15.11.2016 · IWW-Abrufnummer 189889
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 18.11.2015 – 3d A 105/12.BDG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberverwaltungsgericht NRW
3d A 105/12.BDG
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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T a t b e s t a n d
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Der Beklagte wurde am 1. Oktober 19 in C. geboren und erlangte am 28. Juni 1983 den Abschluss der Gemeinschafts-Hauptschule C. . Vom 1. August 1983 bis zum 27. Juni 1984 absolvierte er ein Berufsgrundschuljahr an den Kaufmännischen Schulen des P. L. und vom 1. August 1984 bis zum 12. Juni 1986 die Ausbildung zur Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb bei der Deutschen Post in H. . Nach Bestehen der Abschlussprüfung ernannte der Präsident der Oberpostdirektion ihn mit Wirkung zum 25. Juni 1986 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Postoberschaffner zur Anstellung (BesGr A 3) und versetzte ihn gleichzeitig zum Postamt Köln 2. Nach Bewährung während der Probezeit ernannte ihn der Präsident der Oberpostdirektion mit Wirkung zum 1. Juli 1987 zum Postoberschaffner und mit Wirkung zum 1. September 1988 zum Posthauptschaffner (BesGr A 4). Zum 1. Juli 1989 wurde er zurück zum Postamt H. versetzt und war dort zunächst in der Briefzustellung eingesetzt. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1994 verlieh ihm der Präsident der Direktion Post L1. die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit. Zum 26. Juni 1995 wurde er von der Filiale X. zur Niederlassung H. , Zustellbasis Fracht, umgesetzt. Am 31. Dezember 2002 ernannte der Leiter der Niederlassung Produktion Express L1. der Deutschen Post AG ihn zum Postbetriebsassistenten (BesGr A 5). Zum 13. August 2007 wurde er von der Zustellbasis H. zum Zustellstützpunkt X1. umgesetzt. Mit Wirkung zum 30. November 2014 versetzte ihn der Leiter der Niederlassung Brief C1. der Deutschen Post AG wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand.
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Der Beklagte ist seit dem 20. Februar 19 verheiratet und hat einen am 20. Juni 19 geborenen Sohn. Straf- oder disziplinarrechtlich ist er nicht vorbelastet.
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Dem Disziplinarverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Nach der Geburt seines Sohnes N. stellte der Beklagte unter dem 7. Juli 1998 beim Arbeitsamt C2. H1. , Nebenstelle H. , einen „Antrag auf Kindergeld“. Die Frage Nr. 8, ob er oder seine Ehegattin oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, verneinte er. Ferner gab er an, im öffentlichen Dienst beschäftigt zu sein, nämlich bei der Deutschen Post AG Fracht in H. . In dem Formular steht unmittelbar über der Datumszeile, die der Beklagte mit „X. “, den „07.07.98“ ausfüllte, folgende Belehrung: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht habe. Mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich dem Arbeitsamt – Familienkasse – mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.“ Dem Antrag fügte er eine Fotokopie der „Geburtsbescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 bei. Diese enthielt unmittelbar unterhalb der genannten Überschrift den Hinweis „(Bitte sorgfältig aufbewahren, wird nur einmal ausgestellt.)“. Die Familienkasse des Arbeitsamts – später Agentur für Arbeit – C2. H1. überwies ihm daraufhin für die Monate Juni 1998 bis einschließlich November 2008 monatlich Kindergeld in Höhe von insgesamt 18.416,40 €.
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Unter dem 13. Juli 1998 stellte der Beklagte bei der Deutschen Post AG einen weiteren „Antrag auf Zahlung von Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes“. Die Frage Nr. 8, ob er oder seine Ehegattin oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, verneinte er wiederum. Auch in diesem Formular stand unmittelbar über der Datumszeile, die der Beklagte mit „X. , 13.07.98“ ausfüllte, folgende Belehrung: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht habe. Mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.“ Dem Antrag fügte er das Original der „Geburtsbescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 bei. Die Deutsche Post AG zahlte dem Beklagten daraufhin mit seinen Bezügen für die Monate Juni 1998 bis November 2008 ebenfalls Kindergeld in Höhe von insgesamt 18.416,40 €.
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Im Rahmen einer Prüfung des Bundesrechnungshofs erfuhr die Familienkasse C2. H1. im November 2008, dass der Beklagte Kindergeld von der Deutschen Post AG erhielt. Sie stellte daraufhin die weitere Zahlung des Kindergeldes ein, hob mit Bescheid vom 18. November 2008 die Festsetzung des Kindergelds für die Monate Juni 1998 bis November 2008 auf und forderte vom Beklagten 18.416,40 € zurück. Hiergegen legte der Beklagte unter dem 28. November 2008 Einspruch ein. Ihm sei eine Überzahlung des Kindergeldes nicht aufgefallen. Er habe im Laufe der Jahre auch keine entsprechende Anfrage seitens der Familienkasse C2. H1. oder der Familienkasse der Deutschen Post AG erhalten. Den Einspruch wies die Familienkasse C2. H1. mit Bescheid vom 20. April 2009 zurück. Der Beklagte zahlte auf die 18.416,40 € in den Monaten Februar bis April 2009 zunächst drei Raten zu je 100,- € und am 22. Mai 2009 den Restbetrag von 18.116,40 €.
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Am 31. August 2009 leitete die Bußgeld- und Strafsachenstelle der Familienkasse L1. gegen den Beklagten ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein. Der Beklagte versicherte mit Schreiben vom 19. September 2009, er habe unwissend gehandelt, was ja nicht von der Bestrafung befreie. Die Familienkasse habe ihm das Formular zugeschickt. Er habe im Glauben unterschrieben, dass dies notwendig sei. Damit habe das Verhängnis seinen Lauf genommen. Nach Zustimmung des Amtsgerichts L1. stellte die Bußgeld- und Strafsachenstelle der Familienkasse L1. das Verfahren vorläufig nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO ein und gab dem Beklagten auf, 1.800,- € in 6 Raten zu je 300,- € ab dem 15. November 2009 an die Agentur für Arbeit L1. zu zahlen. Nachdem der Beklagte die 6 Raten gezahlt hatte, stellt sie das Verfahren mit Bescheid vom 15. April 2010 endgültig ein.
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Bereits mit Einleitungsverfügung vom 6. Juli 2009 hatte der Leiter der Niederlassung Brief der Deutschen Post AG gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung sowie des Verdachts des Verstoßes gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten durch das Verschweigen der doppelten Beantragung und des doppelten Bezugs von Kindergeld bzw. Unterlassen einer wahrheitsgemäßen Änderungsmitteilung eingeleitet.
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Unter dem 29. Juli 2009 äußerte sich der Beklagte hierzu: Die Geburt seines Sohnes sei das Schönste gewesen, was er bis heute habe erleben dürfen. Es könne doch wohl keiner ernsthaft glauben, dass er sich an seinem Sohn habe bereichern wollen. Er erkläre eindeutig, dass es in Unkenntnis passiert sei. Als sein Sohn N. geboren worden sei, habe er kurze Zeit später ein Formular von der Familienkasse erhalten, womit er das Kindergeld habe beantragen sollen. Das habe er auch getan in dem Glauben, richtig zu handeln. Somit habe das Verhängnis seinen Lauf genommen. Da N. sein erstes Kind gewesen sei, habe er überhaupt keine Ahnung gehabt, wie das alles ablaufe. Zu keiner Phase habe er auch nur den Verdacht gehabt, dass hier etwas nicht stimmen könne. In dieser Zeit sei auch sehr viel zusammen gekommen. Er sei zu seiner Ehefrau umgezogen. Vorher hätten sie noch ihr Haus komplett renoviert. Dann hätten sie geheiratet. Im gleichen Jahr sei dann auch noch N. zur Welt gekommen. Dazu sei sein Schwiegervater 9 Jahre lang ein Pflegefall gewesen. Sie hätten der Schwiegermutter sehr geholfen. Sie seien total überfordert gewesen.
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Unter dem 18. August 2009 äußerte sich sein Vorgesetzter über den Beklagten. Er sei seit zwei Jahren im Zustellstützpunkt X. als Zusteller eingesetzt. Zuvor sei er in der Zustellbasis H. als Paketzusteller beschäftigt gewesen. Er werde in vier Verbundbezirken und einem Paket-Inselbezirk erfolgreich eingesetzt. Seine Arbeitskraft setze er innerhalb des vorgegebenen Rahmens optimal ein. Sein Arbeitszeitkonto bewirtschafte er ökonomisch und halte es auf einem günstigen Stand. Nach seinen Feststellungen sei er pflichtbewusst und zuverlässig. Den Kräften der Stellenleitung gegenüber verhalte er sich höflich, stets korrekt und einwandfrei. Er sei freundlich und kollegial. Beschwerden der Kundschaft bezüglich seiner Person seien ihm nicht bekannt. Sein Auftreten sei eher zurückhaltend und im Allgemeinen gepflegt. Er sei immer pünktlich.
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Zu dem ihm am 7. September 2010 übersandten Ermittlungsergebnis äußerte sich der Beklagte wie folgt: Für ihn habe immer alles sein Vater geregelt. Das sei ein Fehler gewesen. Er habe auf keinen Fall vorsätzlich gehandelt.
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Seine Prozessbevollmächtigte teilte unter dem 10. November 2010 für den Beklagten mit, dieser habe nicht vorsätzlich gehandelt. Als ihm der zweite Antrag auf Zahlung von Kindergeld für Angehörige des öffentlichen Dienstes zugesandt worden sei, sei er davon ausgegangen, dass es sich im Grunde nochmals um denselben Antrag gehandelt habe, den er am 7. Juli 1998 ausgefüllt habe. Es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass es sich um einen anderen Antrag gehandelt habe als den, den er bereits ausgefüllt hatte. Er habe sich keine Kopie des Antrags an die Familienkasse C2. H1. gefertigt.
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Da er von einem einheitlichen, lediglich doppelt ausgefüllten Antrag ausgegangen sei, hab er angenommen, nicht anderweitig Kindergeld beantragt zu haben. Insoweit habe er die Frage 8 des Antrags vom 13. Juli 1998 von seinem Empfängerhorizont aus wahrheitsgemäß mit „Nein“ beantwortet. Die Deutsche Post AG müsse sich vorhalten lassen, dass der von ihr übersandte Antrag in vielen Fällen zu Missverständnissen geführt habe. Er sei ein Bediensteter des einfachen Dienstes. Privat sei ihm der „Papierkram“ wie Anträge stellen, Formulare ausfüllen, Belege sammeln etc. ein Greul. Aus diesem Grunde habe er schon seit einigen Jahren keinen Lohnsteuerjahresausgleich mehr durchgeführt. Entsprechend sei er bisher auch mit seinen Gehaltsabrechnungen und Kontoauszügen umgegangen. Da er aufgrund unterschiedlicher Arbeitsbelastung auch monatlich unterschiedliche Bezügemitteilungen erhalten habe, hätten ihn grundsätzlich nur das Gesamtbrutto und der Auszahlungsbetrag interessiert. Dass die Bezügemitteilungen auch ein Kindergeld beinhalteten, sei ihm nicht aufgefallen. Auch seine Kontoauszüge habe er im Grunde nur auf den Kontostand kontrolliert.
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Darüber hinaus greife das Verbot der Doppelmaßregelung nach § 14 BDG.
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Auf Antrag des Beklagten vom 29. September 2010 beteiligte die Klägerin den Betriebsrat der Niederlassung Brief der Deutschen Post AG. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2010 erhob dieser Einwendungen gegen die beabsichtigte Erhebung der Disziplinarklage. Diese wies der Leiter der Niederlassung Brief mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 zurück. Der Betriebsrat beantragte daraufhin mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 die Entscheidung des Arbeitsdirektors. Mit Schreiben vom 31. Januar 2011 erläuterte der Arbeitsdirektor, weshalb er keine Möglichkeit sehe, von der Erhebung der Disziplinarklage abzusehen. Nachdem sich der Betriebsrat hierauf nicht mehr geäußert hatte, wies der Arbeitsdirektor den Antrag des Betriebsrats mit Schreiben vom 23. März 2011 zurück.
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Unter dem 28. März 2011 stimmte die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation der Erhebung der Disziplinarklage zu.
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Die Klägerin hat am 12. April 2011 Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erhoben.
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Sie hat ihm im Wesentlichen vorgeworfen, vorsätzlich doppelt Kindergeld beantragt und in der Zeit vom 1. Juni 1998 bis zum 30. November 2008 bezogen und sich hierdurch der Steuerhinterziehung in Höhe von 18.416,40 € schuldig gemacht zu haben. Die Einlassungen des Beklagten im behördlichen Disziplinarverfahren seien als Schutzbehauptungen zu werten. Beide Anträge seien von ihm innerhalb von nur 6 Tagen gestellt worden. Beiden sei eine Geburtsbescheinigung für Kindergeld beigefügt worden, die nur einmal ausgestellt werde. Das Kindergeld sei auf den Bezügemitteilungen der Deutschen Post AG nach den Nettobezügen als eigenständige Zahlung unter dem Stichwort „Kindergeld“ ausgewiesen. Die Zahlung des Kindergeldes durch das Arbeitsamt sei ebenfalls unter dem Stichwort „Kindergeld“ auf dem Postgirokonto des Beklagten eingegangen. Zudem habe es sich um die gleichen Beträge gehandelt. Es sei unwahrscheinlich, dass dies dem Beklagten über einen Zeitraum von 10 Jahren hinweg nicht aufgefallen sein solle. Er habe die Hauptschule mit Erfolg und die Laufbahnprüfung für den einfachen Postdienst mit der Note „befriedigend“ abgeschlossen. Es könne ihm daher nicht abgenommen werden, dass er sich während eines Zeitraums von mehr als 10 Jahren nie die Frage gestellt haben wolle, weshalb ihm für sein Kind von zwei unterschiedlichen Stellen jeweils absolut identische Beträge überwiesen worden seien.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise,
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auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
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Der Beklagte hat im Wesentlichen seine Einlassungen aus dem behördlichen Disziplinarverfahren wiederholt.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten eine Geldbuße in Höhe von 100,- € auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die außerdienstlichen Pflichtverletzungen des Beklagten stellten kein Dienstvergehen dar. Er habe keine Steuerhinterziehung begangen, weil er nicht vorsätzlich gehandelt habe; jedenfalls müsse zu seinen Gunsten vom Gegenteil ausgegangen werden. Vorsatz des Beklagten sei weder bei der Beantragung des Kindergelds noch während dessen doppelten Bezugs feststellbar. Hingegen habe er seine innerdienstliche Wahrheitspflicht dadurch fahrlässig verletzt, dass er beim Ausfüllen des zweiten Kindergeldantrags fahrlässig angekreuzt habe, noch keinen anderen Antrag auf Kindergeld gestellt zu haben. Zudem habe er es fahrlässig unterlassen, seinen Dienstherrn auf den doppelten Bezug von Kindergeld hinzuweisen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. November 2011 Bezug genommen.
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Die Klägerin hat gegen das ihr am 8. Dezember 2011 zugestellte Urteil am 9. Januar 2012, einem Montag, Berufung eingelegt und diese begründet.
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Sie trägt in Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, dem Beklagten sei – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – uneingeschränkt ein subjektiver Schuldvorwurf zu machen. Dieser gehe nach ihrer Ansicht über eine bloße Fahrlässigkeit hinaus.
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Die Behauptung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, er habe das Antragsformular vom Arbeitsamt ohne Anforderung zugeschickt bekommen, könne nicht stimmen. Sie sei nicht glaubhaft. Woher habe das Arbeitsamt wissen sollen, dass seine Frau ein Kind bekommen habe? Weshalb hätte das Arbeitsamt dem Kläger aus eigener Veranlassung ein Antragsformular zusenden sollen?
