01.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194241
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 08.02.2017 – 4 Sa 34/16
1. Betriebsvereinbarungen gelten nach Unternehmensspaltungen beim Erwerber auch dann kollektivrechtlich weiter, wenn die Spaltung nicht mit einem Teilbetriebsübergang einhergeht, wenn die abgespaltenen Vermögensteile beim neuen Rechtsträger in eine erstmals geschaffene neue betriebliche Verbundenheit ohne wesentliche organisatorische Änderungen eingegliedert werden.
2. Nach einem Betriebsübergang werden gem. § 613a Abs. 1 Satz 3 BetrVG beim Betriebsveräußerer geltende Betriebsvereinbarungen durch die beim Erwerber geltenden Betriebsvereinbarungen abgelöst. Die Ablösung unterlegt keinem generellen Verschlechterungsverbot. Ein solches kann auch der Scattolon-Entscheidung des EuGH ( EuGH 6. September 2011 - C-108/10 ) nicht entnommen werden.
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgericht Stuttgart vom 22.04.2016 (19 Ca 8033/14) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Rechtsgrundlage und den Inhalt der bei der Beklagten zugunsten des Klägers bestehenden betrieblichen Altersversorgung.
2
Der Kläger ist am ... geboren und verheiratet.
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Die Beklagte betreibt ein Unternehmen zur Herstellung von Maschinen für die Halbleiterproduktion mit Sitz in D. . Sie beschäftigt ca. 380 Mitarbeiter.
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Der Kläger ist seit 1. Januar 1987 bei der Beklagten beziehungsweise deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde ursprünglich begründet mit Anstellungsvertrag vom 12. Dezember 1986 (Bl. 25-27 d. ArbG-Akte) mit der Firma V.1 . Die V.1 war damals Teil des internationalen V.-Konzerns. Sie hatte ihren Sitz in D. mit Standorten in D., M. und S.. Unternehmensgegenstand war die Herstellung und der Verkauf technischer Geräte. Das Unternehmen gliederte sich in drei Geschäftsbereiche. Im Jahr 1999 wurden die verschiedenen Bereiche im Zuge einer Umstrukturierung unterschiedlichen Gesellschaften zugeordnet. Der Geschäftsbereich O. S. verblieb als einziger bei der V.1, die sodann in V.2 umfirmierte. Der Geschäftsbereich I. B. wurde auf die V.3 übertragen. Der Geschäftsbereich S. E. B., in dem der Kläger tätig war, wurde am 6. April 1999 auf die neu gegründete V.4 (nachfolgend: V.4) mit Sitz in I. übertragen. Diese hatte Standorte in S. und D. . Der Kläger wurde von der V.1 mit Schreiben vom 17. März 1999 (Bl. 80 d. ArbG-Akte) über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die V.4 unterrichtet. Bei der V.4 wurde erstmals im Jahr 2002 ein Betriebsrat gewählt. Im Jahr 2011 übernahm die Konzernmutter der Beklagten, die A.., die V.4 (Konzernmutter der V.4 ). Mit Wirkung zum 30. Mai 2013 wurde die V.4 auf die Beklagte verschmolzen und ihr Betrieb vollständig in den D. Betrieb der Beklagten integriert. Über den damit verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses wurde der Kläger mit Schreiben vom 8. Mai 2013 (Bl. 83-94 d. ArbG-Akte) unterrichtet.
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Der ursprüngliche Arbeitsvertrag des Klägers mit der V.1 vom 12. Dezember 1986 traf unter Nr. 7 folgende Regelung:
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Zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers bei der V.1 waren die Allgemeinen Anstellungsbedingungen in einem Mitarbeiter-Handbuch (Employee-Handbook) (Inhaltsverzeichnis Bl. 43-44 d. ArbG-Akte) aufgeführt, welches unter anderem einen "Versorgungsplan für die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenvorsorge der V.1 , D. " (nachfolgend: Versorgungsplan 1980) (Bl. 30-41 d. ArbG-Akte) beinhaltete. Es handelte sich dabei zumindest für die Mitarbeiter mit Grundgehältern unterhalb der rentenversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze um ein rein arbeitgeberfinanziertes Versorgungssystem. Obwohl es bei der V.1 einen Betriebsrat oder mehrere Betriebsräte und möglicherweise einen Gesamtbetriebsrat gab, war der Versorgungsplan nicht mitbestimmt zustande gekommen. Er beruhte nicht auf einer Betriebsvereinbarung oder Gesamtbetriebsvereinbarung.
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Die V.1 und der Gesamtbetriebsrat beziehungsweise der sich nur Gesamtbetriebsrat nennende Betriebsrat schlossen am 29. August 1992 eine Betriebsvereinbarung Nr. 16 - Versorgungsordnung (Bl. 79 d. ArbG-Akte). In dieser heißt es auszugsweise:
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Mit Schreiben vom 4. September 1992 (Bl. 45-46 d. ArbG-Akte) wies die V.1 ihre Mitarbeiter, so auch den Kläger, darauf hin, dass mit Wirkung ab 1. Januar 1992 die dem Schreiben beigefügte "Versorgungsordnung der V.1, D. - Stand Januar 1992 - Ausgabe 01.01.1992" (nachfolgend Versorgungsordnung 1992) (Bl. 47-71 d. ArbG-Akte) gelte. In dieser Versorgungsordnung heißt es unter anderem:
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Die Einführung der Versorgungsordnung 1992 führte beim Kläger erstmals (ergänzend) auch zur Abführung von Eigenbeiträgen durch Entgeltumwandlung. Die entsprechende Zustimmung wurde von den Arbeitnehmern der V.1, so auch vom Kläger, unter Verwendung des Beitrittserklärungsformulars (Bl. 69 d. ArbG-Akte) erteilt.
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Zum Zeitpunkt der Verschmelzung der V.4 auf die Beklagte galt bei der Beklagten eine "Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung" vom 2. September 2008 mit Zusatzvereinbarung vom 2. März 2015 (nachfolgend: Pensionsplan 2008) (Bl. 239-258 d. ArbG-Akte). Dieser Pensionsplan ist beitragsorientiert ausgestaltet und sieht jährliche Beitragsleistungen des Arbeitgebers auf ein individuell für den Mitarbeiter eingerichtetes Versorgungskonto vor, auf welches der Mitarbeiter auch Eigenbeiträge im Wege der Entgeltumwandlung leisten kann, die vom Arbeitgeber nochmals aufgestockt werden. Die Alters- und Hinterbliebenenleistung entspricht dem Guthaben auf dem Versorgungskonto und wird im Versorgungsfall grundsätzlich als einmalige Kapitalleistung ausgezahlt. Es besteht jedoch auch das Wahlrecht, sich den Rentenwert in monatlichen Raten auszahlen zu lassen.
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Unter dem Datum 19./21. November 2013 schlossen die Beklagte und ihr Betriebsrat einen Sozialplan (Bl. 259-272 d. ArbG-Akte), der ausweislich seiner Präambel dem Ausgleich und der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile dienen sollte, die den im Rahmen der Verschmelzung hinzugekommenen vormaligen Mitarbeitern der V.4 dadurch entstehen, weil die Versorgungsordnung 1992 durch den Pensionsplan 2008 abgelöst wurde. Ausweislich § 5 des Sozialplans ist für die bis zum Übergangsstichtag nach der Versorgungsordnung 1992 erdienten Anwartschaften dem Versorgungskonto des Mitarbeiters ein sogenannter Initialbaustein gutzuschreiben, welcher dem auf Basis der in der Anlage 7 zum Sozialplan im einzelnen beschriebenen versicherungsmathematischen Rechnungsannahmen definierten Rentenbarwert der gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG ermittelten pro-rata-Anwartschaft auf firmenfinanzierte Altersrente bei Erreichen der normalen Altersgrenze aus der Versorgungsordnung 1992 entspricht, der dem Mitarbeiter zustehen würde, wenn er zum Stichtag aus dem Unternehmen des Arbeitgebers ausscheiden würde. Außerdem ist dem Versorgungskonto wegen des Endgehaltbezugs der vormaligen Versorgungszusage aus der Versorgungsordnung 1992 ein sogenannter Dynamikbaustein gutzuschreiben, dessen Höhe sich aus der Anlage 8 zum Sozialplan ergibt. Zur Milderung weiterer Nachteile insbesondere bei den dienstzeitabhängigen noch nicht erworbenen Zuwachsraten wurde den Mitarbeitern ein zusätzlicher jährlicher Aufstockungsbetrag in Höhe von 1 % der beitragsfähigen Bezüge zugesagt, der jährlich dem Versorgungskonto gutzuschreiben ist.
