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08.03.2017 · IWW-Abrufnummer 192361

Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 09.12.2016 – 13 S 132/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


13 S 132/16

9 C 562/15 (12) Amtsgericht St. Ingbert

verkündet am 09.12.2016
 
LANDGERICHT SAARBRÜCKEN

ANERKENNTNISURTEIL

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit
…,
Kläger und Berufungskläger
- Prozessbevollmächtigte:    Rechtsanwälte -

gegen

……,
Beklagte und Berufungsbeklagte
- Prozessbevollmächtigte:    Rechtsanwälte -

hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken
auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2016
durch den Präsidenten des Landgerichts ………, den Richter am Landgericht …….. und den Richter am Landgericht ……..

für  R e c h t  erkannt:

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 16.08.2016 teilweise abgeändert. Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 222,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.09.2015 und weitere 755,99 € zu zahlen.
  2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 62 % und die Beklagte 38 %. Hiervon ausgenommen sind die Kosten der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, welche die Beklagte alleine trägt. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger hat restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht, für den die Beklagte dem Grund nach in voller Höhe haftet.

In der Berufungsinstanz stand zuletzt noch im Streit, ob der Kläger bei fiktiver Abrechnung die in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten ersetzt verlangen kann oder ob ihn die Beklagte auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Karosseriewerkstatt verweisen kann. In der Berufungsbegründung hat der Kläger erstmals vorgetragen, sein im Unfallzeitpunkt fünf Jahre altes Fahrzeug sei stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert worden, und er hat Kopien aus dem Serviceheft vorgelegt. Auf einen Hinweis der Kammer hat er in einem Schriftsatz vom 10.11.2016, der am 16.11.2016 an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten übersandt worden ist, die an dem Fahrzeug durchgeführten Wartungen und Reparaturen im Einzelnen aufgelistet und behauptet, sie seien sämtlich in der S-Garage in S., einem M-Fachbetrieb, ausgeführt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.11.2016 hat die Beklagte die Klageforderung nach Einsichtnahme in das Original des Wartungsheftes und der Rechnung über die Beseitigung eines im Schadengutachten erwähnten Vorschadens unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt.

II.

Die Beklagte ist in teilweiser Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ihrem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen (§ 307 Satz 1 ZPO). Die Kosten des Rechtsstreits sind, soweit die Beklagte anerkannt hat, dem Kläger aufzuerlegen, weil die Beklagte die Klageforderung im Sinne von § 93 ZPO sofort anerkannt und keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

1.    Veranlassung zur Klage ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die im Kläger vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen können, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2015 – V ZB 93/13, NJW 2016, 572; Urteil vom 27. Juni 1979 – VIII ZR 233/78, NJW 1979, 2040; Beschlüsse vom 8. März 2005 – VIII ZB 3/04, NJW-RR 2005, 1005, und vom 30. Mai 2006 – VI ZB 64/05, BGHZ 168, 57 Rn. 10). Dieser Schluss ist etwa gerechtfertigt, wenn der Beklagte eine fällige Leistung trotz Aufforderung nicht erbringt (BGH, Urteil vom 27. Juni 1979 – VIII ZR 233/78, aaO, II. 3. b). Ein Anlass zur Klageerhebung fehlt hingegen in der Regel, wenn der Schuldner die Leistung nur wegen eines – tatsächlich bestehenden – Gegenanspruchs zurückhält (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2015, aaO).

Hier war zwar der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Reparaturkosten schon im Zeitpunkt der Klageerhebung grundsätzlich in der begehrten Höhe fällig, weil die der Beklagten zuzubilligende Regulierungsfrist (vgl. dazu Kammer, Beschluss vom 20.06.2016 – 13 T 3/16, juris; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, § 249 BGB, Rn. 277 mwN) abgelaufen war und die Richtigkeit der Kostenschätzung in dem vom Kläger vorgelegten Schadengutachten nicht in Streit stand. Allerdings hatte die Beklagte den Kläger bereits vorprozessual auf eine günstigere Reparatur in einer freien Werkstatt verwiesen, so dass es dem Kläger oblegen hätte, mögliche Gründe dafür darzutun, warum ihm die Inanspruchnahme dieser alternativen Reparaturmöglichkeit nicht zumutbar ist.

a)    Zwar darf der Geschädigte eines Verkehrsunfalls der fiktiven Abrechnung seines Schadens grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 – VI ZR 313/13, NJW 2014, 3236). Er verstößt jedoch gegen seine Schadenminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB, wenn er eine ihm vom Schädiger aufgezeigte günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit, die ihm mühelos und ohne weiteres zugänglich ist, nicht in Anspruch nimmt (BGH, Urteil vom 29. April 2003, aaO; Urteil vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09, VersR 2010, 225). Die für eine solche zumutbare Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Kosten stellen dann bei fiktiver Abrechnung den nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Betrag dar (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2009, aaO). Bei Fahrzeugen, die – wie hier – älter sind als drei Jahre, ist dem Geschädigten die Verweisung auf eine gleichwertige, günstigere Reparaturmöglichkeit dann unzumutbar, wenn er konkret darlegt, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (BGH aaO). Ihn trifft im Prozess insoweit eine sekundäre Darlegungslast (BGH aaO), der er nicht schon dann genügt, wenn er pauschal die regelmäßige Wartung und Reparatur in einer Fachwerkstatt behauptet; er ist vielmehr zu konkreten Darlegungen gehalten, in deren Rahmen das Gericht u. a. nach § 142 ZPO auch die Vorlage von Urkunden (Wartungsheft, Reparaturrechnungen) anordnen kann (BGH aaO).

