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23.11.2016 · IWW-Abrufnummer 190063

Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 13.09.2016 – 12 TaBV 25/16

1. Die Rechtsnatur einer personellen Einzelmaßname nach § 99 BetrVG steht einer abstrakten Klärung eines Mitbestimmungsrechts im Vorfeld, losgelöst von einer konkreten personellen Einzelmaßnahme, entgegen. Ein diesbezüglicher abstrakter Feststellungsantrag ist daher regelmäßig bereits mangels Vorliegen des erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses unzulässig.

2. In einem Filial-Einzelhandelsunternehmen setzt die Einordnung eines Personalverantwortlichen als Leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Satz 2Ziffer 1 BetrVG nicht voraus, dass die Personalkompetenz für eine bestimmte Mindestzahl an Beschäftigten im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft des Unternehmens besteht. Dem steht die Betriebsbezogenheit des BetrVG entgegen.


Tenor:
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.01.2016 - 2 BV 77/15 - wird zurückgewiesen.


2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



Gründe



I. Die Beteiligten streiten über die generelle Mitbestimmungspflichtigkeit der Einstellung einer stellvertretenden Filialleitung.



Die Antragsgegnerin betreibt bundesweit ca. 69 Filialen mit insgesamtca. 1800 Mitarbeitern, in denen sie Kinderspielzeug an den Endverbraucher vertreibt. Sitz der Hauptverwaltung der Antragsgegnerin ist K .



Antragsteller ist der für den Betrieb der Antragsgegnerin in W bei A errichtete dreiköpfige Betriebsrat. In die Filiale W werden regelmäßig ca. 24 Mitarbeiter beschäftigt.



Die Öffnungszeiten der Filiale der Antragsgegnerin in W betragen regelmäßig Montag bis Freitag 08:00 bis 20:00 Uhr. Hinzu kommen gelegentliche Sonntagsöffnungen sowie Warenanlieferungen vor der regulären Öffnungszeit, bei der auch Mitarbeiter anwesend sein müssen.



Die Antragsgegnerin bestellt für die Filiale in W wie auch für ihre anderen Filialen regelmäßig einen Filialleiter sowie einen stellvertretenden Filialleiter. Diese ordnet sie regelmäßig als leitende Angestellte im Sinne des§ 5 Abs. 3 BetrVG ein. Ob diese Einordnung zutreffend ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.



Die Antragsgegnerin stellte zum 01.06.2015 Frau L S T als stellvertretende Filialleiterin für den Betrieb in W zu einer Bruttomonatsvergütung von 2.600.- Euro ein, wobei die Mitarbeiterin aus einer anderen Filiale nach Würselen versetzt wurde. Eine Beteiligung des antragstellenden Betriebsrats erfolgte nicht, weder im Verfahren nach § 99 BetrVG noch im Rahmen einer Mitteilung nach § 105 BetrVG, wobei die Beteiligte zu 2.) und Antragsgegnerin die unterbliebene Mitteilung nach § 105 BetrVG im Kammertermin vor dem LAG ausdrücklich als Versehen bezeichnet hat und die diesbezügliche Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht in Abrede stellt, wohl aber demgegenüber etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bestreitet.



Die Arbeitgeberin vertrat hierzu die Auffassung, Frau L S T sei in ihrer Tätigkeit als stellvertretende Filialleitung leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG und der Betriebsrat sei deshalb nicht nach § 99 BetrVG zu beteiligen.



Mit seiner am 28.10.2015 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Antragsschrift hat der Betriebsrat zunächst die Aufhebung der Einstellung von Frau L S T beantragt. Kammertermin wurde auf den 28.01.2016 bestimmt. Kurz vor dem Kammertermin hat die Antragsgegnerin nach erfolgter Klageerwiderung vom 21.12.2015 mit weiterem Schriftsatz vom 12.01.2016 mitgeteilt, dass sich das vorliegende Beschlussverfahren erledigt habe, da die Antragsgegnerin beschlossen habe, Frau L S T künftig nicht mehr als stellvertretende Filialleiterin in W zu beschäftigen, sondern zum 01.02.2016 als Assistentin der Geschäftsführung in die Hauptverwaltung in K zu versetzen. Eine Zuständigkeit des antragstellenden Betriebsrats sei für die neue Tätigkeit der Frau L S T in K nicht mehr gegeben.