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Der Kläger machte gegenüber der Beklagten mehrfach geltend, dass für ihn weiterhin die Versorgungsordnung 1992 gelten solle und dass die Beklagte ihm einen entsprechenden Leistungsausweis erstellen solle, was die Beklagte jeweils ablehnte mit der Begründung, dass der Pensionsplan 2008 die Versorgungsordnung 1992 abgelöst habe und normativ auch für das Arbeitsverhältnis des Klägers gelte. Dennoch bot die Beklagte dem Kläger mit E-Mails vom 22. Mai und 28. Mai 2014 eine individuelle Überleitung in den Pensionsplan 2008 an mit höheren Aufstockungsbeiträgen, was der Kläger ablehnte. Am 18. September 2014 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Entwurf zu einer entsprechenden Überleitungsvereinbarung (Bl. 104-112 d. ArbG-Akte). Mit E-Mail vom 5. November 2014 (Bl. 113-115 d. ArbG-Akte) unter dem Betreff "Letzte Möglichkeit: Annahme des Angebotes zur Pensionsplanüberleitung" forderte die Beklagte alle ehemaligen Mitarbeiter der V.4, somit auch den Kläger, mit folgendem Wortlaut zu Abgabe einer verbindlichen Erklärung auf:
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Hierauf antwortete der Kläger mit E-Mail vom 13. November 2014 (Bl. 116 d. ArbG-Akte) wie folgt:
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Die Beklagte teilte daraufhin mit E-Mail vom 24. November 2014 (Bl. 117 d. ArbG-Akte) mit, dass eine Bestätigung, dass die Versorgungsordnung 1992 fortgelte, nicht erteilt werde.
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Der Kläger vertrat die Auffassung, für ihn gelte die Versorgungsordnung 1992 fort. Diese sei nicht durch den Pensionsplan 2008 abgelöst worden. Denn die Versorgungsordnung 1992 habe zumindest zum Zeitpunkt des letzten Betriebsübergangs 2013 nicht (mehr) kollektivrechtlich gegolten, sondern nur (noch) individualvertraglich.
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Sie meinte, schon der Versorgungsplan 1980 habe nur individualvertraglich aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme gegolten.
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Der Versorgungsplan 1980 sei durch die Versorgungsordnung 1992 auch nur auf der individualvertraglichen Ebene abgelöst worden. Es sei den Mitarbeitern nicht bekanntgemacht worden, dass diese Versorgungsordnung 1992 auf einer Betriebsvereinbarung beruhen sollte. Er habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass die Versorgungsordnung 1992 durch eine Gesamtzusage Geltung bekommen habe. Schließlich läge auch der Eigenbeitragszusage des Klägers eine Individualvereinbarung zugrunde. In einer Auflistung der Betriebsvereinbarungen aus dem November 1992 sei die Versorgungsordnung 1992 nicht erwähnt gewesen.
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Jedenfalls aber habe die Versorgungsordnung 1992 spätestens mit der Umstrukturierung 1999 und der Abspaltung des Bereichs S. E. B. in die V.4 ihren kollektivrechtlichen Charakter verloren. Die V.1 habe nämlich vor der Abspaltung ihre einzelnen Standorte jeweils als eigenständige Betriebe geführt gehabt, in denen jeweils eigene Betriebsräte gebildet gewesen seien. An allen drei Standorten seien jedoch Tätigkeiten für alle drei Geschäftsbereiche verrichtet worden. Der Bereich S. E. B. sei an keinem der Standorte als eigenständiger Betriebsteil geführt worden. Mangels teilbetrieblicher Verselbstständigung bei der V.1 als Veräußerin sei mit der Abspaltung und der Vermögensübertragung auf die V.4 kein Teilbetriebsübergang einher gegangen, weshalb auch kein Betriebsrat ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG habe übernehmen können. Es fehle somit an einer Legitimation für eine kollektivrechtliche Weitergeltung der Betriebsvereinbarung Nr. 16.
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Die nur individualrechtlich fortgeltende Versorgungsordnung 1992 sei auch bei der Beklagten nicht durch den Sozialplan abgelöst worden. Die Versorgungsordnung 1992 sei nämlich insbesondere bei der Hinterbliebenenversorgung günstiger. Durch einen solchen ablösenden Eingriff würde das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der bisherigen Regelung über Gebühr ungerechtfertigt beeinträchtigt.
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Letztlich vertrat der Kläger zudem die Auffassung, die Beklagte hätte mit der E-Mail vom 5. November 2014 ein Vertragsangebot unterbreitet mit einem Wahlrecht. Ihm sei die individualvertragliche Überleitung in den Pensionsplan 2008 angeboten worden oder wahlweise die Fortgeltung der Versorgungsordnung 1992. Mit E-Mail vom 13. November 2014 habe er das Angebot auf Fortgeltung der Versorgungsordnung 1992 angenommen.
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Der Kläger beantragte:
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1. Es wird festgestellt, dass der Kläger Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung der V.1 vom 01.01.1992 hat.
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Hilfsweise:
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Es wird festgestellt, dass der Kläger nach Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung der V.1 vom 01.01.1992 hat.
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Hilfsweise:
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Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien die Versorgungsordnung der V.1 vom 01.01.1992 Anwendung findet.
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Hilfsweise:
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Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien die Versorgungsordnung der V.1 vom 01.01.1992 in der zuletzt bei der V.4 geltenden Fassung Anwendung findet.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Leistungsausweis für den Stand seiner betrieblichen Altersversorgung gem. der für ihn maßgebenden Versorgungsregelung (Versorgungsordnung der V.1 1992) zum Stichtag 01.01.2014 zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hielt die Klageanträge mangels Bestimmtheit größtenteils für unzulässig.
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Sie vertrat die Auffassung, die Versorgungsordnung 1992 habe zum Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf sie noch kollektivrechtlich bestanden und sei gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst worden durch den Pensionsplan 2008, modifiziert durch die Regelungen des Sozialplans.
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Der Versorgungsplan 1980 sei durch Gesamtzusage mit kollektivem Einschlag eingeführt worden und habe durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst werden können.
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Der Versorgungsplan 1980 sei durch die mit der Betriebsvereinbarung Nr. 16 eingeführte Versorgungsordnung 1992 abgelöst worden. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die unmittelbar und zwingende Wirkung der Betriebsvereinbarung sei nicht erforderlich gewesen. Die Mitteilungsschreiben an die Mitarbeiter habe diese lediglich über den Inhalt der Versorgungsordnung in Kenntnis setzen sollen. Dass die Versorgungsordnung 1992 nur durch Betriebsvereinbarung habe in Kraft gesetzt werden sollen, ergebe sich zudem aus § 15 der Versorgungsordnung 1992. Daran ändere auch die Entgeltumwandlungsvereinbarung nichts. Erst durch die Betriebsvereinbarung sei der Rahmen geschaffen worden für die Möglichkeit einer (ergänzenden) Entgeltumwandlung.
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Nach der Umstrukturierung 1999 habe die Versorgungsordnung 1992 auch bei der V.4 kollektivrechtlich weitergegolten. Werde ein übernommener Betriebsteil vom Erwerber als selbstständiger Betrieb geführt, was der Fall sei, würden Betriebsvereinbarungen und Gesamtbetriebsvereinbarungen normativ weitergelten. Diese beträfen nämlich nur dieselbe Belegschaft, für die sie auch schon vorher gegolten hätten, was als demokratische Legitimation ausreichend sei. Im Übrigen habe es bei der V.1 nicht mehrere Betriebe gegeben, sondern nur einen Betrieb mit mehreren Standorten, und nur einen Betriebsrat, der sich möglicherweise fälschlich als Gesamtbetriebsrat bezeichnet habe. Für den neuen Betrieb der V.4 wäre der vormalige Betriebsrat als Übergangsbetriebsrat zuständig gewesen. Dass dieser sein Amt nicht wahrgenommen habe und erst 2002 ein neuer Betriebsrat gewählt wurde, sei für die kollektivrechtliche Weitergeltung der Versorgungsordnung 1992 unschädlich.
