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07.02.2017 · IWW-Abrufnummer 191697

Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 13.12.2016 – 4 U 976/16

1. Sonderbedingungen eines Versicherers für die Krankentagegeldversicherung für Berufssportler, die an den Begriff des Nettoeinkommens in § 4 MB/KT anknüpfen, sind intransparent, wenn dieser Begriff nicht näher erläutert wird.

2. Die Anordnung der Anrechnung von Verletztengeld ist ebenfalls intransparent, wenn unklar bleibt, wie sie rechnerisch im Einzelnen erfolgen soll.


Oberlandesgericht Dresden

Urt. v. 13.12.2016

Az.: 4 U 976/16

In dem Rechtsstreit
M. H.
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Kxxx
gegen
X Krankenversicherung AG
vertreten durch ...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Unterbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Axxx
Prozessbevollmächtigte:
Bxxx

wegen Forderung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schlüter,
Richterin am Oberlandesgericht Riechert und
Richterin am Oberlandesgericht Wittenberg

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2016

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 08.06.2015 - 8 O 257/15 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 21.772,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 14.378,00 EUR ab 09.09.2016 und aus 7.394,40 EUR ab 15.11.2016 zu zahlen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 60.901,18 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die ungekürzte Zahlung von Krankentagegeld in Höhe von 200,00 EUR kalendertäglich für den Zeitraum 02.03.2015 bis 14.10.2016. Seit dem 14.7.2016 ist er berufsunfähig.

Der Kläger war bis zum 30.6.2016 Berufsfußballspieler. Er schloss mit der Beklagten zum 01.01.2011 unter Einbeziehung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KT 2009 mit Tarifbedingungen TBB) u.a. eine Krankentagegeldversicherung ab. Im Versicherungsschein (Anlage K 2) ist die Zahlung eines Krankentagegeldes von 200,00 EUR ab dem 43. Tag vereinbart.

§ 4 der Versicherungsbedingungen der Beklagten hat folgenden Wortlaut:

§ 4 Umfang der Leistungspflicht
...

2.
Das Krankentagegeld darf zusammen mit sonstigen Krankentage- und Krankengeldern das auf den Kalendertag umgerechnete, aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen nicht übersteigen. Maßgebend für die Berechnung des Nettoeinkommens ist der Durchschnittsverdienst der letzten zwölf Monate vor Antragstellung bzw. vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sofern der Tarif keinen anderen Zeitraum vorsieht.

2.1
Zahlungen jeder Art, die an die Stelle des Krankengeldes der gesetzlichen Krankenversicherung treten, sind dem Bezug von Krankengeld gleichgestellt.
...

4.
Erlangt der Versicherer davon Kenntnis, dass das Nettoeinkommen der versicherten Person unter die Höhe des dem Vertrag zu Grund gelegten Einkommens gesunken ist, so kann er ohne Unterschied, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht, das Krankentagegeld und den Beitrag mit Wirkung von Beginn des zweiten Monats nach Kenntnis entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen herabsetzen. ...

Im Tarif TBB heißt es unter Tarifleistungen in Ziffer 1.2 wie folgt:

In Ergänzung zu § 4 Abs. 2 bzw. 2.1 AVB wird bei Berufsunfällen das Verletztengeld der Berufsgenossenschaft bei der Ermittlung des Krankentagegeldanspruches angerechnet, sofern Krankentagegeld und Verletztengeld das Nettoeinkommen übersteigen.