Der antragstellende Betriebsrat hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, sondern mit Schriftsatz vom 18.01.2016 eine Antragsänderung vorgenommen und nunmehr die generelle Feststellung begehrt, dass die Einstellung einer stellvertretenden Filialleitung in der Filiale W mitbestimmungspflichtig nach § 99 BetrVG sei.



Der antragstellende Betriebsrat hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, ein stellvertretender Filialleiter bei der Antragsgegnerin könne generell kein leitender Angestellter sein. So käme schon dem Filialleiter keine entsprechende Einordnung als leitender Angestellter zu, erst recht nicht seinem Stellvertreter.



Wesentliche Personalentscheidungen würden durch die Personalabteilung in K getroffen und nicht durch die Marktleitung in der Filiale vor Ort. Zentraler Ansprechpartner für den Betriebsrat sei im Wesentlichen auch der für ca. zehn Filialen zuständige Verkaufsleiter, welcher wiederum dem Marktleiter übergeordnet sei. Es käme auch zu zahlreichen Überschneidungszeiten, in denen in der Filiale sowohl der Marktleiter als auch der Stellvertreter gleichzeitig anwesend seien. Insbesondere innerhalb dieser Zeiten übe der stellvertretende Filialverantwortliche aufgrund seiner hierarchischen Unterstellung gegenüber dem Filialleiter keinerlei Leitungsbefugnisse aus. Auch das geringe Gehalt spreche gegen eine Einordnung als leitenden Angestellten.



Der Betriebsrat hat erklärt, dass er auch nach der Versetzung der Frau T nach K eine generelle Klärung der Rechtsfrage verlange, da ansonsten auch für die Zukunft die Gefahr bestünde, dass jeweils ein neues Beschlussverfahren einzuleiten sei und der Arbeitgeber sich dann diesem wiederum kurzfristig entziehen könne, wenn er kurz vor dem Kammertermin neue Versetzungen ausspreche.



Der antragstellende Betriebsrat hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,



Die Beteiligte zu 2.) und Antragsgegnerin hat erstinstanzlich beantragt,



Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe die Organisation ihrer Filiale dahingehend ausgestaltet, dass Filialleiter und stellvertretender Filialleiter quasi als gleichberechtigte Filialleiter nebeneinander stehen und jeweils vollumfängliche Personalentscheidungskompetenz für ihren Betrieb hätten. Filialleiter und Stellvertreter seien hierbei - bis auf geringe Überschneidungszeiten - regelmäßig zu unterschiedlichen Zeiten getrennt voneinander in der Filiale anwesend. Dies sei schon aufgrund der Öffnungszeiten der Filiale, während derer stets der Filialleiter oder der stellvertretende Filialleiter anwesend zu sein hätte, erforderlich. Insofern sei faktisch von einer gleichberechtigten Aufteilung der Personalführungskompetenz zwischen Filialleiter und stellvertretendem Filialleiter auszugehen. Ein Über- und Unterordnungsverhältnis gebe es insofern faktisch nicht. Auch der stellvertretende Filialleiter sei für die Mitarbeiter seines Betriebes uneingeschränkt personalverantwortlich. Arbeitsverträge und Kündigungen würden durch den Filialleiter bzw. durch den stellvertretenden Filialleiter vor Ort gefertigt und insbesondere würde auch durch den Filialleiter bzw. stellvertretenden Filialleiter materiell hierüber entschieden. Der Personalabteilung käme insofern keine Entscheidungskompetenz, sondern lediglich eine Unterstützungsfunktion zu. Sie bereite beispielsweise Kündigungsschreiben oder Aufhebungsverträge vor, nachdem Filialleiter oder stellvertretender Filialleiter eine Kündigungsentscheidung getroffen hätten. Frau T hätte hinsichtlich der von ihr unterzeichneten ca. sechs Arbeitsverträge auch vollumfänglich die Entscheidung zur jeweiligen Einstellung getroffen, ohne dass sie diesbezüglich die Zustimmung anderer Personen hätte einholen müssen.