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Mit dem Betriebsübergang durch Verschmelzung der V.4 auf die Beklagte sei die Versorgungsordnung 1992 gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch den Pensionsplan 2008 abgelöst worden. Unter Berücksichtigung der Ergänzungen durch den Sozialplan erfülle der mit der Ablösung einhergehende Eingriff in die Rentenanwartschaften des Klägers die Voraussetzungen des dreistufigen Prüfungsschemas. Es lägen wegen der Absicherungen über den Initialbaustein und den Dynamikbaustein keine Eingriffe in erdiente Anwartschaften oder die erdiente Dynamik vor. Der Eingriff in die noch nicht erdienten Zuwachsraten werde durch die Aufstockungsbeiträge abgemildert und sei im Übrigen wegen des Vereinheitlichungsinteresses der Beklagten aus sachlich-proportionalen Gründen gerechtfertigt.
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Sie behauptete, die E-Mail vom 5. November 2014 habe nur ein letztmaliges Angebot zu einer vertraglichen Überleitung in den Pensionsplan 2008 beinhaltet, erkennbar jedoch kein Wahlrecht auf eine Fortgeltung der Versorgungsordnung 1992.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. April 2016 abgewiesen. Es führte zur Begründung aus, der Hauptantrag zu 1 sowie die Hilfsanträge 1 und 3 zum Hauptantrag zu 1 seien bereits mangels Bestimmtheit und mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Der Hilfsantrag zu 2 zum Hauptantrag zu 1 sei zwar zulässig aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht folgte vollständig dem Begründungsansatz der Beklagten. Da die Versorgungsordnung 1992 nicht fortgelte, könne auf deren Grundlage auch kein Leistungsausweis erstellt werden.
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Dieses Urteil wurde dem Kläger am 3. Mai 2016 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung, die am 17. Mai 2016 beim Landesarbeitsgericht einging und die innerhalb der bis 4. August 2016 verlängerten Begründungsfrist am 4. August 2016 begründet wurde.
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Der Kläger rügt im Wesentlichen eine Verletzung materiellen Rechts und trägt zudem ergänzend zum Sachverhalt vor.
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Der Kläger meint, der Hauptantrag zu 1 sei zulässig, da die Leistungen in der Versorgungsordnung 1992 schließlich selbst klar definiert würden. Jedenfalls sei der erste Hilfsantrag zum Hauptantrag zu 1 zulässig, da die Versorgungsordnung 1992 selbst auf das Erreichen des 65. Lebensjahres für einen Leistungsbezug abstelle.
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In der Sache behauptet er erstmalig, die Versorgungsordnung 1992 sei nicht von beiden Betriebsparteien auf derselben Urkunde im Original unterschrieben worden. Außerdem verstoße die Betriebsvereinbarung Nr. 16 auch deshalb gegen das Schriftformerfordernis, weil die Versorgungsordnung 1992 mit der Betriebsvereinbarung nicht fest verklammert gewesen sei. Er bestreitet eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrats. Er rügt, dass der Gesamtbetriebsrat gem. § 50 Abs. 1 BetrVG für eine Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung nicht zuständig gewesen sei. Ein ordnungsgemäßer Übertragungsbeschluss werde bestritten. Wegen der Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung Nr. 16 seien die Mitteilungsschreiben der Beklagten über den Inhalt der Versorgungsordnung 1992 als Gesamtzusage zu verstehen.
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Er rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass im Übergang des Bereichs S. E. B. auf die V.4 schon deshalb kein (Teil-)Betriebsübergang habe liegen können, weil dieser Bereich bei der V.1 als Veräußerin noch nicht verselbstständigt als Teilbetrieb organisiert gewesen sei. Schließlich habe die Beklagte selbst in einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht D. (11 BV 13/07) noch vorgetragen, dass es sich bei diesem Übergang nicht um einen Betriebsübergang gehandelt habe. Der Rechtsgedanke des § 21a BetrVG für eine kollektivrechtliche Weitergeltung trage demnach nicht. Ergänzend müsse in dem Unterrichtungsschreiben vom 17. März 1999 über den Betriebsübergang auch eine individualrechtliche Zusage gesehen werden, weil darin ausgeführt worden sei, dass die V.4 die Anwartschaften in vollem Umfange übernehme.
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Er meint, es sei auch unzutreffend, dass der erdiente Besitzstand des Klägers gewahrt werde. Nach den Vergleichsberechnungen der Beklagten (Bl. 103 d. ArbG-Akte, sowie Bl. 358 bis 364 d. ArbG-Akte) ergäbe sich Stand 1. Januar 2014 bezogen auf einen Renteneintritt mit dem 65. Lebensjahr eine Anwartschaft in Höhe von 19.229,24 Euro pro Jahr. Die Addition von Initialbaustein, Dynamikbaustein und Aufstockungsbeiträgen ergebe dagegen nur eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von insgesamt 13.741,07 Euro. Außerdem sehe der Pensionsplan 2008 anders als die Versorgungsordnung 1992 keine Hinterbliebenenrente für Ehegatten vor.
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Jedenfalls aber sei ihm mit E-Mail vom 5. November 2014 ein wahlweises Angebot zur Beibehaltung der Versorgungsordnung 1992 gemacht worden, welches er mit E-Mail vom 13. November 2014 angenommen habe. Die gegenteilige Auslegung des Arbeitsgerichts lasse sich schon mit dem Wortlaut des Schreibens nicht in Übereinstimmung bringen.
60
Hilfsweise verfolgt der Kläger sein Begehren im Rahmen einer Klageerweiterung weiter unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes. Er behauptet, die Beklagte habe mit einem (nicht vorgelegten) Schreiben vom 24. September 2013 zugesagt, dass den Mitarbeitern mit der Überleitung und dem Sozialplan keine Nachteile entstehen würden. Es habe auch entsprechende mündliche Mitteilungen gegeben.
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Der Kläger beantragt:
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1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.04.2016, Aktenzeichen - 19 Ca 8033/14 - wird auf die Berufung des Klägers abgeändert:
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a. Es wird festgestellt, dass der Kläger Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung der V.1 vom 01.01.1992 hat.
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Hilfsweise:
65
Es wird festgestellt, dass der Kläger nach Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung der V.1 vom 01.01.1992 hat.
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Hilfsweise:
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Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien die Versorgungsordnung der V.1 vom 01.01.1992 Anwendung findet.
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Hilfsweise:
69
Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien die Versorgungsordnung der V.1 vom 01.01.1992 in der zuletzt bei der V.4 geltenden Fassung Anwendung findet.
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b) Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Leistungsausweis für den Stand seiner betrieblichen Altersversorgung gem. der für ihn maßgebenden Versorgungsregelung (Versorgungsordnung der V.1 1992) zum Stichtag 01.01.2014 zu erteilen.
71
2. Im Wege der KLAGEERWEITERUNG wird weiter hilfsweise zum Klageantrag zu 1.a) beantragt:
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Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger durch die Überleitung der ihm zustehenden Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung gemäß der Versorgungsordnung 1992 auf den Pensionsplan 2008 entstandenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen.