Seit dem 19.01.2015 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt; am 14.7.2016 wurde seine Berufsunfähigkeit medizinisch festgestellt. Für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum erhielt er ein Verletztengeld der Berufsgenossenschaft in Höhe von 186,67 EUR/Tag. Die Beklagte zahlte ab dem 02.03.2015 Krankentagegeld in Höhe von 97,30 EUR/Tag. Hierbei legte sie einen "versicherbaren Krankentagegeldsatz" von 283,97 EUR zugrunde, von dem sie das Verletztengeld der Berufsgenossenschaft in Abzug brachte.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte das Krankentagegeld zu Unrecht um das Verletztengeld gekürzt hätte. § 4 Abs. 2 AVB der Beklagten sei ein rechtsfolgenloser Programmsatz und die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 AVB seien nicht gegeben. Im Übrigen seien diese Regelungen unwirksam. Die Krankentagegeldversicherung sei eine Summenversicherung und ein Verdienstausfall sei keine Anspruchsvoraussetzung.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Kürzung zu Recht erfolge. Der Arbeitgeber des Klägers habe - insoweit unstreitig - den Bruttoverdienst mit monatlich 10.649,00 EUR angegeben. Davon seien nach den internen Annahmerichtlinien der Beklagten 80 % versicherbar. Hieraus errechne sich ein versicherbarer Krankentagegeldsatz von 283,97 EUR. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien wirksam. Es sei kein vernünftiger Grund vorhanden, weshalb der Versicherte während der Erkrankung mehr erhalten solle als bei Arbeitsfähigkeit. Anderenfalls läge eine Äquivalenzstörung vor. Schließlich enthielten die Tarifbestimmungen TBB eine ausdrückliche Rechtsfolgenregelung. Die Klausel sei auch nicht überraschend. Schließlich könne die Krankentagegeldversicherung als Summen-, aber auch als Schadensversicherung ausgestaltet werden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass § 4 Abs. 2 AVB der Beklagten einen unverbindlichen Programmsatz ohne Rechtsfolgenregelung enthalte, was aus dem Charakter der Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung resultiere. Der Tarif TBB wiederhole insoweit nur die Regelung in der AVB.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie trägt zur Begründung vor, der Tarif TBB sei ein Spezialtarif für Berufssportler und sei aufgelegt worden, nachdem die zuständige Aufsichtsbehörde dies ausdrücklich gefordert habe. Es komme entscheidend auf die tarifliche Spezialregelung für Berufssportler an. Das Landgericht habe sich mit der entscheidenden Tarifklausel nicht beschäftigt. Selbst wenn § 4 Abs. 2 AVB nur ein Programmsatz sei, so sei dieses "Manko" durch den Spezialtarif TBB behoben worden. Da die Krankentagegeldversicherung auch als Schadensversicherung ausgestaltete werden könne, sei es erst recht möglich, als Minus hierzu ein Element als Schadensversicherung zu konzipieren.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt er,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 21.772,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 14.378,00 EUR ab Zustellung der Berufungserwiderungs- und Anschlussberufungsschrift vom 02.09.2016 sowie aus weiteren 7.394,40 EUR ab Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und hat die Klage für das Krankentagegeld bis 14.10.2016 erweitert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, das angefochtene Urteil sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.

A.

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig. Die Klage kann im Wege der Anschlussberufung erweitert werden, auch wenn der Anschlussberufungskläger durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.05.2011 - VI ZR 152/10 - zitiert nach juris, wie alle im Urteil zitierten Entscheidungen).

B.

1. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 102,70 EUR Krankentagegeld kalendertäglich seit dem 02.03.2015 aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrag vom 01.01.2011 zu. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Zahlung in Höhe des von der Berufsgenossenschaft gezahlten Verletztengeldes von 186,67 EUR zu kürzen.

a) Die Parteien haben die vorliegende Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung abgeschlossen.

Die Krankentagegeldversicherung kann zwar sowohl als Summen- als auch als Schadensversicherung abgeschlossen werden (vgl. BGH, Urt. v. 04.07.2001 - IV ZR 307/00). In der Regel wird auf der Grundlage der MB/KT 2009 -deren Geltung hier vereinbart wurde (Anlage K 1)- eine Summenversicherung vereinbart (vgl. Voit in Kommentar zum VVG, Prölss/Martin,29. Aufl., § 192 VVG Rn. 179; vgl. BGH a.a.O. zu der vergleichbaren Regelung in MB/KT 94).

Die für die Summenversicherung charakteristische abstrakte Bedarfsdeckung ist dann gegeben, wenn der Versicherte im Versicherungsfall eine im Voraus bestimmte Entschädigung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit erhält, ohne Rücksicht darauf, welchen Verdienstausfall er tatsächlich hat (so BGH, Urt. v. 04.07.2001 - IV ZR 307/00). Vielmehr soll pauschal ein Bedarf gedeckt werden, von dem angenommen wird, dass er bei durch Arbeitsunfähigkeit eintretenden Verdienstausfall entstehen könne (BGH a.a.O.). So ist es hier. Im Versicherungsschein (Anlage K 2) wurde die Zahlung eines Krankentagegeldes ab dem 43. Tag in einer konkreten Höhe, nämlich von 200,00 EUR, vereinbart.