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Ferner habe der Beklagte nur behauptet, das Merkblatt nicht gelesen zu haben. Mit seiner Unterschrift habe er jedoch bescheinigt, dass er vom Inhalt des Merkblatts Kenntnis erlangt habe.
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Auf der Bezügemitteilung sei das Kindergeld unmittelbar nach den Nettobezügen aufgeführt. Selbst wenn der Beklagte nur den Endbetrag kontrolliert habe, müsse ihm der Begriff „Kindergeld“ ins Auge gesprungen sein.
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Seine Einlassung, er habe stets eine Abscheu vor dem „Papierkram“ gehabt und er habe sich die Bezügemitteilungen deshalb nicht so genau angeschaut, sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht plausibel. Zwar möge es in der Beamtenschaft Menschen geben, deren Einstellung zu Schriftverkehr und verwaltungstechnischen Abläufen durch große Leichtfertigkeit und durch Unbehagen gegenüber diesen Vorgängen gekennzeichnet sei. Dies treffe aber nicht auf den Beklagten zu. Er sei als Beamter im alltäglichen Postbetriebsdienst damit vertraut und es gehöre zu seinen Aufgaben, Formulare wie z.B. Zustellungsurkunden ausfüllen zu müssen. Hierbei sei ebenfalls größte Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit an den Tag zu legen. Bei der Dienstausübung habe der Beklagte sich bisher nichts zu Schulden kommen lassen und gute Leistungen erbracht. Dies werde durch seine Beurteilung anlässlich des Disziplinarverfahrens bestätigt.
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Weiter behaupte der Beklagte, er habe die Geburtsbescheinigung deshalb kopiert, weil er diese auch bei der Beantragung des Erziehungsgeldes habe vorlegen müssen. Auf der Geburtsbescheinigung stehe jedoch, dass diese nur einmal für die Beantragung des Kindergeldes ausgestellt werde.
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Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Beklagte habe „auf die Disziplinarkammer den Eindruck eines grundehrlichen Menschen gemacht, dem Schliche oder Tricksereien gänzlich fremd seien“, vermöge nicht zu überzeugen und greife nicht durch.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. November 2011 aufzuheben und dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt vor, allein der Umstand, dass er im Postbetriebsdienst auch öfters mit Formularen zu tun habe, belege nicht, dass er kein Mensch sei, dessen Einstellung zu Schriftverkehr und verwaltungstechnischen Abläufen durch große Leichtfertigkeit und Unbehagen gegenüber diesen Vorgängen gekennzeichnet sei. Hierbei handele es sich um eine innere Einstellung, die unabhängig von äußeren Gegebenheiten sei. Die Sorgfalt in eigenen und in beruflichen Angelegenheiten könne unterschiedlich ausgeprägt sein.
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Das Verwaltungsgericht habe zu Recht ausgeführt, dass er zu keiner Zeit eine Bürotätigkeit ausgeübt habe. Der Schwerpunkt seiner Beschäftigung habe in einer rein körperlichen Tätigkeit gelegen, zunächst in der Paketzustellung und in den letzten Jahren in der kombinierten Zustellung von Paket- und Briefpost. Damit sei auch ein gewisser Schriftverkehr in Form zu bearbeitender Formulare hinzu gekommen. Dies widerspreche jedoch nicht den Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Der Paket- und Zustelldienst sei nicht durch einen größeren Anteil an Schriftverkehr geprägt, es handele sich vielmehr um gelegentliche Tätigkeiten, die nur einen geringen Umfang einnähmen. Bei den im Zustelldienst auszufüllenden Formularen handele es sich um die immer gleichen Formulare, die standardmäßig auszufüllen seien. Es bestehe also eine große Routine bezogen auf diese Formulare. Sie seien geläufig und bekannt und Gegenstand der Ausbildung wie des Dienstunterrichts. All dies könne von Anträgen auf Gewährung von Kindergeld nicht behauptet werden.
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Hinsichtlich der kopierten Geburtsbescheinigung habe er bereits dargelegt, dass diese auf Grund der im Krankenhaus erteilten Hinweise erstellt worden seien. Selbst wenn diese Information, was er nicht erkannt habe, inhaltlich unzutreffend gewesen sein sollte, belege sie doch hinreichend die Motivation für die Erstellung der Kopien. Diese sei nicht auf eine spätere unrechtmäßige Verwendung gerichtet gewesen. Vielmehr spiegele sich auch in dieser Vorgehensweise seine Unbedarftheit im Umgang mit Formularen und sonstigem Schriftverkehr in eigenen Angelegenheiten.
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Soweit die Klägerin argumentiere, in den Bezügemitteilungen sei der Posten „Kindergeld“ unmittelbar nach den Nettobezügen ausgewiesen, führe dies ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Das gesetzliche Netto stelle nicht den tatsächlichen Auszahlungsbetrag dar. Ausweislich der in der Ermittlungsakte enthaltenen Bezügemitteilungen sei der Auszahlungsbetrag deutlich unterhalb des Nettobezugs nach Auflistung weiterer zusätzlicher Posten gesondert ausgewiesen. Relevant für den Beklagten sei nicht das gesetzliche Netto, sondern allein der tatsächlich überwiesene Auszahlungsbetrag gewesen. Nur dieser sei relevant, da nur er zum Ausgeben zur Verfügung stehe. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die Bezügemitteilung zwischen 17 und 19 Einzelposten enthalte, was wiederum erkläre, warum er sich nicht mehr mit ihnen beschäftigt habe.
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Selbst wenn man zu einer vorsätzlichen Tatbegehung käme, stünde die geforderte Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht im Einklang mit § 13 BDG. Im Falle der außerdienstlichen Steuerhinterziehung solle eine Zurückstufung angemessen sein, wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch oder weitere zusätzliche Straftatbestände verwirklicht seien. Als außergewöhnlich hohen, eine Entfernung rechtfertigenden Betrag werde seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein siebenstelliger Betrag angesehen. Gemessen an diesen Vorgaben sei hier eine Zurückstufung unangebracht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Personalakte des Beklagten (Beiakte Heft 1), die Disziplinarakte (Beiakte Heft 2), die Kindergeldakte des Beklagten bei der Deutschen Post AG (Beiakte Heft 4), die Ermittlungsakte der Familienkasse L1. im Steuerstrafverfahren (Beiakte Heft 5), die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft L1. 113 Js 558/09 (in der Beiakte Heft 5), die Kindergeldakte des Beklagten bei der Familienkasse C2. H1. (Beiakte Heft 6) und die Ausdrucke der Bezügemitteilungen für den Beklagten für die Monate Juni 1998 bis November 2008 (Beiakte Heft 7) Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
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Der Beklagte hat nach der Überzeugung des Senats dadurch ein Dienstvergehen begangen, dass er es unterließ, die Familienkasse des Arbeitsamts (seit dem 1. Januar 2004: Agentur für Arbeit) C2. H1. darüber zu informieren, dass er am 13. Juli 1998 einen weiteren Antrag auf Kindergeld bei seinem Arbeitgeber, der Deutschen Post AG, gestellt hatte und von dort Kindergeld bezog, und deshalb ungerechtfertigt Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. bezog. Hingegen hat er nicht dadurch seine Dienstpflichten verletzt, dass er in dem Antrag an die Deutsche Post AG vom 13. Juli 1998 wahrheitswidrig angab, nicht anderweitig Kindergeld für seinen Sohn N. beantragt zu haben, und es im Folgenden auch unterließ, die Deutsche Post AG von dem Bezug von Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. zu unterrichten (nachfolgend 1.). Der Senat kann gegen den Beklagten aber nicht die deshalb an sich gebotene Maßnahme der Kürzung seines Ruhegehalts (§§ 5 Abs. 2 Nr. 1, 11 BDG) verhängen, weil § 14 Abs. 1 Nr. 1 BDG dem entgegensteht (nachfolgend 2.). Eine Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und Abweisung der Disziplinarklage kommt ebenfalls nicht in Betracht (nachfolgend 3.).
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1. Nach § 77 Abs. 1 BBG in der bis zum 11. Februar 2009 geltenden Fassung (a.F.) beging ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzte. Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes war ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet war, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Auf das außerdienstliche Verhalten des Beklagten ist hier § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. anzuwenden, weil § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG in der ab dem 12. Februar 2009 geltenden Fassung durch den Wegfall des Wortes „Achtung“ für ihn kein günstigeres Recht geschaffen hat, auf das er sich nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB berufen könnte.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 – 1 D 1.08 -, NVwZ 2010, 713 (715 f.), Rdnr. 50 - 53.
50
Der Beklagte hat dadurch schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dass er es unterließ, die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. darüber zu informieren, dass er am 13. Juli 1998 einen weiteren Antrag auf Kindergeld bei seinem Arbeitgeber, der Deutschen Post AG, gestellt hatte und von dort Kindergeld bezog, und deshalb für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis zum 30. November 2008 ungerechtfertigt Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. in Höhe von 18.416,40 € bezog. Dieses Verhalten des Beklagten war auch nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
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Hingegen hat er nicht dadurch seine Dienstpflichten verletzt, dass er in dem Antrag an die Deutsche Post AG vom 13. Juli 1998 wahrheitswidrig angab, nicht anderweitig Kindergeld für seinen Sohn N. beantragt zu haben, und es im Folgenden auch unterließ, die Deutsche Post AG von dem Bezug von Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. zu unterrichten.
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a) Der Senat trifft insoweit folgende Feststellungen:
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Nach der Geburt seines Sohnes N. am 20. Juni 1998 stellte der Beklagte unter dem 7. Juli 1998 einen „Antrag auf Kindergeld“, der am 8. Juli 1998 beim Arbeitsamt C2. H1. , Nebenstelle H. einging. Die Frage, ob er oder seine Ehegattin oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, verneinte er. Ferner gab er an, im öffentlichen Dienst beschäftigt zu sein, nämlich bei der Deutschen Post AG Fracht in H. . In dem Formular steht unmittelbar über der Datumszeile, die der Beklagte mit „X. “, den „07.07.98“ ausfüllte, folgende Belehrung: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht habe. Mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich dem Arbeitsamt – Familienkasse – mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.“ Dem Antrag fügte er eine Fotokopie der „Geburtsbescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 bei. Diese enthielt unmittelbar unterhalb der genannten Überschrift den Hinweis „(Bitte sorgfältig aufbewahren, wird nur einmal ausgestellt.)“. Die Familienkasse des Arbeitsamts – später Agentur für Arbeit – C2. H1. überwies ihm daraufhin für die Monate Juni 1998 bis einschließlich November 2008 monatlich Kindergeld in Höhe von insgesamt 18.416,40 € auf sein Girokonto.
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Unter dem 13. Juli 1998 stellte er bei der Deutschen Post AG einen weiteren „Antrag auf Zahlung von Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes“. Die Frage, ob er oder seine Ehegattin oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, verneinte er wiederum. Auch in diesem Formular stand unmittelbar über der Datumszeile, die der Beklagte mit „X. , 13.07.98“ ausfüllte, folgende Belehrung: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht habe. Mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.“ Dem Antrag fügte er das Original der „Geburtsbescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 bei. Die Deutsche Post AG zahlte dem Beklagten daraufhin mit seinen Bezügen für die Monate Juni 1998 bis November 2008 ebenfalls Kindergeld in Höhe von insgesamt 18.416,40 €.
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Der Beklagte wusste, dass seine Angabe gegenüber der Deutschen Post AG im Antrag vom 13. Juli 1998 unrichtig war, dass er für das eingetragene Kind (N. ) Kindergeld nicht anderweitig beantragt habe. Er wollte diese unrichtige Angabe auch machen. Er wusste ferner, dass er Kindergeld sowohl von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. als auch von der Deutschen Post AG bezog, dass ihm Kindergeld aber nicht doppelt zustand, wollte dies aber doppelt beziehen. Schließlich wusste er auch, dass er verpflichtet war, der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. seine Antragstellung bei und seinen Bezug von Kindergeld von der Deutschen Post AG mitzuteilen, unterließ dies aber willentlich.
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b) Die Feststellungen des Senats zur äußeren Tatseite beruhen auf dem Akteninhalt. Der Inhalt der Anträge des Beklagten auf Zahlung von Kindergeld an die Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. vom 7. Juli 1998 und an die Deutsche Post AG vom 13. Juli 1998 ergibt sich aus den entsprechenden Dokumenten (Bl. 1 der Beiakten Hefte 4 und 6). Dass er dem Antrag an die Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. vom 7. Juli 1998 eine Fotokopie, dem Antrag an die Familienkasse der Deutschen Post AG vom 13. Juli 1998 aber das Original der „Bescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 beifügte, ergibt sich aus der Inaugenscheinnahme beider Dokumente durch den Senat. Die Höhe des von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. bezogenen Kindergelds folgt aus dessen zutreffender Berechnung vom 18. November 2008 (Beiakte Heft 6 Rückseite). Dass der Beklagte für die Zeit von Juni 1998 bis November 2008 Kindergeld von der Kindergeldkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. bezog, ergibt sich außerdem aus seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 23. November 2011, er habe das (ob das Kindergeld auch tatsächlich gezahlt worden sei) im Auge gehabt, das Kindergeld sei Mitte des Monats von der Familienkasse auf sein Girokonto überwiesen worden. Sowohl das Kindergeld von der Familienkasse als auch seine Dienstbezüge seien auf sein Girokonto überwiesen worden. Dass er gleichzeitig Kindergeld in gleicher Höhe von der Deutschen Post AG bezog, ergibt sich darüber hinaus aus den Bezügemitteilungen der Deutschen Post AG für die Monate August 1998 bis einschließlich November 2008. Demnach erhielt er im August 1998 eine Nachzahlung von zweimal 220,- DM Kindergeld für die Monate Juni und Juli 1998 und ab dem Monat August 1998 laufend Kindergeld in der jeweils ausgewiesenen Höhe, insgesamt 18.416,40 €.
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Die Feststellungen des Senats zur inneren Tatseite beruhen auf Folgendem: Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beklagte wusste, dass seine Angabe in seinem Antrag vom 13. Juli 1998 gegenüber der Deutschen Post AG unrichtig war, er habe für das eingetragene Kind (N. ) Kindergeld nicht anderweitig beantragt. Denn er wusste – auch ausgehend von seinen Einlassungen im Disziplinarverfahren -, dass er bereits unter dem 7. Juli 1998 einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld bei der Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. gestellt hatte. Der Antrag ging dort (Nebenstelle H. ) am 8. Juli 1998 ein. Der Beklagte muss ihn folglich dorthin gesandt oder auf andere Weise übermittelt haben. Der Senat schließt aufgrund des nur geringen zeitlichen Abstands von nur 6 Tagen aus, dass der Beklagte dies beim Ausfüllen des zweiten Antrags am 13. Juli 1998, den er seinem Arbeitgeber, der Deutschen Post AG, übermittelte, vergessen haben könnte. Daraus, dass der Beklagte den Antrag vom 13. Juli 1998 mit der unrichtigen Angabe zur anderweitigen Beantragung von Kindergeld der Deutschen Post AG übermittelte, schließt der Senat, dass er die unrichtige Angabe auch willentlich machte.
58
Die Einlassung des Beklagten, er habe angenommen, dass es sich bei den Anträgen vom 7. und 13. Juli 1998 um ein und denselben Antrag gehandelt habe, er die Frage Nr. 8 im Antrag vom 13. Juli 1998 also von seinem Empfängerhorizont aus wahrheitsgemäß mit „Nein“ beantwortet habe, vermag die gegenläufige Überzeugung des Senats nicht zu erschüttern. Die Einlassungen des Beklagten hierzu sind widersprüchlich. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 23. November 2011 einerseits erklärt, es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er bei zwei verschiedenen Stellen Kindergeld beantragt habe. Er habe angenommen, dass es sich um ein und denselben Antrag gehandelt habe. Andererseits hat er angegeben, er habe angenommen, dass die Behörden intern dafür Sorge getragen hätten, dass das Kindergeld nur einmal ausgezahlt werde. Aus letzterem ergibt sich, dass dem Beklagten sehr wohl bewusst war, das Kindergeld bei zwei verschiedenen Behörden und damit doppelt beantragt zu haben.
