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22.03.2017 · IWW-Abrufnummer 192798

Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 27.09.2016 – 5/27 KLs - 8/16


In der Strafsache
gegen
Verteidiger:
Rechtsanwalt
wegen Volksverhetzung pp
hat das Landgericht Frankfurt am Main - 27. große Strafkammer als Staatschutzkammer - in der Sitzung vom 27.09.2016, an der teilgenommen haben:
Vors. Richterin am Landgericht ...
als Vorsitzende
Richterin am Landgericht ...
als beisitzende Richterin
Herr ...
Frau ...
als Schöffen
Staatsanwältin ...
als Beamtin der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt ...
als Verteidiger
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen in 4 Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit Volksverhetzung, sowie wegen Volksverhetzung und wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von

8 Monaten

verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.



Gründe



(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)



I.



Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 33jährige Angeklagte wuchs gemeinsam mit einem 8 Jahre älteren Bruder und einer 7 Jahre älteren Schwester in Willigen im Hochsauerland im elterlichen Hause auf. Der Vater betreibt noch heute eine kleine Landwirtschaft mit Viehzucht und Ackerbau, die Mutter betrieb eine Pension, die heute als Hotel vom Bruder des Angeklagten geführt wird.



Der Angeklagte besuchte zunächst den Kindergarten und wurde regelgerecht eingeschult. Nach Beendigung der Grundschule besuchte er zunächst die Realschule. Nachdem er dort zum wiederholten Male nicht versetzt wurde, wechselte er auf die Hauptschule, die er auch abschloss. Anschließend absolvierte er eine Lehre als Landwirt. Seit seiner Schulzeit unterstützt der Angeklagte seinen Vater bei der Führung des landwirtschaftlichen Betriebs. Geplant ist, dass der Angeklagte den Betrieb später übernimmt.



2006 kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn, weshalb der Angeklagte das Sauerland verließ und zu seiner damaligen Verlobten nach Castrop-Rauxel zog und dort als Produktionshelfer in der Automobilindustrie tätig war. Nachdem seine Beziehung gescheitert war und sein nur befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde, kehrte er Anfang 2009 wieder nach Willigen zurück. Hier bewohnt er noch heute ein Zimmer des von seinem Bruder geführten Hotels, er bezahlt hierfür inklusive Nebenkosten und Essen einen Betrag von € 300,- monatlich. Im Frühjahr 2009 fand er eine Anstellung bei einer Landschafts- und Gartenbaufirma, bei der er jeweils von März bis November als Gartenbauhelfer arbeiten kann und dort ca. € 1250.- netto verdient. Nach seiner täglichen Arbeitszeit sowie während seines Urlaubs und in den Wintermonaten hilft er dem Vater im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb.



Der Angeklagte hat aufgrund eines Kreditvertrags für ein Auto sowie bei einem Rechtsanwalt Schulden, für die er z.Zt. monatliche Raten i.H.v. insgesamt € 400,- zahlt.



Über das Internet hat der Angeklagte eine Frau kennengelernt, mit der er seit Anfang 2016 eine Fernbeziehung führt, da diese mit ihrem dreijährigen Kind zur Zeit noch in Herten lebt. Das Paar plant, zukünftig gemeinsam in Willingen zu leben.



Der Angeklagte ist bereits zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten:



Am 16.07.2009 verurteilte ihn das Amtsgericht Arnsberg (Az.: 192 Js 286/09 4 Cs 112/09) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 20,00 € und erteilte eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 15.02.2010. Der Angeklagte hatte unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug geführt.



Am 19.03.2013 verurteilte ihn das Amtsgericht Marsberg (Az.: 192 Js 775/12 4 Cs 139/12) wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 25,00 € und erteilte eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 18.03.2014. Der Angeklagte hatte unter Amphetamineinfluss einen Unfall verursacht, bei dem der Fahrer und die Beifahrerin des unfallbeteiligten Fahrzeugs verletzt wurden. Beide Geldstrafen sind vollständig bezahlt.



Aufgrund dieser Vorfälle sowie unter dem Eindruck der Durchsuchungsmaßnahme in hiesigem Verfahren entsagt der Angeklagte seit Frühjahr 2015 dem Konsum von Alkohol und Betäubungsmitteln. Er hofft, die in den nächsten Tagen anstehende MPU nunmehr zu bestehen, um seinen Führerschein wiederzuerlangen.



II.