Im Übrigen habe sich das Verfahren durch die Versetzung von Frau T erledigt. Einer Antragsänderung werde widersprochen, für den neuen Antrag würde der bisherige Sachvortrag nicht nutzbar gemacht werden können. Im Übrigen sei auch der neue Antrag zurückzuweisen, da die stellvertretende Filialleitung den Status eines leitenden Angestellten begründe. Jedenfalls behalte die Antragsgegnerin sich vor, über die Einordnung bei jeder Einstellung neu zu entscheiden. Damit lasse sich gerade keine pauschale Aussage darüber treffen, dass jeder künftige Filialleiter leitender Angestellter sei oder nicht. Insofern sei der Antrag zudem als unbegründeter Globalantrag zu qualifizieren.



Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen.



Es hat den Antrag als unzulässig und unbegründet angesehen.



Zwar stehe der Zulässigkeit des Antrags noch nicht die Antragsänderung entgegen. Diese sei als sachdienlich zu bewerten, da der bisherige Streitstoff und das Ergebnis des bisherigen Verfahrens auch für die Entscheidung über den geänderten Antrag verwertet werden könne.



Allerdings sei der Feststellungsantrag wegen fehlendem Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO unzulässig. Denn es gehe den Betriebsrat nur noch um die nachträgliche rechtliche Beurteilung eines abgeschlossenen Vorgangs. Mit der Versetzung der Frau L S T von W nach K habe sich der Rechtsstreit der Beteiligten faktisch erledigt. Es sei nicht erkennbar, ob und in welcher Form sich ein derartiger Streit wiederholen werde. Es sei nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, den Parteien Rechtsgutachten bezogen auf vergangene Sachverhalte zu erstellen.



Im Übrigen sei der zur Entscheidung gestellte Feststellungsantrag auch jedenfalls unter dem Aspekt eines Globalantrages unbegründet. Denn er erfasse jedenfalls auch Sachverhalte, in denen kein Mitbestimmungsrecht besteht.



Gegen den ihm am 25.02.2016 zugestellten Beschluss des ersten Rechtszuges vom 28.01.2016 hat der Betriebsrat am 29.03.2016 (Dienstag nach Ostern) Beschwerde eingelegt und diese am 22.04.2016 begründet.



Mit weiterem Schriftsatz vom 26.08.2016 hat er seinen Antrag um einen Hilfsantrag erweitert.



Der Betriebsrat rügt mit der Beschwerde zunächst, dass sich eine Wiederholungsgefahr für die Zukunft bereits daraus ergebe, dass die Stelle der stellvertretenden Marktleitung regelmäßig neu besetzt werde. Er verweist darauf, dass die Antragsgegnerin - unstreitig - mit Schreiben vom 16.01.2016 dem Betriebsrat nach § 105 BetrVG mitgeteilt hat, dass künftig ein "Marktleiter in Einarbeitung" in den Betrieb eingegliedert werde und zunächst mit den Aufgaben der vorherigen stellvertretenden Marktleiterin betraut werden würde.



Weiter vertritt der Betriebsrat die Rechtsauffassung, es handele sich nicht um einen Globalantrag. Denn es sei keine Konstellation denkbar, in der ein stellvertretender Filialleiter für eine Filiale, die weniger als 30 Mitarbeiter beschäftigte, in einem Unternehmen mit ca. 1800 Mitarbeitern als leitender Angestellter angesehen werden könne. Selbst wenn ihm insofern Personalverantwortung zukäme, sei die Bedeutung dieser Personalverantwortung für das Unternehmen insgesamt zu gering. Insofern sei jedenfalls eine Personalkompetenz für eine Belegschaft erforderlich, die mindestens fünf Prozent der Gesamtbelegschaft des Unternehmens ausmachen müsse. Insofern werde der Hilfsantrag hinsichtlich der nach Ansicht des Betriebsrats erforderlichen Personalkompetenz für mindestens 90 Beschäftigte (= fünf Prozent von 1800 Mitarbeitern im Unternehmen) gestellt.



Der Betriebsrat verweist weiter darauf, dass sich auch aus dem Begriff der "Stellvertretung" ergebe, dass dem stellvertretenden Marktleiter im Regelfall gar keine Personalkompetenz zukommen könnte und diese allenfalls beim Marktleiter bestehen kann, wenn dieser nicht gerade verhindert ist. Die Hauptaufgabe eines stellvertretenden Marktleiters könne gerade nicht darin bestehen, Personal einzustellen und zu entlassen.