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Hilfsweise:
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Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger durch die Überleitung der ihm zustehenden Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung gemäß der Versorgungsordnung 1992 auf den Pensionsplan 2008 entstandenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen und
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a) festzustellen, dass der Kläger unter dem Stichtag 01.01.2014 eine Anwartschaft auf eine Rente mit 65 Jahren in Höhe von EUR 19.229,24 pro Jahr nebst jährlichen Anpassungen der Anwartschaft durch Beitragszuwächse gemäß der Versorgungsordnung 1992 bzw. in vergleichbarer Höhe gemäß dem Pensionsplan 2008 in Verbindung mit dem Sozialplan vom 19.11. / 21.11.2013 hat und
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b) festzustellen, dass der Kläger unter dem Stichtag 01.01.2014 eine Anwartschaft auf eine Ehegattenrente nach der Versorgungsordnung 1992 in Höhe von EUR 11.537,54 pro Jahr nebst jährlichen Anpassungen der Anwartschaft durch Beitragszuwächse gemäß der Versorgungsordnung 1992 bzw. in vergleichbarer Höhe gemäß dem Pensionsplan 2008 in Verbindung mit dem Sozialplan vom 19.11. / 21.11.2013 hat.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
79
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
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Sie meint, es sei nicht Aufgabe der Beklagten, die Rechtswirksamkeit der Betriebsvereinbarungen nachzuweisen, sondern Aufgabe des Klägers, der diese bestreite. Sie verweist darauf, dass ohne Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung Nr. 16 der Kläger ohnehin keinerlei Ansprüche aus der Versorgungsordnung 1992 geltend machen könnte. Der Verweis in der Betriebsvereinbarung auf eine konkret benannte Versorgungsordnung sei auch ohne Verklammerung ausreichend. Durch die Bestimmung des Dotierungsrahmens habe der Arbeitgeber auch die Ebene der betrieblichen Mitbestimmung vorgegeben.
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Eine Bindungswirkung an ihre in einem anderen Verfahren geäußerte Rechtsauffassung bestehe nicht. Die V.4 habe jedenfalls den Geschäftsbereich S. E. B. mit den gleichen Kunden, den gleichen Produkten und demselben Personal fortgesetzt.
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Sie verweist darauf, dass die in den Vergleichsberechnungen erwähnten 19.229,24 Euro die mit Alter 65 erreichbare Anwartschaft dargestellt hätten, nicht jedoch die zum Übertragungszeitpunkt bereits erdiente Anwartschaft, welche nur 9.475,31 Euro betragen habe. Wegen des Initial- und des Dynamikbausteins verweist sie auf die versicherungsmathematischen Berechnungsvorgaben in den Anlagen 7 und 8 des Sozialplans. Die Hinterbliebenenleistungen seien bei der Berechnung der Bausteine einkalkuliert worden und in den ermittelten Barwert eingeflossen.
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Die Beklagte willigt in die Klageerweiterung nicht ein, hält diese zudem nicht für sachdienlich. Sie meint, die neuen Hilfsanträge seien im Übrigen mangels Bestimmtheit unzulässig. Jedenfalls aber sei der Antrag unbegründet. Sie habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass mit der Überleitung und dem Sozialplan keine Nachteile entstünden. Sie habe lediglich erklärt, dass Nachteile für noch nicht erdiente künftige Zuwächse abgemildert würden. Ein Schreiben der Beklagten vom 24. September 2013 gebe es nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung richtig.
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A: Antrag 1a:
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Es ist nur der 2. Hilfsantrag zum Antrag 1a zulässig. Dieser ist aber unbegründet.
I.
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Das Arbeitsgericht hat bereits richtig erkannt, dass der Hauptantrag 1a und auch der 1. Hilfsantrag zu Antrag 1a unzulässig sind. Zulässig ist erst der 2. Hilfsantrag zum Antrag 1a.
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1. Der Hauptantrag zu 1a ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . Es fehlt an einer Darstellung, welcher konkrete Leistungsanspruch aus der Versorgungsordnung 1992 festgestellt werden soll. Die Versorgungsordnung 1992 räumt den Versorgungsberechtigten je nach Versorgungsfall bei deren Eintritt unterschiedliche Ansprüche ein.
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2. Entsprechendes gilt zum 1. Hilfsantrag zum Antrag 1a. Auch hier ist nicht erkennbar, welche Leistungen aus welchem Leistungsfall nach Vollendung des 65. Lebensjahrs der Kläger festgestellt wissen möchte.
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3. Ohne Zweifel zulässig ist dagegen der 2. Hilfsantrag, weshalb es auf die Frage, ob der 3. Hilfsantrag hinreichend bestimmt ist, nicht mehr ankommt.
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Sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag zum Antrag zu 2 sind bereits unzulässig.
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1. Die erst in der Berufungsinstanz erfolgte Klageerweiterung ist zulässig gem. § 533 ZPO .
158
a) Zwar hat die Beklagte in die Klageerweiterung nicht eingewilligt gem. § 533 Nr. 1 ZPO .
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b) Die Klageerweiterung ist jedoch sachdienlich.
160
aa) Eine solche Sachdienlichkeit liegt vor, wenn die Zulassung der Klageerweiterung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen um weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen. Maßgeblich ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit (Zöller/Heßler ZPO 31. Aufl. § 533 Rn. 6).
161
bb) Dies liegt vor, denn letztlich geht es dem Kläger mit den Erweiterungsanträge um dasselbe Interesse, das er bereits mit dem Antrag zu 1 a) verfolgte. Der Kläger will auf jeden Fall und aus allen erdenklichen Anspruchsgrundlagen erreichen, dass die Versorgungsordnung 1992 auf ihn anwendbar ist, bzw. er vergleichbare Ansprüche erhält. Die Zulassung vermeidet einen neuen Prozess um dieses nämliche Interesse.
162
c) Die Verhandlung und Entscheidung konnte und kann auch auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte gem. § 533 Nr. 2 ZPO . Es wäre nicht möglich gewesen, den Vortrag des Klägers gem. § 67 ArbGG zu präkludieren.
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2. Der Hauptantrag zu 2 ist aber nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . Es ist aus der Antragstellung nicht ersichtlich, welche "entstandenen wirtschaftlichen Nachteile" ausgeglichen werden sollen.
164
3. Entsprechendes gilt für den Hilfsantrag zum Antrag zu 2. Auch dieser ist nicht hinreichend bestimmt. Es ist der Antragstellung nicht zu entnehmen, was der Kläger mit "vergleichbarer Höhe" meint und wie er die Vergleichbarkeit ermitteln möchte.
II.
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Der 2. Hilfsantrag zum Antrag 1a ist aber nicht begründet. Die Versorgungsordnung 1992 ist auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht (mehr) anwendbar.
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1. Über Nr. 7 des Arbeitsvertrags wurden die Allgemeinen Anstellungsbedingungen der V.1 bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand des Arbeitsvertrages gemacht. Die Allgemeinen Anstellungsbedingungen wiederum beinhalteten den Versorgungsplan 1980, welcher seinerzeit nicht mitbestimmt durch eine Betriebsvereinbarung eingeführt wurde, sondern durch eine Gesamtzusage.
94
Verspricht ein Arbeitgeber Leistungen der betrieblichen Altersversorgung jedoch im Wege der Gesamtzusage, so will er diese nach einheitlichen Regeln, dh. als System erbringen. Da die Geltung der Regelungen auf einen längeren unbestimmten Zeitraum angelegt ist, sind diese von vornherein auch für den Begünstigten erkennbar einem möglichen künftigen Änderungsbedarf ausgesetzt. Ein solches System darf nicht erstarren. Deshalb sagt der Arbeitgeber mit einer Gesamtzusage im Regelfall nur eine Versorgung nach den jeweils bei ihm geltenden Versorgungsregeln zu. Soll sich die Versorgung dagegen ausschließlich nach dem bei Erteilung der Gesamtzusage geltenden Versorgungsbedingungen richten, muss der Arbeitgeber dies in der Gesamtzusage deutlich zum Ausdruck bringen. Mit der Zusage einer Versorgung nach den jeweils beim Arbeitgeber geltenden Versorgungsregeln wird auch die Möglichkeit für eine Ablösung auf kollektivvertraglicher Grundlage eröffnet ( BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 ). Eine durch Gesamtzusage begründete betriebliche Altersversorgung ist demnach in der Regel für Abänderungen betriebsvereinbarungsoffen.
95
Dies gilt auch dann, wenn eine Gesamtzusage durch Bezugnahme gewissermaßen deklaratorisch bestätigend nochmals in den Arbeitsvertrag aufgenommen wird.
96
2. Unter Zugrundelegung dieser Betriebsvereinbarungsoffenheit wurde der Versorgungsplan 1980 im Jahr 1992 durch die mit Betriebsvereinbarung Nr. 16 eingeführte Versorgungsordnung 1992 wirksam kollektivrechtlich abgelöst. Die Versorgungsordnung 1992 galt fortan unmittelbar und zwingend, § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG .
97
a) Beruft sich eine Prozesspartei auf eine Rechtsnorm, muss sie ihr wirksames Zustandekommen nicht darlegen. Etwas anderes gilt nur, wenn Umstände vorliegen oder von der Gegenseite behauptet werden, die Zweifel an einer wirksamen Entstehung begründen ( BAG 20. Februar 2001 - 1 AZR 233/00 ).
98
Es wird nachfolgend jedoch, auch zugunsten des Klägers, davon ausgegangen, dass die Versorgungsordnung 1992 wirksam durch die Betriebsvereinbarung Nr. 16 eingeführt wurde.
99
aa) Das Bestreiten der Einhaltung der gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gebotenen Schriftform durch die klägerische Behauptung, es würden sich nicht zwei Originalunterschriften unter der Betriebsvereinbarung befinden, ist nämlich zur Begründung des klägerischen Ziels einer Anwendung der Versorgungsordnung 1992 untauglich. Hätte der Kläger nämlich mit seiner Behauptung Recht, wäre die Klage schon jetzt abzuweisen. Sein Vortrag erwiese sich als "Eigentor".
100
(1) Denn würde die Betriebsvereinbarung die Schriftform gem. § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht einhalten, wäre die Betriebsvereinbarung gem. § 125 BGB unwirksam und mit ihr die durch sie eingeführte Versorgungsordnung 1992. Dann wäre der Versorgungsplan 1980 nicht abgelöst worden, er würde weiter gelten. Eine Feststellung der (Fort-)Geltung des Versorgungsplans 1980 begehrt der Kläger aber nicht.
101
(2) Die durch Betriebsvereinbarung Nr. 16 eingeführte Versorgungsordnung 1992 könnte auch nicht in eine Gesamtzusage umgedeutet werden.
102
Eine solche Umdeutung kommt nämlich nur in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die in dieser vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung durch Kündigung jederzeit lösen kann, während eine Änderung der Arbeitsverträge, zu deren Inhalt eine Gesamtzusage wird, grundsätzlich nur einvernehmlich oder durch gerichtlich überprüfbare Änderungskündigung möglich ist. Ein hypothetischer Wille des Arbeitgebers, sich unabhängig von der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf Dauer einzelvertraglich zu binden, kann daher nur in Ausnahmefällen angenommen werden ( BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 960/13 ). Jedoch ist bei Zusagen zu einer betrieblichen Altersversorgung die Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich in diesen Fällen die Lösungsmöglichkeiten von einer Betriebsvereinbarung und einer Gesamtzusage nicht wesentlich unterscheiden. In beiden Fällen bedarf die Ablösung der Wahrung der Verhältnismäßigkeit nach dem Dreistufenschema ( BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 960/13 ).
103
Vorliegend ist jedoch die Besonderheit zu beachten, dass im § 15 der Versorgungsordnung 1992 geregelt ist, dass die Versorgungsordnung erst mit Abschluss der Betriebsvereinbarung in Kraft treten solle. Die Betriebspartner und somit auch der Arbeitgeber haben also ausdrücklich klargestellt, dass die Versorgungsordnung 1992 nur auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung Nr. 16 und somit nur kollektivrechtlich gelten solle.
104
Dem Unterrichtungsschreiben der V.1 vom 4. September 1992 war die Versorgungsordnung 1992 beigefügt. Die Mitarbeiter konnten damit über § 15 erkennen, dass diese nur kollektivrechtlich hat gelten sollen.
105
bb) Entsprechendes gilt für den Einwand der mangelnden Schriftform mangels Verklammerung der Betriebsvereinbarung Nr. 16 mit der VO 1992, unabhängig davon, dass insoweit ein Formverstoß schon gar nicht festgestellt werden kann.
106
(1) Die Anforderungen des § 126 BGB können auf Normenverträge nämlich nicht unbesehen übernommen werden. Nach § 126 BGB muss eine Urkunde grundsätzlich zwar das gesamte formbedürftige Rechtsgeschäft enthalten. Bezugnahmen sind unzulässig, wenn sich Angaben, die für den Vertragsinhalt wesentlich sind, ausschließlich aus Umständen außerhalb der Urkunde ergeben. Diese Anforderung dient dem Übereilungsschutz. Er spielt beim Abschluss von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen dagegen keine Rolle. Bei ihnen soll die Schriftform Zweifel über den Inhalt der vereinbarten Norm ausschließen. Die erforderliche Klarheit kann auch bei Verweisung auf genau bezeichnete andere schriftliche Regelungen bestehen. Bei den übernommenen Regelungen muss es sich auch nicht um Rechtsnormen handeln. Auch eine Übernahme einer schriftlichen Gesamtzusage ist möglich und kann für ausreichende Rechtssicherheit sorgen ( BAG 3. Juni 1997 - 3 AZR 25/96 ).
107
(2) Vorliegend wurde in der Betriebsvereinbarung auf eine bereits bestehende konkret benannte Fassung der Versorgungsordnung 1992 Bezug genommen, nämlich auf die "Ausgabe 01.01.1992". Genau diese Fassung wurde den Mitarbeitern auch bekannt gemacht.
108
cc) Es war, unterstellt es gab einen Gesamtbetriebsrat, auch dieser zum Abschluss der Betriebsvereinbarung zuständig.
109
(1) Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist nämlich der Gesamtbetriebsrat für eine Angelegenheit, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betrifft, originär zuständig, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht. Dieses Erfordernis kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung zu einer Maßnahme, Regelung oder Leistung nur betriebsübergreifend bereit ist. Wenn der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber entscheiden kann, ob er eine Leistung überhaupt erbringt, kann er sie von einer überbetrieblichen Regelung abhängig machen und so die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung herbeiführen ( BAG 23. März 2010 - 1 ABR 82/08 ; BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 454/06 ; BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 ).
110
(2) So liegt der Fall auch hier. Die Bereitstellung eines "Topfes" für die betriebliche Altersversorgung ist mitbestimmungsfrei. Die V.1 wollte die betriebliche Altersversorgung für alle Arbeitnehmer ihres Unternehmens einführen, vgl. Nr. 1.3 der Versorgungsordnung 1992. Der Gesamtbetriebsrat war somit gem. § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig.
111
(3) Sollte es dagegen entsprechend der Behauptung der Beklagten ohnehin für alle Standorte der V.1 nur einen Betriebsrat gegeben haben, der sich bloß fälschlich Gesamtbetriebsrat benannte, wäre dessen Zuständigkeit ohnehin problemlos gegeben gewesen.
112
dd) Sollte entsprechend dem Bestreiten des Klägers dem Abschluss der Betriebsvereinbarung Nr. 16 keine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates/Gesamtbetriebsrates zugrunde gelegen haben, wäre die Betriebsvereinbarung Nr. 16 und somit auch die mit dieser eingeführte Versorgungsordnung 1992 unwirksam (BAG 9. Dezember 2014 - 1 ABR 9/13). Dann aber würde Selbiges gelten wie oben. Es würde mangels Umdeutungsmöglichkeit der Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage weiterhin der Versorgungsplan 1980 gelten. Die Klage wäre dann schon deshalb abzuweisen.
113
Im Übrigen ist aber daraufhin zu weisen, dass das Bestreiten der ordnungsgemäßen Beschlussfassung anlasslos und ohne Tatsachenanhaltspunkte erfolgte. Dieses anlasslose Bestreiten hätte eine weitere Darlegungslast der Beklagten zur Rechtswirksamkeit der Betriebsvereinbarung nicht begründen können, siehe oben ( BAG 20. Februar 2001 - 1 AZR 233/00 ).
114
b) Angesichts der unmittelbar und zwingenden Wirkung der Betriebsvereinbarung kommt es nicht darauf an, ob der Kläger oder die anderen Arbeitnehmer insbesondere anhand der Unterrichtungsschreiben vom 04. September 1992 und vom 17. Mai 1993 den Charakter der Versorgungsordnung 1992 als Betriebsvereinbarung hätten erkennen können. Im Übrigen hätte der Kläger dies aber auch erkennen können, wenn er in der beigefügten Versorgungsordnung 1992 dessen § 15 gelesen hätten.