Etwa seit dem Jahr 2010 beschäftigte sich der Angeklagte intensiv mit rechtsextremen Gedankengut. Herangeführt wurde er durch zwei Freunde, die er noch aus seiner Schulzeit kannte und zu denen er nach seiner Rückkehr aus Castrop-Rauxel wieder Kontakt aufgenommen hatte. Er wurde Mitglied der "Division Deutschland", eines rechten, vorwiegend im Internet tätigen Netzwerks, und besuchte zwei rechtsgerichtete Demonstrationen in Essen und Köln. Seine Überzeugungen hatte er soweit verinnerlichet, dass er sich großflächig entsprechende Symbole und Texte mit rechtsextremen Bezug tätowieren ließ. Auf dem rechten Unterarm des Angeklagten befindet sich in Runenschrift das Wort "Heimat" sowie "14 words" (Dies steht in rechten Kreisen für "We must secure the existence of our people and the future for white children"- Wir haben die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder zu sichern.) eintätowiert. Auf dem linken Unterarm befindet sich eine schwarze Sonne (Sonnensymbol der Germanen), ein Hammer des Thors, "MB" (in altdeutsch geschrieben = Initialien des Namens des Beschuldigten). Auf der rechten Wade ist erneut Thors Hammer, die Zahlen "14" und "88" (für "14 words" für "Heil Hitler"), "Absolut 28" (für blood and honour) eintätowiert. Auf den Nacken des Angeklagten befinden sich zwei runenhaft geschriebene "A"s (für "Ansgar Aryan", eine in rechten Kreisen bekannte Bekleidungsmarke).



Unter seinem account "Martin Carter", den er bei dem russischen, u.a. von Rechtsextremisten genutzten Server, "vk.com" unterhielt, verlinkte der Angeklagte neben Postings entsprechender Texte und Bilder mittels seines Mobiltelefons Lieder mit rechtsextremen Gedankengut, die er im Internet gefunden hatte und die er einer breiten Masse an Usern zugänglich machen wollte.



Im Einzelnen:



1. Mehrfach, nämlich am 09.06.14 (9:12h), 06.01.15 (19:00h), 15.02.15 (10:25h) und am 19.02.15 (00:47h) verlinkte er dort das Lied "Auftrag Deutsches Reich" von der Band Stahlgewitter. Das Lied hat folgenden Text:



2. Am 14.06.2014 (jeweils 19:10h) verlinkte er über sein account die Lieder "Heim ins Reich" und "Wir marschieren voran" der Band Nordfront. Das Lied "Heim ins Reich" hat folgenden Text:



Das Lied "Wir marschieren voran" hat folgenden Text:



3. Am 22.08.2014 (21:36h) verlinkte der Angeklagte das Lied der Band Nordfront mit dem Titel "Nenn mich wie du willst" hoch. Der Text lautet wie folgt:



4. Am 30.01.2015 (18:03h) verlinkte er über sein account das Lied "Blut muss fließen" der Band Tonstörung. Der Text lautet wie folgt:



5. Am 15.02.2015 (20:25h) verlinkte der Angeschuldigte über sein account das Lied der Gruppe Landser mit dem Titel "Sturmführer" mit folgendem Text:



6. Am 20.02.2015 (20:12h) lud er über sein account das Cover der CD "Helden fürs's Vaterland" hoch. Auf dem Cover der CD ist eine Abbildung Hitlers, der den rechten Arm zum "Hitlergruß" erhebt und eine Hakenkreuzarmbinde trägt, zu sehen. Der Name der Band "Hassgesang" ist mit zwei "SS-Runen" geschrieben.



Sämtliche Links waren auf dem account des Angeklagten bis zur freiwilligen Löschung desselben nach der Hausdurchsuchung am 10.03.2015 aktiv.



Der Angeklagte wusste, dass durch das Verlinken die Lieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und wollte dies dadurch auch erreichen.



Nach eigenen Angaben hat sich der Angeklagte zwischenzeitlich von seinem extremistischen Gedankengut distanziert. Durch die Hausdurchsuchung habe es bei ihm "Klick gemacht". Seine Familie habe erst im Zuge der Durchsuchung von seiner Gesinnung erfahren und missbillige diese, ebenso wie seine Freundin. Er habe erkannt, dass die von ihm vertretenen, extremen Gedanken falsch gewesen seien, auch wenn er nach wie vor im rechtskonservativen politischen Spektrum einzuordnen sei. Zudem seien seine beiden Freunde aus der Szene mittlerweile verzogen. Seit Ende März 2015 wurden keine rechtsextremen Aktivitäten des Angeklagten mehr festgestellt.



Im Rahmen der Hauptverhandlung hat der Angeklagte auf die sichergestellten Speichermedien - selbst auf solche, auf denen sich zwar keine verbotenen, aber dennoch rechtsgerichtete Inhalte befanden - und das sichergestellte Handy verzichtet.



Der Vorwurf, der Angeklagte habe sich auch durch Verlinken des Liedes "Schwarz, Rot, Gelb und Grün" strafbar gemacht, wurde im Rahmen der Hauptverhandlung gem. § 154 StPO eingestellt.



III.



Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben, die zugrunde gelegt wurden, sowie auf der Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs vom 25.08.2016 und den Strafbefehlen des Amtsgerichts Arnsberg (Az.: 192 Js 286/09 4 Cs 112/09) sowie des Amtsgerichts Marsbergs (Az.: 192 Js 775/12 4 Cs 139/12) in Verbindung mit dem entsprechenden Urteil.



Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der umfangreichen geständigen Einlassung des Angeklagten und ergänzend auf den Bekundungen des in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen KHK Richter sowie den weiteren in der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen insbesondere der Inaugenscheinnahme einzelner Lieder sowie des CD-Covers.