59
Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Beklagte wusste, dass er Kindergeld sowohl von der Familienkasse C2. H1. als auch von der Deutschen Post AG bezog, dass ihm Kindergeld aber nicht doppelt zustand, er dieses aber doppelt beziehen wollte. Dass der Beklagte wusste, Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. zu beziehen, ergibt sich aus seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 23. November 2011,. Danach habe er das (ob das Kindergeld auch tatsächlich gezahlt worden sei) im Auge gehabt. Das Kindergeld sei Mitte des Monats von der Familienkasse auf sein Girokonto überwiesen worden. Hierdurch wird zugleich seine Einlassung vom 10. November 2010 zum Ermittlungsergebnis im behördlichen Disziplinarverfahren widerlegt, er habe seine Kontoauszüge im Grunde nur auf den Kontostand kontrolliert.
60
Dass er ebenfalls wusste, dass er Kindergeld auch von der Deutschen Post AG bezog, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus seiner Kenntnis der entsprechenden Bezügemitteilungen. Der Beklagte hat sich diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingelassen, er schaue bei seinem Gehaltszettel immer nur auf den Endbetrag. Das sei die Summe, die ihn interessiere. Er vertraue darauf, dass diese richtig berechnet worden sei. Diese Einlassung des Beklagten ist jedoch nicht plausibel. Es leuchtet bereits nicht ein, warum sich der Beklagte nur den Endbetrag (Auszahlungsbetrag) auf seinen Gehaltsmitteilungen angesehen haben will. Diesen hätte er auch seinen Kontoauszügen entnehmen können. Diese kontrollierte er ohnehin darauf, ob das Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) eingegangen war. Dies gilt umso mehr, als die Höhe der Bezüge des Beklagten im hier interessierenden Zeitraum von Monat zu Monat wechselte. Gerade dann liegt es nahe, sich die Gehaltsabrechnung genauer anzusehen, um zu erfahren, worauf die unterschiedliche Höhe im Vergleich zum Vormonat beruht. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass der Beklagte auch die Kindergeldnachzahlung für die Monate Juni und Juli 1998 in seiner Bezügemitteilung für den Monat August 1998 zur Kenntnis genommen hat. Diese war in der Bezügemitteilung für den Monat August 1998 deutlich abgesetzt von der Berechnung der Bezüge für den laufenden Monat. Am Anfang der Bezügemitteilung für den Monat August 1998 war in zwei deutlich abgesetzten Blöcken die Nachberechnung für die Monate Juni und Juli 1998 ausgewiesen. Diese enthielten jeweils die Zeilen „lfd. Lohnsteuer“, „lfd. Kirchensteuer“ und „Kindergeld“ mit den entsprechenden Beträgen. Der Senat hält es bei dieser Sachlage für ausgeschlossen, dass der Beklagte diese Kindergeldnachzahlung übersehen haben könnte. Aufgrund der Nachzahlung für die Monate Juni und Juli 1998 war dem Beklagten auch bewusst, dass die Deutsche Post AG die Zahlung des Kindergeldes nunmehr aufgenommen hatte und weiterhin durchführen werde.
61
Hinzu kommt, dass in den Bezügemitteilungen ab dem Monat Januar 2000 das Kindergeld nur jeweils drei oder vier Zeilen über der Zeile „Auszahlungsbetrag“ in der Zeile „Kindergeld“ ausgewiesen war. Der Senat schießt daher aus, dass der Beklagte dieses Wort übersehen hat, selbst wenn er sich nur für den Endbetrag (Auszahlungsbetrag) interessiert und deshalb (vorrangig) hierauf geschaut hätte. Ferner spricht für eine Kenntnis des Beklagten von den Kindergeldzahlungen durch die Deutsche Post AG, dass er den Bezug des Kindergeldes vom Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. kontrolliert hat. Dann liegt es aber nahe, dass er auch den Bezug von der Deutschen Post AG kontrolliert hat. Denn er hatte bewusst und gewollt auch bei dieser Kindergeld beantragt.
62
Schließlich spricht für einen bewussten und gewollten doppelten Bezug von Kindergeld durch den Beklagten, dass er seinem ersten Antrag bei der Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. nur die Kopie der „Bescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 beifügte. Hätte der Beklagte vorgehabt, nur einmal Kindergeld zu beantragen, hätte es nahegelegen, diesem Antrag das Original der Bescheinigung vom 23. Juni 1998 beizufügen. Denn das war ihr einziger Sinn und Zweck, wie sich – ungeachtet etwaiger anderslautender Informationen im Krankenhaus und auch für den Beklagten eindeutig – aus ihrer Überschrift „Bescheinigung für Kindergeld“ ergab. Dass der Beklagte dem „Antrag auf Kindergeld“ an die Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. vom 7. Juli 1998 nicht das Original der „Bescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 beifügte, sondern dieses zurückhielt, legt nahe, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte, das Original für den zweiten Antrag bei der Familienkasse der Deutschen Post AG zu verwenden. D.h., dass er bereits zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte, zwei Anträge auf Kindergeld zu stellen, um dieses doppelt zu beziehen. Seine Einlassung gegenüber dem Verwaltungsgericht, ihnen sei im Krankenhaus der Rat gegeben worden, die Bescheinigung zu kopieren, weil sie diese mehrfach brauchen würden, seiner Erinnerung nach sei ein Exemplar auch für den Antrag auf Erziehungsgeld benötigt worden, bietet keine plausible Erklärung. Insbesondere lässt sie offen, warum der Beklagte seinem „Antrag auf Kindergeld“ an die Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. vom 7. Juli 1998 nicht das Original der „Bescheinigung für Kindergeld“ des Standesamts X1. vom 23. Juni 1998 beifügte, sondern nur eine Kopie. Dies ergibt nur Sinn, wenn er bereits zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte, das Original für einen weiteren „Antrag auf Kindergeld“ zu verwenden. Auch die geltend gemachte Unbedarftheit im Umgang mit Formularen und Schriftverkehr im privaten Bereich bietet hierfür keine plausible Erklärung.
63
Dass jedem Berechtigten Kindergeld nur einmal und nicht mehrfach zusteht, ist allgemeinkundig. Dies war daher auch dem Beklagten bekannt. Dass er gleichwohl das Kindergeld doppelt beziehen wollte, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen.
64
Dass der Beklagte um seine Pflicht wusste, die Antragstellung bei und den Bezug von Kindergeld von der Deutschen Post AG der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. mitzuteilen, ergibt sich aus Folgendem: Der Beklagte war im Antrag vom 7. Juli 1998 darüber belehrt worden, dass er alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung seien, unverzüglich dem Arbeitsamt – Familienkasse – mitzuteilen habe. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beklagte diese Belehrung auch zur Kenntnis genommen hat, da sie unmittelbar über der von ihm selbst ausgefüllten Datumszeile des Antragsformulars stand. Dass die doppelte Beantragung und erst recht der doppelte Bezug von Kindergeld für seinen Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung waren, lag auf der Hand und war demnach nach der Überzeugung des Senats auch dem Beklagten bewusst. Zudem wusste der Beklagte nach der Überzeugung des Senats, dass er sowohl von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. als auch von der Deutschen Post AG Kindergeld bezog, ihm dieses aber nur einmal zustand. Dann aber lag es auf der Hand, den doppelten Bezug beiden Familienkassen mitzuteilen, um eine Klärung herbeizuführen, welche der beiden Leistungen ihm zustand und welche nicht.
65
c) Durch vorsätzliches Unterlassen, der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. mitzuteilen, dass er Kindergeld auch bei der Deutschen Post AG beantragt hatte und von dieser bezog, und insbesondere hierdurch von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis zum 30. November 2008 zu Unrecht Kindergeld in Höhe von 18.416,40 t€ bezog, hat er gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 54 Satz 3 BBG a.F. verstoßen (nachfolgend aa)). Hingegen hat er nicht dadurch gegen Dienstpflichten verstoßen, dass er im Antrag vom 13. Juli 1998 an die Deutsche Post AG wahrheitswidrig angab, nicht anderweitig Kindergeld beantragt zu haben, und der Deutschen Post AG auch nicht seinen fortlaufenden Bezug von Kindergeld durch die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. anzeigte (nachfolgend bb)).
66
aa) Nach § 54 Satz 3 BBG a.F. musste das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erforderte.
67
Die beruflichen Erfordernisse, die eine Pflicht des Beamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes begründen, sind inhaltlich im Einklang mit § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. zu konkretisieren. Sie ergeben sich vor allem aus dem Amt des Beamten im statusrechtlichen Sinn, daneben aus der Notwendigkeit, das Ansehen des Beamtentums zu wahren, wenn dies nach heutigen Vorstellungen erforderlich erscheint. Danach verstößt ein außerdienstliches Verhalten des Beamten gegen die Wohlverhaltenspflicht aus § 54 Satz 3 BBG a.F., wenn es geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn sein außerdienstliches Verhalten einen hinreichenden Bezug zu seinem Statusamt aufweist, so dass es nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung seines Amtes zulässt, also Zweifel daran weckt, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Zum anderen verstößt ein außerdienstliches Verhalten gegen berufliche Erfordernisse im Sinne von § 54 Satz 3 BBG a.F., wenn dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt werden kann. Letzteres ist zumindest dann der Fall, wenn es sich bei dem außerdienstlichen Fehlverhalten um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt. Durch die Bewertung des Fehlverhaltens als strafbar hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dieses Verhalten als in besonderem Maße verwerflich ansieht. Dies lässt ohne weiteres darauf schließen, dass entsprechendes Fehlverhalten das Ansehen des Beamtentums in einer Weise beschädigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann.
68
Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 – 2 C 9.14 -, juris, Rdnr. 15 f. und 20 f., und vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 (191), Rdnr. 21 f. und 24.
69
Nach diesen Maßstäben verstieß das außerdienstliche Verhalten des Beklagten gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 54 Satz 3 BBG a.F., weil er hiermit eine Steuerhinterziehung beging, deren Unrechtsgehalt nach den konkreten Umständen der Tat auch nicht gering wiegt.
70
Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wird u.a. derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Der Beklagte ließ hier die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. und damit eine Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 AO) darüber in Unkenntnis, dass er Kindergeld nicht nur bei ihr beantragt hatte und von ihr bezog, sondern auch von der Deutschen Post AG. Diese Tatsachen waren steuerlich erheblich, weil Kindergeld jedem Berechtigten nur einmal zusteht. Dies ergibt sich aus § 64 Abs. 1 EStG, wonach für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt wird, sowie aus § 66 Abs. 1 EStG, der die jeweilige Höhe des Kindergeldes für das erste Kind festlegte. Die Unterlassung des Beklagten war auch pflichtwidrig. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG hat, wer Kindergeld beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Finanzbehörde anzuzeigen. Der Antrag bei und der Bezug von Kindergeld durch die Deutsche Post AG waren hier, wie ausgeführt, für die Leistung des Kindergeldes an den Beklagten erheblich. Die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. war auch die für die Entgegennahme der Anzeige dieser Tatsachen zuständige Finanzbehörde, weil sie das Kindergeld dem Beklagten zu Unrecht gewährte. Durch das Unterlassen der Anzeige erlangte der Beklagte einen Steuervorteil, nämlich das Kindergeld als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG). Dieser war auch ungerechtfertigt, weil der Beklagte nur einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld durch die Deutsche Post AG, nicht jedoch durch die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. hatte. Nach § 72 Abs. 2 EStG obliegt der Deutschen Post AG die Durchführung dieses Gesetzes für ihre jeweiligen Beamten und Versorgungsempfänger in Anwendung des Absatzes 1. Demnach wird gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG das Kindergeld für Personen, die – wie der Beklagte – in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Deutschen Post AG stehen, durch diese festgesetzt und ausgezahlt. Der Beklagte handelte auch vorsätzlich. Denn er wusste – wie oben festgestellt –, dass er verpflichtet war, der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. die Tatsachen der Antragstellung bei und des Bezugs von Kindergeld von der Deutschen Post AG mitzuteilen. Zudem unterließ er dies willentlich und wusste auch, dass er hierdurch einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil, nämlich den doppelten Bezug von Kindergeld, erlangte, und wollte dies auch.
71
Der Unrechtsgehalt der vom Beklagten begangenen Steuerhinterziehung wiegt nicht gering, weil er Kindergeld über mehr als 10 Jahre hinweg und im Umfang von insgesamt 18.416,40 € zu Unrecht bezog.
72
bb) Hingegen beging der Beklagte keine Dienstpflichtverletzung dadurch, dass er im Antrag vom 13. Juli 1998 an die Deutsche Post AG wahrheitswidrig angab, nicht anderweitig Kindergeld beantragt zu haben, und der Deutschen Post AG auch nicht seinen fortlaufenden Bezug von Kindergeld durch die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. anzeigte.
73
(1) Der Beklagte hat durch diese Handlung und die Unterlassung entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht gegen seine Wahrheitspflicht aus § 54 Satz 3 BBG a.F. verstoßen. Die aus § 54 Satz 3 BBG a.F. (nunmehr § 61 Satz 3 BBG) folgende Wahrheitspflicht gilt nur für Tatsachen, die einen dienstlichen Bezug aufweisen. Sie dient der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs und der ungestörten Entwicklung der gegenseitigen dienstrechtlichen Beziehungen.
74
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. März 1977 – I D 102.76 -, juris, Rdnr. 17; Zängl, in: GKÖD, Stand Juli 2015, § 54 BBG a.F., Rdnr. 26 ff.; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand Juni 2015, § 61 BBG, Rdnr. 25; Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl. 2012, § 61, Rdnr. 12.
75
Im Streitfall fehlt es an einem Bezug der genannten Handlung und Unterlassung des Beklagten zum Dienstbetrieb oder zu seinen dienstrechtlichen Beziehungen zur Deutschen Post AG. Der Beklagte hat die Angaben in seinem Antrag vom 13. Juli 1998 nicht gegenüber der Deutschen Post AG als seinem Dienstherrn, sondern als Familienkasse und damit als Finanzbehörde nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 AO gemacht. Dementsprechend hat er auch unterlassen, seinen Bezug von Kindergeld vom Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. der Deutschen Post AG als Familienkasse - nicht etwa in ihrer Eigenschaft als Dienstherrn - anzuzeigen.
76
Nach § 72 Abs. 1 EStG wird das Kindergeld von den Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts festgesetzt und ausgezahlt, wenn es Personen zusteht, die – wie der Beklagte – in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen. Die genannten juristischen Personen sind insoweit Familienkasse. Nach § 72 Abs. 2 EStG obliegt u.a. der Deutschen Post AG die Durchführung des Einkommensteuergesetzes für ihre Beamten in Anwendung des § 72 Abs. 1 EStG.
77
Bei dem Kindergeld handelt es sich nicht um eine Leistung der Deutschen Post AG für ihre Beamten, sondern um eine Steuervergütung zur Freistellung des steuerlichen Existenzminimums des Kindes und – soweit es hierüber hinaus geht – um eine familienpolitische Leistung des Bundes, die allen Kindergeldberechtigten zugute kommt. Nach § 31 Sätze 1 bis 3 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach Abschnitt X bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt.
