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24.08.2016 · IWW-Abrufnummer 188210

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 05.07.2016 – 5 Sa 7/16

1. Ein Fachassistent in einem Jobcenter, dem zu jeweils 50 % seiner Arbeitszeit der Außendienst im Bereich SGB II und die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten übertragen ist, hat keinen Anspruch auf eine zweite Funktionsstufe 1 nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) in der Fassung des 13. Änderungstarifvertrages vom 20.02.2014, gültig ab 01.01.2014.

2. Es ist mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass der TV-BA bei dem Fachassistenten Leistungsgewährung im Bereich SGB II zweimal die Funktionsstufe 1 vorgesehen hat, während der Fachassistent für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nur einmal die Funktionsstufe 1 erreichen kann.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 09.12.2015 - 14 Ca 640/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten darüber, welche Funktionsstufen dem Kläger nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) zustehen.



Der am 19.11.1983 geborene Kläger ist seit dem 11.07.2005 bei der Beklagten als Fachassistent beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TV-BA und die ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger erhält die Vergütung der Tätigkeitsebene V des TV-BA.



Nachdem der Kläger zunächst im Bereich des SGB III eingesetzt war, ist er seit dem 01.01.2007 mit Aufgaben nach dem SGB II befasst. Zum 01.01.2012 wechselte er in die neu errichtete Geschäftsstelle T., die zum Jobcenter Vorpommern-G. Süd gehört, das wiederum eine gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und des Kreises Vorpommern-G. ist. Dort übertrug ihm die Beklagte zu jeweils 50 % seiner Arbeitszeit den Außendienst im Bereich SGB II und die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Im Außendienst ist der Kläger damit befasst, im Auftrag der Leistungsabteilung die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller vor Ort zu überprüfen (eheähnliche Gemeinschaften, Wohnsituation, Bedarf einmaliger Hilfen etc.) und hierüber ein Ergebnisprotokoll zu fertigen. Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist hingegen eine Innendiensttätigkeit, bei der der Kläger Verwarn- und Bußgeldbescheide bis zu einem Betrag von € 1.000,- ausstellt. Hierbei sind telefonische und persönliche Rücksprachen mit Kunden zu führen. Beide Aufgabengebiete können tarifvertraglich zur Zahlung der Funktionsstufe 1 führen. Da der Kläger die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt, erhält er insgesamt einmal die Funktionsstufe 1, die sich monatlich auf € 56,06 brutto beläuft.



Mit Schreiben vom 09.05.2014 forderte der Kläger von der Beklagten unter Hinweis auf den 13. Änderungstarifvertrag zum TV-BA die Zahlung einer zweiten Funktionsstufe 1. Nach diesem Änderungstarifvertrag, in Kraft getretenen zum 01.01.2014, kann der "Fachassistent Leistungsgewährung im Bereich SGB II" zweimal die Funktionsstufe 1 erhalten, zum einen für die Bearbeitung von Leistungsanträgen zum Lebensunterhalt im Rechtskreis des SGB II und zum anderen für die individuelle Übertragung der Wahrnehmung von Aufgaben im persönlichen Kundenkontakt. Der Kläger berief sich darauf, ebenfalls persönlichen Kundenkontakt zu haben, und verwies auf den Gleichbehandlungsgrundsatz.



Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm für seine Tätigkeit als Fachassistent Ordnungswidrigkeiten eine zweite Funktionsstufe 1 zu zahlen. Zum einen bearbeite er Leistungsanträge, was ein erstes Mal die Funktionsstufe 1 auslöse. Zum anderen habe er persönlichen Kundenkontakt, was eine zweite Funktionsstufe 1 nach sich ziehe. Er müsse sämtliche Gesichtspunkte der Antragsbearbeitung erfassen und berücksichtigen.



Der Kläger hat beantragt



festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm seit dem 01.01.2014 eine weitere Funktionsstufe 1 zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe nur einmal die Funktionsstufe 1 zu. Der Kläger übe nicht die Tätigkeit eines Fachassistenten Leistungsgewährung aus, sondern die Tätigkeiten eines Fachassistenten Außendienst sowie eines Fachassistenten Ordnungswidrigkeiten. Für das erstgenannte Aufgabengebiet richte sich die Eingruppierung und die Funktionsstufe nach der Zuordnungstabelle für den Rechtskreis SGB II. Für die Eingruppierung des zweiten Aufgabengebietes sei die Zuordnungstabelle für den Rechtskreis SGB III maßgeblich, nachdem das entsprechende Merkmal im Rechtskreis SGB II im Rahmen der Vereinfachung des Tarifrechts weggefallen sei. Diese beiden Tätigkeiten seien für die Eingruppierung maßgebend, nicht aber die Tätigkeit eines Fachassistenten Leistungsgewährung. Eine solche Tätigkeit habe die Beklagte dem Kläger nicht übertragen.



Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht als Fachassistent Leistungsgewährung im Bereich SGB II eingruppiert sei und deshalb keinen Anspruch auf die für diesen Dienstposten ausgebrachten Funktionsstufen habe. Er erfülle nicht das entsprechende Tätigkeitsprofil. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liege nicht vor, da es den Tarifvertragsparteien unbenommen sei, für unterschiedliche Tätigkeiten unterschiedliche Vergütungen vorzusehen.



Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger die Tätigkeitsmerkmale des Fachassistenten Leistungsgewährung SGB II nicht erfülle. Bei der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten müsse auch er die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen und die Folgen fehlerhafter Angaben prüfen. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht die Reichweite des Gleichbehandlungsgebots verkannt.



Der Kläger beantragt,



das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 09.12.2015 - 14 Ca 640/14 - abzuändern und



festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01.01.2014 eine zweite Funktionsstufe 1 zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,



die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Die Tätigkeit des Klägers lasse sich nicht ansatzweise unter das Tätigkeits- und Kompetenzprofil des Fachassistenten Leistungsgewährung im Bereich SGB II subsumieren. Ebenso wenig sei es zu beanstanden, dass der Tarifvertrag unterschiedliche Funktionsstufen vorsehe.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsgericht schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts an.



Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine zweite Funktionsstufe 1 nach dem TV-BA in der Fassung des 13. Änderungstarifvertrages vom 20.02.2014, gültig ab 01.01.2014, der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Die einschlägigen Regelungen des Tarifvertrages lauten wie folgt:



"...



§ 14



Eingruppierung



(1) 1Alle in der BA auszuübenden Tätigkeiten werden von der BA in Fach- und Organisationskonzepten beschrieben und von den Tarifvertragsparteien Tätigkeits- und Kompetenzprofilen (TuK) zugeordnet. 2Die in den TuK festgelegten Anforderungen sind Grundlage für deren Zuordnung durch die Tarifvertragsparteien zu einer der acht Tätigkeitsebenen. 3Die/der Beschäftigte ist in der Tätigkeitsebene eingruppiert, der die ihr/ihm nicht nur vorübergehend übertragene Tätigkeit gemäß Satz 1 und 2 zugeordnet ist. 4Die Zuordnung der Tätigkeiten zu TuK und die Zuordnung der TuK zu Tätigkeitsebenen ist in den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Zuordnungstabellen festgelegt (Anlage 1.0 bis 1.11).



...



§ 20



Funktionsstufen



(1) Beschäftigte erhalten bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 als weiteren Gehaltsbestandteil monatlich eine oder mehrere reversible Funktionsstufe/n.



(2) 1Durch Funktionsstufen werden die Wahrnehmung zusätzlich übertragener Aufgaben bzw. Funktionen sowie besondere Schwierigkeitsgrade oder eine - geschäftspolitisch zugewiesene - besondere Bedeutung bestimmter Aufgaben abgegolten. 2Dabei wird zwischen tätigkeitsspezifischen und tätigkeitsunabhängigen Funktionsstufen der Stufen 1 und 2 unterschieden. 3Die Voraussetzungen, nach denen die jeweilige Funktionsstufe gezahlt wird, sind für tätigkeitsspezifische Funktionsstufen in den Anlagen 1.1 bis 1.11 und für tätigkeitsunabhängige Funktionsstufen in Anlage 2 dieses Tarifvertrages festgelegt. 4Tätigkeitsspezifische Funktionsstufen werden nach den Kriterien "Komplexität der Aufgabe", "Grad der Verantwortung" und "Geschäftspolitische Setzung" unterschieden.



...