Der antragstellende Betriebsrat beantragt zuletzt,



Hilfsweise beantragt der Betriebsrat mit seinem hilfsweise in der Berufungsinstanz gestellten weiteren Antrag aus dem Schriftsatz vom 26.08.2016,



Die Beteiligte zu 2.) beantragt,



Sie hält den Antrag - auch hinsichtlich des neuen Hilfsantrages - für unzulässig und für unbegründet. Es fehle für einen abstrakten Antrag dahingehend, dass eine Beteiligung nach § 99 BetrVG bei jeder Einstellung einer stellvertretenden Filialleitung zu erfolgen habe, losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall, am erforderlichen Feststellungsinteresse. Eine abstrakte Klärung des Mitbestimmungsrechts sei vorliegend gerade nicht möglich. Vielmehr sei für die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Beteiligungsrechts des antragstellenden Betriebsrats auf die individuellen Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen.



Da für den ursprünglichen Antrag betreffend die Arbeitnehmerin Frau L S T das Feststellungsinteresse mit deren Ausscheiden aus dem Betrieb entfallen sei, lasse sich dies auch nicht über den Umweg eines abstrakten Antrages wiederherstellen.



Im Übrigen handele es sich auch um einen unbegründeten Globalantrag. Der Antrag sei viel zu weitgehend formuliert, da er ausnahmslos alle Einstellungen einer stellvertretenden Filialleitung ungeachtet der rechtlichen Ausgestaltung im Einzelfall erfasse.



Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten sowie die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.



II. Die zulässige Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.



Die Beschwerde war zulässig, da sie gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft ist und gemäß § 89 ArbGG form- und fristgemäß eingelegt wurde.



In der Sache hatte die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den erstinstanzlich gestellten Antrag als unzulässig und unbegründet abgewiesen. Aus den gleichen Erwägungen ist auch der erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellte Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 26.08.2016 - der als sachdienlich anzusehen war, da über ihn unter Nutzbarmachung des Streitstoffes zum Hauptantrag entschieden werden konnte - unzulässig und unbegründet.



1. Die Anträge waren bereits unzulässig.



Zwar ergibt sich im Einklang mit den Ausführungen des Betriebsrats in der Beschwerdeinstanz entgegen der Begründung des Arbeitsgerichts die Unzulässigkeit der Anträge nicht bereits daraus, dass es sich vorliegend um einen vollständig in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt handelt würde. Lediglich bei der personellen Einzelmaßnahme betreffend die Frau L S T und deren Tätigkeit als stellvertretende Filialleiterin in der Filiale in W , die zunächst ausschließlich streitgegenständlich war, handelt es sich um einen vollständig in der Vergangenheit liegenden abgeschlossen Sachverhalt. Nach der zum 01.02.2016 bereits erfolgten Versetzung der Frau Truong nach K fehlt es zudem in der Beschwerdeinstanz auch an der Zuständigkeit des hiesigen antragstellenden Betriebsrats Würselen für Frau Truong.



Hinsichtlich des neuen, erstmalig im Schriftsatz vom 18.01.2016 angekündigten Feststellungsantrags, mit dem die Antragstellerseite die generelle Mitbestimmungspflichtigkeit der Einstellung einer stellvertretende Filialleitung begehrt, handelt es sich jedoch nicht um einen abgeschlossenen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt, sondern um einen in der Zukunft liegenden Sachverhalt. Dem antragstellenden Betriebsrat geht es gerade um die Feststellung um eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts für die Zukunft.



Nichts desto trotz fehlt es für beide zuletzt gestellten Anträge am gemäß § 256 ZPO erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse. Denn das gemäß § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse verlangt zumindest, dass mit einer Entscheidung über den gestellten Feststellungsantrag ein Streit der Beteiligten dauerhaft geklärt werden kann (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 17.02.2007 - 4 AZR 1005/06 -). Nicht ausreichend für das Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses ist es, wenn die begehrte gerichtliche Feststellung lediglich auf eine Klärung von Vorfragen oder abstrakten Rechtsfragen gerichtet ist (vgl. BAG, Beschluss vom 24.04.2007, - 1 ABR 27/06 -).Es gehört gerade nicht zu den Aufgaben der Gerichte, eine von einem konkreten Streit losgelöste Klärung von Rechts- oder Tatsachenfragen vorzunehmen oder Rechtsgutachten über Fragen zu erstellen, die je nach konkreter Fallgestaltung eine differenzierende Beantwortung gebieten (so ausdrücklich der 1. Senat des BAG in dem vom hiesigen Betriebsrat zitierten Beschluss vom 17.03.2015, 1 ABR 49/13, [...], Rn 13, m. w. N.).