78
Dementsprechend erbringt die Deutsche Post AG das Kindergeld nicht aus eigenen Mitteln. Sie entnimmt nach § 72 Abs. 7 Sätze 2 und 3 EStG die Summe des von ihr für alle Berechtigten ausgezahlten Kindergeldes vielmehr dem Betrag, den sie insgesamt an Lohnsteuer einzubehalten hat, und setzt sie bei der nächsten Lohnsteuer-Anmeldung gesondert ab. Übersteigt das insgesamt ausgezahlte Kindergeld den Betrag, der insgesamt an Lohnsteuer abzuführen ist, so wird ihr der übersteigende Betrag auf Antrag von dem Finanzamt, an das die Lohnsteuer abzuführen ist, aus den Einnahmen der Lohnsteuer ersetzt.
79
Die Verpflichtung von Beamten, die bei ihrem Dienstherrn einen Antrag auf Kindergeld stellen, zu wahrheitsgemäßen Angaben und zur Mitteilung von Veränderungen ergibt sich daher nicht aus der (innerdienstlichen) Wahrheitspflicht aus § 54 Satz 3 BBG a.F., § 61 Satz 3 BBG oder § 34 Satz 3 BeamtStG. Grundlage hierfür sind vielmehr § 90 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO und § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG. Nach § 90 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO sind die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG hat, wer Kindergeld beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen.
80
Der Fall des Beklagten entspricht insoweit dem eines Beamten, der eine falsche Steuererklärung abgibt. Dieser verletzt hierdurch ebenfalls nicht seine (innerdienstliche) Wahrheitspflicht aus § 61 Satz 3 BBG oder § 34 Satz 3 BeamtStG, sondern seine steuerrechtliche Erklärungspflicht aus § 90 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO. Er begeht damit ggf. eine (außerdienstliche) Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO, nicht aber eine Verletzung innerdienstlicher Pflichten.
81
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 (190 ff.), Rdnr. 19 ff.
82
(2) Dementsprechend verstieß der Beklagte durch seine wahrheitswidrige Angabe in seinem Antrag vom 13. Juli 1998 und seine unterlassene Information über den Kindergeldbezug durch das Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. auch nicht gegen seine Beratungs- und Unterstützungspflicht aus § 55 Satz 1 BBG a.F. Diese bezieht sich ebenfalls nur auf die dienstliche Tätigkeit des Beamten.
83
Vgl. Hampel, in: GKÖD, Stand: Juli 2015, § 62 BBG, Rdnr. 71.
84
(3) Der Beklagte verstieß durch die genannte Handlung und Unterlassung zudem nicht gegen seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht aus § 54 Satz 3 BBG a.F. Er beging hierdurch keine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO. Denn ihm stand das von der Deutschen Post AG ausgezahlte Kindergeld tatsächlich zu. Er verstieß hierdurch auch nicht gegen seine Erklärungspflichten aus § 90 Abs. 1 Satz 2 AO und § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Antragstellung bei und der Bezug von Kindergeld vom Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. waren für seinen Bezug von Kindergeld von der Deutschen Post AG unerheblich, weil die Zahlung von Kindergeld durch die Deutsche Post AG an ihn unabhängig von diesen Tatsachen rechtmäßig war.
85
d) Das außerdienstliche Verhalten des Beklagten erfüllt auch die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. für die Annahme eines Dienstvergehens. Danach ist ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Es ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung ist bedeutsam, wenn sie qualitativ das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet. Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Statusamt des Beamten oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen.
86
BVerwG, Urteile 18. Juni 2015 – 2 C 9.14 -, juris, Rdnr. 8 ff., insb. Rdnr. 16, und vom 19. August 2010 – 2 C 13.10 -, NVwZ 2011, 299 (300), Rdnr. 13 f.
87
Ausgehend hiervon war das außerdienstliche Verhalten des Beklagten in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beschädigen. Allerdings weist die von ihm begangene Steuerhinterziehung keinen Bezug zu seinem Statusamt als Posthauptschaffner bzw. Postbetriebsassistent auf. Sie ließ insbesondere keine nachteiligen Rückschlüsse auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten zu.
88
Ihre disziplinare Relevanz folgt aber aus dem erheblichen Schaden für das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung. Ein solcher ist bei einem erstmaligen außerdienstlichen Fehlverhalten eines Beamten regelmäßig schon dann anzunehmen, wenn das außerdienstliche Verhalten der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist. Das ist der Fall, wenn es mit Freiheitsstrafe von mindestens bis zu zwei Jahren bedroht ist und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt, weil er nach den konkreten Umständen des Falles erkennbar nicht an der unteren Schwelle liegt. Durch die Festlegung eines solchen Strafrahmens bringt der Gesetzgeber verbindlich zum Ausdruck, dass er dieses Verhalten als in besonderem Maße verwerflich ansieht. Dies lässt ohne Weiteres darauf schließen, dass das Fehlverhalten das Ansehen des Beamtentums in einer Weise beschädigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann.
89
Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 (192), Rdnr. 24, und vom 19. August 2010 – 2 C 13.10 -, a.a.O., Rdnr. 17 f.
90
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Steuerhinterziehung ist in § 370 Abs. 1 AO mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. Der Unrechtsgehalt der konkreten Tat des Beklagten wiegt auch nicht gering. Er hat über einen langen Zeitraum hinweg, nämlich mehr als 10 Jahre lang, ungerechtfertigt doppelt Kindergeld bezogen. Die Höhe des dadurch von ihm verursachten Schadens war mit über 18.000,- € beträchtlich.
91
e) Durch das außerdienstliche Dienstvergehen der Steuerhinterziehung durch ungerechtfertigten Bezug von Kindergeld in Höhe von 18.416,60 € hat der Beklagte die Disziplinarmaßnahme der Kürzung seines Ruhegehalts verwirkt (§ 5 Abs. 2 Nr. 1, § 11 BDG).
92
Nach § 13 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
93
aa) Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist danach von der Schwere des Dienstvergehens auszugehen. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen.
94
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 62.11 -, NVwZ-RR 2013, 693 (697), Rdnr. 39 m.w.N.
95
Nach diesen Maßstäben wäre hier gegen den Beklagten nach der Schwere seines Dienstvergehens eine Kürzung seines Ruhegehalts auszusprechen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1, § 11 BDG).
96
Im Falle der außerdienstlichen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO durch einen aktiven Beamten ist von der Schwere des Dienstvergehens her grundsätzlich von der Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung auszugehen, wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch ist, sich also im fünf- oder sechsstelligen (DM-) Bereich bewegt.
97
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2004 – 1 D 18.03 -, Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 7, S. 14.
98
Dies ist hier mit 18.416,60 € der Fall. Hinzu kommt, dass der Beklagte über einen langen Zeitraum, nämlich über 10 Jahre, ungerechtfertigt Kindergeld bezogen hat. Andererseits vermindert es die Schwere seines Dienstvergehens ganz erheblich, dass das Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. ein erhebliches Mitverschulden an seinem ungerechtfertigten Bezug von Kindergeld trifft. Das Arbeitsamt hätte ihm aufgrund seiner zutreffenden Angabe in seinem Antrag vom 7. Juli 1998, dass er im öffentlichen Dienst bei der Deutschen Post AG beschäftigt ist, kein Kindergeld bewilligen dürfen. Allerdings vermindert dies die Schwere seines Dienstvergehens nicht soweit, dass gegen ihn nicht wenigstens eine Kürzung seines Ruhegehalts zu verhängen wäre.
99
Hingegen trifft die Deutsche Post AG entgegen seinem Vorbringen kein Mitverschulden an seiner Steuerhinterziehung. Die Übersendung des Antragsformulars „Kindergeld für Beschäftige des öffentlichen Dienstes“ entsprach ihrer Fürsorgepflicht für ihn nach der Geburt seines Kindes. Denn sie war für die Bewilligung und Zahlung des Kindergeldes zuständig (§ 72 EStG). Sie hat auch alles getan, um einen Doppelbezug von Kindergeld durch den Beklagten zu vermeiden. Sie fragte in dem Formular ab, ob er bereits anderweitig Kindergeld beantragt habe oder beziehe, was der Beklagte aber bewusst wahrheitswidrig verneinte. Anhaltspunkte für einen doppelten Bezug von Kindergeld durch den Beklagten hatte sie nicht.
100
bb) Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Beklagten führt zu keiner anderen Bewertung. Die angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Beamten im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 3 BDG bedeutet, dass es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen ankommt, insbesondere soweit es mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder davon abweicht (zum Beispiel: persönlichkeitsfremdes Verhalten in Notstands- und Konfliktsituationen).
101
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 – 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 (259 f.).
102
Ausgehend hiervon rechtfertigt das Persönlichkeitsbild des Beklagten keine andere Disziplinarmaßnahme als die Kürzung seines Ruhegehalts. Sog. klassische Milderungsgründe, die zur Verhängung einer um eine Stufe geringeren Disziplinarmaßnahme, d.h. hier zum Absehen von einer Disziplinarmaßnahme führen müssten (vgl. § 5 Abs. 2 BDG), sind nicht erkennbar. Der Milderungsgrund der negativen Lebensphase lag beim Beklagten ebenfalls nicht vor (1). Eine Gesamtwürdigung seines Persönlichkeitsbildes gebietet nicht die Verhängung einer milderen, d.h. im Ergebnis das Absehen von einer Disziplinarmaßnahme (2).
103
(1) Eine negative Lebensphase während des Tatzeitraums kann je nach den Umständen des Einzelfalls mildernd berücksichtigt werden. Dies gilt allerdings nur für außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Hinzukommen muss, dass er die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat. Die Berücksichtigung einer schwierigen, inzwischen überwundenen Lebensphase liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Lebensumstände darstellt, kann aber auch dann berücksichtigt werden, wenn dies nicht der Fall ist. Eine Regel dahin, dass bei Vorliegen einer negativen Lebensphase die nach der Schwere des Dienstvergehens angezeigte Disziplinarmaßnahme um eine Stufe zu mildern ist, besteht nicht.
104
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35.13 -, NVwZ-RR 2014, 314 (316 f.), Rdnr. 28 f. m.w.N.
105
Derart außergewöhnliche Verhältnisse während des Tatzeitraums von Juli 1998 bis November 2008, die den Beklagten zeitweilig aus der Bahn geworfen hätten, sind hier nicht erkennbar. Insoweit hat er im behördlichen Disziplinarverfahren geltend gemacht, in dieser Zeit sei sehr viel zusammen gekommen. Er sei zu seiner Ehefrau umgezogen. Vorher hätten sie noch ihr Haus komplett renoviert. Dann hätten sie geheiratet. Im gleichen Jahr sei dann auch noch N. zur Welt gekommen. Dazu sei sein Schwiegervater 9 Jahre lang ein Pflegefall gewesen. Sie hätten der Schwiegermutter sehr geholfen. Kurz gesagt seien sie total überfordert gewesen.
106
Die von ihm geltend gemachten Belastungen durch die Renovierung des Hauses, den Umzug zu seiner Ehefrau und die Heirat lagen jedoch vor der Geburt seines Sohnes N. und damit auch vor dem hier in Rede stehenden Tatzeitraum von Juli 1998 bis November 2008. Außergewöhnlich belastende Umstände im Zusammenhang mit der Geburt seines Sohnes hat er ebenso wenig substantiiert geltend gemacht wie hinsichtlich der Pflege seines Schwiegervaters. Insbesondere hat er diesbezüglich weder angegeben, von wann bis wann sein Schwiegervater pflegebedürftig war, noch in welcher Weise er sich selbst an dessen Pflege beteiligt hat.
107
(2) Bei einer Gesamtwürdigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er – abgesehen von der hier in Rede stehenden außerdienstlichen Steuerhinterziehung - dienstlich und außerdienstlich unbescholten ist und ausweislich der Äußerung seines damaligen Vorgesetzten vom 9. August 2009 gute dienstliche Leistungen erbrachte. Allerdings kann von jedem Beamten als selbstverständlich erwartet werden, dass er sich dienstlich wie außerdienstlich beanstandungsfrei verhält und seinem Leistungsvermögen entsprechende gute Leistungen erbringt.
108
Weiter ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er den durch ihn verursachten Steuerschaden auf Anforderung durch die Familienkasse der Agentur für Arbeit C2. H1. mit Bescheid vom 18. November 2008 alsbald ausgeglichen hat. Allerdings war er hierzu auch rechtlich verpflichtet. Zudem bereut er seine Tat bereut.
109
Ferner berücksichtigt der Senat zu seinen Gunsten das ganz erhebliche Mitverschulden des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. an seinem doppelten Kindergeldbezug. Das entband ihn allerdings nicht davon, dem Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. diesen Doppelbezug anzuzeigen.
110
Schließlich berücksichtigt der Senat zu seinen Gunsten, dass es sich bei dem Beklagten um eine einfach strukturierte Persönlichkeit handelt und ihm der Umgang mit Formularen offenbar nicht leicht viel. Dies ändert aber nichts daran, dass er dem Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. bewusst seine Beantragung und seinen Bezug von Kindergeld von der Deutschen Post AG verschwiegen hat.
111
Angesichts des wegen der Höhe des zu Unrecht vom Beklagten bezogenen Kindergeldes und der Länge des Bezugszeitraums doch ganz erheblichen Gewichts der außerdienstlichen Steuerhinterziehung des Beklagten wiegen diese Aspekte auch in ihrer Gesamtheit allerdings nicht so schwer, dass deshalb eine Kürzung des Ruhegehalts des Beklagten unangebracht erschiene.
112
cc) Schließlich führt auch die Berücksichtigung der Dauer des Disziplinarverfahrens nicht dazu, dass eine Kürzung des Ruhegehalts des Beklagten unangemessen wäre. Allerdings sind seit der (nach Aufdeckung des Dienstvergehens des Beklagten zeitnah erfolgten) Einleitung des Disziplinarverfahrens durch die Klägerin mehr als sechs Jahre vergangen. Dabei ist zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er durch das Disziplinarverfahren erheblich belastet worden ist, weil die Klägerin es mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Dienst betrieben hat. Gleichwohl gebietet dies nicht, von einer Kürzung seines Ruhegehalts abzusehen, weil seinem Dienstvergehen, wie ausgeführt, ein ganz erhebliches disziplinares Gewicht zukommt.
113
2. Der Verhängung der danach angemessenen Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts des Beklagten steht aber § 14 Abs. 1 Nr. 1 BDG entgegen. Nach dieser Vorschrift darf u.a. dann, wenn eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO nach der Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann, wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung des Ruhegehalts nicht ausgesprochen werden. Die Tat des Beklagten, die Hinterziehung von 18.416,60 € in der Zeit von Juni 1998 bis November 2008 durch Unterlassen der Anzeige der Beantragung und des Bezugs von Kindergeld durch die Deutsche Post AG gegenüber dem Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. , kann hier nach der Erfüllung der Auflage durch den Beklagten nach § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Der Beklagte hat hier die Auflage der Bußgeld- und Strafsachenstelle der Familienkasse L1. im Steuerstrafverfahren erfüllt, einen Betrag von 1.800,‑ € in sechs Raten zu je 300,- € ab dem 15. November 2009 an die Agentur für Arbeit L1. zu zahlen. Diese Tat betraf auch denselben Sachverhalt, der nunmehr im Disziplinarverfahren zur Kürzung seines Ruhegehalts führen müsste, weil er hierüber hinaus keine Dienstpflichtverletzung begangen hat (siehe oben 1. c) bb)).
114
3. Eine Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und Abweisung der Disziplinarklage kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin dies nicht beantragt (§ 3 BDG i.V.m. § 129 VwGO) und der Beklagte keine Berufung eingelegt hat.
115
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
116
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 BDG i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
117
IV. Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 132 Abs. 2 VwGO).
118
Das Urteil ist infolge Rechtsmittelverzichts der Beteiligten unanfechtbar.