Weder § 4 Abs. 2 noch § 4 Abs. 4 AVB kann entnommen werden, dass eine Schadenversicherung abgeschlossen werden sollte. Eine solche ist dann anzunehmen, wenn die Versicherung auf Deckung des konkreten Verdienstausfallschadens des Versicherten zielt und sich demgemäß die zu erbringende Versicherungsleistung den Einkommensschwankungen des Versicherten ständig und automatisch anpasst (so BGH, Urt. v. 04.07.2001 - IV ZR 307/00). Dies ist hier aber nicht der Fall. § 4 Abs. 2 AVB bestimmt, dass das Krankentagegeld zusammen mit sonstigen Leistungen das Nettoeinkommen nicht übersteigen darf und enthält damit eine Bestimmung der oberen Leistungsgrenze (vgl. BGH, a.a.O.). Die Vorschrift macht allerdings die Versicherungsleistung nicht von dem tatsächlich eingetretenen Einkommensverlust abhängig. Auch die in § 4 Abs. 4 AVB geregelte Möglichkeit, das Krankentagegeld (und den Beitrag) abzusenken, wenn das Nettoeinkommen des Versicherten unter die Höhe des dem Vertrage zu Grunde gelegten Einkommens gesunken ist, stellt keine ständige und sofort wirksame Anpassung an die jeweiligen Einkommensverhältnisse des Versicherten dar (vgl. BGH, a.a.O.). Insbesondere sehen die AVB der Beklagten keine Anpassung des Krankentagegeldes bei der Erhöhung des Nettoeinkommens des Versicherten vor.

Die Vereinbarung in Ziffer 1.2 Tarif TBB rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Nach dieser Regelung soll bei Berufsunfällen das Verletztengeld der Berufsgenossenschaft bei der Ermittlung des Krankentagegeldanspruches angerechnet werden, sofern Krankentagegeld und Verletztengeld das Nettoeinkommen übersteigen. Aber auch hier ist keine automatische Anpassung an die Einkommensverhältnisse geregelt -weder an die Verringerung und schon gar nicht an die Erhöhung des Einkommens. Der Tarif stellt auch nicht auf den tatsächlichen Einkommensverlust ab.

b) Die Beklagte kann die Zahlungen nicht auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen kürzen. Die in ihren Versicherungsbedingungen enthaltene Anordnung ist intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und enthält zudem eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie ist damit bei Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrages im Übrigen gem. § 306 Abs. 1 BGB unwirksam.

aa) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass § 4 Abs. 2, 2.1 AVB keine Anspruchsbeschränkung, sondern lediglich einen unverbindlichen Programmsatz formuliert (vgl. hierzu Wilmes in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Aufl., 2015, § 4 MB/KT Rn. 9; Landgericht Dortmund, Urt. v. 19.02.2015 - 2 O 239/14 (hier vorgelegt als Anlage K 10); vgl. OLG Hamm, Urt. v. 25.03.1994 - 20 U 263/93 - in R+S 1996, S. 282; a.A. OLG Celle, Urt. v. 10.06.2010 - 8 U 18/10). Die Klausel bestimmt, dass das Krankentagegeld zusammen mit sonstigen Krankentage- und Krankengeldern das auf den Kalendertag umgerechnete, aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen nicht übersteigen darf. Sie enthält allerdings keine Rechtsfolgenregelung. Nach seinem Wortlaut statuiert § 4 Abs. 2 MB/KT ein Verbot, bei dem offen ist, an wen es sich richtet (vgl. hierzu auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.03.2002 - 5 U 816/01, für § 4 Abs. 2 MB/KT 94). Es ist unklar, welche Rechtsfolge eintreten soll, wenn ein höheres Krankentagegeld vereinbart ist als erlaubt und der Versicherungsnehmer auch entsprechend höhere Beiträge gezahlt hat (so OLG Saarbrücken, a.a.O.). Die Regelung stellt nur eine Handlungsanweisung an die Parteien -insbesondere den Versicherer- dar, bei Vertragsabschluss keine Krankentagegeldleistung zu vereinbaren, die das Nettoeinkommen übersteigt.