Hiervon ausgehend verbietet bereits die Rechtsnatur einer "personellen Einzelmaßnahme" einen abstrakten Feststellungsantrag wie den hier vorliegend hinsichtlich Haupt- und Hilfsantrag gewählten.



Die abstrakte Klärung einer Mitbestimmungspflichtigkeit eines bestimmten Verhaltens mag ggf. durch einen abstrakten Feststellungsantrag bei der sozialen Mitbestimmung nach § 87 BetrVG in Betracht kommen. Hier mögen Fallkonstellationen denkbar sein, in denen durch einen Feststellungsantrag dauerhaft ein Konflikt über ein arbeitgeberseitig in Abrede gestelltes Mitbestimmungsrecht gelöst werden kann (vgl. BAG, Beschluss vom 17.03.2015, 1 ABR 49/13, Rn 14, dort zum Fall eines etwaigen Mitbestimmungsrecht beim betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX).



Bei der personellen Mitbestimmung hinsichtlich personeller Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG verbietet sich dies jedoch bereits im Ansatz. Nach den gesetzlichen Vorgaben des § 99 BetrVG kann eine etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG nur bei der jeweils konkreten individuellen Einzelmaßnahme geprüft werden und nicht bereits abstrakt im Vorfeld, losgelöst von einer konkreten personellen Einzelmaßnahme.



Gerade auch bei der hier zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsfrage, ob eine Einordnung als leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG vorzunehmen ist, ist stets eine Gesamtabwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Eine derartige Abwägung kann ein Gericht nicht im Vorfeld abstrakt vornehmen, wenn ein konkreter Einzelfall noch gar nicht feststeht. Insofern war der Antrag hinsichtlich Haupt- und Hilfsantrag mangels Vorliegen des erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses nach § 256 ZPO bereits unzulässig.



2. Darüber hinaus war der Antrag auch hinsichtlich Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.



Haupt- und Hilfsantrag stellen jeweils einen Globalantrag dar, der jedenfalls auch Sachverhaltskonstellationen umfasst, in denen kein Mitbestimmungsrecht des antragstellenden Betriebsrats gegeben ist. Insofern musste der Antrag jeweils auch mangels Begründetheit der Abweisung unterliegen.



a) Zwar ist die Rechtsauffassung des antragstellenden Betriebsrats zu teilen, dass im Regelfall in einem bundesweit agierenden Filial-Einzelhandelsunternehmen der stellvertretende Filialleiter einer Filiale mit ca. 25 Mitarbeitern und einem Bruttomonatsgehalt von lediglich ca. 2.600,00 € kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sein wird.



b) Der Hauptantrag wäre jedoch lediglich dann begründet, wenn keinerlei abweichende Sachverhaltskonstellationen auch nur theoretisch denkbar wären, in denen ein Arbeitgeber einen stellvertretenden Filialleiter mit entsprechenden Kompetenzen ausstatten kann, die ihn zum leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG machen.



Anhaltspunkte für eine derartige Einschränkung der Organisationbefugnis der Antragsgegnerin sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere hat beispielsweise der Arbeitgeber jederzeit die Möglichkeit, auch einem stellvertretenden Filialleiter eine Prokura zu erteilen, die auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist, was den stellvertretenden Filialleiter nach § 5 Absatz 3 Satz 2 Ziffer 2 BetrVG zwingend zum leitenden Angestellten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes machen würde. Auch ist nicht ersichtlich, weshalb es dem Arbeitgeber untersagt sein sollte, jedenfalls künftig einen stellvertretenden Filialleiter mit Befugnissen zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern auszustatten, was ihn nach § 5 Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 BetrVG zu einem leitenden Angestellten machen würde, auch wenn dies ggf. in der Vergangenheit bei den bisherigen stellvertretenden Filialleitern nicht der Fall gewesen sein mag, was jedoch ausdrücklich offen bleiben kann.



Insbesondere zeigt sich auch schon am Beispiel der Frau T , dass zwischen den Beteiligten sämtliche tatsächlichen Fragen, die für die Einordnung als leitende Angestellte relevant sein könnten, im konkreten Einzelfall höchst umstritten waren. So besteht zwischen den Beteiligten beispielsweise Uneinigkeit darüber, ob "die Marktleiter" (Stellvertreter und "ordentlicher" Marktleiter) während der Öffnungszeiten der Filiale überwiegend zeitgleich im Betrieb anwesend sind - so der Vortrag des Betriebsrats - oder sich die Anwesenheitszeiten im Wesentlichen gerade nicht decken - so der Vortrag der Arbeitgeberseite. Dies kann jedoch von einem künftigen stellvertretenden Filialleiter im Zusammenspiel mit dem Filialleiter ganz anders gehandhabt werden als dies in der Vergangenheit zwischen Frau Truong und dem Filialleiter der Fall gewesen sein mag.



Auch ist die Frage zwischen den Beteiligten umstritten, ob beispielsweise für personelle Einzelmaßnahmen die Entscheidungen selbst getroffen werden können durch Marktleitung bzw. stellvertretender Marktleitung oder ob insofern die Entscheidung durch den Verkaufsleiter bzw. durch die Personalabteilung in K eingeholt werden muss.



Auch diese organisatorische Einzelfrage kann selbstverständlich durch Organisationsentscheidung der Beteiligten zu 2) jederzeit für die Zukunft geändert werden.



Insofern ist eine abstrakte Klärung eines erst in der Zukunft liegenden Sachverhalts bereits zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Die Gesichtspunkte des künftig zu beurteilenden individuellen Einzelfalls können derzeit noch nicht vom Gericht bewertet werden, da sie noch nicht bekannt sind.



Die Betriebsparteien sind mithin gehalten bei künftigen Einstellungen im Einzelfall zu prüfen, ob die betreffende Person leitender Angestellter ist oder nicht. Die Arbeitgeberseite wird insofern gehalten sein, dem Betriebsrat die für die Beurteilung der rechtlichen Einschätzung maßgeblichen Informationen substantiiert zur Verfügung zu stellen. Er wird jedenfalls die Beteiligungsrechte nach § 105 BetrVG auch bei leitenden Angestellten zu beachten haben, was die Arbeitgeberseite in der mündlichen Verhandlung auch nunmehr unstreitig gestellt hat.



c) Auch der erstmalig im Schriftsatz vom 26.08.2016 formulierte Hilfsantrag erweist sich als unzulässiger Globalantrag. Er unterscheidet sich vom Hauptantrag lediglich dahingehend, dass der Antragsteller die Rechtsauffassung vertritt, jedenfalls dann, wenn der Betrieb nicht mehr als 90 Mitarbeiter (= fünf Prozent der Gesamtbelegschaft des Unternehmens) beschäftige, sei stets ausgeschlossen, dass ein nur für diesen Betrieb zuständiger Filialleiter bzw. stellvertretender Filialleiter leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sei, selbst wenn ihm Personalentscheidungsbefugnis zukäme, da die Personalentscheidungsbefugnis bezogen auf deren Bedeutung im Gesamtunternehmen zu gering wäre.



Dieser Rechtsauffassung der Antragstellerseite kann nicht gefolgt werden.



Das Gesetz sieht in § 5 Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 BetrVG lediglich das Erfordernis der Berechtigung zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von "im Betrieb oder in der Betriebsabteilung" beschäftigten Arbeitnehmern vor. Einen Mindestwert in Form einer absoluten Zahl der Arbeitnehmer, bzgl. derer eine Personalentscheidungsbefugnis bestehen müsse oder in Form einer Quote im Verhältnis zu den Arbeitnehmerzahlen des Gesamtunternehmens, sieht das Gesetz gerade nicht vor.



Auch der 7. Senat des BAG hat in dem vom Betriebsrat zitierten Beschluss vom 10.10.2007, 7 ABR 61/06, zwar ausgeführt, dass die Personalkompetenz nicht von untergeordneter unternehmerischer Bedeutung sein darf, damit der Personalverantwortliche noch als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat erscheinen kann, was für den Status als leitender Angestellter erforderlich sei. Ein konkreter Prozentsatz für einen Anteil an der Gesamtbelegschaft des Unternehmens, für den Personalkompetenz bestehen müsste, wird hierbei jedoch gerade nicht verlangt.



