Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

14.11.2016 · IWW-Abrufnummer 189823

Landesarbeitsgericht Hamburg: Beschluss vom 09.04.2014 – 5 TaBV 15/13


Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31. Juli 2013 - 3 BV 11/13 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.



Gründe



I. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes hinsichtlich der Gestellung von Arbeits- und Schutzkleidung.



Der Antragsgegner hat ca. 1.000 Mitglieder, die er verschiedenen Kranken- und Pflegeeinrichtungen gestellt. U.a. werden durch ihn ca. 320 Pflegekräfte in dem von der A. W. H. betriebenen Krankenhaus eingesetzt, darunter ca. 180 Mitglieder sowie ca. 140 Arbeitnehmer. Der Antragsteller ist der von den im A. W. H. eingesetzten Arbeitnehmern des Antragsgegners gebildete Betriebsrat.



Im A. W. H. besteht zudem ein von den Arbeitnehmern der A. W. H. gebildeter Betriebsrat.



Die A. W. H. stellt (unter Einschaltung eines externen Dienstleisters) für alle im A. W. H. eingesetzten Pflegekräfte Arbeitskleidung.



In der Vergangenheit kam es hinsichtlich der Verfügbarkeit verschiedener Größen der Personalwäsche und deren Sauberkeit zu Beschwerden von Arbeitnehmern des Antragsgegners (vgl. E-Mails der Frau Di., Anlagen A 3 - A 9, Bl. 36-42 d.A.).



Der antragstellende Betriebsrat rief gegenüber dem Arbeitgeber die Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Zurverfügungstellung geeigneter Arbeitskleidung für Beschäftigte der D.-Schwesternschaft. im A. W. R., mit Ausnahme der D.-Mitgliedsschwestern" an. Die daraufhin eingesetzte Einigungsstelle erklärte sich für unzuständig. Insoweit ist in der Begründung der Entscheidung der Einigungsstelle vom 2. Februar 2013 (Anlage A 2, Bl. 27-29 d.A.) ausgeführt, dass dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht bei der im A. W. zu tragenden Arbeitskleidung zustehe.



Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht bei Regelungen über die Gestellung von Arbeits- und Schutzkleidung zu, das sich aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. §§ 3, 4 ArbSchG ergebe.



Primär sei der Vertragsarbeitgeber, also der Antragsgegner, verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass gesundheitliche Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der Beschäftigten im Rahmen ihrer Tätigkeit unterblieben. Die Tatsache, dass das Pflegepersonal des Antragsgegners im A. W. tätig sei, entbinde ihn nicht von seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsschutzgesetz, die sich vorrangig an den Vertragsarbeitgeber richten würden.



Dem widerspreche auch nicht die Regelung des § 11 Abs. 6 AÜG. Danach sei der Verleiher verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Einhaltung des Arbeitsschutzes zu ergreifen und umzusetzen; hinsichtlich diesbezüglicher Pflichten aus dem Arbeitsschutzgesetz, die dem Arbeitgeber einen Handlungsspielraum einräumen, seien Regelungen unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu regeln. Werde im Entleiherbetrieb gegen Vorschriften des Arbeitsschutzes oder Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verstoßen, müsse der Verleiher die Tätigkeiten des Leiharbeitnehmers im Einsatzbetrieb aus eigener Verpflichtung unterbinden, soweit Gefährdungen oder Gefahren für Leben und Gesundheit bestehen. Anderenfalls verstoße der Entleiher gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten und gegen Vorschriften des Arbeitsschutzrechtes iSd. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG. Zu berücksichtigen sei auch, dass anerkannt sei, dass Regelungen in einer Betriebsvereinbarung auch dann getroffen werden könnten, wenn die Umsetzung der Mitbestimmung lediglich durch eine entsprechende Vertragsgestaltung mit einem Dritten sichergestellt werden könne. Soweit im Entleiherbetrieb Arbeits- und Schutzkleidung gestellt werde, die den Arbeitsschutzanforderungen entspreche, bestehe für den Arbeitgeber weiterhin die Verpflichtung aus § 3 Abs. 1 ArbSchG, für eine gesundheitsgerechte Kleidung ggf. selbst Sorge zu tragen.



Neben dem Umstand, dass Arbeits- und Schutzkleidung nicht in der erforderlichen Größe vorhanden gewesen sei, sei das für die Arbeits- und Schutzkleidung verwendete Material unzureichend luftdurchlässig. Die Schutzkleidung führe zu extremer Schweißbildung.



