilt. Der Kläger hält die Auswahl für falsch.
Der Kläger erhielt am 08.09.2014 eine letzte Sonderurlaubsgenehmigung für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.12.2014. Danach wurde dem Kläger kein Sonderurlaub als Beamter zur Arbeitsleistung bei der Beklagten mehr erteilt. Ein hiergegen geführtes Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten blieb für den Kläger in zwei Instanzen erfolglos. Ein vor dem Verwaltungsgericht Köln anhängiges Verfahren auf Erteilung einer Sonderurlaubsgenehmigung ist noch nicht entschieden.
Zur Vermeidung eines Interessenkonflikts zwischen einer Leistungspflicht aus diesem Arbeitsverhältnis und der beamtenrechtlichen Dienstpflicht bot die Beklagte dem Kläger einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 31.12.2014 an. Dieser Aufhebungsvertrag beinhaltete die Zahlung einer Abfindung, die sich aus der Differenz zwischen der Beamtenbesoldung und der Arbeitsvergütung bis zum hypothetischen Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist am 31.07.2015 errechnete. Der Kläger lehnte den Abschluss des Aufhebungsvertrages ab.
Die Beklagte hörte den Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung des Klägers mit Auslauffrist zum 31.12.2014 hilfsweise zur ordentlichen Kündigung zum 31.12.2015 an. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung.
Die Beklagte begründet die Kündigung - auch gegenüber dem Betriebsrat - damit, dass der Kläger ohne Sonderurlaubserlaubnis rechtlich gehindert sei, seine Arbeitskraft bei der Beklagten anzubieten und dort einzusetzen. Die Kündigung sei deshalb personenbedingt. Es sei nicht damit zu rechnen, dass dem Kläger erneut eine Sonderurlaubserlaubnis erteilt werde. Die Weiterbeschäftigung bei der Beklagten sei wegen des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht möglich. Deshalb sei ein Sonderurlaub nicht im Interesse der DTAG als Konzernmuttergesellschaft der Beklagten. Der Kläger, der vor Ausspruch der Kündigung darauf hingewiesen wurde, dass ab 01.01.2015 ein Konflikt zwischen den Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und denjenigen aus dem Beamtenverhältnis drohe, war nicht bereit, die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu beantragen. Deshalb bleibe für die Beklagte nur die Möglichkeit, den Interessenkonflikt durch außerordentliche Kündigung mit Ablauf der Sonderurlaubsgenehmigung zu beenden.
Der Kläger vertritt demgegenüber die Ansicht, die Beklagte gehe eine eventuelle Pflichtverletzung aus dem Beamtenverhältnis nichts an. Tatsächlich wurde dem Kläger zunächst ab dem 01.01.2015 kein Dienstposten durch die DTAG zugewiesen. Ein zwischenzeitliches Angebot bei einer anderen Bundesbehörde hat der Kläger abgelehnt. Seine tatsächliche Arbeitsleistung sei dem Kläger deshalb weiter möglich.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Auslauffrist der außerordentlichen Kündigung nicht zum 31.12.2014 ablaufe sondern zum 31.07.2015. Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihrer Berufung. Die Beklagte erstrebt die vollständige Klageabweisung.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Beide Parteien vertiefen ihre Rechtsansichten. Die einander widersprechenden Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Hamburg und Hamm einerseits sowie Baden-Württemberg andererseits zur Kündigung von Beamten ohne Sonderurlaubserlaubnis war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und in vollem Umfang begründet. Die Berufung des Klägers hinsichtlich der Anträge zu 2 und 4 ist unzulässig, da es insoweit an einer erforderlichen Berufungsbegründung fehlt. Hinsichtlich der Anträge 1, 3 und 5 ist die Berufung des Klägers zulässig aber nicht begründet.
Die Kündigung vom 04.12.2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Auslauffrist zum 31.12.2014 gemäß § 626 Abs. 1 BGB beendet. Da ab dem 01.01.2015 ein personenbedingter Konflikt bestand, der vorliegend nur durch außerordentliche Kündigung beseitigt werden konnte, und der einen Dauertatbestand darstellt, ergeben sich an der Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB keine Bedenken.
Das Landesarbeitsgericht schließt sich ausdrücklich den Entscheidungen des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 10.09.2015, Az. 16 Sa 6/15 und vom 10.07.2015, Az. 12 Sa 20/15 an. Dabei lässt sich das Landesarbeitsgericht Köln von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2005, Az. 7 AZR 402/04 leiten.
In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt (Rn. 17), dass nach Ende der Beurlaubung eines beurlaubten Beamten zwischen den Pflichten aus dem Beamtenverhältnis und denjenigen aus einem anderweitig eingegangenen, fortdauernden Arbeitsverhältnis eine Pflichtenkollision eintritt, wenn die Beurlaubung abgelaufen ist. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass zwar das Arbeitsverhältnis nicht automatisch ende, aber die Pflichtenkollision einer Auflösung bedarf und diese entweder durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Verlangen des Beamten nach § 30 Abs. 1 BBG vermieden werden kann. Dieser Entscheidung entnimmt das Landesarbeitsgericht, dass das Bundesarbeitsgericht davon ausgeht, dass ein Arbeitgeber, der einen Arbeitsvertrag mit einem beurlaubten Beamten abgeschlossen hat, im Arbeitsverhältnis auf die drohende gravierende Pflichtverletzung aus dem Beamtenverhältnis reagieren darf und berechtigt ist, die Pflichtenkollision durch personenbedingte Kündigung aufzulösen.