Gegen den diesbezüglichen Ansatz des Betriebsrates spricht gerade auch die Betriebsbezogenheit des Betriebsverfassungsgesetzes. Anknüpfungspunkt für das Betriebsverfassungsgesetz ist grundsätzlich der Betrieb und nicht das Unternehmen. Für die hier streitgegenständliche Regelung des § 5 Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 BetrVG ist sogar ausdrücklich geregelt, dass nicht einmal eine den gesamten Betrieb umfassende Personalkompetenz für den Status als leitender Angestellter erforderlich ist, sondern sogar eine Personalkompetenz lediglich für eine Betriebsabteilung ausreichen kann.



Würde man der Rechtsauffassung des Betriebsrats folgen, dass nur eine "unternehmensrelevante" Personalkompetenz, die eine Entscheidungsbefugnis für mindestens fünf Prozent der Gesamtbelegschaft beinhaltet, den Status eines leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 BetrVG begründen kann, würde dies im hiesigen konkreten Beispielsfall eines Filial-Einzelhandelsunternehmens mit ca. 70 Filialen bedeuten, dass im Regelfall der Arbeitgeberseite gänzlich verwehrt wäre, den dem jeweiligen örtlichen Betriebsrat der Filiale gegenüberstehenden Betriebsleiter (Filialleiter) als Arbeitgebervertreter mit derartigen Kompetenzen auszustatten, die ihm gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 BetrVG zum leitenden Angestellten machen. Denn nach den Angaben der Arbeitgeberseite im Kammertermin werden in keiner einzigen der ca. 69 Filialen mehr als 90 Arbeitnehmer beschäftigt. Andererseits ist jedoch nach der Gesamtkonzeption des Betriebsverfassungsgesetzes davon auszugehen, dass dann, wenn es auf der Ebene einzelner Filialen jeweils einen örtlichen Betriebsrat gibt, der in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Arbeitgeberseite - vertreten durch den jeweiligen Filialleiter vor Ort - verhandelt (was nach den Erörterungen im Kammertermin im hiesigen Sachverhalt grundsätzlich der Fall sein dürfte), dieser Betriebsleiter grundsätzlich als leitender Angestellter anzusehen sein dürfte. Leitender Angestellter i. S. des § 5 Abs. 3 BetrVG soll gerade sein, wer als "Repräsentant des Arbeitgebers" dem Betriebsrat gegenüber steht (vgl. BAG, Beschluss vom 10.10.2007, 7 ABR 61/06). Wenn aufgrund organisatorischer Maßnahmen des Arbeitgebers die Personalkompetenz und insbesondere Entscheidungen über Einstellungen und Entlassungen vor Ort durch den jeweiligen Filialverantwortlichen bzw. dessen Stellvertreter ausgeübt werden, besteht nach § 5 Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 BetrVG jedenfalls die Möglichkeit, dass dieser im Rahmen der Gesamtbeurteilung als leitender Angestellter anzusehen ist. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um einen hinsichtlich der Belegschaftsgröße möglicherweise kleinen Betrieb handelt. Denn entscheidend ist nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes, wer der Entscheidungsträger für den jeweiligen Betrieb ist, unabhängig wie groß dieser jeweilige Betrieb ist. Einen derartigen Anknüpfungspunkt - wie hier vom Betriebsrat gewünscht - sieht das grundsätzlich betriebsbezogene Betriebsverfassungsgesetz gerade nicht vor.



Insgesamt sind daher auch hinsichtlich der Formulierung des Hilfsantrags durchaus Konstellationen denkbar, in denen ein stellvertretender Filialleiter leitender Angestellter sein kann, auch wenn der Betrieb nicht mehr als fünf Prozent der Gesamtbelegschaft bzw. 90 Arbeitnehmer beschäftigt.



Insgesamt konnte die Beschwerde des Betriebsrats daher keinen Erfolg haben.



III. Gründe, die Rechtsbeschwerde gemäß § 92 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, waren nicht gegeben.

Vorschriften§ 5 Abs. 3 BetrVG, § 99 BetrVG, § 105 BetrVG, § 256 ZPO, § 87 Abs. 1 ArbGG, § 89 ArbGG, § 87 BetrVG, § 84 Abs. 2 SGB IX, § 5 Absatz 3 Satz 2 Ziffer 2 BetrVG, § 5 Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 BetrVG, § 92 Abs. 1 ArbGG, § 72 Abs. 2 ArbGG

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