3d A 105/12.BDG
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2
Der Beklagte wurde am 1. Oktober 19 in C. geboren und erlangte am 28. Juni 1983 den Abschluss der Gemeinschafts-Hauptschule C. . Vom 1. August 1983 bis zum 27. Juni 1984 absolvierte er ein Berufsgrundschuljahr an den Kaufmännischen Schulen des P. L. und vom 1. August 1984 bis zum 12. Juni 1986 die Ausbildung zur Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb bei der Deutschen Post in H. . Nach Bestehen der Abschlussprüfung ernannte der Präsident der Oberpostdirektion ihn mit Wirkung zum 25. Juni 1986 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Postoberschaffner zur Anstellung (BesGr A 3) und versetzte ihn gleichzeitig zum Postamt Köln 2. Nach Bewährung während der Probezeit ernannte ihn der Präsident der Oberpostdirektion mit Wirkung zum 1. Juli 1987 zum Postoberschaffner und mit Wirkung zum 1. September 1988 zum Posthauptschaffner (BesGr A 4). Zum 1. Juli 1989 wurde er zurück zum Postamt H. versetzt und war dort zunächst in der Briefzustellung eingesetzt. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1994 verlieh ihm der Präsident der Direktion Post L1. die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit. Zum 26. Juni 1995 wurde er von der Filiale X. zur Niederlassung H. , Zustellbasis Fracht, umgesetzt. Am 31. Dezember 2002 ernannte der Leiter der Niederlassung Produktion Express L1. der Deutschen Post AG ihn zum Postbetriebsassistenten (BesGr A 5). Zum 13. August 2007 wurde er von der Zustellbasis H. zum Zustellstützpunkt X1. umgesetzt. Mit Wirkung zum 30. November 2014 versetzte ihn der Leiter der Niederlassung Brief C1. der Deutschen Post AG wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand.
3
Der Beklagte ist seit dem 20. Februar 19 verheiratet und hat einen am 20. Juni 19 geborenen Sohn. Straf- oder disziplinarrechtlich ist er nicht vorbelastet.
4
Dem Disziplinarverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Nach der Geburt seines Sohnes N. stellte der Beklagte unter dem 7. Juli 1998 beim Arbeitsamt C2. H1. , Nebenstelle H. , einen „Antrag auf Kindergeld“. Die Frage Nr. 8, ob er oder seine Ehegattin oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, verneinte er. Ferner gab er an, im öffentlichen Dienst beschäftigt zu sein, nämlich bei der Deutschen Post AG Fracht in H. . In dem Formular steht unmittelbar über der Datumszeile, die der Beklagte mit „X. “, den „07.07.98“ ausfüllte, folgende Belehrung: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht habe. Mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich dem Arbeitsamt – Familienkasse – mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.“ Dem Antrag fügte er eine Fotokopie der „Geburtsbescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 bei. Diese enthielt unmittelbar unterhalb der genannten Überschrift den Hinweis „(Bitte sorgfältig aufbewahren, wird nur einmal ausgestellt.)“. Die Familienkasse des Arbeitsamts – später Agentur für Arbeit – C2. H1. überwies ihm daraufhin für die Monate Juni 1998 bis einschließlich November 2008 monatlich Kindergeld in Höhe von insgesamt 18.416,40 €.
5
Unter dem 13. Juli 1998 stellte der Beklagte bei der Deutschen Post AG einen weiteren „Antrag auf Zahlung von Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes“. Die Frage Nr. 8, ob er oder seine Ehegattin oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, verneinte er wiederum. Auch in diesem Formular stand unmittelbar über der Datumszeile, die der Beklagte mit „X. , 13.07.98“ ausfüllte, folgende Belehrung: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht habe. Mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.“ Dem Antrag fügte er das Original der „Geburtsbescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 bei. Die Deutsche Post AG zahlte dem Beklagten daraufhin mit seinen Bezügen für die Monate Juni 1998 bis November 2008 ebenfalls Kindergeld in Höhe von insgesamt 18.416,40 €.
6
Im Rahmen einer Prüfung des Bundesrechnungshofs erfuhr die Familienkasse C2. H1. im November 2008, dass der Beklagte Kindergeld von der Deutschen Post AG erhielt. Sie stellte daraufhin die weitere Zahlung des Kindergeldes ein, hob mit Bescheid vom 18. November 2008 die Festsetzung des Kindergelds für die Monate Juni 1998 bis November 2008 auf und forderte vom Beklagten 18.416,40 € zurück. Hiergegen legte der Beklagte unter dem 28. November 2008 Einspruch ein. Ihm sei eine Überzahlung des Kindergeldes nicht aufgefallen. Er habe im Laufe der Jahre auch keine entsprechende Anfrage seitens der Familienkasse C2. H1. oder der Familienkasse der Deutschen Post AG erhalten. Den Einspruch wies die Familienkasse C2. H1. mit Bescheid vom 20. April 2009 zurück. Der Beklagte zahlte auf die 18.416,40 € in den Monaten Februar bis April 2009 zunächst drei Raten zu je 100,- € und am 22. Mai 2009 den Restbetrag von 18.116,40 €.
7
Am 31. August 2009 leitete die Bußgeld- und Strafsachenstelle der Familienkasse L1. gegen den Beklagten ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein. Der Beklagte versicherte mit Schreiben vom 19. September 2009, er habe unwissend gehandelt, was ja nicht von der Bestrafung befreie. Die Familienkasse habe ihm das Formular zugeschickt. Er habe im Glauben unterschrieben, dass dies notwendig sei. Damit habe das Verhängnis seinen Lauf genommen. Nach Zustimmung des Amtsgerichts L1. stellte die Bußgeld- und Strafsachenstelle der Familienkasse L1. das Verfahren vorläufig nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO ein und gab dem Beklagten auf, 1.800,- € in 6 Raten zu je 300,- € ab dem 15. November 2009 an die Agentur für Arbeit L1. zu zahlen. Nachdem der Beklagte die 6 Raten gezahlt hatte, stellt sie das Verfahren mit Bescheid vom 15. April 2010 endgültig ein.
8
Bereits mit Einleitungsverfügung vom 6. Juli 2009 hatte der Leiter der Niederlassung Brief der Deutschen Post AG gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung sowie des Verdachts des Verstoßes gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten durch das Verschweigen der doppelten Beantragung und des doppelten Bezugs von Kindergeld bzw. Unterlassen einer wahrheitsgemäßen Änderungsmitteilung eingeleitet.
9
Unter dem 29. Juli 2009 äußerte sich der Beklagte hierzu: Die Geburt seines Sohnes sei das Schönste gewesen, was er bis heute habe erleben dürfen. Es könne doch wohl keiner ernsthaft glauben, dass er sich an seinem Sohn habe bereichern wollen. Er erkläre eindeutig, dass es in Unkenntnis passiert sei. Als sein Sohn N. geboren worden sei, habe er kurze Zeit später ein Formular von der Familienkasse erhalten, womit er das Kindergeld habe beantragen sollen. Das habe er auch getan in dem Glauben, richtig zu handeln. Somit habe das Verhängnis seinen Lauf genommen. Da N. sein erstes Kind gewesen sei, habe er überhaupt keine Ahnung gehabt, wie das alles ablaufe. Zu keiner Phase habe er auch nur den Verdacht gehabt, dass hier etwas nicht stimmen könne. In dieser Zeit sei auch sehr viel zusammen gekommen. Er sei zu seiner Ehefrau umgezogen. Vorher hätten sie noch ihr Haus komplett renoviert. Dann hätten sie geheiratet. Im gleichen Jahr sei dann auch noch N. zur Welt gekommen. Dazu sei sein Schwiegervater 9 Jahre lang ein Pflegefall gewesen. Sie hätten der Schwiegermutter sehr geholfen. Sie seien total überfordert gewesen.
10
Unter dem 18. August 2009 äußerte sich sein Vorgesetzter über den Beklagten. Er sei seit zwei Jahren im Zustellstützpunkt X. als Zusteller eingesetzt. Zuvor sei er in der Zustellbasis H. als Paketzusteller beschäftigt gewesen. Er werde in vier Verbundbezirken und einem Paket-Inselbezirk erfolgreich eingesetzt. Seine Arbeitskraft setze er innerhalb des vorgegebenen Rahmens optimal ein. Sein Arbeitszeitkonto bewirtschafte er ökonomisch und halte es auf einem günstigen Stand. Nach seinen Feststellungen sei er pflichtbewusst und zuverlässig. Den Kräften der Stellenleitung gegenüber verhalte er sich höflich, stets korrekt und einwandfrei. Er sei freundlich und kollegial. Beschwerden der Kundschaft bezüglich seiner Person seien ihm nicht bekannt. Sein Auftreten sei eher zurückhaltend und im Allgemeinen gepflegt. Er sei immer pünktlich.
11
Zu dem ihm am 7. September 2010 übersandten Ermittlungsergebnis äußerte sich der Beklagte wie folgt: Für ihn habe immer alles sein Vater geregelt. Das sei ein Fehler gewesen. Er habe auf keinen Fall vorsätzlich gehandelt.
12
Seine Prozessbevollmächtigte teilte unter dem 10. November 2010 für den Beklagten mit, dieser habe nicht vorsätzlich gehandelt. Als ihm der zweite Antrag auf Zahlung von Kindergeld für Angehörige des öffentlichen Dienstes zugesandt worden sei, sei er davon ausgegangen, dass es sich im Grunde nochmals um denselben Antrag gehandelt habe, den er am 7. Juli 1998 ausgefüllt habe. Es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass es sich um einen anderen Antrag gehandelt habe als den, den er bereits ausgefüllt hatte. Er habe sich keine Kopie des Antrags an die Familienkasse C2. H1. gefertigt.
13
Da er von einem einheitlichen, lediglich doppelt ausgefüllten Antrag ausgegangen sei, hab er angenommen, nicht anderweitig Kindergeld beantragt zu haben. Insoweit habe er die Frage 8 des Antrags vom 13. Juli 1998 von seinem Empfängerhorizont aus wahrheitsgemäß mit „Nein“ beantwortet. Die Deutsche Post AG müsse sich vorhalten lassen, dass der von ihr übersandte Antrag in vielen Fällen zu Missverständnissen geführt habe. Er sei ein Bediensteter des einfachen Dienstes. Privat sei ihm der „Papierkram“ wie Anträge stellen, Formulare ausfüllen, Belege sammeln etc. ein Greul. Aus diesem Grunde habe er schon seit einigen Jahren keinen Lohnsteuerjahresausgleich mehr durchgeführt. Entsprechend sei er bisher auch mit seinen Gehaltsabrechnungen und Kontoauszügen umgegangen. Da er aufgrund unterschiedlicher Arbeitsbelastung auch monatlich unterschiedliche Bezügemitteilungen erhalten habe, hätten ihn grundsätzlich nur das Gesamtbrutto und der Auszahlungsbetrag interessiert. Dass die Bezügemitteilungen auch ein Kindergeld beinhalteten, sei ihm nicht aufgefallen. Auch seine Kontoauszüge habe er im Grunde nur auf den Kontostand kontrolliert.
14
Darüber hinaus greife das Verbot der Doppelmaßregelung nach § 14 BDG.
15
Auf Antrag des Beklagten vom 29. September 2010 beteiligte die Klägerin den Betriebsrat der Niederlassung Brief der Deutschen Post AG. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2010 erhob dieser Einwendungen gegen die beabsichtigte Erhebung der Disziplinarklage. Diese wies der Leiter der Niederlassung Brief mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 zurück. Der Betriebsrat beantragte daraufhin mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 die Entscheidung des Arbeitsdirektors. Mit Schreiben vom 31. Januar 2011 erläuterte der Arbeitsdirektor, weshalb er keine Möglichkeit sehe, von der Erhebung der Disziplinarklage abzusehen. Nachdem sich der Betriebsrat hierauf nicht mehr geäußert hatte, wies der Arbeitsdirektor den Antrag des Betriebsrats mit Schreiben vom 23. März 2011 zurück.
16
Unter dem 28. März 2011 stimmte die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation der Erhebung der Disziplinarklage zu.
17
Die Klägerin hat am 12. April 2011 Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erhoben.
18
Sie hat ihm im Wesentlichen vorgeworfen, vorsätzlich doppelt Kindergeld beantragt und in der Zeit vom 1. Juni 1998 bis zum 30. November 2008 bezogen und sich hierdurch der Steuerhinterziehung in Höhe von 18.416,40 € schuldig gemacht zu haben. Die Einlassungen des Beklagten im behördlichen Disziplinarverfahren seien als Schutzbehauptungen zu werten. Beide Anträge seien von ihm innerhalb von nur 6 Tagen gestellt worden. Beiden sei eine Geburtsbescheinigung für Kindergeld beigefügt worden, die nur einmal ausgestellt werde. Das Kindergeld sei auf den Bezügemitteilungen der Deutschen Post AG nach den Nettobezügen als eigenständige Zahlung unter dem Stichwort „Kindergeld“ ausgewiesen. Die Zahlung des Kindergeldes durch das Arbeitsamt sei ebenfalls unter dem Stichwort „Kindergeld“ auf dem Postgirokonto des Beklagten eingegangen. Zudem habe es sich um die gleichen Beträge gehandelt. Es sei unwahrscheinlich, dass dies dem Beklagten über einen Zeitraum von 10 Jahren hinweg nicht aufgefallen sein solle. Er habe die Hauptschule mit Erfolg und die Laufbahnprüfung für den einfachen Postdienst mit der Note „befriedigend“ abgeschlossen. Es könne ihm daher nicht abgenommen werden, dass er sich während eines Zeitraums von mehr als 10 Jahren nie die Frage gestellt haben wolle, weshalb ihm für sein Kind von zwei unterschiedlichen Stellen jeweils absolut identische Beträge überwiesen worden seien.
19
Die Klägerin hat beantragt,
20
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
21
Der Beklagte hat beantragt,
22
die Klage abzuweisen,
23
hilfsweise,
24
auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
25
Der Beklagte hat im Wesentlichen seine Einlassungen aus dem behördlichen Disziplinarverfahren wiederholt.
26
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten eine Geldbuße in Höhe von 100,- € auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die außerdienstlichen Pflichtverletzungen des Beklagten stellten kein Dienstvergehen dar. Er habe keine Steuerhinterziehung begangen, weil er nicht vorsätzlich gehandelt habe; jedenfalls müsse zu seinen Gunsten vom Gegenteil ausgegangen werden. Vorsatz des Beklagten sei weder bei der Beantragung des Kindergelds noch während dessen doppelten Bezugs feststellbar. Hingegen habe er seine innerdienstliche Wahrheitspflicht dadurch fahrlässig verletzt, dass er beim Ausfüllen des zweiten Kindergeldantrags fahrlässig angekreuzt habe, noch keinen anderen Antrag auf Kindergeld gestellt zu haben. Zudem habe er es fahrlässig unterlassen, seinen Dienstherrn auf den doppelten Bezug von Kindergeld hinzuweisen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. November 2011 Bezug genommen.
27
Die Klägerin hat gegen das ihr am 8. Dezember 2011 zugestellte Urteil am 9. Januar 2012, einem Montag, Berufung eingelegt und diese begründet.
28
Sie trägt in Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, dem Beklagten sei – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – uneingeschränkt ein subjektiver Schuldvorwurf zu machen. Dieser gehe nach ihrer Ansicht über eine bloße Fahrlässigkeit hinaus.
29
Die Behauptung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, er habe das Antragsformular vom Arbeitsamt ohne Anforderung zugeschickt bekommen, könne nicht stimmen. Sie sei nicht glaubhaft. Woher habe das Arbeitsamt wissen sollen, dass seine Frau ein Kind bekommen habe? Weshalb hätte das Arbeitsamt dem Kläger aus eigener Veranlassung ein Antragsformular zusenden sollen?
30
Ferner habe der Beklagte nur behauptet, das Merkblatt nicht gelesen zu haben. Mit seiner Unterschrift habe er jedoch bescheinigt, dass er vom Inhalt des Merkblatts Kenntnis erlangt habe.