bb) Anders als das Landgericht angenommen hat, geht allerdings Ziff. 1.2 des Tarifs TBB über einen solchen Programmsatz hinaus. Die Vorschrift enthält nicht lediglich ein Verbot ohne Rechtsfolgenregelung, sondern ordnet nach ihrem - insoweit eindeutigen - Wortlaut die Anrechnung des Verletztengeldes "bei der Ermittlung des Krankengeldtagegeldanspruches" an; sie enthält insofern eine Handlungsanweisung an die Beklagte, eine entsprechende Kürzung vorzunehmen. Auch wenn sie nach ihrem Wortlaut § 4 Abs. 2 AVB ergänzt, führt dies nicht dazu, dass hierdurch auch Ziff. 1.2 des Tarifs TBB lediglich Bestandteil eines unverbindlichen Programmsatzes würde.

Der durchschnittlich aufmerksame Versicherungsnehmer, der die Klauseln im Zusammenhang liest, wird § 4 Abs. 2 AVB ein an die Versicherung gerichtetes Verbot entnehmen, das durch Ziff. 1.2 des Tarifs TBB in dem Sinne konkretisiert wird, dass im Versicherungsfall zunächst Feststellungen zur Höhe des Verletztengeldes getroffen werden und nachträglich eine Anrechnung erfolgt. Ihm wird dadurch deutlich, dass er nicht damit rechnen kann, Verletztengeld und Krankentagegeld in ungekürzter Höhe nebeneinander beziehen zu können.

Durch die ausdrückliche Erwähnung von § 4 Abs. 2 AVB im Text von Ziff. 1.2 Tarif TBB wird ihm zudem verdeutlicht, dass bei der Ermittlung des Nettoeinkommens die dort enthaltenen Berechnungsvorgaben gelten und dass beide Klauseln im Zusammenhang gelesen werden müssen, um die Höhe der Anrechnung zu ermitteln.

cc) Das ist in diesem Sinne verstandene Klauselwerk ist allerdings intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind hiernach so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (vgl. BGH Urteil vom 06.07.2016 -IV ZR 44/15). Das Transparenzgebot verlangt vom Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. (vgl. BGH Urteil vom 06.07.2016 -IV ZR 44/15). Dem Versicherungsnehmer muss bereits bei Vertragsschluss klar sein, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (vgl. BGH a.a.O.).

Dies ist hier nicht der Fall. Der Versicherungsnehmer wird der Lektüre des § 4 Abs. 2 AVB nicht entnehmen können, wie sich das maßgebliche Nettoeinkommen errechnet. Es wird der Durchschnittsverdienst der letzten zwölf Monate vor Antragstellung als eine der Möglichkeiten genannt, wobei offen bleibt, ob hierfür vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, der Stellung des Leistungsantrages oder des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit zurück gerechnet wird. § 4 Abs. 2 AVB ist daher bereits hinsichtlich der Bestimmung des Zeitraums des maßgeblichen Nettoverdienstes intransparent (vgl. hierzu, aber offen lassend: OLG Hamm, Urt. v. 03.11.1999 - 20 U 102/1999; vgl. hierzu auch, ebenfalls offen lassend: BGH, Urt. v. 06.07.2016 - IV ZR 44/15, Rn. 35).

Darüber wird auch im Zusammenspiel der hier streitgegenständlichen Klauseln nicht hinreichend deutlich, wie sich das für die Anrechnung maßgebliche Nettoeinkommen zusammensetzt. Der BGH hat sich bereits in der Entscheidung vom 6.7.2016 (IV ZR 44/15 - juris) mit der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 4 Abs. 2 MB/KT befasst und insbesondere beanstandet, dass der Begriff des "Nettoeinkommens", der an den in verschiedenen Vorschriften verwendeten Einkommensbegriff (§§ 82 SGB XII, 115 ZPO, 2ff. EStG) anknüpft, je nach Rechtsgebiet unterschiedlich verstanden wird und daher für den Versicherungsnehmer in den Tarifbestimmungen erläuterungsbedürftig ist.