115
c) An dem normativen Rechtscharakter ändert sich auch nichts deshalb, weil der Kläger in Umsetzung der Betriebsvereinbarung für den neu eingefügten Entgeltumwandlungsteil eine Zustimmungserklärung unterschrieben hat. Denn die Grundlage der betrieblichen Altersversorgung und auch der Möglichkeit, überhaupt einen Teil derselben durch Entgeltumwandlung aufbauen zu können, wurde erst durch die Betriebsvereinbarung geschaffen.
116
d) Auf die von den Parteien und dem Arbeitsgericht aufgeworfene Frage, ob die Versorgungsordnung 1992 kollektiv günstiger war als der Versorgungsplan 1980, kommt es nicht an. Das Günstigkeitsprinzip käme erst zur Anwendung, wenn eine Betriebsvereinbarung mit einer Individualzusage konkurrieren würde. Vorliegend gibt es aber keine konkurrierenden Regelungen. Die Individualzusage wurde vielmehr durch die Betriebsvereinbarung abgelöst.
117
e) Jedoch unterlag die Ablösung den Grundsätzen des Vertrauensschutzes. Sie ist demnach nach dem Dreistufenschema des Bundesarbeitsgerichts zu überprüfen ( BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 ). Ein belastender verschlechternder Eingriff lag in der Ablösung des Versorgungsplans 1980 durch die Versorgungsordnung 1992 jedoch unstreitig nicht vor. Vielmehr begehrt der Kläger gerade Leistungen nach der günstigeren Versorgungsordnung 1992.
118
3. Auch nach der Umstrukturierung 1999 galt die Versorgungsordnung 1992 normativ weiter bei der V.4 . Dabei kann die Frage, ob die abspaltende Übertragung des Vermögens des Geschäftsbereichs S. E. B. von der V.1 auf die V.4 einen (Teil-)Betriebsübergang darstellte, dahinstehen.
119
a) Es ist von folgenden rechtlichen Grundsätzen auszugehen.
120
aa) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil unter Wahrung seine bisherigen Identität durch Rechtsgeschäft auf einen Betriebserwerber über, tritt dieser betriebsverfassungsrechtlich an die Stelle des früheren Betriebsinhabers. Mit dem vom BetrVG verwandten Begriffs des Arbeitgebers wird der jeweilige Inhaber des Betriebs als Organ der Betriebsverfassung bezeichnet. Der neue Betriebsinhaber ist daher zur Fortführung einer im Betrieb bzw. Betriebsteil bestehenden Betriebsvereinbarung verpflichtet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Fortführung in einem neuen Betrieb oder als neuen Betrieb fortgeführten Betriebsteil ohne wesentliche Änderung der bestehenden Organisation erfolgt. Bei dem Übergang eines Betriebsteils folgt dies aus der Wertung des § 21a BetrVG . Mit der Regelung des Übergangsmandats hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass betriebsverfassungsrechtliche Strukturen auch bei einer Betriebsspaltung grundsätzlich weitergelten sollen. Das erstreckt sich auch auf die betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung zur Beachtung der beim Übergang des Betriebsteils geltenden Betriebsvereinbarungen ( BAG 14. August 2013 - 7 ABR 56/11 ; BAG 26. August 2009 - 4 AZR 280/08 ). Die demokratische Legitimation der Fortgeltung wird daraus entnommen, dass die Betriebsvereinbarungen schließlich weiterhin nur für die Belegschaften weitergelten, für die sie auch schon zuvor gegolten haben. Deshalb können in solchen Fällen auch beim Veräußerer geltende Gesamtbetriebsvereinbarungen beim Erwerber weiterhin normativ gelten, zumal auch die Betriebsräte gem. § 21a BetrVG ein Übergangsmandat haben ( BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 ).
121
bb) Entsprechendes gilt aber auch in Fällen von Unternehmensspaltungen, die nicht zugleich mit einem (Teil-)Betriebsübergang einhergehen. Denn nicht jede Unternehmensspaltung geht notwendigerweise mit einem Teilbetriebsübergang einher (HWK/Willemsen 6. Aufl. § 324 UmwG Rn. 1 bis 3; HWK/Willemsen 6. Aufl. § 613a BGB Rn. 188, 189). Wie jedoch bereits oben dargestellt, soll abgeleitet aus dem Rechtsgedanken des § 21a BetrVG immer dann eine normative Fortgeltung greifen, wenn der Betriebsrat des abgebenden Unternehmens ein Übergangsmandat im abgespaltenen neuen Unternehmen hat. Denn in diesen Fällen besteht wegen Belegschaftsidentität auch eine demokratische Legitimation zu einer solchen normativen Fortgeltung. Fälle rein umwandlungsrechtlicher Spaltungen ohne Teilbetriebsübergang führen jedoch gem. § 21a Abs. 3 BetrVG ebenso zu einem Übergangsmandat wie es bei Teilbetriebsübergängen der Fall ist. Es besteht deshalb keine Veranlassung, trotz Übergangsmandats des Betriebsrats den Betriebsvereinbarungen ihre kollektivrechtliche Fortgeltung zu versagen.
122
Zwar wurde § 21a BetrVG erst mit Wirkung ab 21. Juli 2001 in das Betriebsverfassungsgesetz eingeführt. Er galt somit zum Zeitpunkt der Umstrukturierung 1999 noch nicht. Es gab seinerzeit im Betriebsverfassungsgesetz noch keine Regelungen zu einem Übergangsmandat. Wohl aber war ein dem § 21a Abs. 3 BetrVG entsprechendes Übergangsmandat bei umwandlungsrechtlichen Unternehmensspaltungen seinerzeit bereits in § 321 UmwG aF geregelt. Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht bereits vor Inkrafttreten des § 21a BetrVG ein Übergangsmandat in richterlicher Rechtsfortbildung anerkannt in Fällen, in denen von Abspaltungen betroffene Arbeitnehmer ansonsten betriebsverfassungsrechtlich nicht mehr repräsentiert würden. Dies sei zur Schließung einer Schutzlücke erforderlich (BAG 21. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 ).
123
b) Wendet man diese rechtlichen Grundsätze an, so muss die Frage der teilbetrieblichen Verselbstständigung des Bereichs S. E. B. bereits bei der V.1 nicht überprüft werden.
124
aa) Denn es fand auf jeden Fall eine Unternehmensspaltung nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG statt, die zu einer Betriebsspaltung oder mehreren Betriebsspaltungen führte und zur Aufnahme der abgespaltenen Betriebsteile in eine erstmals geschaffene betriebliche Verbundenheit bei einem neuen Unternehmensträger.
125
bb) Die kollektivrechtliche normative Weitergeltung ist unabhängig davon, ob der Betriebsrat der V.1 sein Übergangsmandat kannte und unabhängig davon, ob er dieses innerhalb der Frist des § 21a Abs. 1 Satz 3 BetrVG bzw. § 321 Abs. 1 Satz 3 UmwG aF wahrnahm.
126
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers verlor die Versorgungsordnung 1992 ihren normativen Charakter auch nicht mit Ablauf der Übergangsfrist. Denn die Geltungsdauer der Betriebsvereinbarung ist nicht auf die Amtszeit des jeweiligen Betriebsrats beschränkt. Ihre Laufzeit ist vielmehr allein abhängig von der darüber in der Betriebsvereinbarung selbst getroffenen Bestimmung. Dies ergibt sich aus den Regelungen des § 77 Abs. 5 und 6 BetrVG ( BAG 28. Juli 1981 - 1 ABR 79/79 ).
127
c) Letztlich kann auch im Unterrichtungsschreiben gem. § 613a Abs. 5 BGB keine (erneute) individualrechtliche Begründung der Versorgungsordnung 1992 gesehen werden. Dieses Schreiben sollte der Unterrichtung über die Folgen des Betriebsübergangs dienen und sollte keine von dieser Folgenunterrichtung unabhängige Willenserklärungen enthalten.