Die Konsequenz aus dem vom Kläger beabsichtigten Fortbestehen des Arbeitsvertrages zur Beklagten wäre, dass dieser seine Pflichten aus dem Beamtenverhältnis nicht erfüllen will und dass er unabhängig von der Frage, ob ihm bereits ein Beamtenposten zugewiesen wurde oder in näherer Zukunft zugewiesen werden wird, beabsichtigt, die dadurch entstehenden Pflichten jedenfalls zu ignorieren, um den Arbeitsplatz bei der Beklagten auszufüllen. Es stellt sich dabei schon die Frage, ob für die bisher vom Kläger bei der Beklagten innegehabte Aufgabe eine ausreichende charakterliche Integrität gegeben ist, wenn der Kläger im arbeitsgerichtlichen Verfahren offen angekündigt, er wolle seinen Pflichten aus dem Beamtenverhältnis nicht nachkommen, dies gehe aber die Beklagte nichts an, sie dürfe dies im Arbeitsverhältnis nicht berücksichtigen. Die Beklagte musste nicht erst abwarten, bis es hinsichtlich der vom Kläger abgeforderten Arbeitsleistung zu einem Konflikt dadurch kommt, dass auch die DTAG den Einsatz des Klägers von diesem verlangt. Auch musste die Beklagte nicht abwarten, ob der Kläger sich in diesem Falle endgültig für sie entscheiden würde oder die Pflichten des Arbeitsverhältnisses verletzen würde, um den konkretisierten Beamtenpflichten nachzukommen und den Beamtenstatus nicht zu verlieren.
Dem Kläger war es ab dem 01.01.2015 nur unter Missachtung seiner Verpflichtungen aus dem Beamtenverhältnis möglich, den Arbeitsvertrag mit der Beklagten zu erfüllen. Hierauf war er hingewiesen worden, ebenso wie auf die Möglichkeit, aus dem Beamtenverhältnis auszuscheiden, um den Arbeitsvertrag frei von anderen Pflichten erfüllen zu können. Die Beklagte durfte dieses rechtliche Hindernis als drohenden Konflikt werten, der, da der Kläger nicht bereit war sein Beamtenverhältnis aufzugeben, nur durch außerordentliche Kündigung beseitigt werden konnte.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Arbeitgeberin Tochtergesellschaft der Dienstherrin des Klägers ist. Dies macht es in besonderem Maße unzumutbar, ein Arbeitsverhältnis fortzusetzen, dessen Verpflichtungen der Kläger unter Beachtung seiner Pflichten aus dem Beamtenverhältnisses nicht erfüllen kann und darf.
Auf die tatsächliche Fähigkeit, die Arbeitsleistung zu erbringen kommt es dabei nicht an. Ähnlich einem Übersetzer beim Verfassungsschutz, dem der Zugang zu Verschlusssachen entzogen wurde und der dadurch nicht seine Sprachfähigkeiten verliert, gleichwohl die Arbeit aber nicht erbringen kann, kann der Kläger aufgrund seiner anderweitig eingegangenen rechtlichen Bindungen, die er nicht beenden wollte, seine Arbeitskraft bei der Beklagten ab dem 01.01.2015 nicht, jedenfalls nicht in einer für die Beklagten zumutbaren Weise anbieten. Der Beklagten ist es nicht zumutbar durch Einsatz des Klägers an dessen Pflichtverletzung des Beamtenverhältnisses mitzuwirken.
Dies führt auch dazu, dass die Beklagte eine Auslauffrist bis zum 31.07.2015 nicht einhalten muss. Denn der Kläger kann ohnehin auch bei Bestehen des Arbeitsverhältnisses keine Ansprüche aus Annahmeverzug geltend machen. Der Kläger ist als Beamter verpflichtet, die von ihm beabsichtigte Tätigkeit zu unterlassen.
Die Kammer hat die Frage, ob die DTAG als Dienstherrin des Klägers zu Recht keine weitere Sonderurlaubserlaubnis erteilt hat, nicht geprüft. Diese Frage ist bereits vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Sie betrifft das Beamtenverhältnis. Es erscheint zwar nahe liegend, dass im Fall eines Beschäftigtenüberhangs bei der Beklagten das dienstliche Interesse der DTAG, einen Beamten zum Zwecke der Erfüllung eines Arbeitsvertrages bei der Beklagten zu beurlauben, gering ist. Durch die fehlende Sonderurlaubsgenehmigung wird bei der Beklagten ein Arbeitsplatz frei und führt deshalb mittelbar dazu, dass andere Arbeitnehmer, die nicht durch einen Beamtenstatus abgesichert sind, ihren Arbeitsplatz behalten können. Sollte die DTAG vor dem Verwaltungsgericht unterliegen und dem Kläger rückwirkend eine Sonderurlaubsgenehmigung erteilt werden, steht ihm die Möglichkeit der Restitutionsklage offen.
Weiterhin war nicht zu prüfen, ob der Kläger Tarifmitarbeiter der Beklagten war und deshalb die Befristungsregelung aus § 4 Abs. 3 der Sonderregelungen für Beamte zum MTV-TSI auf ihn Anwendung findet, sowie, ob die Beklagte dem Kläger, gegebenenfalls auch erst im Prozess, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Bedingungseintritt mitgeteilt hat.
Andere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2014 war auch der Weiterbeschäftigungsantrag und die Kündigungsschutzklage gegen die vorsorgliche ordentliche Kündigung abzuweisen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens gemäß § 91 i.V.m. § 97 ZPO.
Angesichts der divergierenden Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte wurde für den Kläger die Revision zugelassen.