31
Auf der Bezügemitteilung sei das Kindergeld unmittelbar nach den Nettobezügen aufgeführt. Selbst wenn der Beklagte nur den Endbetrag kontrolliert habe, müsse ihm der Begriff „Kindergeld“ ins Auge gesprungen sein.
32
Seine Einlassung, er habe stets eine Abscheu vor dem „Papierkram“ gehabt und er habe sich die Bezügemitteilungen deshalb nicht so genau angeschaut, sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht plausibel. Zwar möge es in der Beamtenschaft Menschen geben, deren Einstellung zu Schriftverkehr und verwaltungstechnischen Abläufen durch große Leichtfertigkeit und durch Unbehagen gegenüber diesen Vorgängen gekennzeichnet sei. Dies treffe aber nicht auf den Beklagten zu. Er sei als Beamter im alltäglichen Postbetriebsdienst damit vertraut und es gehöre zu seinen Aufgaben, Formulare wie z.B. Zustellungsurkunden ausfüllen zu müssen. Hierbei sei ebenfalls größte Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit an den Tag zu legen. Bei der Dienstausübung habe der Beklagte sich bisher nichts zu Schulden kommen lassen und gute Leistungen erbracht. Dies werde durch seine Beurteilung anlässlich des Disziplinarverfahrens bestätigt.
33
Weiter behaupte der Beklagte, er habe die Geburtsbescheinigung deshalb kopiert, weil er diese auch bei der Beantragung des Erziehungsgeldes habe vorlegen müssen. Auf der Geburtsbescheinigung stehe jedoch, dass diese nur einmal für die Beantragung des Kindergeldes ausgestellt werde.
34
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Beklagte habe „auf die Disziplinarkammer den Eindruck eines grundehrlichen Menschen gemacht, dem Schliche oder Tricksereien gänzlich fremd seien“, vermöge nicht zu überzeugen und greife nicht durch.
35
Die Klägerin beantragt,
36
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. November 2011 aufzuheben und dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.
37
Der Beklagte beantragt,
38
die Berufung zurückzuweisen.
39
Er trägt vor, allein der Umstand, dass er im Postbetriebsdienst auch öfters mit Formularen zu tun habe, belege nicht, dass er kein Mensch sei, dessen Einstellung zu Schriftverkehr und verwaltungstechnischen Abläufen durch große Leichtfertigkeit und Unbehagen gegenüber diesen Vorgängen gekennzeichnet sei. Hierbei handele es sich um eine innere Einstellung, die unabhängig von äußeren Gegebenheiten sei. Die Sorgfalt in eigenen und in beruflichen Angelegenheiten könne unterschiedlich ausgeprägt sein.
40
Das Verwaltungsgericht habe zu Recht ausgeführt, dass er zu keiner Zeit eine Bürotätigkeit ausgeübt habe. Der Schwerpunkt seiner Beschäftigung habe in einer rein körperlichen Tätigkeit gelegen, zunächst in der Paketzustellung und in den letzten Jahren in der kombinierten Zustellung von Paket- und Briefpost. Damit sei auch ein gewisser Schriftverkehr in Form zu bearbeitender Formulare hinzu gekommen. Dies widerspreche jedoch nicht den Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Der Paket- und Zustelldienst sei nicht durch einen größeren Anteil an Schriftverkehr geprägt, es handele sich vielmehr um gelegentliche Tätigkeiten, die nur einen geringen Umfang einnähmen. Bei den im Zustelldienst auszufüllenden Formularen handele es sich um die immer gleichen Formulare, die standardmäßig auszufüllen seien. Es bestehe also eine große Routine bezogen auf diese Formulare. Sie seien geläufig und bekannt und Gegenstand der Ausbildung wie des Dienstunterrichts. All dies könne von Anträgen auf Gewährung von Kindergeld nicht behauptet werden.
41
Hinsichtlich der kopierten Geburtsbescheinigung habe er bereits dargelegt, dass diese auf Grund der im Krankenhaus erteilten Hinweise erstellt worden seien. Selbst wenn diese Information, was er nicht erkannt habe, inhaltlich unzutreffend gewesen sein sollte, belege sie doch hinreichend die Motivation für die Erstellung der Kopien. Diese sei nicht auf eine spätere unrechtmäßige Verwendung gerichtet gewesen. Vielmehr spiegele sich auch in dieser Vorgehensweise seine Unbedarftheit im Umgang mit Formularen und sonstigem Schriftverkehr in eigenen Angelegenheiten.
42
Soweit die Klägerin argumentiere, in den Bezügemitteilungen sei der Posten „Kindergeld“ unmittelbar nach den Nettobezügen ausgewiesen, führe dies ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Das gesetzliche Netto stelle nicht den tatsächlichen Auszahlungsbetrag dar. Ausweislich der in der Ermittlungsakte enthaltenen Bezügemitteilungen sei der Auszahlungsbetrag deutlich unterhalb des Nettobezugs nach Auflistung weiterer zusätzlicher Posten gesondert ausgewiesen. Relevant für den Beklagten sei nicht das gesetzliche Netto, sondern allein der tatsächlich überwiesene Auszahlungsbetrag gewesen. Nur dieser sei relevant, da nur er zum Ausgeben zur Verfügung stehe. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die Bezügemitteilung zwischen 17 und 19 Einzelposten enthalte, was wiederum erkläre, warum er sich nicht mehr mit ihnen beschäftigt habe.
43
Selbst wenn man zu einer vorsätzlichen Tatbegehung käme, stünde die geforderte Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht im Einklang mit § 13 BDG. Im Falle der außerdienstlichen Steuerhinterziehung solle eine Zurückstufung angemessen sein, wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch oder weitere zusätzliche Straftatbestände verwirklicht seien. Als außergewöhnlich hohen, eine Entfernung rechtfertigenden Betrag werde seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein siebenstelliger Betrag angesehen. Gemessen an diesen Vorgaben sei hier eine Zurückstufung unangebracht.
44
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Personalakte des Beklagten (Beiakte Heft 1), die Disziplinarakte (Beiakte Heft 2), die Kindergeldakte des Beklagten bei der Deutschen Post AG (Beiakte Heft 4), die Ermittlungsakte der Familienkasse L1. im Steuerstrafverfahren (Beiakte Heft 5), die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft L1. 113 Js 558/09 (in der Beiakte Heft 5), die Kindergeldakte des Beklagten bei der Familienkasse C2. H1. (Beiakte Heft 6) und die Ausdrucke der Bezügemitteilungen für den Beklagten für die Monate Juni 1998 bis November 2008 (Beiakte Heft 7) Bezug genommen.
45
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
46
I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
47
Der Beklagte hat nach der Überzeugung des Senats dadurch ein Dienstvergehen begangen, dass er es unterließ, die Familienkasse des Arbeitsamts (seit dem 1. Januar 2004: Agentur für Arbeit) C2. H1. darüber zu informieren, dass er am 13. Juli 1998 einen weiteren Antrag auf Kindergeld bei seinem Arbeitgeber, der Deutschen Post AG, gestellt hatte und von dort Kindergeld bezog, und deshalb ungerechtfertigt Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. bezog. Hingegen hat er nicht dadurch seine Dienstpflichten verletzt, dass er in dem Antrag an die Deutsche Post AG vom 13. Juli 1998 wahrheitswidrig angab, nicht anderweitig Kindergeld für seinen Sohn N. beantragt zu haben, und es im Folgenden auch unterließ, die Deutsche Post AG von dem Bezug von Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. zu unterrichten (nachfolgend 1.). Der Senat kann gegen den Beklagten aber nicht die deshalb an sich gebotene Maßnahme der Kürzung seines Ruhegehalts (§§ 5 Abs. 2 Nr. 1, 11 BDG) verhängen, weil § 14 Abs. 1 Nr. 1 BDG dem entgegensteht (nachfolgend 2.). Eine Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und Abweisung der Disziplinarklage kommt ebenfalls nicht in Betracht (nachfolgend 3.).
48
1. Nach § 77 Abs. 1 BBG in der bis zum 11. Februar 2009 geltenden Fassung (a.F.) beging ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzte. Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes war ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet war, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Auf das außerdienstliche Verhalten des Beklagten ist hier § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. anzuwenden, weil § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG in der ab dem 12. Februar 2009 geltenden Fassung durch den Wegfall des Wortes „Achtung“ für ihn kein günstigeres Recht geschaffen hat, auf das er sich nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB berufen könnte.
49
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 – 1 D 1.08 -, NVwZ 2010, 713 (715 f.), Rdnr. 50 - 53.
50
Der Beklagte hat dadurch schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dass er es unterließ, die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. darüber zu informieren, dass er am 13. Juli 1998 einen weiteren Antrag auf Kindergeld bei seinem Arbeitgeber, der Deutschen Post AG, gestellt hatte und von dort Kindergeld bezog, und deshalb für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis zum 30. November 2008 ungerechtfertigt Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. in Höhe von 18.416,40 € bezog. Dieses Verhalten des Beklagten war auch nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
51
Hingegen hat er nicht dadurch seine Dienstpflichten verletzt, dass er in dem Antrag an die Deutsche Post AG vom 13. Juli 1998 wahrheitswidrig angab, nicht anderweitig Kindergeld für seinen Sohn N. beantragt zu haben, und es im Folgenden auch unterließ, die Deutsche Post AG von dem Bezug von Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. zu unterrichten.
52
a) Der Senat trifft insoweit folgende Feststellungen:
53
Nach der Geburt seines Sohnes N. am 20. Juni 1998 stellte der Beklagte unter dem 7. Juli 1998 einen „Antrag auf Kindergeld“, der am 8. Juli 1998 beim Arbeitsamt C2. H1. , Nebenstelle H. einging. Die Frage, ob er oder seine Ehegattin oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, verneinte er. Ferner gab er an, im öffentlichen Dienst beschäftigt zu sein, nämlich bei der Deutschen Post AG Fracht in H. . In dem Formular steht unmittelbar über der Datumszeile, die der Beklagte mit „X. “, den „07.07.98“ ausfüllte, folgende Belehrung: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht habe. Mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich dem Arbeitsamt – Familienkasse – mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.“ Dem Antrag fügte er eine Fotokopie der „Geburtsbescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 bei. Diese enthielt unmittelbar unterhalb der genannten Überschrift den Hinweis „(Bitte sorgfältig aufbewahren, wird nur einmal ausgestellt.)“. Die Familienkasse des Arbeitsamts – später Agentur für Arbeit – C2. H1. überwies ihm daraufhin für die Monate Juni 1998 bis einschließlich November 2008 monatlich Kindergeld in Höhe von insgesamt 18.416,40 € auf sein Girokonto.
54
Unter dem 13. Juli 1998 stellte er bei der Deutschen Post AG einen weiteren „Antrag auf Zahlung von Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes“. Die Frage, ob er oder seine Ehegattin oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, verneinte er wiederum. Auch in diesem Formular stand unmittelbar über der Datumszeile, die der Beklagte mit „X. , 13.07.98“ ausfüllte, folgende Belehrung: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht habe. Mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.“ Dem Antrag fügte er das Original der „Geburtsbescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 bei. Die Deutsche Post AG zahlte dem Beklagten daraufhin mit seinen Bezügen für die Monate Juni 1998 bis November 2008 ebenfalls Kindergeld in Höhe von insgesamt 18.416,40 €.
55
Der Beklagte wusste, dass seine Angabe gegenüber der Deutschen Post AG im Antrag vom 13. Juli 1998 unrichtig war, dass er für das eingetragene Kind (N. ) Kindergeld nicht anderweitig beantragt habe. Er wollte diese unrichtige Angabe auch machen. Er wusste ferner, dass er Kindergeld sowohl von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. als auch von der Deutschen Post AG bezog, dass ihm Kindergeld aber nicht doppelt zustand, wollte dies aber doppelt beziehen. Schließlich wusste er auch, dass er verpflichtet war, der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. seine Antragstellung bei und seinen Bezug von Kindergeld von der Deutschen Post AG mitzuteilen, unterließ dies aber willentlich.
56
b) Die Feststellungen des Senats zur äußeren Tatseite beruhen auf dem Akteninhalt. Der Inhalt der Anträge des Beklagten auf Zahlung von Kindergeld an die Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. vom 7. Juli 1998 und an die Deutsche Post AG vom 13. Juli 1998 ergibt sich aus den entsprechenden Dokumenten (Bl. 1 der Beiakten Hefte 4 und 6). Dass er dem Antrag an die Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. vom 7. Juli 1998 eine Fotokopie, dem Antrag an die Familienkasse der Deutschen Post AG vom 13. Juli 1998 aber das Original der „Bescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 beifügte, ergibt sich aus der Inaugenscheinnahme beider Dokumente durch den Senat. Die Höhe des von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. bezogenen Kindergelds folgt aus dessen zutreffender Berechnung vom 18. November 2008 (Beiakte Heft 6 Rückseite). Dass der Beklagte für die Zeit von Juni 1998 bis November 2008 Kindergeld von der Kindergeldkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. bezog, ergibt sich außerdem aus seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 23. November 2011, er habe das (ob das Kindergeld auch tatsächlich gezahlt worden sei) im Auge gehabt, das Kindergeld sei Mitte des Monats von der Familienkasse auf sein Girokonto überwiesen worden. Sowohl das Kindergeld von der Familienkasse als auch seine Dienstbezüge seien auf sein Girokonto überwiesen worden. Dass er gleichzeitig Kindergeld in gleicher Höhe von der Deutschen Post AG bezog, ergibt sich darüber hinaus aus den Bezügemitteilungen der Deutschen Post AG für die Monate August 1998 bis einschließlich November 2008. Demnach erhielt er im August 1998 eine Nachzahlung von zweimal 220,- DM Kindergeld für die Monate Juni und Juli 1998 und ab dem Monat August 1998 laufend Kindergeld in der jeweils ausgewiesenen Höhe, insgesamt 18.416,40 €.
57
Die Feststellungen des Senats zur inneren Tatseite beruhen auf Folgendem: Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beklagte wusste, dass seine Angabe in seinem Antrag vom 13. Juli 1998 gegenüber der Deutschen Post AG unrichtig war, er habe für das eingetragene Kind (N. ) Kindergeld nicht anderweitig beantragt. Denn er wusste – auch ausgehend von seinen Einlassungen im Disziplinarverfahren -, dass er bereits unter dem 7. Juli 1998 einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld bei der Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. gestellt hatte. Der Antrag ging dort (Nebenstelle H. ) am 8. Juli 1998 ein. Der Beklagte muss ihn folglich dorthin gesandt oder auf andere Weise übermittelt haben. Der Senat schließt aufgrund des nur geringen zeitlichen Abstands von nur 6 Tagen aus, dass der Beklagte dies beim Ausfüllen des zweiten Antrags am 13. Juli 1998, den er seinem Arbeitgeber, der Deutschen Post AG, übermittelte, vergessen haben könnte. Daraus, dass der Beklagte den Antrag vom 13. Juli 1998 mit der unrichtigen Angabe zur anderweitigen Beantragung von Kindergeld der Deutschen Post AG übermittelte, schließt der Senat, dass er die unrichtige Angabe auch willentlich machte.
58
Die Einlassung des Beklagten, er habe angenommen, dass es sich bei den Anträgen vom 7. und 13. Juli 1998 um ein und denselben Antrag gehandelt habe, er die Frage Nr. 8 im Antrag vom 13. Juli 1998 also von seinem Empfängerhorizont aus wahrheitsgemäß mit „Nein“ beantwortet habe, vermag die gegenläufige Überzeugung des Senats nicht zu erschüttern. Die Einlassungen des Beklagten hierzu sind widersprüchlich. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 23. November 2011 einerseits erklärt, es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er bei zwei verschiedenen Stellen Kindergeld beantragt habe. Er habe angenommen, dass es sich um ein und denselben Antrag gehandelt habe. Andererseits hat er angegeben, er habe angenommen, dass die Behörden intern dafür Sorge getragen hätten, dass das Kindergeld nur einmal ausgezahlt werde. Aus letzterem ergibt sich, dass dem Beklagten sehr wohl bewusst war, das Kindergeld bei zwei verschiedenen Behörden und damit doppelt beantragt zu haben.