Für den beruflich selbständigen Versicherungsnehmer hat er hieraus aufgrund eines am Vertragszweck orientierten Verständnisses die Intransparenz der Klausel abgeleitet. Ein solches vertragszweckorientiertes Verständnis ist allerdings auch bei Berufssportlern geboten, für die mit dem Tarif TBB bei der Beklagten eine eigenständige Absicherung existiert. Denn ebenso wie Selbständige ist auch für diese Berufsgruppe ein Ausgleich der durch den vorübergehenden Ausfall der Arbeitskraft entstehenden Vermögensnachteile und der Ersatz durch eine vergleichbare soziale Absicherung von existenzieller Bedeutung. Auch Berufssportler sind zudem entweder in vollem Umfang selbständig (wie z.B. Tennis- und Golfspieler) oder neben ihrer unselbständigen Tätigkeit oft in z.T. erheblichem Ausmaß gewerblich tätig, z.B. im Rahmen von Werbe- und Sponsoringaktivitäten; hier fallen u.U. ebenfalls laufende Betriebskosten an, die nicht dadurch wegfallen, dass der Sportler vorübergehend keine Einnahmen erzielt. Für diese Berufsgruppe stellt sich daher die vom BGH in der o.a. Entscheidung unter Transparenzgesichtspunkten aufgeworfene Frage, ob steuerlich absetzbare Kosten (etwa für einen Manager, Stylisten o.ä) oder Investitionen dem Nettoeinkommen als verdeckte Nettoeinkünfte zuzusetzen oder vom Bruttoeinkommen in Abzug zu bringen sind. Diese Frage wird durch § 4 Abs. 2 AVB i.V.m. Nr. 1.2 Tarif TBB ebenso wenig beantwortet wie die Problematik, ob auch Sachbezüge, Antritts- oder Punktprämien, Unterkunftsgestellung oder Werbeeinnahmen in die Berechnung des Nettoeinkommens einfließen. Dass die Beklagte in ihren internen Annahmerichtlinien versucht, dieser Problematik auszuweichen, indem sie lediglich das vom Arbeitgeber bescheinigte Bruttoeinkommen aus unselbständiger Tätigkeit heranzieht und dieses pauschal um 20% vermindert, ändert an dieser Intransparenz nichts, auch wenn es sich im Ergebnis für den Versicherungsnehmer günstig auswirken mag.

Intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist überdies die in Nr. 1.2. Tarif TBB enthaltene Vorgabe für die Anrechnung des Verletztengeldes. Deren Wortlaut, wonach eine Anrechnung stattfindet, "sofern Krankentagegeld und Verletztengeld das Nettoeinkommen übersteigen", lässt verschiedene Berechnungsarten zu: Es ist hiernach unklar, ob das Verletztengeld der Berufsgenossenschaft nur insoweit angerechnet werden soll, als Krankentragegeld und Verletztengeld das Nettoeinkommen übersteigen, ober ob es ("sofern") in voller Höhe angerechnet wird. Würde vorliegend vom Krankentagegeld von 200,00 EUR das Verletztengeld i.H.v. 186,67 EUR in vollem Umfang in Abzug gebracht, verbliebe bei einem solchen Verständnis ein Auszahlungsbetrag von nur 13,33 EUR kalendertäglich. Auch wenn man abweichend hiervon die Klausel unter Berücksichtigung ihres in § 4 Abs. 2 AVB zum Ausdruck kommenden Einkommenssicherungszweckes so auslegt, dass nur das bei einer Zusammenrechnung das Nettoeinkommen übersteigende Verletztengeld angerechnet werden soll, kann der Versicherungsnehmer ihr nicht entnehmen, wie diese Anrechnung im Einzelnen vorgenommen wird und welcher Betrag ihm letztlich verbleibt. Diese Unklarheit wird auch an der Berechnung der Beklagten deutlich. Sie hat in nicht aus dem Klauselwerk ableitbarer Weise und allein unter Rückgriff auf die dem Versicherungsnehmer nicht zugänglichen und im Verfahren nicht vorgelegten Annahmerichtlinien einen versicherbaren Krankentagegeldsatz von 283,97 EUR ermittelt und hiervon das Verletztengeld i.H.v. 186,67 EUR abgezogen, was zu dem von ihr errechneten Betrag von 97,30 EUR führt. Nach dem Wortlaut der Klausel läge es freilich näher, Krankentagegeld und Verletztengeld zunächst zu addieren und hiervon das Nettoeinkommen abzuziehen, was vorliegend einen Auszahlungsbetrag von 102, 70 EUR ergäbe (200,00 EUR Krankentagegeld + 186,67 EUR Verletztengeld = 386,67 EUR - Nettoeinkommen 283,97 EUR). Wie diese unterschiedlichen Berechnungsvarianten zeigen, kann der durchschnittlich gebildete Versicherungsnehmer der Ziff. 1.2 des Tarifs TBB der Beklagten auch bei aufmerksamer und sorgfältiger Lektüre und in Kenntnis sowohl der Höhe des für ihn maßgeblichen Nettoeinkommens als auch des Verletztengeldes ex ante nicht entnehmen, in welcher Höhe im Versicherungsfall eine Kürzung vorgenommen wird.