(4) 1Die Höhe des in der jeweiligen Tätigkeitsebene maßgebenden Betrages der Funktionsstufen 1 und 2 ist in den Gehaltstabellen (Anlage 3) festgelegt. 2Bei Vorliegen der Voraussetzungen werden mehrere Funktionsstufen auch nebeneinander gezahlt. 3Die/der Beschäftigte erhält die Funktionsstufe für den Zeitraum, in dem die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen.



Protokollerklärung zu Absatz 4:



1Sofern im Einzelfall die Übertragung einer Mischtätigkeit erforderlich ist, werden die Funktionsstufen für die Tätigkeit gezahlt, die auch für die Eingruppierung maßgebend ist. 2Eine tätigkeitsübergreifende Kumulation von Funktionsstufen ist nicht zulässig. 3Satz 2 gilt entsprechend, wenn beide übertragenen Tätigkeiten derselben Tätigkeitsebene zugeordnet sind; sofern in diesen Fällen für beide Tätigkeiten Funktionsstufen in unterschiedlicher Höhe zustehen, ist jeweils nur die höhere Funktionsstufe zu zahlen.



(5) Bei Wegfall der Voraussetzungen des Absatzes 2, z. B. auf Grund der Übertragung einer anderen Tätigkeit oder infolge einer Vereinbarung nach Absatz 6, entfällt die Funktionsstufe unmittelbar, ohne dass eine Änderung des Arbeitsvertrages erforderlich ist.



...



Anlage 1.1 - Zuordnungstabelle für die Agenturen für Arbeit



...



...



Anlage 1.10 - Zuordnungstabelle für den Rechtskreis SGB II



(gemeinsame Einrichtungen)



Zuordnung von Tätigkeiten zu Tätigkeits- und Kompetenzprofilen (TuK) und TuK zu Tätigkeitsebenen einschließlich tätigkeits-/dienstpostenspezifischer Festlegungen von Funktionsstufen



Vorbemerkungen zu unterschiedlichen TuK-Systematiken:



...



2. Die gemeinsamen Einrichtungen können zur Ausbringung von Dienstposten (einschl. Eingruppierung und Funktionsstufen) auf die in Anlage 1.1 zum TV-BA enthaltenen Dienstposten zurückgreifen. In den jeweiligen Dienstpostenbezeichnungen enthaltene agenturspezifische Zusätze sind anzupassen.



Ergänzend hierzu stehen die nachstehend aufgeführten Dienstposten zur Verfügung.



...



Das Tätigkeits- und Kompetenzprofil für den Fachassistenten Leistungsgewährung im Bereich SGB II lautet wie folgt:



Fachassistent/in Leistungsgewährung im Bereich SGB II



Kernaufgaben/Verantwortlichkeiten



- Antragsannahme, -bearbeitung, Entscheidung und Zahlbarmachung passiver Leistungen nach SGB II in Fällen mit mittlerem Schwierigkeitsgrad (insb. Fortzahlungsanträge)



- Beratung zu passiven Leistungen nach SGB II in Fällen mit mittlerem Schwierigkeitsgrad



- Zusammenarbeit mit Dritten (v. a. anderen Leistungsträgern)



- Bestandsarbeiten mit mittlerem Schwierigkeitsgrad (z. B. Datenabgleich nach § 52 SGB II, Anrechnung von Nebeneinkommen)



Vor- und Ausbildung/Berufserfahrung



- Fachangestellte/r für Arbeitsförderung oder vergleichbare Qualifikation



- oder vergleichbares Profil



Fachlich-methodische Anforderungen



- Grundkenntnisse der Produkte, Programme und Verfahren im Aufgabengebiet



- Grundkenntnisse bzw. fundierte Kenntnisse** der relevanten Rechtsgrundlagen im Aufgabengebiet (einschl. der angrenzenden Rechtsgebiete)



- Fundierte Kenntnisse der Büroorganisation



- Fundierte Kenntnisse MS-Office und relevanter IT-Fachanwendungen



** je nach Organisationsmodell



Kompetenzanforderungen



- Fach-/Methodenkompetenz: Sorgfalt/Gewissenhaftigkeit (+)



- Sozial-kommunikative Kompetenz: Kundenorientierung (+), Teamfähigkeit (+)



- Personale Kompetenzen: Belastbarkeit (+), Lern- und Kritikfähigkeit (+)



Das Tuk für den Fachassistenten im Außendienst im Bereich SGB II hat den folgenden Wortlaut:



Fachassistent/in im Außendienst im Bereich SGB II



Kernaufgaben/Verantwortlichkeiten



- Überprüfen in Fällen von Verdacht auf Leistungsmissbrauch



- Klärung der Anspruchsvoraussetzungen durch Sachverhaltsaufklärung vor Ort auf Anweisung



- Zusammenarbeit mit anderen Stellen (z. B. Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Sozialversicherungsträger)



Vor- und Ausbildung/Berufserfahrung



- Fachangestellte/r für Arbeitsförderung oder vergleichbare Qualifikation



- oder vergleichbares Profil



Fachlich-methodische Anforderungen



- Grundkenntnisse der relevanten Rechtsgrundlagen im Rechtskreis SGB II und angrenzender Rechtsgebiete (einschl. der relevanten Abschnitte des SGB III)



- Grundkenntnisse im Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht



- Fundierte Kenntnisse MS-Office und relevanter IT-Fachanwendungen



Kompetenzanforderungen



- Fach-/Methodenkompetenz: Sorgfalt/Gewissenhaftigkeit (+)



- Sozial-kommunikative Kompetenz: Kundenorientierung (+), Teamfähigkeit (+)



- Personale Kompetenzen: Belastbarkeit (+), Lern- und Kritikfähigkeit (+)



Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeits- und Kompetenzprofilen (§ 14 Abs. 1 TV-BA). Davon hängt wiederum ab, welche tätigkeitsspezifischen Funktionsstufen der Arbeitnehmer erreichen kann (§ 20 Abs. 2 TV-BA). Die dem Fachassistenten Leistungsgewährung zugeordneten Funktionsstufen finden ausschließlich auf diesen Anwendung, nicht aber auf andere Tätigkeits- und Kompetenzprofile.



Da der Kläger schon nicht das Tätigkeits- und Kompetenzprofil für den Fachassistenten Leistungsgewährung im Bereich SGB II erfüllt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Voraussetzungen der diesem TuK zugeordneten Funktionsstufen vorliegen. Der Kläger nimmt weder Leistungsanträge entgegen noch bearbeitet er sie noch entscheidet er über die Zahlbarmachung von Leistungen. Er beruft sich zwar darauf, die Anforderungen dieses TuK zu erfüllen, hat aber keinerlei Tatsachen vorgetragen, die einen solchen Rückschluss zulassen. Insbesondere hat er keine Leistungsanträge von Kunden des Jobcenters vorgelegt, die er selbst bearbeitet und über die er selbst entschieden hat. Der Kläger gewährt keine Leistungen. Vielmehr prüft er im Rahmen seiner Außendiensttätigkeit nach, ob die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung vorliegen, über die andere Fachassistenten zu entscheiden haben. Im Rahmen der Ahndung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten hat er ebenso wenig über Leistungen zu entscheiden, sondern nur über die Sanktionierung eines Fehlverhaltens der Antragsteller. Er mag für seine Aufgaben die gleichen oder vergleichbare Kenntnisse wie ein Fachassistent Leistungsgewährung benötigen. Das allein genügt aber nicht, da die Fachkenntnisse nur einer von mehreren Bausteinen eines Tätigkeits- und Kompetenzprofils sind. Ein anderer, ebenso maßgeblicher Baustein sind die Kernaufgaben/Verantwortlichkeiten.



Die Tarifvertragsparteien haben nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen, indem sie bei dem Fachassistenten Leistungsgewährung im Bereich SGB II zweimal die Funktionsstufe 1 vorgesehen haben, während sie bei dem Fachassistenten für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nur eine Funktionsstufe 1 ausgebracht haben. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.



Eine Tarifnorm verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Bei der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen sind die aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG sich ergebenden Einschränkungen zu beachten. Die Tarifvertragsparteien haben, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten oder Rechtsfolgen geht, eine Einschätzungsprärogative sowie einen Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung (BAG, Urteil vom 04. August 2015 - 3 AZR 508/13 - Rn. 32, [...]). Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 - Rn. 14, [...] = NZA 2014, 669 [BAG 11.12.2013 - 10 AZR 736/12] ). Das hängt unter anderem von dem Zweck der tarifvertraglichen Leistung ab (BAG, Urteil vom 04. Mai 2010 - 9 AZR 181/09 - Rn. 29, [...] = ZTR 2010, 583 [BAG 04.05.2010 - 9 AZR 181/09] ). Die Tarifvertragsparteien dürfen im Interesse der Praktikabilität, der Verständlichkeit und der Übersichtlichkeit auch typisierende Regelungen treffen. Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des Allgemeinen Gleichheitssatzes ist deshalb nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelungen (BAG, Urteil vom 21. August 2012 - 3 AZR 281/10 - Rn. 21, [...]; BAG, Urteil vom 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25, [...] = NZA 2010, 521 [BAG 22.12.2009 - 3 AZR 895/07] ).



Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Festlegung der Höhe des Entgelts wie auch der weiteren, den tarifgebundenen Arbeitnehmern zufließenden Leistungen grundsätzlich Sache der Tarifvertragsparteien, weil dies nach Überzeugung des Verfassungsgebers zu sachgerechteren Ergebnissen führt als eine staatlich beeinflusste Entgelt- und Leistungsfindung. Das schließt auch die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen ein, die den Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen mögen. Weiterhin können typische Sachzwänge der kollektiven Vertragsform sowie namentlich koalitionsspezifische Interessen berücksichtigt werden (BAG, Urteil vom 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 32, [...] = NZA 2015, 1388; BAG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 32, [...] = NZA-RR 2012, 530 [BAG 25.01.2012 - 4 AZR 147/10] ). Legen die Tarifvertragsparteien die Voraussetzungen für die Zahlung einer Zulage fest, steht es ihnen grundsätzlich frei, typisierend zu bestimmen, welche Erschwernisse sie in welcher Weise ausgleichen (BAG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 6 AZR 768/14 - Rn. 16, [...] = ZTR 2016, 197 [BAG 17.12.2015 - 6 AZR 768/14] ).



Nach diesen Maßstäben ist es zulässig, den Fachassistenten Leistungsgewährung im Bereich SGB II finanziell etwas besser zu stellen als den Fachassistenten für die Ahndung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums die Komplexität der Aufgaben (§ 20 Abs. 2 Satz 4 TV-BA) unterschiedlich eingeschätzt. Die Komplexität der Aufgabe des Fachassistenten Leistungsgewährung haben sie zum einen aus der Bearbeitung von Leistungsanträgen zum Lebensunterhalt und zum anderen aus dem persönlichen Kundenkontakt hergeleitet. Zu Kundenkontakten kommt es zwar auch bei der Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten. Diese Kundenkontakte haben jedoch nicht zwangsläufig den gleichen Umfang und die gleiche Intensität wie bei dem Fachassistenten Leistungsgewährung. Der Kundenkontakt kann sich je nach Arbeitsaufgabe unterschiedlich auf den Mitarbeiter auswirken und unterschiedliche Belastungen mit sich bringen. Unterschiedliche Belastungen können es wiederum erforderlich machen, finanzielle Anreize zu setzen, um Mitarbeiter für diese Aufgabe zu gewinnen. Die Arbeitsplätze eines Fachassistenten Leistungsgewährung und eines Fachassistenten Ordnungswidrigkeiten sind gerade nicht in jeder Hinsicht gleich. Eine unterschiedliche Behandlung bei der Vergütung erscheint deshalb unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nicht von vornherein zweifelhaft oder unverständlich. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung der Höhe des Unterschiedsbetrages, der lediglich eine Funktionsstufe (derzeit rund € 56,-) ausmacht. Je geringfügiger der finanzielle Unterschied ist, desto geringere Anforderungen sind an eine Rechtfertigung der Unterscheidung zu stellen. Da es sich nur um eine Funktionsstufe handelt, genügen bereits kleinere Unterschiede in der Komplexität der Aufgaben an den jeweiligen Arbeitsplätzen, um eine Ungleichbehandlung nicht ungerecht erscheinen zu lassen. Unter Berücksichtigung einer typisierenden, pauschalierenden Betrachtung reichen für die Zuerkennung einer zweiten Funktionsstufe schon minimale Unterschiede beim Umfang der anzuwendenden Rechtsvorschrift, bei dem vorhandenen Entscheidungsspielraum, bei der Intensität des Publikumsverkehrs, bei den Fallzahlen etc. Die Tarifvertragsparteien haben ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Gegenteilige Umstände hat der Kläger nicht aufgezeigt.



Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Vorschriften§ 52 SGB II, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 3 GG, § 97 Abs. 1 ZPO

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