128
4. Mit der Verschmelzung der V.4 zur Beklagten im Jahr 2013 wurde die noch normativ geltende Versorgungsordnung 1992 durch den bei der Beklagten geltenden Pensionsplan 2008 abgelöst. Die Ablösung beruhte auf § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB , wonach eine Weitergeltung der beim Betriebsveräußerer geltenden Betriebsvereinbarungen dann nicht eintritt, wenn die Rechte und Pflichten beim neuen Inhaber durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden.
129
a) Die Verschmelzung stellte einen Betriebsübergang dar.
130
Nach § 324 UmwG bleiben in Umwandlungsfällen die Vorschriften des § 613a Abs. 1 , 4 bis 6 BGB unberührt. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Rechtsgrundverweisung (HWK/Willemsen 6. Aufl. § 324 UmwG Rn. 1). Die Übertragung und der Erhalt der betrieblichen Einheit der V.4 ist zwischen den Parteien jedoch unstreitig.
131
b) Es liegt auch eine Konkurrenz zweier die betriebliche Altersversorgung regelnder Betriebsvereinbarungen vor.
132
c) Die beim Erwerber geltende ablösende Betriebsvereinbarung darf grundsätzlich auch verschlechternd sein. Es gilt das reine Ablösungsprinzip ohne Verschlechterungsverbot.
133
aa) Ein solches Verschlechterungsverbot könnte unter Umständen der Entscheidung des EuGH in Sachen Scattolon entnommen werden ( EuGH 6. September 2011 - C-108/10 ). In dieser Entscheidung führte der EuGH unter Rn. 76 aus:
134
135
bb) Das Bundesarbeitsgericht hat bislang dahinstehen lassen, ob der Scattolon-Entscheidung ein allgemeines Verschlechterungsverbot zu entnehmen sei ( BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 ).
136
cc) In der Literatur besteht dagegen größtenteils Übereinstimmung, dass die Ausführungen des EuGH in der Scattolon-Entscheidung lediglich fallspezifisch zu verstehen sind und nur ein Gebot der Gleichbehandlung bei der Anwendung der ablösenden neuen Norm beschreiben würden. Im Fall des EuGH hatte nämlich eine Übergangsregelung beim Erwerber das "mitgebrachte" Dienstalter der übernommenen klagenden Arbeitnehmerin nur teilweise berücksichtigt. Die durch Kollektivvertrag bestehende Entgeltordnung beim Erwerber stellte jedoch auf Dienstjahre ab. Zur Aufrechterhaltung der praktischen Wirksamkeit der RL 2001/23/EG war es deshalb geboten, dass die beim Veräußerer erbrachten Dienstzeiten gleichermaßen und vollständig in die ablösende neue Regelung einzufließen hatten. Im Übrigen, somit außerhalb der Fälle der Anwendungsgleichbehandlung, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 2. Unterabsatz RL 2001/23/EG jedoch, dass ein neuer Kollektivvertrag auch unmittelbar ab dem Zeitpunkt des Übergangs die Arbeitsbedingungen zu ändern vermag (Sittard/Flockenhaus NZA 2013, 652; Winter RdA 2013, 36; Willemsen RdA 2012, 291; Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 475; offen lassend: ErfK/Preis 17. Aufl. § 613a Rn. 127a; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni 6. Aufl. § 613a BGB Rn. 270; Sagan EuZA 2012, 247). Dieser Rechtsauffassung schließt sich die Kammer an.
137
d) Dennoch ist bei Eingriffen in Versorgungsordnungen nicht jeglicher verschlechternder Eingriff zulässig. Unter Berücksichtigung der Überleitungsregelungen des Sozialplans ist der vorliegende Eingriff jedoch verhältnismäßig.
138
aa) Für den Fall des Betriebsübergangs ordnet § 613a BGB die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses trotz Arbeitgeberwechsels an. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich nicht anders behandelt werden, als hätte sein Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber fortbestanden. Von diesem Prinzip würde eine nicht begründbare und mit anderweitigen zwingenden Gesetzesrecht in Widerspruch stehende Ausnahme gemacht, wendete man das Ordnungsprinzip des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB im Betriebsrentenrecht auch dann uneingeschränkt an, wenn der nach § 613a BGB übernommene Arbeitnehmer bereits von seinem ursprünglichen Arbeitgeber eine Versorgungszusage aufgrund einer Betriebsvereinbarung hatte, die nun im aufnehmenden Betrieb von einer neuen Versorgungsbetriebsvereinbarung abgelöst wird. Bei unverändertem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses hätte der ursprüngliche Arbeitgeber zwar die Möglichkeit gehabt, die betriebliche Versorgungsregelung abzulösen. Gilt im aufnehmenden Betrieb bereits eine Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung, behandelt § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB den aufnehmenden Arbeitgeber ebenso, als hätte er eine wirksame ablösende Betriebsvereinbarung geschlossen. Dies kann aber nicht bedeuten, dass der Gesetzgeber damit zugleich auch angeordnet hätte, dass die bis zum Ablösestichtag auf der Grundlage der bisherigen Versorgungsordnung erdienten Besitzstände zur Disposition der nach dem Betriebsübergang geltenden Betriebsvereinbarung stünden. Eine solche Möglichkeit hätte der frühere Arbeitgeber im weiterbestehenden Arbeitsverhältnis ebenfalls grundsätzlich nicht gehabt. Es gilt deshalb, dass dann, wenn ein übernommener Arbeitnehmer sowohl im übernommenen als auch im aufnehmenden Betrieb eine Versorgungszusage auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung hatte, auch bei Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB der bis zum Ablösungsstichtag erdiente Besitzstand aufrechterhalten bleiben muss ( BAG 24. Juli 2001 - 3 AZR 660/00 ; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni 6. Aufl. § 613a BGB Rn. 270).
139
Die bei Einschnitten in Betriebsrentenanwartschaften zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit hat das Bundesarbeitsgericht durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert. Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer sind entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen. Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1 , Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnahmefällen eingeschränkt oder entzogen werden, ein Eingriff setzt zwingende Gründe voraus (Stufe 1). Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden (Stufe 2). Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe (Stufe 3) ( BAG 9. Dezember 2014 - 3 AZR 323/13 ).
140
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der mit der Ablösung verbundene Eingriff in die Betriebsrentenanwartschaften des Klägers gerechtfertigt.
141
(1) Ein Eingriff auf der ersten Stufe in die bereits erdienten Anwartschaften liegt, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht vor.
142
Der bereits erdiente Teilbetrag wurde unter Anwendung versicherungsmathematischer Grundsätze entsprechend Anlage 7 zum Sozialplan in einen Rentenbarwert umgerechnet und als Guthaben in das klägerische Versorgungskonto mit 9.475,71 EUR als Initialbaustein eingestellt. Zugrunde gelegt wurde der zutreffende Unverfallbarkeitsfaktor von 72,51 %. Gegen die versicherungsmathematischen Rechnungsannahmen hat der Kläger keine Einwände vorgebracht. Die bereits erdienten Anwartschaften wurden somit wertgleich in das neue Versorgungssystem implementiert.
143
Der Kläger kann auch nicht aus der Vergleichsberechnung der Beklagten einen Eingriff auf der ersten Stufe begründen. Denn der in der Vergleichsberechnung ermittelte fiktive Rentenbetrag von 19.229,24 EUR, der dem Kläger nach der Versorgungsordnung 1992 zugestanden hätte, entspricht nicht einem im m/n-telungs-Verfahren ermittelten Teilwert. Es handelt sich um eine Fiktivberechnung bezogen auf ein volles Erreichen des 65. Lebensjahrs unter Anwendung der Versorgungsordnung 1992, auch unter Einschluss der Dynamik und der erst künftig noch zu erdienenden Anwartschaften.
144
Der Kläger kann auch nicht einwenden, der Eingriff läge in einem Entzug der Hinterbliebenenversorgung. Die Hinterbliebenenversorgung wurde vielmehr in die Barwertberechnung mit einbezogen unter Zugrundelegung der Sterbetafel nach Heubeck. Es liegt schlicht an der Systemumstellung, dass wegen der Zahlungen eines einmaligen Kapitalbetrags bei Eintritt des Versorgungsfalls die Hinterbliebenenversorgung nicht gesondert kenntlich gemacht werden kann. Selbstverständlich steht den Hinterbliebenen im Todesfall des Klägers der Einmalbetrag auch zu.