dd) Die Klausel enthält zudem eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers, weil eine Differenzierung der Beiträge nach den unterschiedlichen für einzelne Versicherungsnehmer geltenden Jahresarbeitsverdiensthöchtsgrenzen im Sinne des § 85 Abs. 2 SGB VII nicht vorgesehen ist. Nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII erhalten Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, Verletztengeld entsprechend § 47 Abs. 1 und 2 des Fünften Buches mit der Maßgabe, dass das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens zu berechnen und bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist. Nach § 85 Abs. 2 SGB VII beträgt der Jahresarbeitsverdienst höchstens das Zweifache der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebenden Bezugsgröße, wobei die Satzung des Versorgungsträgers eine abweichende Regelung vorsehen kann. Dies führt in der Praxis der einzelnen Berufsgenossenschaften zu einer erheblichen Aufspreizung der Jahresarbeitsverdiensthöchstgrenzen, die allein bei den Unfallkassen von 61.260,- EUR (Unfallkasse Sachsen, Stand: 1.1.2016) bis zu 95.865 EUR (Unfallkasse Nordrhein-Westfalen) reichen. Dies führt - bei gleichen Beiträgen - nach Ziff. 1.2 Tarif TBB zu einem der Anrechnung zugrunde zu legenden Verletztengeld von 170, 17 EUR bis 266,30 EUR. Dies verletzt das auch vom BGH (aaO., Rn 28) anerkannte "Symmetriegebot" von Preis und Gegenleistung und führt gleichfalls zur Unwirksamkeit der Klausel.

ee) Vorliegend scheidet auch eine Lückenfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung aus. Voraussetzung hierfür wäre, dass die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führt, es dem Versicherer gemäß § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden, und der ergänzte Vertrag für den Versicherungsnehmer typischerweise von Interesse ist. Wie der BGH bereits im Urteil vom 6.7.2016 (IV ZR 44/15, dort Rz 47) ausgeführt hat, scheitert eine ergänzende Vertragsauslegung hier aber bereits daran, dass sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür finden lassen, welche Regelung die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel vereinbart hätten.

2. Die Anschlussberufung des Klägers ist begründet. Ihm steht ein weiterer Zahlungsanspruch i.H.v. 21.772,40 EUR für die Zeit vom 17.03.2016 bis 14.10.2016 zu. Zur Begründung wird auf die Ausführungen in 1. Bezug genommen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Zur Wirksamkeit von § 4 Abs. 2 AVB hat der BGH in der Entscheidung vom 16.7.2016 bereits Stellung bezogen. Aufgrund der dargelegten Sonderstellung von Berufssportlern stellt sich die von der Beklagten aufgeworfenen Frage, ob der Begriff des Nettoeinkommens auch bei anderen angestellten Arbeitnehmern intransparent ist, hier nicht. Dass es der Beklagten grundsätzlich möglich wäre, auch bei Berufssportlern eine Anrechnung des Verletztengelds durch eine hinreichend transparente und im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB angemessene Klausel zu regeln, bleibt von der Entscheidung des Senats unberührt, eine grundsätzlich Bedeutung kommt der Entscheidung daher auch in dieser Hinsicht nicht zu.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB

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