Der Antragsteller hat beantragt,



festzustellen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestellung von Arbeits- und Schutzkleidung für Beschäftigte des Beteiligten zu 2) zusteht, die als Leiharbeitnehmer beim A. W. eingesetzt werden, soweit sie Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG sind.



Der Antragsgegner hat beantragt,



den Antrag abzuweisen.



Er hat vorgetragen, er habe auf die Gestellung der Arbeitskleidung keinen Einfluss. Eine Doppelzuständigkeit von zwei Betriebsräten hinsichtlich der Zurverfügungstellung geeigneter Arbeitskleidung sei ausgeschlossen.



Zwar könne er verpflichtet sein, die Wirksamkeit und Durchführung der vom A. W. getroffenen Maßnahmen zu überprüfen. Aus § 8 ArbSchG folge jedoch kein Mitbestimmungsrecht.



Im Übrigen handele es sich um einen unzulässigen Globalantrag.



Durch den dem Antragsteller am 2. September 2013 zugestellten Beschluss vom 31. Juli 2013, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen.



Hiergegen richtet sich die am 30. September 2013 eingelegte und mit am 2. Dezember 2013 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz begründete Beschwerde des Antragstellers, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist am 30. September 2013 bis zum 2. Dezember 2013 verlängert worden war.



Der Antragsteller wiederholt seine Rechtsauffassung. Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG sei nicht räumlich, sondern funktional zu verstehen. Es sei die Verpflichtung des Arbeitgebers den Vorschriften des Arbeitsschutzes nachzukommen. Insbesondere den Verpflichtungen aus der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit könne der Antragsgegner auch selbst nachkommen. Dies sei etwa in der Bauindustrie üblich.



Der Antragsteller beantragt,



unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31. Juli 2013 - 3 BV 11/13 -



festzustellen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestellung von Arbeits- und Schutzkleidung für Beschäftigte des Beteiligten zu 2) zusteht, die als Leiharbeitnehmer beim A. W. eingesetzt werden, soweit sie Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG sind.



Der Antragsgegner beantragt,



die Beschwerde zurückzuweisen.



Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.



Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten, der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.



II. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 87 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 87 Abs. 1, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).



Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Dem folgt das Beschwerdegericht. Es wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.



Der zulässige Antrag ist unbegründet.



Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, die der Arbeitgeber zwar auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Gestaltung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat bei der Ausfüllung dieses Spielraums. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dient, ist unerheblich. Keine Rolle spielt auch, welchen Weg oder welche Mittel die dem Gesundheitsschutz dienende Rahmenvorschrift vorsieht. Ebenso wenig kommt es auf eine subjektive Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers an (BAG 08.06.2004 - 1 ABR 13/03 - AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz, juris, mwN.). Dass also grundsätzlich bei der Zurverfügungstellung von Arbeits- und Schutzkleidung etwa in Umsetzung der vom Antragsteller zitierten PSA-Benutzungsverordnung vom 4. Dezember 1996 (BGBl. I S. 1841) besteht, wird auch vom Antragsgegner nicht bestritten.



Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass die Arbeitnehmer des Antragstellers im Rahmen eines Gestellungsvertrages einem Dritten überlassen werden, dort ihre Kleidung erhalten und dort auch ein Betriebsrat besteht, der das Mitbestimmungsrecht auszuüben hat. Bei einem Gestellungsvertrag im eigentlichen Sinne verpflichtet sich der Gestellungsträger, also der Antragsgegner dem Betriebsinhaber, hier dem Krankenhaus, die für die Erfüllung des Betriebszwecks erforderlichen Personen zur Verfügung zu stellen, ohne dass mit dem Betriebsinhaber ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wird. Beschäftigte gehören betriebsverfassungsrechtlich zur Belegschaft des Betriebsinhabers, wenn die gestellte Person mit dem Betriebsinhaber keinen Arbeitsvertrag abschließt, aber wie bei einer Arbeitsnehmerüberlassung in ein arbeitsrechtliches Weisungsverhältnis zu ihm tritt (Richardi, BetrVG 13. Aufl. 2012, Nr. 111 zu § 5).



Die vom Antragsgegner gestellten Arbeitnehmer unterliegen dem Weisungsrecht des Klinikums und sind dort unter den Bedingungen des § 7 BetrVG wahlberechtigt.