145
Sollte der Kläger bei Eintritt des Versorgungsfalles statt der Zahlung eines Einmalbetrags auf ein Rentenmodell optieren, was möglich wäre, so wird gem. Nr. 5.4.4.1 des Pensionsplans 2008 die monatliche Rente so festgesetzt, dass der Barwert im Zeitpunkt des Versorgungsfalles dem Versorgungsguthaben entspricht. Es ist bei der Berechnung dann der Rechnungszins analog der Lebensversicherungsbranche zu Beginn des Wirtschaftsjahres anzuwenden. Hierbei ist der Einschluss einer Hinterbliebenenanwartschaft von 60 % möglich, was sich dann natürlich bei der Berechnung der Rentenhöhe ausgehend vom ermittelten Barwert auswirkt.
146
(2) Auch ein Eingriff auf der zweiten Stufe kann nicht erkannt werden.
147
Gegen die in Anlage 8 zum Sozialplan enthaltenen Rechnungsannahmen zur Ermittlung des Dynamikbausteins wurden ebenfalls keine Einwendungen erhoben.
148
(3) Ein Eingriff liegt somit allenfalls in die dienstzeitabhängige noch nicht erdienten Zuwachsraten auf der dritten Stufe vor.
149
Unbestritten werden dem Kläger im Vergleich zur Versorgungsordnung 1992 unter Anwendung des neuen Versorgungsmodells bei diesen Zuwachsraten Nachteile entstehen, die durch die Aufstockungsbeiträge aller Voraussicht nach nicht vollständig kompensiert werden. Dieser Eingriff ist jedoch durch sachlich-proportionale Gründe gerechtfertigt. Diese liegen nämlich im Interesse des Betriebserwerbers, die Versorgungsbedingungen zu vereinheitlichen. Dieses Interesse hat der Gesetzgeber in § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB anerkannt ( BAG 29. Juli 2003 - 3 AZR 630/02 ).
150
5. Eine Anwendung der Versorgungsordnung 1992 ergibt sich auch nicht über das Günstigkeitsprinzip, weil die Parteien neben dem kollektivrechtlich ablösend geltenden Pensionsplan 2008 individualrechtlich mit E-Mail-Verkehr vom 5. November 2014 und 13. November 2014 einer Fortgeltung der Versorgungsordnung 1992 vereinbart hätten. Einen solchen Vertragsschluss gibt es nicht, weil schon die Beklagte dem Kläger mit E-Mail vom 5. November 2014 kein solches Angebot unterbreitet hat.
151
Die E-Mail vom 5. November 2014 trug im Betreff bereits die Überschrift "Letzte Möglichkeit: Annahme des Angebots zur Pensionsplanüberleitung". Schon daran ist erkennbar, dass die Beklagte lediglich eine Annahmefrist nach § 148 BGB setzen wollte für das bereits unterbreitete Überleitungsangebot. Dies deckt sich mit der im Text dann tatsächlich gesetzten Annahmefrist. Auch die Passage "Wenn sie nicht zustimmen..." nimmt ausschließlich Bezug auf das bereits unterbreitete Angebot. Mit dem textlichen Anschluss "...bitte eine kurze schriftliche Information (Brief oder E-Mail) an H. senden, dass vom Überleitungsangebot kein Gebrauch gemacht wird und sie auf dem "alten" V.1-Pensionsplan bleiben" gab die Beklagte sodann kund, dass sie auch im Ablehnungsfall eine Mitteilung wünschte. Der Verbleib auf dem "alten" V.1-Pensionsplan ist in diesem Kontext lediglich eine Mitteilung über die Rechtsfolgen, die aus Sicht der Beklagten bei Ablehnung des Überleitungsangebots eintreten würden, nicht jedoch ein eigenständiges neues (wahlweises) Angebot. Die mitgeteilte Rechtsfolge kann richtig oder falsch sein. Sie begründet jedoch keine eigenständige Willenserklärung, dass diese mitgeteilte Rechtsfolge zugleich zum Gegenstand eines neuerlichen Angebots gemacht werden sollte. Denn "endgültig und bindend" sollte lediglich das Angebot zur Überleitung nebst Fristsetzung sein.
152
B: Antrag 1 b:
153
Der Antrag auf Ausstellung eines Leistungsausweises über den Stand der betrieblichen Altersversorgung gem. der Versorgungsordnung 1992 ist zwar zulässig, mangels Anwendbarkeit der Versorgungsordnung 1992 auf das Arbeitsverhältnis des Klägers aber unbegründet.
154
C: Antrag 2:
155
Der hilfsweise gestellte Klageerweiterungsantrag zu 2 ist zwar angefallen. Er ist jedoch sowohl in seiner Hauptantragsvariante als auch in der Hilfsantragsvariante unzulässig. Jedenfalls ist er unbegründet.
165
Aber selbst wenn die Anträge zulässig wären, wären sie unbegründet.
I.
156
Sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag zum Antrag zu 2 sind bereits unzulässig.
157
1. Die erst in der Berufungsinstanz erfolgte Klageerweiterung ist zulässig gem. § 533 ZPO .
158
a) Zwar hat die Beklagte in die Klageerweiterung nicht eingewilligt gem. § 533 Nr. 1 ZPO .
159
b) Die Klageerweiterung ist jedoch sachdienlich.
160
aa) Eine solche Sachdienlichkeit liegt vor, wenn die Zulassung der Klageerweiterung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen um weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen. Maßgeblich ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit (Zöller/Heßler ZPO 31. Aufl. § 533 Rn. 6).
161
bb) Dies liegt vor, denn letztlich geht es dem Kläger mit den Erweiterungsanträge um dasselbe Interesse, das er bereits mit dem Antrag zu 1 a) verfolgte. Der Kläger will auf jeden Fall und aus allen erdenklichen Anspruchsgrundlagen erreichen, dass die Versorgungsordnung 1992 auf ihn anwendbar ist, bzw. er vergleichbare Ansprüche erhält. Die Zulassung vermeidet einen neuen Prozess um dieses nämliche Interesse.
162
c) Die Verhandlung und Entscheidung konnte und kann auch auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte gem. § 533 Nr. 2 ZPO . Es wäre nicht möglich gewesen, den Vortrag des Klägers gem. § 67 ArbGG zu präkludieren.
163
2. Der Hauptantrag zu 2 ist aber nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . Es ist aus der Antragstellung nicht ersichtlich, welche "entstandenen wirtschaftlichen Nachteile" ausgeglichen werden sollen.
164
3. Entsprechendes gilt für den Hilfsantrag zum Antrag zu 2. Auch dieser ist nicht hinreichend bestimmt. Es ist der Antragstellung nicht zu entnehmen, was der Kläger mit "vergleichbarer Höhe" meint und wie er die Vergleichbarkeit ermitteln möchte.
II.
165
Aber selbst wenn die Anträge zulässig wären, wären sie unbegründet.
II. a
166
Dem Kläger steht kein Schadenersatzanspruch zu.
167
Es ist schon nicht ersichtlich, welche Pflichtverletzung die Beklagte begangen haben sollte. Die Beklagte beruft sich schlicht und in zulässiger Weise auf die gesetzliche Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB .
II. b
168
Soweit der Kläger vortrug, die Beklagte hätte ihm zugesichert, dass ihm mit der Überleitung und dem Sozialplan keine Nachteile entstehen würden, beruft er sich offenbar auf eine vertragliche Garantiezusage. Eine solche ist nicht feststellbar.
169
1. Das behauptete Schreiben vom 24. September 2013 hat der Kläger nicht vorgelegt. Die Beklagte hat die Existenz eines solchen Schreibens bestritten.
170
2. Soweit der Kläger nur pauschal vortrug, ihm und den anderen Mitarbeitern sei eine entsprechende mündliche Zusage gemacht worden, wurde dies von der Beklagten ebenso bestritten. Eine weitere Substantiierung nach Zeit, Ort oder Umständen dieser behaupteten Zusage erfolgte nicht. Eine Beweisaufnahme durfte ohne eine entsprechende Substantiierung nicht erfolgen. Es hätte sich sonst um eine unzulässige Ausforschung gehandelt.
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D: Nebenentscheidungen:
172
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .
173
2. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.