59
Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Beklagte wusste, dass er Kindergeld sowohl von der Familienkasse C2. H1. als auch von der Deutschen Post AG bezog, dass ihm Kindergeld aber nicht doppelt zustand, er dieses aber doppelt beziehen wollte. Dass der Beklagte wusste, Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. zu beziehen, ergibt sich aus seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 23. November 2011,. Danach habe er das (ob das Kindergeld auch tatsächlich gezahlt worden sei) im Auge gehabt. Das Kindergeld sei Mitte des Monats von der Familienkasse auf sein Girokonto überwiesen worden. Hierdurch wird zugleich seine Einlassung vom 10. November 2010 zum Ermittlungsergebnis im behördlichen Disziplinarverfahren widerlegt, er habe seine Kontoauszüge im Grunde nur auf den Kontostand kontrolliert.
60
Dass er ebenfalls wusste, dass er Kindergeld auch von der Deutschen Post AG bezog, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus seiner Kenntnis der entsprechenden Bezügemitteilungen. Der Beklagte hat sich diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingelassen, er schaue bei seinem Gehaltszettel immer nur auf den Endbetrag. Das sei die Summe, die ihn interessiere. Er vertraue darauf, dass diese richtig berechnet worden sei. Diese Einlassung des Beklagten ist jedoch nicht plausibel. Es leuchtet bereits nicht ein, warum sich der Beklagte nur den Endbetrag (Auszahlungsbetrag) auf seinen Gehaltsmitteilungen angesehen haben will. Diesen hätte er auch seinen Kontoauszügen entnehmen können. Diese kontrollierte er ohnehin darauf, ob das Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) eingegangen war. Dies gilt umso mehr, als die Höhe der Bezüge des Beklagten im hier interessierenden Zeitraum von Monat zu Monat wechselte. Gerade dann liegt es nahe, sich die Gehaltsabrechnung genauer anzusehen, um zu erfahren, worauf die unterschiedliche Höhe im Vergleich zum Vormonat beruht. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass der Beklagte auch die Kindergeldnachzahlung für die Monate Juni und Juli 1998 in seiner Bezügemitteilung für den Monat August 1998 zur Kenntnis genommen hat. Diese war in der Bezügemitteilung für den Monat August 1998 deutlich abgesetzt von der Berechnung der Bezüge für den laufenden Monat. Am Anfang der Bezügemitteilung für den Monat August 1998 war in zwei deutlich abgesetzten Blöcken die Nachberechnung für die Monate Juni und Juli 1998 ausgewiesen. Diese enthielten jeweils die Zeilen „lfd. Lohnsteuer“, „lfd. Kirchensteuer“ und „Kindergeld“ mit den entsprechenden Beträgen. Der Senat hält es bei dieser Sachlage für ausgeschlossen, dass der Beklagte diese Kindergeldnachzahlung übersehen haben könnte. Aufgrund der Nachzahlung für die Monate Juni und Juli 1998 war dem Beklagten auch bewusst, dass die Deutsche Post AG die Zahlung des Kindergeldes nunmehr aufgenommen hatte und weiterhin durchführen werde.
61
Hinzu kommt, dass in den Bezügemitteilungen ab dem Monat Januar 2000 das Kindergeld nur jeweils drei oder vier Zeilen über der Zeile „Auszahlungsbetrag“ in der Zeile „Kindergeld“ ausgewiesen war. Der Senat schießt daher aus, dass der Beklagte dieses Wort übersehen hat, selbst wenn er sich nur für den Endbetrag (Auszahlungsbetrag) interessiert und deshalb (vorrangig) hierauf geschaut hätte. Ferner spricht für eine Kenntnis des Beklagten von den Kindergeldzahlungen durch die Deutsche Post AG, dass er den Bezug des Kindergeldes vom Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. kontrolliert hat. Dann liegt es aber nahe, dass er auch den Bezug von der Deutschen Post AG kontrolliert hat. Denn er hatte bewusst und gewollt auch bei dieser Kindergeld beantragt.
62
Schließlich spricht für einen bewussten und gewollten doppelten Bezug von Kindergeld durch den Beklagten, dass er seinem ersten Antrag bei der Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. nur die Kopie der „Bescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 beifügte. Hätte der Beklagte vorgehabt, nur einmal Kindergeld zu beantragen, hätte es nahegelegen, diesem Antrag das Original der Bescheinigung vom 23. Juni 1998 beizufügen. Denn das war ihr einziger Sinn und Zweck, wie sich – ungeachtet etwaiger anderslautender Informationen im Krankenhaus und auch für den Beklagten eindeutig – aus ihrer Überschrift „Bescheinigung für Kindergeld“ ergab. Dass der Beklagte dem „Antrag auf Kindergeld“ an die Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. vom 7. Juli 1998 nicht das Original der „Bescheinigung für Kindergeld“ des Standesamtes X1. vom 23. Juni 1998 beifügte, sondern dieses zurückhielt, legt nahe, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte, das Original für den zweiten Antrag bei der Familienkasse der Deutschen Post AG zu verwenden. D.h., dass er bereits zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte, zwei Anträge auf Kindergeld zu stellen, um dieses doppelt zu beziehen. Seine Einlassung gegenüber dem Verwaltungsgericht, ihnen sei im Krankenhaus der Rat gegeben worden, die Bescheinigung zu kopieren, weil sie diese mehrfach brauchen würden, seiner Erinnerung nach sei ein Exemplar auch für den Antrag auf Erziehungsgeld benötigt worden, bietet keine plausible Erklärung. Insbesondere lässt sie offen, warum der Beklagte seinem „Antrag auf Kindergeld“ an die Familienkasse des Arbeitsamts C2. H1. vom 7. Juli 1998 nicht das Original der „Bescheinigung für Kindergeld“ des Standesamts X1. vom 23. Juni 1998 beifügte, sondern nur eine Kopie. Dies ergibt nur Sinn, wenn er bereits zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte, das Original für einen weiteren „Antrag auf Kindergeld“ zu verwenden. Auch die geltend gemachte Unbedarftheit im Umgang mit Formularen und Schriftverkehr im privaten Bereich bietet hierfür keine plausible Erklärung.
63
Dass jedem Berechtigten Kindergeld nur einmal und nicht mehrfach zusteht, ist allgemeinkundig. Dies war daher auch dem Beklagten bekannt. Dass er gleichwohl das Kindergeld doppelt beziehen wollte, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen.
64
Dass der Beklagte um seine Pflicht wusste, die Antragstellung bei und den Bezug von Kindergeld von der Deutschen Post AG der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. mitzuteilen, ergibt sich aus Folgendem: Der Beklagte war im Antrag vom 7. Juli 1998 darüber belehrt worden, dass er alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung seien, unverzüglich dem Arbeitsamt – Familienkasse – mitzuteilen habe. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beklagte diese Belehrung auch zur Kenntnis genommen hat, da sie unmittelbar über der von ihm selbst ausgefüllten Datumszeile des Antragsformulars stand. Dass die doppelte Beantragung und erst recht der doppelte Bezug von Kindergeld für seinen Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung waren, lag auf der Hand und war demnach nach der Überzeugung des Senats auch dem Beklagten bewusst. Zudem wusste der Beklagte nach der Überzeugung des Senats, dass er sowohl von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. als auch von der Deutschen Post AG Kindergeld bezog, ihm dieses aber nur einmal zustand. Dann aber lag es auf der Hand, den doppelten Bezug beiden Familienkassen mitzuteilen, um eine Klärung herbeizuführen, welche der beiden Leistungen ihm zustand und welche nicht.
65
c) Durch vorsätzliches Unterlassen, der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. mitzuteilen, dass er Kindergeld auch bei der Deutschen Post AG beantragt hatte und von dieser bezog, und insbesondere hierdurch von der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis zum 30. November 2008 zu Unrecht Kindergeld in Höhe von 18.416,40 t€ bezog, hat er gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 54 Satz 3 BBG a.F. verstoßen (nachfolgend aa)). Hingegen hat er nicht dadurch gegen Dienstpflichten verstoßen, dass er im Antrag vom 13. Juli 1998 an die Deutsche Post AG wahrheitswidrig angab, nicht anderweitig Kindergeld beantragt zu haben, und der Deutschen Post AG auch nicht seinen fortlaufenden Bezug von Kindergeld durch die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. anzeigte (nachfolgend bb)).
66
aa) Nach § 54 Satz 3 BBG a.F. musste das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erforderte.
67
Die beruflichen Erfordernisse, die eine Pflicht des Beamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes begründen, sind inhaltlich im Einklang mit § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. zu konkretisieren. Sie ergeben sich vor allem aus dem Amt des Beamten im statusrechtlichen Sinn, daneben aus der Notwendigkeit, das Ansehen des Beamtentums zu wahren, wenn dies nach heutigen Vorstellungen erforderlich erscheint. Danach verstößt ein außerdienstliches Verhalten des Beamten gegen die Wohlverhaltenspflicht aus § 54 Satz 3 BBG a.F., wenn es geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn sein außerdienstliches Verhalten einen hinreichenden Bezug zu seinem Statusamt aufweist, so dass es nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung seines Amtes zulässt, also Zweifel daran weckt, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Zum anderen verstößt ein außerdienstliches Verhalten gegen berufliche Erfordernisse im Sinne von § 54 Satz 3 BBG a.F., wenn dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt werden kann. Letzteres ist zumindest dann der Fall, wenn es sich bei dem außerdienstlichen Fehlverhalten um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt. Durch die Bewertung des Fehlverhaltens als strafbar hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dieses Verhalten als in besonderem Maße verwerflich ansieht. Dies lässt ohne weiteres darauf schließen, dass entsprechendes Fehlverhalten das Ansehen des Beamtentums in einer Weise beschädigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann.
68
Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 – 2 C 9.14 -, juris, Rdnr. 15 f. und 20 f., und vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 (191), Rdnr. 21 f. und 24.
69
Nach diesen Maßstäben verstieß das außerdienstliche Verhalten des Beklagten gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 54 Satz 3 BBG a.F., weil er hiermit eine Steuerhinterziehung beging, deren Unrechtsgehalt nach den konkreten Umständen der Tat auch nicht gering wiegt.
70
Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wird u.a. derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Der Beklagte ließ hier die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. und damit eine Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 AO) darüber in Unkenntnis, dass er Kindergeld nicht nur bei ihr beantragt hatte und von ihr bezog, sondern auch von der Deutschen Post AG. Diese Tatsachen waren steuerlich erheblich, weil Kindergeld jedem Berechtigten nur einmal zusteht. Dies ergibt sich aus § 64 Abs. 1 EStG, wonach für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt wird, sowie aus § 66 Abs. 1 EStG, der die jeweilige Höhe des Kindergeldes für das erste Kind festlegte. Die Unterlassung des Beklagten war auch pflichtwidrig. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG hat, wer Kindergeld beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Finanzbehörde anzuzeigen. Der Antrag bei und der Bezug von Kindergeld durch die Deutsche Post AG waren hier, wie ausgeführt, für die Leistung des Kindergeldes an den Beklagten erheblich. Die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. war auch die für die Entgegennahme der Anzeige dieser Tatsachen zuständige Finanzbehörde, weil sie das Kindergeld dem Beklagten zu Unrecht gewährte. Durch das Unterlassen der Anzeige erlangte der Beklagte einen Steuervorteil, nämlich das Kindergeld als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG). Dieser war auch ungerechtfertigt, weil der Beklagte nur einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld durch die Deutsche Post AG, nicht jedoch durch die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. hatte. Nach § 72 Abs. 2 EStG obliegt der Deutschen Post AG die Durchführung dieses Gesetzes für ihre jeweiligen Beamten und Versorgungsempfänger in Anwendung des Absatzes 1. Demnach wird gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG das Kindergeld für Personen, die – wie der Beklagte – in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Deutschen Post AG stehen, durch diese festgesetzt und ausgezahlt. Der Beklagte handelte auch vorsätzlich. Denn er wusste – wie oben festgestellt –, dass er verpflichtet war, der Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. die Tatsachen der Antragstellung bei und des Bezugs von Kindergeld von der Deutschen Post AG mitzuteilen. Zudem unterließ er dies willentlich und wusste auch, dass er hierdurch einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil, nämlich den doppelten Bezug von Kindergeld, erlangte, und wollte dies auch.
71
Der Unrechtsgehalt der vom Beklagten begangenen Steuerhinterziehung wiegt nicht gering, weil er Kindergeld über mehr als 10 Jahre hinweg und im Umfang von insgesamt 18.416,40 € zu Unrecht bezog.
72
bb) Hingegen beging der Beklagte keine Dienstpflichtverletzung dadurch, dass er im Antrag vom 13. Juli 1998 an die Deutsche Post AG wahrheitswidrig angab, nicht anderweitig Kindergeld beantragt zu haben, und der Deutschen Post AG auch nicht seinen fortlaufenden Bezug von Kindergeld durch die Familienkasse des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. anzeigte.
73
(1) Der Beklagte hat durch diese Handlung und die Unterlassung entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht gegen seine Wahrheitspflicht aus § 54 Satz 3 BBG a.F. verstoßen. Die aus § 54 Satz 3 BBG a.F. (nunmehr § 61 Satz 3 BBG) folgende Wahrheitspflicht gilt nur für Tatsachen, die einen dienstlichen Bezug aufweisen. Sie dient der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs und der ungestörten Entwicklung der gegenseitigen dienstrechtlichen Beziehungen.
74
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. März 1977 – I D 102.76 -, juris, Rdnr. 17; Zängl, in: GKÖD, Stand Juli 2015, § 54 BBG a.F., Rdnr. 26 ff.; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand Juni 2015, § 61 BBG, Rdnr. 25; Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl. 2012, § 61, Rdnr. 12.
75
Im Streitfall fehlt es an einem Bezug der genannten Handlung und Unterlassung des Beklagten zum Dienstbetrieb oder zu seinen dienstrechtlichen Beziehungen zur Deutschen Post AG. Der Beklagte hat die Angaben in seinem Antrag vom 13. Juli 1998 nicht gegenüber der Deutschen Post AG als seinem Dienstherrn, sondern als Familienkasse und damit als Finanzbehörde nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 AO gemacht. Dementsprechend hat er auch unterlassen, seinen Bezug von Kindergeld vom Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. der Deutschen Post AG als Familienkasse - nicht etwa in ihrer Eigenschaft als Dienstherrn - anzuzeigen.
76
Nach § 72 Abs. 1 EStG wird das Kindergeld von den Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts festgesetzt und ausgezahlt, wenn es Personen zusteht, die – wie der Beklagte – in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen. Die genannten juristischen Personen sind insoweit Familienkasse. Nach § 72 Abs. 2 EStG obliegt u.a. der Deutschen Post AG die Durchführung des Einkommensteuergesetzes für ihre Beamten in Anwendung des § 72 Abs. 1 EStG.
77
Bei dem Kindergeld handelt es sich nicht um eine Leistung der Deutschen Post AG für ihre Beamten, sondern um eine Steuervergütung zur Freistellung des steuerlichen Existenzminimums des Kindes und – soweit es hierüber hinaus geht – um eine familienpolitische Leistung des Bundes, die allen Kindergeldberechtigten zugute kommt. Nach § 31 Sätze 1 bis 3 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach Abschnitt X bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt.