IV.



Der Angeklagte hat sich durch das Verlinken der Lieder "Auftrag Deutsches Reich" (Tat 1) von der Band Stahlgewitter, "Heim ins Reich" und "Wir marschieren voran" von der Band Nordfront (Tat 2) sowie "Sturmführer" von der Band Landser (Tat 5) jeweils des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen strafbar gemacht, §§ 86 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2, 11 Abs. 3, 52, 53 StGB; wobei die Kammer das Verlinken der Lieder der Band Nordfront als eine Tat bewertet, da es in engem zeitlichen und situativen Zusammenhang, nämlich innerhalb einer Minute vorgenommen wurde.



Wegen des Verlinkens des Lieds "Nenn mich wie du willst" (Tat 3) der Band Nordfront hat sich der Angeklagte wegen Volksverhetzung, §§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.



Wegen des Verlinkens des Lieds "Blut muss fließen" (Tat 4) der Band Tonstörung hat sich der Angeklagte wegen Volksverhetzung, § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie tateinheitlich wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen § 86 Abs. 1 Nr. 4, 11 Abs. 3, 52 StGB strafbar gemacht.



Wegen des Hochladens des Covers der Band "Helden für's Vaterland" (Tat 6) hat sich der Angeklagte des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, § 86a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StGB, strafbar gemacht.



Sämtliche Taten stehen untereinander im Verhältnis der Tatmehrheit, § 53 StGB.



V.



Der Angeklagte war zu bestrafen.



Die Vorschriften des § 86 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 StGB sowie des § 86a Abs. 1 StGB sehen jeweils einen Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren vor.



Die Vorschrift des § 130 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB sieht einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe zwischen 3 Monaten und 5 Jahren vor.



Von § 86 Abs. 3 und 4 StGB war kein Gebrauch zu machen, da weder die dort aufgeführten Zwecke erstrebt wurden, noch die Schuld des Angeklagten als gering anzusehen ist.



Strafmildernd war zugunsten des Angeklagten zu bewerten, dass er in der Hauptverhandlung wie auch bereits im Ermittlungsverfahren ein frühzeitiges, von Reue getragenes Geständnis ablegte, das die Durchführung der Hauptverhandlung abgekürzt hat. Der Angeklagte hat unwiderlegbar erklärt, sich von dem rechtsextremen Gedankengut distanziert zu haben. Den account löschte er freiwillig wenige Tage nach der Hausdurchsuchung und verzichtete auch im Rahmen der Hauptverhandlung auf die Herausgabe von Datenträgern, die weitere Lieder mit rechtsextremen, wenn auch nicht verbotenem Gedankengut enthielten.



Zu Lasten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er bereits zweimal - wenn auch nicht einschlägig - vorbestraft ist. Weiter war strafschärfend zugrunde zu legen, dass die Links auf die verbotenen Lieder über einen langen Zeitraum aktiv waren und eine Vielzahl von Liedern geteilt wurde.



Die Kammer hielt daher folgende Strafen für tat- und schuldangemessen:



- für die Tat 1 ("Auftrag Deutsches Reich", Stahlgewitter), Tat 2 ("Heim ins Reich" und "Wir marschieren voran", Nordfront), Tat 5 ("Sturmführer", Landser) und Tat 6 (Hochladen des CD-Covers)



jeweils eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à € 30,-,



- für die Tat 3 ("Nenn mich wie du willst", Nordfront) eine Freiheitstrafe von 3 Monaten ,



- für die Tat 4 ("Blut muss fließen", Tonstörung) eine Freiheitstrafe von 4 Monaten ,



die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe war bei den letztgenannten Taten unerlässlich.



Aus diesen Einzelstrafen war gem. §§ 53, 54 StGB durch Erhöhung der Einsatzstrafe von 4 Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.



Unter Berücksichtigung der oben genannten konkreten Strafzumessungserwägungen und nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtet die Kammer eine



für tat- und schuldangemessen, aber auch für ausreichend.



Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, § 56 Abs. 1 StGB. Es zu erwarten, dass sich der Angeklagte die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Der Angeklagte verfügte über ein gesichertes Einkommen, ist familiär eingebunden und hat sich von seiner rechtsradikalen Gesinnung distanziert. Die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers wie auch die auferlegten Gespräche bei der Beratungsstelle IKARUS, die Hilfen zum Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene anbietet, mit denen sich der Angeklagte einverstanden erklärt hat, hält die Kammer für geeignet aber auch erforderlich, den Angeklagten bei seiner Resozialisierung zu unterstützen.



V.



Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 465 StPO.

Vorschriften§ 267 Abs. 4 StPO, § 154 StPO, §§ 86 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 11 Abs. 3, 52, 53 StGB, §§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 86 Abs. 1 Nr. 4, 52 StGB, § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB, § 53 StGB, § 86a Abs. 1 StGB, § 86 Abs. 3, 4 StGB, §§ 53, 54 StGB, § 56 Abs. 1 StGB, § 465 StPO

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