07.02.2017 · IWW-Abrufnummer 191681
Finanzgericht Bremen: Urteil vom 15.09.2016 – 1 K 18/16 (5)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FG Bremen
15.09.2016
1 K 18/16 (5)
In dem Rechtsstreit
1.
2.
Kläger,
gegen
Finanzamt
Beklagter,
wegen Einkommensteuer 2014
hat das Finanzgericht Bremen - 1. Senat- aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. September 2016 durch den Richter am Finanzgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als IT Business Consultant und Softwareentwickler und geringe Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Bereich Softwareentwicklung und IT Services. Die in Vollzeit berufstätige Klägerin erzielt ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In der Einkommensteuererklärung 2014 wurden für den Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.743 EUR als Werbungskosten geltend gemacht. Ihm stehe in der Niederlassung seines Arbeitgebers in ... ein Arbeitsplatz zur Verfügung, der auch arbeitsrechtlich sein Dienstsitz sei. Er nutze diesen aber nicht, sondern führe fast seine gesamte berufliche und gewerbliche Tätigkeit von zu Hause aus. Er nutze sein Arbeitszimmer ca. 200 Stunden pro Monat. Er hole in seinem Büro nur die Post ab und nehme an notwendigen Besprechungen teil. Als IT-Dienstleister arbeite er häufig abends oder am Wochenende. Seine IT-Ausstattung sei zu Hause wesentlich hochwertiger und sein Arbeitsplatz sei ergonomischer. Von gelegentlichen Reisen abgesehen führe er seine komplette Tätigkeit über Datenleitungen auf Kundensystemen aus, so dass der Standort seines Schreibtisches - auch für seinen Arbeitgeber - gleichgültig sei. In ihrer Freizeit benutze die Klägerin das Arbeitszimmer mit.
Weiterhin machte der Kläger Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung und der Tätigkeitsstätte in ... für 218 Tage à 25 km geltend.
Mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 30. Juni 2015 wurde die Einkommensteuer mit ... festgesetzt. Es wurden Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers berücksichtigt. Die Entfernungspauschale wurde für 218 Tage berücksichtigt.
Dagegen wurde am 30. Juli Einspruch eingelegt. Die Kläger führten aus, dass es bei der Anerkennung eines Arbeitszimmers als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit nicht auf theoretische Merkmale, sondern die tatsächliche Nutzung ankomme. Es sei unerheblich, ob auch andere Arbeitsplätze genutzt würden, es komme auf die qualitative Erzielung der Arbeitsergebnisse an. In dem BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03] sei der Betätigungsmittelpunkt für einen Versicherungsmathematiker bejaht worden, der wöchentlich zwei Tage im Betrieb des Arbeitgebers und drei Tage im häuslichen Arbeitszimmer tätig gewesen sei. § 4 EStG sei für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht anwendbar. Der Abzug der Kosten sei unbegrenzt zu gewähren, wenn das Arbeitszimmer, wie bei dem Kläger, den qualitativen Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung darstelle. Maßgeblich für die Rechtslage seien die Einleitung und Tz. I des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195.
Mit Änderungsbescheid vom 25. August 2015 wurde die Einkommensteuer auf ... vermindert. Dabei wurde jedoch der Werbungskostenabzug für das Arbeitszimmer gestrichen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2016 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer seien nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG sei die Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auch für Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sinngemäß anzuwenden. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG seien Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht abzugsfähig. Nach Satz 2 gelte dies nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Die Beschränkung der dann abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR gelte nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde. Diese Regelung ändere jedoch nichts am Abzugsverbot, wenn ein alternativer Arbeitsplatz vorhanden sei. Der Regelung liege die gesetzgeberische Überlegung zu Grunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann steuerlich abziehbar sein sollten, wenn es für die Erwerbstätigkeit erforderlich sei. Es genüge nicht, wenn der Arbeitnehmer im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichte, die er grundsätzlich auch an einem anderen Arbeitsplatz verrichten könnte. Ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung sei jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet sei. Er stehe dem Steuerpflichtigen zur Verfügung, wenn er ihn in dem konkret erforderlichen Umfang und der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen könne. Er stehe auch dann zur Verfügung, wenn auf ihn verzichtet werde. Dem Kläger habe im Gebäude seines Arbeitgebers ein Schreibtischarbeitsplatz zur Verfügung gestanden.
Es stehe auch nicht fest, dass sich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers im häuslichen Arbeitszimmer befunden habe. Der Mittelpunkt befinde sich dort, wo nach Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse und der Tätigkeitsmerkmale diejenigen Handlungen vorgenommen und Leistungen erbracht würden, die für die konkret ausgeübte betriebliche oder berufliche Tätigkeit wesentlich und prägend seien. Das häusliche Arbeitszimmer müsse in dem Sinne notwendig und erforderlich sei, dass ohne es die konkrete Tätigkeit nicht ausgeübt werden könne. Ein Telearbeitsplatz könne daher dann nicht den Tätigkeitsmittelpunkt bilden, wenn neben dem häuslichen Arbeitsplatz noch ein Platz im Betrieb des Arbeitgebers bestehe. Der Kläger verfüge über einen Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers, zu dem er beinahe täglich (an 218 Tagen) gefahren sei und an dem er auch an Besprechungen teilgenommen habe.
Das vom Kläger angeführte BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03] beziehe sich auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der für 1998 geltenden Fassung. Damals sei ein Abzug auch möglich gewesen, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50% der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit betragen habe.
Nach der für 2014 geltenden Gesetzesfassung sei ein Abzug dagegen nur noch möglich, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Darüber hinaus habe in dem dem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalt dem Steuerpflichtigen wegen der Reduzierung der betrieblichen Büroflächen nicht mehr für jeden Arbeitstag ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden.
Die Ausführungen unter Tz. 1 des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 führten zu keinem anderen Ergebnis. sie setzten das Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes implizit voraus.