78
Dementsprechend erbringt die Deutsche Post AG das Kindergeld nicht aus eigenen Mitteln. Sie entnimmt nach § 72 Abs. 7 Sätze 2 und 3 EStG die Summe des von ihr für alle Berechtigten ausgezahlten Kindergeldes vielmehr dem Betrag, den sie insgesamt an Lohnsteuer einzubehalten hat, und setzt sie bei der nächsten Lohnsteuer-Anmeldung gesondert ab. Übersteigt das insgesamt ausgezahlte Kindergeld den Betrag, der insgesamt an Lohnsteuer abzuführen ist, so wird ihr der übersteigende Betrag auf Antrag von dem Finanzamt, an das die Lohnsteuer abzuführen ist, aus den Einnahmen der Lohnsteuer ersetzt.
79
Die Verpflichtung von Beamten, die bei ihrem Dienstherrn einen Antrag auf Kindergeld stellen, zu wahrheitsgemäßen Angaben und zur Mitteilung von Veränderungen ergibt sich daher nicht aus der (innerdienstlichen) Wahrheitspflicht aus § 54 Satz 3 BBG a.F., § 61 Satz 3 BBG oder § 34 Satz 3 BeamtStG. Grundlage hierfür sind vielmehr § 90 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO und § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG. Nach § 90 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO sind die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG hat, wer Kindergeld beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen.
80
Der Fall des Beklagten entspricht insoweit dem eines Beamten, der eine falsche Steuererklärung abgibt. Dieser verletzt hierdurch ebenfalls nicht seine (innerdienstliche) Wahrheitspflicht aus § 61 Satz 3 BBG oder § 34 Satz 3 BeamtStG, sondern seine steuerrechtliche Erklärungspflicht aus § 90 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO. Er begeht damit ggf. eine (außerdienstliche) Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO, nicht aber eine Verletzung innerdienstlicher Pflichten.
81
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 (190 ff.), Rdnr. 19 ff.
82
(2) Dementsprechend verstieß der Beklagte durch seine wahrheitswidrige Angabe in seinem Antrag vom 13. Juli 1998 und seine unterlassene Information über den Kindergeldbezug durch das Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. auch nicht gegen seine Beratungs- und Unterstützungspflicht aus § 55 Satz 1 BBG a.F. Diese bezieht sich ebenfalls nur auf die dienstliche Tätigkeit des Beamten.
83
Vgl. Hampel, in: GKÖD, Stand: Juli 2015, § 62 BBG, Rdnr. 71.
84
(3) Der Beklagte verstieß durch die genannte Handlung und Unterlassung zudem nicht gegen seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht aus § 54 Satz 3 BBG a.F. Er beging hierdurch keine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO. Denn ihm stand das von der Deutschen Post AG ausgezahlte Kindergeld tatsächlich zu. Er verstieß hierdurch auch nicht gegen seine Erklärungspflichten aus § 90 Abs. 1 Satz 2 AO und § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Antragstellung bei und der Bezug von Kindergeld vom Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. waren für seinen Bezug von Kindergeld von der Deutschen Post AG unerheblich, weil die Zahlung von Kindergeld durch die Deutsche Post AG an ihn unabhängig von diesen Tatsachen rechtmäßig war.
85
d) Das außerdienstliche Verhalten des Beklagten erfüllt auch die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. für die Annahme eines Dienstvergehens. Danach ist ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Es ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung ist bedeutsam, wenn sie qualitativ das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet. Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Statusamt des Beamten oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen.
86
BVerwG, Urteile 18. Juni 2015 – 2 C 9.14 -, juris, Rdnr. 8 ff., insb. Rdnr. 16, und vom 19. August 2010 – 2 C 13.10 -, NVwZ 2011, 299 (300), Rdnr. 13 f.
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Ausgehend hiervon war das außerdienstliche Verhalten des Beklagten in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beschädigen. Allerdings weist die von ihm begangene Steuerhinterziehung keinen Bezug zu seinem Statusamt als Posthauptschaffner bzw. Postbetriebsassistent auf. Sie ließ insbesondere keine nachteiligen Rückschlüsse auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten zu.
88
Ihre disziplinare Relevanz folgt aber aus dem erheblichen Schaden für das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung. Ein solcher ist bei einem erstmaligen außerdienstlichen Fehlverhalten eines Beamten regelmäßig schon dann anzunehmen, wenn das außerdienstliche Verhalten der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist. Das ist der Fall, wenn es mit Freiheitsstrafe von mindestens bis zu zwei Jahren bedroht ist und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt, weil er nach den konkreten Umständen des Falles erkennbar nicht an der unteren Schwelle liegt. Durch die Festlegung eines solchen Strafrahmens bringt der Gesetzgeber verbindlich zum Ausdruck, dass er dieses Verhalten als in besonderem Maße verwerflich ansieht. Dies lässt ohne Weiteres darauf schließen, dass das Fehlverhalten das Ansehen des Beamtentums in einer Weise beschädigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann.
89
Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 (192), Rdnr. 24, und vom 19. August 2010 – 2 C 13.10 -, a.a.O., Rdnr. 17 f.
90
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Steuerhinterziehung ist in § 370 Abs. 1 AO mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. Der Unrechtsgehalt der konkreten Tat des Beklagten wiegt auch nicht gering. Er hat über einen langen Zeitraum hinweg, nämlich mehr als 10 Jahre lang, ungerechtfertigt doppelt Kindergeld bezogen. Die Höhe des dadurch von ihm verursachten Schadens war mit über 18.000,- € beträchtlich.
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e) Durch das außerdienstliche Dienstvergehen der Steuerhinterziehung durch ungerechtfertigten Bezug von Kindergeld in Höhe von 18.416,60 € hat der Beklagte die Disziplinarmaßnahme der Kürzung seines Ruhegehalts verwirkt (§ 5 Abs. 2 Nr. 1, § 11 BDG).
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Nach § 13 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
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aa) Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist danach von der Schwere des Dienstvergehens auszugehen. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 62.11 -, NVwZ-RR 2013, 693 (697), Rdnr. 39 m.w.N.
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Nach diesen Maßstäben wäre hier gegen den Beklagten nach der Schwere seines Dienstvergehens eine Kürzung seines Ruhegehalts auszusprechen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1, § 11 BDG).
96
Im Falle der außerdienstlichen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO durch einen aktiven Beamten ist von der Schwere des Dienstvergehens her grundsätzlich von der Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung auszugehen, wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch ist, sich also im fünf- oder sechsstelligen (DM-) Bereich bewegt.
97
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2004 – 1 D 18.03 -, Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 7, S. 14.
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Dies ist hier mit 18.416,60 € der Fall. Hinzu kommt, dass der Beklagte über einen langen Zeitraum, nämlich über 10 Jahre, ungerechtfertigt Kindergeld bezogen hat. Andererseits vermindert es die Schwere seines Dienstvergehens ganz erheblich, dass das Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. ein erhebliches Mitverschulden an seinem ungerechtfertigten Bezug von Kindergeld trifft. Das Arbeitsamt hätte ihm aufgrund seiner zutreffenden Angabe in seinem Antrag vom 7. Juli 1998, dass er im öffentlichen Dienst bei der Deutschen Post AG beschäftigt ist, kein Kindergeld bewilligen dürfen. Allerdings vermindert dies die Schwere seines Dienstvergehens nicht soweit, dass gegen ihn nicht wenigstens eine Kürzung seines Ruhegehalts zu verhängen wäre.
99
Hingegen trifft die Deutsche Post AG entgegen seinem Vorbringen kein Mitverschulden an seiner Steuerhinterziehung. Die Übersendung des Antragsformulars „Kindergeld für Beschäftige des öffentlichen Dienstes“ entsprach ihrer Fürsorgepflicht für ihn nach der Geburt seines Kindes. Denn sie war für die Bewilligung und Zahlung des Kindergeldes zuständig (§ 72 EStG). Sie hat auch alles getan, um einen Doppelbezug von Kindergeld durch den Beklagten zu vermeiden. Sie fragte in dem Formular ab, ob er bereits anderweitig Kindergeld beantragt habe oder beziehe, was der Beklagte aber bewusst wahrheitswidrig verneinte. Anhaltspunkte für einen doppelten Bezug von Kindergeld durch den Beklagten hatte sie nicht.
100
bb) Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Beklagten führt zu keiner anderen Bewertung. Die angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Beamten im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 3 BDG bedeutet, dass es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen ankommt, insbesondere soweit es mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder davon abweicht (zum Beispiel: persönlichkeitsfremdes Verhalten in Notstands- und Konfliktsituationen).
101
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 – 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 (259 f.).
102
Ausgehend hiervon rechtfertigt das Persönlichkeitsbild des Beklagten keine andere Disziplinarmaßnahme als die Kürzung seines Ruhegehalts. Sog. klassische Milderungsgründe, die zur Verhängung einer um eine Stufe geringeren Disziplinarmaßnahme, d.h. hier zum Absehen von einer Disziplinarmaßnahme führen müssten (vgl. § 5 Abs. 2 BDG), sind nicht erkennbar. Der Milderungsgrund der negativen Lebensphase lag beim Beklagten ebenfalls nicht vor (1). Eine Gesamtwürdigung seines Persönlichkeitsbildes gebietet nicht die Verhängung einer milderen, d.h. im Ergebnis das Absehen von einer Disziplinarmaßnahme (2).
103
(1) Eine negative Lebensphase während des Tatzeitraums kann je nach den Umständen des Einzelfalls mildernd berücksichtigt werden. Dies gilt allerdings nur für außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Hinzukommen muss, dass er die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat. Die Berücksichtigung einer schwierigen, inzwischen überwundenen Lebensphase liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Lebensumstände darstellt, kann aber auch dann berücksichtigt werden, wenn dies nicht der Fall ist. Eine Regel dahin, dass bei Vorliegen einer negativen Lebensphase die nach der Schwere des Dienstvergehens angezeigte Disziplinarmaßnahme um eine Stufe zu mildern ist, besteht nicht.
104
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35.13 -, NVwZ-RR 2014, 314 (316 f.), Rdnr. 28 f. m.w.N.
105
Derart außergewöhnliche Verhältnisse während des Tatzeitraums von Juli 1998 bis November 2008, die den Beklagten zeitweilig aus der Bahn geworfen hätten, sind hier nicht erkennbar. Insoweit hat er im behördlichen Disziplinarverfahren geltend gemacht, in dieser Zeit sei sehr viel zusammen gekommen. Er sei zu seiner Ehefrau umgezogen. Vorher hätten sie noch ihr Haus komplett renoviert. Dann hätten sie geheiratet. Im gleichen Jahr sei dann auch noch N. zur Welt gekommen. Dazu sei sein Schwiegervater 9 Jahre lang ein Pflegefall gewesen. Sie hätten der Schwiegermutter sehr geholfen. Kurz gesagt seien sie total überfordert gewesen.
106
Die von ihm geltend gemachten Belastungen durch die Renovierung des Hauses, den Umzug zu seiner Ehefrau und die Heirat lagen jedoch vor der Geburt seines Sohnes N. und damit auch vor dem hier in Rede stehenden Tatzeitraum von Juli 1998 bis November 2008. Außergewöhnlich belastende Umstände im Zusammenhang mit der Geburt seines Sohnes hat er ebenso wenig substantiiert geltend gemacht wie hinsichtlich der Pflege seines Schwiegervaters. Insbesondere hat er diesbezüglich weder angegeben, von wann bis wann sein Schwiegervater pflegebedürftig war, noch in welcher Weise er sich selbst an dessen Pflege beteiligt hat.
107
(2) Bei einer Gesamtwürdigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er – abgesehen von der hier in Rede stehenden außerdienstlichen Steuerhinterziehung - dienstlich und außerdienstlich unbescholten ist und ausweislich der Äußerung seines damaligen Vorgesetzten vom 9. August 2009 gute dienstliche Leistungen erbrachte. Allerdings kann von jedem Beamten als selbstverständlich erwartet werden, dass er sich dienstlich wie außerdienstlich beanstandungsfrei verhält und seinem Leistungsvermögen entsprechende gute Leistungen erbringt.
108
Weiter ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er den durch ihn verursachten Steuerschaden auf Anforderung durch die Familienkasse der Agentur für Arbeit C2. H1. mit Bescheid vom 18. November 2008 alsbald ausgeglichen hat. Allerdings war er hierzu auch rechtlich verpflichtet. Zudem bereut er seine Tat bereut.
109
Ferner berücksichtigt der Senat zu seinen Gunsten das ganz erhebliche Mitverschulden des Arbeitsamts (Agentur für Arbeit) C2. H1. an seinem doppelten Kindergeldbezug. Das entband ihn allerdings nicht davon, dem Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. diesen Doppelbezug anzuzeigen.
110
Schließlich berücksichtigt der Senat zu seinen Gunsten, dass es sich bei dem Beklagten um eine einfach strukturierte Persönlichkeit handelt und ihm der Umgang mit Formularen offenbar nicht leicht viel. Dies ändert aber nichts daran, dass er dem Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. bewusst seine Beantragung und seinen Bezug von Kindergeld von der Deutschen Post AG verschwiegen hat.
111
Angesichts des wegen der Höhe des zu Unrecht vom Beklagten bezogenen Kindergeldes und der Länge des Bezugszeitraums doch ganz erheblichen Gewichts der außerdienstlichen Steuerhinterziehung des Beklagten wiegen diese Aspekte auch in ihrer Gesamtheit allerdings nicht so schwer, dass deshalb eine Kürzung des Ruhegehalts des Beklagten unangebracht erschiene.
112
cc) Schließlich führt auch die Berücksichtigung der Dauer des Disziplinarverfahrens nicht dazu, dass eine Kürzung des Ruhegehalts des Beklagten unangemessen wäre. Allerdings sind seit der (nach Aufdeckung des Dienstvergehens des Beklagten zeitnah erfolgten) Einleitung des Disziplinarverfahrens durch die Klägerin mehr als sechs Jahre vergangen. Dabei ist zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er durch das Disziplinarverfahren erheblich belastet worden ist, weil die Klägerin es mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Dienst betrieben hat. Gleichwohl gebietet dies nicht, von einer Kürzung seines Ruhegehalts abzusehen, weil seinem Dienstvergehen, wie ausgeführt, ein ganz erhebliches disziplinares Gewicht zukommt.
113
2. Der Verhängung der danach angemessenen Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts des Beklagten steht aber § 14 Abs. 1 Nr. 1 BDG entgegen. Nach dieser Vorschrift darf u.a. dann, wenn eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO nach der Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann, wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung des Ruhegehalts nicht ausgesprochen werden. Die Tat des Beklagten, die Hinterziehung von 18.416,60 € in der Zeit von Juni 1998 bis November 2008 durch Unterlassen der Anzeige der Beantragung und des Bezugs von Kindergeld durch die Deutsche Post AG gegenüber dem Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) C2. H1. , kann hier nach der Erfüllung der Auflage durch den Beklagten nach § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Der Beklagte hat hier die Auflage der Bußgeld- und Strafsachenstelle der Familienkasse L1. im Steuerstrafverfahren erfüllt, einen Betrag von 1.800,‑ € in sechs Raten zu je 300,- € ab dem 15. November 2009 an die Agentur für Arbeit L1. zu zahlen. Diese Tat betraf auch denselben Sachverhalt, der nunmehr im Disziplinarverfahren zur Kürzung seines Ruhegehalts führen müsste, weil er hierüber hinaus keine Dienstpflichtverletzung begangen hat (siehe oben 1. c) bb)).
114
3. Eine Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und Abweisung der Disziplinarklage kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin dies nicht beantragt (§ 3 BDG i.V.m. § 129 VwGO) und der Beklagte keine Berufung eingelegt hat.
115
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
116
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 BDG i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
117
IV. Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 132 Abs. 2 VwGO).
118
Das Urteil ist infolge Rechtsmittelverzichts der Beteiligten unanfechtbar.