b)    Aufgrund der von der Beklagten vorprozessual ausgesprochenen Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit brauchte der Kläger nicht davon auszugehen, er werde nur durch eine Klageerhebung zu seinem Recht kommen. Die Beklagte brachte in ihrem Abrechnungsschreiben vom 17.09.2015 zum Ausdruck, dass sie nur wegen der aus ihrer Sicht zumutbaren alternativen Reparaturmöglichkeit einen geringeren Betrag reguliert als den im Schadengutachten veranschlagten. Für den Fall der tatsächlichen Durchführung einer Reparatur bat sie sogar ausdrücklich um Überlassung der Reparaturrechnung, um ihre Abrechnung überprüfen zu können. Für den Kläger war hiernach erkennbar, dass die Weigerung der Beklagten, den von ihm geforderten vollen Schadenersatzbetrag zu zahlen, nur auf der Möglichkeit der Verweisung beruhte, welche die Beklagte nach ihrem damaligen Wissensstand für zumutbar halten durfte. Der Kläger hatte es danach in der Hand, durch konkreten Vortrag zur regelmäßigen Wartung und Reparatur seines Fahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt aufzuzeigen, dass der Einwand eines Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht unzutreffend war, und so ohne Klageerhebung zu seinem Recht zu kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2015 – V ZB 93/13, NJW 2016, 572).

2.    Den Anspruch des Klägers hat die Beklagte im laufenden Rechtsstreit sofort im Sinne von § 93 ZPO anerkannt.

a)    Ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO erfordert regelmäßig, dass der Beklagte innerhalb der ihm gesetzten Klageerwiderungsfrist den geltend gemachten Anspruch anerkennt (BGH, Beschluss vom 30. Mai 2006 – VI ZB 64/05, BGHZ 168, 57). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Kläger erst im Laufe des Verfahrens die Voraussetzungen für ein vom Beklagten geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht beseitigt (BGH, Beschluss vom 08. März 2005 – VIII ZB 3/04, NJW-RR 2005, 1005) oder seinen Anspruch erst schlüssig darlegt (BGH, Beschluss vom 03. März 2004 – IV ZB 21/03, NJW-RR 2004, 999). In solchen Fällen ist ein Anerkenntnis erst dann geboten, wenn der Kläger den zuvor bestehenden Mangel beseitigt, weil der Beklagte nicht gehalten ist, einen erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenen Klageanspruch schon zuvor – gleichsam auf Verdacht – als begründet anzuerkennen, nur um sich der Kostentragungslast entziehen zu können (BGH, aaO).

b)    So liegt der Fall auch hier. Erstmals durch die Vorlage der Rechnung über die Beseitigung des im Schadengutachten erwähnten Vorschadens hat der Kläger seiner sekundären Darlegungslast genügt und hinreichend konkret dargetan, dass sein Fahrzeug vor dem Unfall nicht nur regelmäßig in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet wurde, sondern dass er es dort auch im Falle von unfallbedingten Beschädigungen reparieren ließ. Schriftsätzlich hatte er hierzu nicht konkret vorgetragen. In der Berufungsbegründung hatte er sich nur auf eine regelmäßige Wartung in der markengebundenen Fachwerkstatt berufen. Auf den Hinweis der Kammer präsentierte er dann zwar in seinem weiteren Schriftsatz vom 10.11.2016 eine Liste von Reparaturen, die in der S-Garage durchgeführt worden seien. Welche Position dieser Liste den Vorschaden betraf und ob die entsprechende Reparatur überhaupt in der Liste aufgeführt war, ließ sich seinem Vortrag indes nicht entnehmen.

c)    Einem sofortigen Anerkenntnis noch in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz steht auch nicht entgegen, dass die Verweisung der Beklagten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit unwirksam gewesen wäre, wie der Kläger meint. Eine solche Verweisung ist – soweit nicht prozessuale Bestimmungen der Berücksichtigung des entsprechenden Vorbringens entgegenstehen – auch noch in einem laufenden Rechtsstreit über die Schadenersatzansprüche möglich (BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 e– VI ZR 313/13, NJW 2014, 3236; Urteil vom 14. Mai 2013 – VI ZR 320/12, NJW 2013, 2817). Danach konnte die Beklagte ihre vorprozessuale Verweisung noch im Prozess dahingehend korrigieren, dass sie ihrer Regulierung nunmehr höhere Stundenverrechnungssätze der Alternativwerkstatt zugrunde legte als zuvor. Denn wenn es ihr sogar möglich gewesen wäre, im Prozess überhaupt erstmals eine alternative Reparaturmöglichkeit aufzuzeigen, kann ihr eine Richtigstellung der vorprozessualen Verweisung – zugunsten des Klägers – nicht verwehrt werden. Das gilt umso mehr, als der Kläger im Hinblick auf die vorgerichtliche Verweisung keinerlei Dispositionen getroffen hat, die ein schützenswertes Vertrauen begründen könnten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht im Übrigen auf § 92 Abs. 1 Abs. 1, § 96 ZPO. Hinsichtlich der im Verhältnis zum Streitwert erheblichen  Kosten der erstinstanzlichen Beweisaufnahme war es angemessen, diese der Beklagten aufzuerlegen. Das Sachverständigengutachten musste nur wegen ihres Einwands, dass ein Ausbau der Dreiecksscheibe nicht erforderlich sei, eingeholt werden. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens ist dieses Verteidigungsvorbringen aber ohne Erfolg geblieben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 1 und Nr. 10, § 711, § 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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