Am 8. Februar 2016 ist die Klage erhoben worden.
Die Kläger berufen sich auf Tz. 1 des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195. Darin werde nicht auf die Notwendigkeit eines nicht vorhandenen Arbeitsplatzes im Betrieb des Arbeitgebers abgestellt. Der "Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung" werde in Tz. 11 definiert. Insoweit werde auch auf das BFH-Urteil vom 9. August 2011 VIII R 5/09, ZSteu 2012, R752 verwiesen. Der Kläger habe konkret produktive, gegenüber den Kunden abrechenbare Arbeit im Arbeitszimmer und in geringem Umfang bei Kunden vor Ort verrichtet, nicht jedoch in der Betriebsstätte des Arbeitgebers. Dort befänden sich nur ein leerer Schreibtisch, ein Laptop und ein Telefon. Sämtliche Arbeitsgeräte und Akten befänden sich im Arbeitszimmer der Kläger. Nach Tz. 15 des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 reiche das alleinige Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes nicht dafür aus, dass auch im rechtlichen Sinne ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten komme es auf die konkrete Ausstattung und Ausgestaltung an. Der Büroarbeitsplatz im Büro des Arbeitgebers erfülle nicht die Anforderungen an eine Einstufung als "anderer Arbeitsplatz". Die bessere Ausstattung des Arbeitszimmers ermögliche die Erfüllung der Aufgaben des Klägers. Bei seiner Tätigkeit handele es sich nicht um einfache Büroarbeit, sondern um anspruchsvolle Tätigkeiten im IT-Bereich, für die zwingend zwei große Monitore erforderlich seien (Bl. 24 - 26 GA).
Die Berufung des Beklagten auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG sei falsch, da die Rechtsgrundlage durch das BMF-Schreiben vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 neu definiert worden sei.
Durch die Gesetzesänderung mit dem Jahressteuergesetz 2010 habe die Absetzbarkeit eines häuslichen Arbeitszimmers erweitert werden sollen. Es sei keine Einschränkung der Absetzbarkeit in den Fällen, in denen das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Tätigkeit bilde, beabsichtigt gewesen. Dies ergebe sich aus Veröffentlichungen des Bundesfinanzministeriums. Der Gesetzestext sei misslungen. Entscheidend sei das BMF-Schreiben vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195. Spätestens dieses habe die Gesetzeslage korrigiert.
Auch nach der vom Kläger für die Einkommensteuererklärung 2015 verwendeten Software Taxman sei der Abzug der Kosten für ein Arbeitszimmer in voller Höhe möglich, wenn dieses den Tätigkeitsmittelpunkt bilde, ohne dass es darauf ankomme, ob ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.
Es komme nicht darauf an, ob ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, wenn der Mittelpunkt der beruflichen und betrieblichen Tätigkeit nicht im Büro des Arbeitgebers sei. Der Tätigkeitsmittelpunkt des Klägers befinde sich im häuslichen Arbeitszimmer. Dieses sei mit zwei Laptops, zwei großen Bildschirmen, zwei Netzwerkservern, Drucker mit Fax- und Scanfunktion, Dokumentenscanner, drahtlosem Headset und Klimaanlage ausgestattet. Die Tätigkeit des Klägers bringe es mit sich, dass er weit über die tarifliche Arbeitszeit hinaus arbeite und auch häufig außerhalb der in Deutschland üblichen Arbeitszeit tätig sei. Der häusliche Arbeitsplatz mache dies überhaupt erst möglich, indem Arbeit und Privatleben bestmöglich integriert würden. Am Arbeitsplatz des Klägers im Betrieb sei keine Entwicklungstätigkeit für Software möglich. Ein Laptop auf dem Schreibtisch sei nicht die Ausstattung, um professionelle Softwareentwicklung zu betreiben.
Die Tatsache, dass der Kläger beinahe täglich (an 218 Tagen) zum Betrieb seines Arbeitgebers gefahren sei und dort an Besprechungen teilgenommen habe, spreche nicht gegen einen Tätigkeitsmittelpunkt im häuslichen Arbeitszimmer, da es nach dem BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03] ausreiche, wenn der Steuerpflichtige mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit dort tätig werde.
Aus dem BFH-Urteil vom 16. Juli 2014 X R 49/11, BFH/NV 2015, 177 folge nicht, dass das Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes den Ausgabenabzug ausschließe.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 30. Juni 2015 in der Fassung des Bescheides vom 25. August 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2016 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.743 EUR als weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kläger könnten ihr Begehren nicht auf Tz. 1 des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 stützen. Dabei handele es sich um eine Verwaltungsanweisung, die das Gesetz nicht ändern könne.
Es treffe nicht zu, dass im Falle des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer das Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes unschädlich sei (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG). § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG regele allein die Höhe des Werbungskostenabzugs.
Die Kläger könnten ihr Begehren nicht auf das BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03] stützen, da es sich auf die für das Jahr 1998 geltende Gesetzesfassung beziehe.
Das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG werde nur durchbrochen, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Dies habe der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 16. Juli 2014 X R 49/11, BFH/NV 2015, 177 bestätigt.
"Anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung sei jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet sei. Die Eignung eines Arbeitsplatzes entfalle nicht, wenn die notwendigen Arbeitsmittel in das häusliche Arbeitszimmer überführt würden. Auf die Beweggründe, die den Arbeitnehmer zur Erledigung seiner Arbeiten im häuslichen Arbeitszimmer veranlassten, komme es nicht an.
Dem Kläger stehe ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Die Kläger hätten selbst eingeräumt, dass der Kläger die Möglichkeit habe, im Büro des Arbeitgebers an einem Laptop Büroarbeit zu verrichten.
Das häusliche Arbeitszimmer bilde nicht den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Tätigkeit. Dafür müsse das häusliche Arbeitszimmer für die konkrete Berufsausübung in dem Sinne notwendig und erforderlich sein, dass ohne dieses Arbeitszimmer die konkrete Tätigkeit nicht ausgeübt werden könne. Der häusliche Arbeitsplatz könne jedenfalls dann nicht den Tätigkeitsmittelpunkt bilden, wenn der Steuerpflichtige neben dem häuslichen Arbeitsplatz noch einen Platz im Betrieb des Arbeitgebers habe (Hinweis auf Meurer in Lademann, EStG, § 4 Anm. 721e).
Nach dem Gesetzeswortlaut sei der Werbungskostenabzug für ein Arbeitszimmer bei Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes ausgeschlossen. Gesetzgeberische Absichten seien bei der Auslegung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie auch im Text Niederschlag gefunden hätten. Der BFH habe mit Urteil vom 16. Juli 2014 - X R 49/11, BFH/NV 2015, 177 klargestellt, dass nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG das Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes den Werbungskostenabzug auch dann ausschließe, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Tätigkeitsmittelpunkt bilde. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei lediglich für Veranlagungszeiträume bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 zur Vermeidung einer rückwirkenden Verschärfung der Rechtslage eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Dies betreffe nicht 2014.
Die Akten des Beklagten (1 Bd. Einkommensteuerakten, 2. Bd. Sonderakten, 1 Bd. Gewerbesteuerakten, 1 Bd. Umsatzsteuerakten und 1 Bd. Sonderakten Rechtsbehelfsakten) haben vorgelegen. Ihr Inhalt ist wie der der Gerichtsakten Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen, soweit die Entscheidung darauf beruht. Insoweit wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage war aus den in der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründen abzuweisen, denn der Beklagte hat dort die Rechtslage zutreffend wiedergegeben. Es wird deshalb gemäß § 105 Abs. 5 FGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren bleibt Folgendes auszuführen:
Für die Festsetzung der Einkommensteuer sind maßgeblich die gesetzlichen Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum (Kalenderjahr) geltenden Fassung. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. § 9 EStG gilt für alle Überschusseinkünfte und damit auch für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In § 9 Abs. 5 EStG ist bestimmt, dass § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG entsprechend gilt. Das heißt, dass diese Bestimmung, die an sich die Gewinnermittlung bei Gewinneinkünften (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb) betrifft, für Überschusseinkünfte entsprechend anzuwenden ist. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG hat folgenden Wortlaut:
"1Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:
...
6b. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung. 2Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. 3In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1 250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet;"
Aus Satz 1 der Bestimmung folgt die Grundregel, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Werbungskosten abgezogen werden dürfen.
Von dieser Grundregel bestimmt Satz 2 eine Ausnahme: Dies (das Verbot des Abzugs von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer) gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dies bedeutet, dass Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nur dann abgezogen werden können, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Satz 3 der Bestimmung regelt nun für den Fall, dass eine Ausnahme von der Grundregel des Abzugsverbots vorliegt, da für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht ("in diesem Fall") die Höhe des Abzugs. Satz 3 regelt dagegen nicht die Zulässigkeit des Werbungskostenabzugs, die sich allein nach den Sätzen 1 und 2 bestimmt. Als Grundregel für die Höhe des Werbungskostenabzugs bestimmt Satz 3 erster Halbsatz eine betragsmäßige Begrenzung auf 1.250 EUR. Von dieser Grundregel bestimmt Satz 3 zweiter Halbsatz eine Ausnahme für den Fall, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Dann ist ein unbegrenzter Abzug möglich.
Wenn zu beurteilen ist, ob und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten abgezogen werden dürfen, ist daher folgende Prüfung durchzuführen:
-In einem ersten Schritt ist zu fragen, ob für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Wenn in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, scheidet der Abzug von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer als Werbungskosten aus.
-Steht dagegen fest, dass dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz als sein häusliches Arbeitszimmer zur Verfügung steht, ist zu untersuchen, ob der Abzug unbegrenzt oder nur bis zu einem Betrag von 1.250 EUR zulässig ist. Dafür wird geprüft, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Die für den Streitzeitraum 2014 maßgebliche Gesetzesfassung beruht auf den Änderungen des EStG durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 10, 1394). Auch zuvor war die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer immer wieder geändert worden. Nach der Gesetzesänderung im Jahr 2010 war unklar, ob es sich bei § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG um eine eigenständigen Abzugstatbestand handelt, wie die Kläger meinen, oder um eine Regelung betreffend die zulässige Abzugshöhe, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (vgl. Frotscher, in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 EStG Rz. 801a, Stand: 10.02.2011). Dies könnte die missverständlichen Formulierungen in dem BMF-Schreiben vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 erklären.
Bei BMF-Schreiben handelt es sich nicht um Rechtsnormen, sondern um Verwaltungsanweisungen, die an die Finanzbehörden gerichtet sind.
Mit ihnen wird die Steuerverwaltung angewiesen, bei steuerlichen Zweifelsfragen in einer bestimmten Weise zu verfahren. Sie ändern nichts an der Rechtslage, die sich ausschließlich nach der vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossenen Gesetzeslage, hier dem EStG, bestimmt. Daher sind die Steuerpflichtigen und die Finanzgerichte auch nicht an derartige Verwaltungsanweisungen gebunden.
Vielmehr ist es die Aufgabe der Gerichte, die Vereinbarkeit von Verwaltungsvorschriften mit dem Gesetz zu überprüfen. Die Beachtung einer gesetzeswidrigen Verwaltungsvorschrift kann daher nicht gerichtlich erzwungen werden.
Nachdem, wie ausgeführt, zunächst der Regelungsinhalt von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG unklar war, besteht inzwischen kein Zweifel mehr daran, dass das Tatbestandsmerkmal "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung" keinen eigenständigen Abzugstatbestand darstellt, sondern erst dann zur Bestimmung der Abzugshöhe zu prüfen ist, wenn feststeht, dass für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Insoweit ist auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH-Urteile vom 26. Februar 2014 VI R 37/13, BFHE 245, 22, BStBl II 2014, 570 [BFH 26.02.2014 - VI R 37/13]) und maßgebliche Stimmen in der aktuellen Kommentarliteratur (vgl. Blümich/Wied EStG § 4 Rn. 854; Bode in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl. 2016, § 4 EStG, Rn. 218a; Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rz. 593) zu verweisen. Soweit einzelnen Stimmen in der Literatur (vgl. Pelkmann, SteuK 2014, 27) oder Steuersoftware auch für Veranlagungszeiträume ab 2010 noch immer die Auffassung vertreten, dass die Kosten für ein Arbeitszimmer, das den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde auch dann abgezogen werden könnten, wenn ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, steht dies im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Kommentarliteratur.
Für den von den Klägern begehrten Werbungskostenabzug im Veranlagungszeitraum 2014 ist es daher erforderlich, dass dem Kläger für seine berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
"Anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weiter Anforderungen sind nicht zu stellen. Der Steuerpflichtige muss ihn in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen können. Daran fehlt es, wenn arbeitsschutzrechtlich zu beachtende Vorgaben (z. B. Größe, Lärmgrenzwerte) nicht eingehalten werden (BFH-Urteil vom 06. November 2014 VI R 4/14, BFH/NV 2015, 485). Dies ist auch nicht der Fall, wenn er ihn nur eingeschränkt nutzen kann, da er ihn sich mit anderen Mitarbeitern teilen muss (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2015 IX R 19/14, BFH/NV 2016, 380). Es bedarf jedoch keiner jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit (BFH-Urteil vom 26. Februar 2014 VI R 37/13, BFHE 245, 22, BStBl II 2014, 570 [BFH 26.02.2014 - VI R 37/13]). Ein anderer Arbeitsplatz fehlt dann nicht, wenn der Steuerpflichtige nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet, die er grundsätzlich auch an einem anderen Arbeitsplatz verrichten könnte. Die Beweggründe, die ihn dazu veranlassen, die Arbeiten im häuslichen Arbeitszimmer zu erledigen, sind unbeachtlich (BFH-Urteil vom 7. August 2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78, [BFH 07.08.2003 - VI R 17/01] Rn. 22).
Bei der Beurteilung kommt es auch nicht darauf an, welche Arbeitsmittel, wie etwa Computer, der Steuerpflichtige an seinem anderen Arbeitsplatz nutzen kann, denn es ist zwischen dem Arbeitsplatz und seiner Ausstattung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) und den Arbeitsmitteln (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG) zu unterscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2011 VI R 91/10, BFHE 235, 372, BStBl II 2012, 127, [BFH 05.10.2011 - VI R 91/10] Rn. 15).
Nach diesen Grundsätzen ist der Abzug der Aufwendungen des Klägers für sein Arbeitszimmer ausgeschlossen. Denn ihm stand ein "anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung. Der Kläger verfügt in der Niederlassung seines Arbeitgebers über einen Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Anhaltspunkte dafür, dass arbeitsschutzrechtlich zu beachtende Vorgaben nicht eingehalten würden oder der Kläger sich den Arbeitsplatz mit anderen Mitarbeitern teilen müsste, liegen nicht vor. Wie dargelegt, steht das Fehlen einer Zugriffsmöglichkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten und am Wochenende dem Vorliegen eines anderen Arbeitsplatzes nicht entgegen.
Für das Vorliegen eines anderen Arbeitsplatzes kommt es nicht darauf an, ob sich im häuslichen Arbeitszimmer des Klägers Arbeitsmittel befinden, die im Bürogebäude des Arbeitgebers nicht vorgehalten werden, da zwischen dem Bestehen eines verfügbaren Arbeitsplatzes und den bereitgehaltenen Arbeitsmitteln zu unterscheiden ist. Es kommt auch auf die Gründe, die den Kläger zur Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers bewegen, nicht an.
Das Vorliegen eines "anderen Arbeitsplatzes" wird auch dadurch bestätigt, dass der Kläger nach den Angaben in seiner Einkommensteuererklärung im Streitjahr 2014 an 218 Tagen zu seiner Tätigkeitsstätte in ... gefahren ist. Dies spricht dafür, dass der Kläger im Gegensatz zu seinem Vortrag dort auch seiner Betätigung nachgehen kann. Denn es ist -gerade auch im Hinblick auf seine Tätigkeit als Softwareentwickler- nicht nachvollziehbar, dass er täglich einen Anfahrtsweg von 25 km auf sich nimmt, um dort lediglich die Post abzuholen, und zugleich 200 Stunden im Monat in seinem Arbeitszimmer arbeitet.
Die Kläger können ihr Begehren nicht auf das BFH-Urteil vom 16. Juli 2014 X R 49/11, BFH/NV 2015, 177 stützen. Denn dieses Urteil betrifft den Zeitraum von 2007 bis 2009. Nur für diesen Zeitraum der in § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG angeordneten Rückwirkung des Jahressteuergesetzes 2010 ist aus verfassungsrechtlichen Gründen der Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer, das den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet, auch dann möglich, wenn ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Soweit der Kläger geltend macht, dass durch das Jahressteuergesetz 2010 die Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers nicht eingeschränkt, sondern erweitert werden sollte, ist dem lediglich für Zeiträume vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zu folgen (vgl. BFH- Urteil vom 16. Juli 2014 X R 49/11, BFH/NV 2015, 177).
Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der in zeitlich nicht unerheblichem Umfang auch privat genutzt wird, nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten berücksichtigt werden können (BFH-Urteil vom 17. Februar 2016 X R 1/13, BFH/NV 2016, 913). Nach den Angaben des Klägers wird das Arbeitszimmer von der Klägerin in ihrer Freizeit mitgenutzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.
15.09.2016
1 K 18/16 (5)
In dem Rechtsstreit
1.
2.
Kläger,
gegen
Finanzamt
Beklagter,
wegen Einkommensteuer 2014
hat das Finanzgericht Bremen - 1. Senat- aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. September 2016 durch den Richter am Finanzgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als IT Business Consultant und Softwareentwickler und geringe Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Bereich Softwareentwicklung und IT Services. Die in Vollzeit berufstätige Klägerin erzielt ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In der Einkommensteuererklärung 2014 wurden für den Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.743 EUR als Werbungskosten geltend gemacht. Ihm stehe in der Niederlassung seines Arbeitgebers in ... ein Arbeitsplatz zur Verfügung, der auch arbeitsrechtlich sein Dienstsitz sei. Er nutze diesen aber nicht, sondern führe fast seine gesamte berufliche und gewerbliche Tätigkeit von zu Hause aus. Er nutze sein Arbeitszimmer ca. 200 Stunden pro Monat. Er hole in seinem Büro nur die Post ab und nehme an notwendigen Besprechungen teil. Als IT-Dienstleister arbeite er häufig abends oder am Wochenende. Seine IT-Ausstattung sei zu Hause wesentlich hochwertiger und sein Arbeitsplatz sei ergonomischer. Von gelegentlichen Reisen abgesehen führe er seine komplette Tätigkeit über Datenleitungen auf Kundensystemen aus, so dass der Standort seines Schreibtisches - auch für seinen Arbeitgeber - gleichgültig sei. In ihrer Freizeit benutze die Klägerin das Arbeitszimmer mit.
Weiterhin machte der Kläger Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung und der Tätigkeitsstätte in ... für 218 Tage à 25 km geltend.
Mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 30. Juni 2015 wurde die Einkommensteuer mit ... festgesetzt. Es wurden Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers berücksichtigt. Die Entfernungspauschale wurde für 218 Tage berücksichtigt.
Dagegen wurde am 30. Juli Einspruch eingelegt. Die Kläger führten aus, dass es bei der Anerkennung eines Arbeitszimmers als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit nicht auf theoretische Merkmale, sondern die tatsächliche Nutzung ankomme. Es sei unerheblich, ob auch andere Arbeitsplätze genutzt würden, es komme auf die qualitative Erzielung der Arbeitsergebnisse an. In dem BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03] sei der Betätigungsmittelpunkt für einen Versicherungsmathematiker bejaht worden, der wöchentlich zwei Tage im Betrieb des Arbeitgebers und drei Tage im häuslichen Arbeitszimmer tätig gewesen sei. § 4 EStG sei für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht anwendbar. Der Abzug der Kosten sei unbegrenzt zu gewähren, wenn das Arbeitszimmer, wie bei dem Kläger, den qualitativen Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung darstelle. Maßgeblich für die Rechtslage seien die Einleitung und Tz. I des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195.
Mit Änderungsbescheid vom 25. August 2015 wurde die Einkommensteuer auf ... vermindert. Dabei wurde jedoch der Werbungskostenabzug für das Arbeitszimmer gestrichen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2016 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer seien nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG sei die Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auch für Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sinngemäß anzuwenden. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG seien Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht abzugsfähig. Nach Satz 2 gelte dies nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Die Beschränkung der dann abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR gelte nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde. Diese Regelung ändere jedoch nichts am Abzugsverbot, wenn ein alternativer Arbeitsplatz vorhanden sei. Der Regelung liege die gesetzgeberische Überlegung zu Grunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann steuerlich abziehbar sein sollten, wenn es für die Erwerbstätigkeit erforderlich sei. Es genüge nicht, wenn der Arbeitnehmer im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichte, die er grundsätzlich auch an einem anderen Arbeitsplatz verrichten könnte. Ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung sei jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet sei. Er stehe dem Steuerpflichtigen zur Verfügung, wenn er ihn in dem konkret erforderlichen Umfang und der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen könne. Er stehe auch dann zur Verfügung, wenn auf ihn verzichtet werde. Dem Kläger habe im Gebäude seines Arbeitgebers ein Schreibtischarbeitsplatz zur Verfügung gestanden.
Es stehe auch nicht fest, dass sich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers im häuslichen Arbeitszimmer befunden habe. Der Mittelpunkt befinde sich dort, wo nach Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse und der Tätigkeitsmerkmale diejenigen Handlungen vorgenommen und Leistungen erbracht würden, die für die konkret ausgeübte betriebliche oder berufliche Tätigkeit wesentlich und prägend seien. Das häusliche Arbeitszimmer müsse in dem Sinne notwendig und erforderlich sei, dass ohne es die konkrete Tätigkeit nicht ausgeübt werden könne. Ein Telearbeitsplatz könne daher dann nicht den Tätigkeitsmittelpunkt bilden, wenn neben dem häuslichen Arbeitsplatz noch ein Platz im Betrieb des Arbeitgebers bestehe. Der Kläger verfüge über einen Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers, zu dem er beinahe täglich (an 218 Tagen) gefahren sei und an dem er auch an Besprechungen teilgenommen habe.
Das vom Kläger angeführte BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03] beziehe sich auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der für 1998 geltenden Fassung. Damals sei ein Abzug auch möglich gewesen, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50% der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit betragen habe.
Nach der für 2014 geltenden Gesetzesfassung sei ein Abzug dagegen nur noch möglich, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Darüber hinaus habe in dem dem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalt dem Steuerpflichtigen wegen der Reduzierung der betrieblichen Büroflächen nicht mehr für jeden Arbeitstag ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden.
Die Ausführungen unter Tz. 1 des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 führten zu keinem anderen Ergebnis. sie setzten das Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes implizit voraus.
Am 8. Februar 2016 ist die Klage erhoben worden.
Die Kläger berufen sich auf Tz. 1 des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195. Darin werde nicht auf die Notwendigkeit eines nicht vorhandenen Arbeitsplatzes im Betrieb des Arbeitgebers abgestellt. Der "Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung" werde in Tz. 11 definiert. Insoweit werde auch auf das BFH-Urteil vom 9. August 2011 VIII R 5/09, ZSteu 2012, R752 verwiesen. Der Kläger habe konkret produktive, gegenüber den Kunden abrechenbare Arbeit im Arbeitszimmer und in geringem Umfang bei Kunden vor Ort verrichtet, nicht jedoch in der Betriebsstätte des Arbeitgebers. Dort befänden sich nur ein leerer Schreibtisch, ein Laptop und ein Telefon. Sämtliche Arbeitsgeräte und Akten befänden sich im Arbeitszimmer der Kläger. Nach Tz. 15 des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 reiche das alleinige Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes nicht dafür aus, dass auch im rechtlichen Sinne ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten komme es auf die konkrete Ausstattung und Ausgestaltung an. Der Büroarbeitsplatz im Büro des Arbeitgebers erfülle nicht die Anforderungen an eine Einstufung als "anderer Arbeitsplatz". Die bessere Ausstattung des Arbeitszimmers ermögliche die Erfüllung der Aufgaben des Klägers. Bei seiner Tätigkeit handele es sich nicht um einfache Büroarbeit, sondern um anspruchsvolle Tätigkeiten im IT-Bereich, für die zwingend zwei große Monitore erforderlich seien (Bl. 24 - 26 GA).
Die Berufung des Beklagten auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG sei falsch, da die Rechtsgrundlage durch das BMF-Schreiben vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 neu definiert worden sei.
Durch die Gesetzesänderung mit dem Jahressteuergesetz 2010 habe die Absetzbarkeit eines häuslichen Arbeitszimmers erweitert werden sollen. Es sei keine Einschränkung der Absetzbarkeit in den Fällen, in denen das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Tätigkeit bilde, beabsichtigt gewesen. Dies ergebe sich aus Veröffentlichungen des Bundesfinanzministeriums. Der Gesetzestext sei misslungen. Entscheidend sei das BMF-Schreiben vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195. Spätestens dieses habe die Gesetzeslage korrigiert.
Auch nach der vom Kläger für die Einkommensteuererklärung 2015 verwendeten Software Taxman sei der Abzug der Kosten für ein Arbeitszimmer in voller Höhe möglich, wenn dieses den Tätigkeitsmittelpunkt bilde, ohne dass es darauf ankomme, ob ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.
Es komme nicht darauf an, ob ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, wenn der Mittelpunkt der beruflichen und betrieblichen Tätigkeit nicht im Büro des Arbeitgebers sei. Der Tätigkeitsmittelpunkt des Klägers befinde sich im häuslichen Arbeitszimmer. Dieses sei mit zwei Laptops, zwei großen Bildschirmen, zwei Netzwerkservern, Drucker mit Fax- und Scanfunktion, Dokumentenscanner, drahtlosem Headset und Klimaanlage ausgestattet. Die Tätigkeit des Klägers bringe es mit sich, dass er weit über die tarifliche Arbeitszeit hinaus arbeite und auch häufig außerhalb der in Deutschland üblichen Arbeitszeit tätig sei. Der häusliche Arbeitsplatz mache dies überhaupt erst möglich, indem Arbeit und Privatleben bestmöglich integriert würden. Am Arbeitsplatz des Klägers im Betrieb sei keine Entwicklungstätigkeit für Software möglich. Ein Laptop auf dem Schreibtisch sei nicht die Ausstattung, um professionelle Softwareentwicklung zu betreiben.
Die Tatsache, dass der Kläger beinahe täglich (an 218 Tagen) zum Betrieb seines Arbeitgebers gefahren sei und dort an Besprechungen teilgenommen habe, spreche nicht gegen einen Tätigkeitsmittelpunkt im häuslichen Arbeitszimmer, da es nach dem BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03] ausreiche, wenn der Steuerpflichtige mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit dort tätig werde.
Aus dem BFH-Urteil vom 16. Juli 2014 X R 49/11, BFH/NV 2015, 177 folge nicht, dass das Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes den Ausgabenabzug ausschließe.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 30. Juni 2015 in der Fassung des Bescheides vom 25. August 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2016 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.743 EUR als weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kläger könnten ihr Begehren nicht auf Tz. 1 des BMF-Schreibens vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 stützen. Dabei handele es sich um eine Verwaltungsanweisung, die das Gesetz nicht ändern könne.
Es treffe nicht zu, dass im Falle des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer das Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes unschädlich sei (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG). § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG regele allein die Höhe des Werbungskostenabzugs.
Die Kläger könnten ihr Begehren nicht auf das BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03] stützen, da es sich auf die für das Jahr 1998 geltende Gesetzesfassung beziehe.
Das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG werde nur durchbrochen, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Dies habe der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 16. Juli 2014 X R 49/11, BFH/NV 2015, 177 bestätigt.
"Anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung sei jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet sei. Die Eignung eines Arbeitsplatzes entfalle nicht, wenn die notwendigen Arbeitsmittel in das häusliche Arbeitszimmer überführt würden. Auf die Beweggründe, die den Arbeitnehmer zur Erledigung seiner Arbeiten im häuslichen Arbeitszimmer veranlassten, komme es nicht an.
Dem Kläger stehe ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Die Kläger hätten selbst eingeräumt, dass der Kläger die Möglichkeit habe, im Büro des Arbeitgebers an einem Laptop Büroarbeit zu verrichten.
Das häusliche Arbeitszimmer bilde nicht den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Tätigkeit. Dafür müsse das häusliche Arbeitszimmer für die konkrete Berufsausübung in dem Sinne notwendig und erforderlich sein, dass ohne dieses Arbeitszimmer die konkrete Tätigkeit nicht ausgeübt werden könne. Der häusliche Arbeitsplatz könne jedenfalls dann nicht den Tätigkeitsmittelpunkt bilden, wenn der Steuerpflichtige neben dem häuslichen Arbeitsplatz noch einen Platz im Betrieb des Arbeitgebers habe (Hinweis auf Meurer in Lademann, EStG, § 4 Anm. 721e).
Nach dem Gesetzeswortlaut sei der Werbungskostenabzug für ein Arbeitszimmer bei Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes ausgeschlossen. Gesetzgeberische Absichten seien bei der Auslegung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie auch im Text Niederschlag gefunden hätten. Der BFH habe mit Urteil vom 16. Juli 2014 - X R 49/11, BFH/NV 2015, 177 klargestellt, dass nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG das Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes den Werbungskostenabzug auch dann ausschließe, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Tätigkeitsmittelpunkt bilde. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei lediglich für Veranlagungszeiträume bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 zur Vermeidung einer rückwirkenden Verschärfung der Rechtslage eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Dies betreffe nicht 2014.
Die Akten des Beklagten (1 Bd. Einkommensteuerakten, 2. Bd. Sonderakten, 1 Bd. Gewerbesteuerakten, 1 Bd. Umsatzsteuerakten und 1 Bd. Sonderakten Rechtsbehelfsakten) haben vorgelegen. Ihr Inhalt ist wie der der Gerichtsakten Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen, soweit die Entscheidung darauf beruht. Insoweit wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage war aus den in der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründen abzuweisen, denn der Beklagte hat dort die Rechtslage zutreffend wiedergegeben. Es wird deshalb gemäß § 105 Abs. 5 FGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren bleibt Folgendes auszuführen:
Für die Festsetzung der Einkommensteuer sind maßgeblich die gesetzlichen Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum (Kalenderjahr) geltenden Fassung. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. § 9 EStG gilt für alle Überschusseinkünfte und damit auch für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In § 9 Abs. 5 EStG ist bestimmt, dass § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG entsprechend gilt. Das heißt, dass diese Bestimmung, die an sich die Gewinnermittlung bei Gewinneinkünften (z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb) betrifft, für Überschusseinkünfte entsprechend anzuwenden ist. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG hat folgenden Wortlaut:
"1Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:
...
6b. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung. 2Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. 3In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1 250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet;"
Aus Satz 1 der Bestimmung folgt die Grundregel, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Werbungskosten abgezogen werden dürfen.
Von dieser Grundregel bestimmt Satz 2 eine Ausnahme: Dies (das Verbot des Abzugs von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer) gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dies bedeutet, dass Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nur dann abgezogen werden können, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Satz 3 der Bestimmung regelt nun für den Fall, dass eine Ausnahme von der Grundregel des Abzugsverbots vorliegt, da für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht ("in diesem Fall") die Höhe des Abzugs. Satz 3 regelt dagegen nicht die Zulässigkeit des Werbungskostenabzugs, die sich allein nach den Sätzen 1 und 2 bestimmt. Als Grundregel für die Höhe des Werbungskostenabzugs bestimmt Satz 3 erster Halbsatz eine betragsmäßige Begrenzung auf 1.250 EUR. Von dieser Grundregel bestimmt Satz 3 zweiter Halbsatz eine Ausnahme für den Fall, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Dann ist ein unbegrenzter Abzug möglich.
Wenn zu beurteilen ist, ob und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten abgezogen werden dürfen, ist daher folgende Prüfung durchzuführen:
-In einem ersten Schritt ist zu fragen, ob für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Wenn in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, scheidet der Abzug von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer als Werbungskosten aus.
-Steht dagegen fest, dass dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz als sein häusliches Arbeitszimmer zur Verfügung steht, ist zu untersuchen, ob der Abzug unbegrenzt oder nur bis zu einem Betrag von 1.250 EUR zulässig ist. Dafür wird geprüft, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Die für den Streitzeitraum 2014 maßgebliche Gesetzesfassung beruht auf den Änderungen des EStG durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 10, 1394). Auch zuvor war die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer immer wieder geändert worden. Nach der Gesetzesänderung im Jahr 2010 war unklar, ob es sich bei § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG um eine eigenständigen Abzugstatbestand handelt, wie die Kläger meinen, oder um eine Regelung betreffend die zulässige Abzugshöhe, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (vgl. Frotscher, in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 EStG Rz. 801a, Stand: 10.02.2011). Dies könnte die missverständlichen Formulierungen in dem BMF-Schreiben vom 2. März 2011 IV C 6-S 2145/07/10002, BStBl I 2011, 195 erklären.
Bei BMF-Schreiben handelt es sich nicht um Rechtsnormen, sondern um Verwaltungsanweisungen, die an die Finanzbehörden gerichtet sind.
Mit ihnen wird die Steuerverwaltung angewiesen, bei steuerlichen Zweifelsfragen in einer bestimmten Weise zu verfahren. Sie ändern nichts an der Rechtslage, die sich ausschließlich nach der vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossenen Gesetzeslage, hier dem EStG, bestimmt. Daher sind die Steuerpflichtigen und die Finanzgerichte auch nicht an derartige Verwaltungsanweisungen gebunden.
Vielmehr ist es die Aufgabe der Gerichte, die Vereinbarkeit von Verwaltungsvorschriften mit dem Gesetz zu überprüfen. Die Beachtung einer gesetzeswidrigen Verwaltungsvorschrift kann daher nicht gerichtlich erzwungen werden.
Nachdem, wie ausgeführt, zunächst der Regelungsinhalt von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG unklar war, besteht inzwischen kein Zweifel mehr daran, dass das Tatbestandsmerkmal "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung" keinen eigenständigen Abzugstatbestand darstellt, sondern erst dann zur Bestimmung der Abzugshöhe zu prüfen ist, wenn feststeht, dass für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Insoweit ist auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH-Urteile vom 26. Februar 2014 VI R 37/13, BFHE 245, 22, BStBl II 2014, 570 [BFH 26.02.2014 - VI R 37/13]) und maßgebliche Stimmen in der aktuellen Kommentarliteratur (vgl. Blümich/Wied EStG § 4 Rn. 854; Bode in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl. 2016, § 4 EStG, Rn. 218a; Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rz. 593) zu verweisen. Soweit einzelnen Stimmen in der Literatur (vgl. Pelkmann, SteuK 2014, 27) oder Steuersoftware auch für Veranlagungszeiträume ab 2010 noch immer die Auffassung vertreten, dass die Kosten für ein Arbeitszimmer, das den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde auch dann abgezogen werden könnten, wenn ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, steht dies im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Kommentarliteratur.
Für den von den Klägern begehrten Werbungskostenabzug im Veranlagungszeitraum 2014 ist es daher erforderlich, dass dem Kläger für seine berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
"Anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weiter Anforderungen sind nicht zu stellen. Der Steuerpflichtige muss ihn in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen können. Daran fehlt es, wenn arbeitsschutzrechtlich zu beachtende Vorgaben (z. B. Größe, Lärmgrenzwerte) nicht eingehalten werden (BFH-Urteil vom 06. November 2014 VI R 4/14, BFH/NV 2015, 485). Dies ist auch nicht der Fall, wenn er ihn nur eingeschränkt nutzen kann, da er ihn sich mit anderen Mitarbeitern teilen muss (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2015 IX R 19/14, BFH/NV 2016, 380). Es bedarf jedoch keiner jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit (BFH-Urteil vom 26. Februar 2014 VI R 37/13, BFHE 245, 22, BStBl II 2014, 570 [BFH 26.02.2014 - VI R 37/13]). Ein anderer Arbeitsplatz fehlt dann nicht, wenn der Steuerpflichtige nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet, die er grundsätzlich auch an einem anderen Arbeitsplatz verrichten könnte. Die Beweggründe, die ihn dazu veranlassen, die Arbeiten im häuslichen Arbeitszimmer zu erledigen, sind unbeachtlich (BFH-Urteil vom 7. August 2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78, [BFH 07.08.2003 - VI R 17/01] Rn. 22).
Bei der Beurteilung kommt es auch nicht darauf an, welche Arbeitsmittel, wie etwa Computer, der Steuerpflichtige an seinem anderen Arbeitsplatz nutzen kann, denn es ist zwischen dem Arbeitsplatz und seiner Ausstattung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) und den Arbeitsmitteln (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG) zu unterscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2011 VI R 91/10, BFHE 235, 372, BStBl II 2012, 127, [BFH 05.10.2011 - VI R 91/10] Rn. 15).
Nach diesen Grundsätzen ist der Abzug der Aufwendungen des Klägers für sein Arbeitszimmer ausgeschlossen. Denn ihm stand ein "anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung. Der Kläger verfügt in der Niederlassung seines Arbeitgebers über einen Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Anhaltspunkte dafür, dass arbeitsschutzrechtlich zu beachtende Vorgaben nicht eingehalten würden oder der Kläger sich den Arbeitsplatz mit anderen Mitarbeitern teilen müsste, liegen nicht vor. Wie dargelegt, steht das Fehlen einer Zugriffsmöglichkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten und am Wochenende dem Vorliegen eines anderen Arbeitsplatzes nicht entgegen.
Für das Vorliegen eines anderen Arbeitsplatzes kommt es nicht darauf an, ob sich im häuslichen Arbeitszimmer des Klägers Arbeitsmittel befinden, die im Bürogebäude des Arbeitgebers nicht vorgehalten werden, da zwischen dem Bestehen eines verfügbaren Arbeitsplatzes und den bereitgehaltenen Arbeitsmitteln zu unterscheiden ist. Es kommt auch auf die Gründe, die den Kläger zur Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers bewegen, nicht an.
Das Vorliegen eines "anderen Arbeitsplatzes" wird auch dadurch bestätigt, dass der Kläger nach den Angaben in seiner Einkommensteuererklärung im Streitjahr 2014 an 218 Tagen zu seiner Tätigkeitsstätte in ... gefahren ist. Dies spricht dafür, dass der Kläger im Gegensatz zu seinem Vortrag dort auch seiner Betätigung nachgehen kann. Denn es ist -gerade auch im Hinblick auf seine Tätigkeit als Softwareentwickler- nicht nachvollziehbar, dass er täglich einen Anfahrtsweg von 25 km auf sich nimmt, um dort lediglich die Post abzuholen, und zugleich 200 Stunden im Monat in seinem Arbeitszimmer arbeitet.
Die Kläger können ihr Begehren nicht auf das BFH-Urteil vom 16. Juli 2014 X R 49/11, BFH/NV 2015, 177 stützen. Denn dieses Urteil betrifft den Zeitraum von 2007 bis 2009. Nur für diesen Zeitraum der in § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG angeordneten Rückwirkung des Jahressteuergesetzes 2010 ist aus verfassungsrechtlichen Gründen der Abzug der Aufwendungen für das Arbeitszimmer, das den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet, auch dann möglich, wenn ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Soweit der Kläger geltend macht, dass durch das Jahressteuergesetz 2010 die Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers nicht eingeschränkt, sondern erweitert werden sollte, ist dem lediglich für Zeiträume vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zu folgen (vgl. BFH- Urteil vom 16. Juli 2014 X R 49/11, BFH/NV 2015, 177).
Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der in zeitlich nicht unerheblichem Umfang auch privat genutzt wird, nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten berücksichtigt werden können (BFH-Urteil vom 17. Februar 2016 X R 1/13, BFH/NV 2016, 913). Nach den Angaben des Klägers wird das Arbeitszimmer von der Klägerin in ihrer Freizeit mitgenutzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.