Dies unterscheidet die vorliegende Konstellation wesentlich von der Entscheidung des BAG vom 27. Januar 2004 (1 ABR 7/03 - AP Nr. 40 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, juris). Dort handelte es sich nämlich um die Gestellung von Arbeitnehmern im Rahmen eines Werkvertrages. Das Weisungsrecht blieb beim Vertragsarbeitgeber.



Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wird also nicht grundsätzlich dadurch ausgeschlossen, dass sich die Arbeitnehmer zur Verrichtung ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit auf Anweisung des Arbeitgebers in den Betrieb eines anderen Arbeitgebers begeben. Dies - so das BAG - folge aus dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts: "Die Arbeitnehmer unterliegen auch bei der Arbeit in einem fremden Betrieb weiterhin den Weisungen ihres Vertragsarbeitgebers. Daher hat der von ihnen gewählte und sie repräsentierende Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch dann mitzubestimmen, wenn die Weisungen ihr Ordnungsverhalten in einem fremden Betrieb betreffen. Andernfalls entstünde eine mit dem Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht zu vereinbarende Lücke. Ein im Kundenbetrieb errichteter Betriebsrat kann die Interessen der auf Grund von Werkverträgen dort tätigen fremden Arbeitnehmer regelmäßig nicht wahrnehmen. Er besitzt für diese Arbeitnehmer weder ein Mandat noch kann er mit deren Vertragsarbeitgeber verhandeln. Diese haben im Übrigen auch keine rechtliche Möglichkeit, die Errichtung eines im Kundenbetrieb fehlenden Betriebsrats herbeizuführen."



Eine solche Lücke besteht vorliegend nicht, denn die gestellten Mitarbeiter unterliegen wie Leiharbeitnehmer dem Weisungsrecht des Entleihers und haben die betriebsverfassungsrechtlichen Möglichkeiten wie diese. Insbesondere ist es Recht und ggf. Pflicht des dort gewählten und zuständigen Betriebsrates die Mitbestimmungsrechte auch mit Wirkung für die vom Antragsgegner gestellten Arbeitnehmer auszuüben.



So regelt § 8 Abs. 2 ArbSchG die Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber in der Form, dass der Betriebsinhaber sich über den Schutz zugunsten der von einem anderen Arbeitgeber bei ihm eingesetzten Arbeitnehmer vergewissern muss (vgl. BAG 25.05.2000 - 8 AZR 518/99 - BAGE 94, 381, juris). Diese Verpflichtung korrespondiert mit der Zuständigkeit des dortigen Betriebsrates. Dessen Zuständigkeit korrespondiert wiederum mit dem vertragsähnlichen Charakter der Beziehungen zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer. Denn der Entleiher verfügt über Arbeitgeberfunktionen, wenn auch im beschränkten Umfang. Er - der Entleiher - hat gemäß § 11 Abs. 6 AÜG unbeschadet der Pflichten des Verleihers eigene öffentlich-rechtliche Arbeitgeberpflichten zu erfüllen. Der Umfang der dem Entleiher obliegenden Fürsorgepflichten umfasst alle Schutzpflichten, die mit der Einordnung des Leiharbeitnehmers in den betrieblichen Geschehensablauf und seiner Arbeitsleistung verbunden sind (LAG Hamm 04.08.2003 - 2 Ta 739/02 - LAGReport 2003, 347-348, juris). § 11 Abs. 6 AÜG verpflichtet also den Entleiher - das Klinikum - die für seinen Betrieb geltenden öffentlich rechtlichen Arbeitsschutzbestimmungen auch gegenüber dem Leiharbeitnehmer anzuwenden. Auch dies zeigt, dass der dortige Betriebsrat berufen ist, die Einhaltung dieser Pflichten zu überwachen und sein Mitbestimmungsrecht auszuüben.



Anders gesagt: Der dortige Betriebsrat ist nicht nur räumlich, sondern auch funktional zuständig. Ein quasi weiteres, daneben bestehendes Mitbestimmungsrecht (mit der Gefahr einander widersprechender Regelungen) des Antragstellers lässt sich mit diesen Vorschriften gerade nicht begründen, wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden und ausführlich dargelegt hat. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.



III. Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 92, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Lesmeister

Vorschriften§§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, §§ 3, 4 ArbSchG, § 11 Abs. 6 AÜG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG, § 3 Abs. 1 ArbSchG, § 5 Abs. 1 BetrVG, § 8 ArbSchG, § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG, § 87 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 87 Abs. 1, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, § 7 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 8 Abs. 2 ArbSchG, §§ 92, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr