06.07.2017 · IWW-Abrufnummer 194963
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 09.02.2017 – 24 U 129/15
Zur Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Sicherungsabrede über die Gewährung einer Vertragserfüllungsbürgschaft.
Oberlandesgericht Hamm
24 U 129/15
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.08.2015 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Streithilfe verursachten Kosten.
Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster vom 18.08.2015 sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
G r ü n d e :
2
A.
3
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft zur Absicherung der Ansprüche aus einem Bauvertrag betreffend das Bauvorhaben „B“ in N in Anspruch.
4
Wegen des Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat zunächst gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
5
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
6
In der Bürgschaftsurkunde heißt es auszugsweise wie folgt:
7
„Gemäß der vertraglichen Vereinbarung ist der Auftragnehmer verpflichtet, für die vertragsgemäße Ausführung der ihm übertragenen Leistungen einschließlich der Abrechnung dem Auftraggeber eine Bürgschaft i.H.v. 10 % der Brutto-Auftragssumme zu stellen.“
8
[…]
9
„Die Bürgschaft gilt für sämtliche Ansprüche, insbesondere für die Ansprüche aus Überzahlung des Auftragnehmers einschließlich der Zinsen, wegen Nichterfüllung, wegen Schlechterfüllung, aus Vertragsstrafe und ungerechtfertigter Bereicherung.“
10
[…]
11
„Die Bürgschaft ist unbefristet. Sie ist bei mangelfreier Erfüllung des Vertrages, spätestens nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel, zurückzugeben. Dies gilt nicht, wenn zu dieser Zeit Ansprüche des Auftraggebers noch nicht erfüllt sind.“
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 2 zur Klageschrift überreichte Kopie der Bürgschaftsurkunde Bezug genommen.
13
In dem von der Klägerin mit der mittlerweile insolventen Hauptschuldnerin geschlossenen Generalunternehmervertrag finden sich folgende, von der Klägerin vorformulierte Klauseln:
14
In § 4.13.3 heißt es unter anderem:
15
„Der Auftraggeber ist berechtigt, einen Gewährleistung-Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % der geprüften Bruttoschlussrechnungssumme in Abzug zu bringen. Der Sicherheitseinbehalt gilt für eine Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche von 5 Jahren als vereinbart.
16
[…]
17
Der Auftragnehmer kann den Sicherheitseinbehalt durch eine Bürgschaft gemäß § 11 Punkt zwei dieses Vertrages ablösen.“
18
§ 11.1 enthält folgende Regelung:
19
„Zur Absicherung sämtlicher Ansprüche des Auftraggebers aus diesem Vertrag übergibt der Auftragnehmer diesem bis spätestens 14 Tage nach Vertragsschluss eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 400.000 Euro.
20
[…]
21
Die Vertragserfüllungsbürgschaft muss textlich dem Muster der Anlage 17 entsprechen.“
22
Zur Anlage 17 heißt es in § 2.1 i.V.m. § 2.1.17:
23
„Die Grundlage dieses Vertrages sind: Das Muster einer Vertragserfüllungsbürgschaft (Anlage 17).“
24
Des Weiteren enthält § 11.2 folgende Regelung:
25
„Nach Abnahme des Bauvorhabens hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Gewährleistungsbürgschaft zu übergeben. Die Übergabe erfolgt Zug-um-Zug gegen die Rückgabe der vorgenannten Vertragserfüllungsbürgschaft, soweit diese noch nicht in Anspruch genommen worden ist. […]“
26
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift überreichte Kopie des Generalunternehmervertrages Bezug genommen.
27
Mit dem am 18.08.2015 verkündeten Teilurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
28
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Beklagten als Bürgin vorlägen. Denn der Beklagten stünden gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB die Einwendungen der Schuldnerin aus der Sicherungsabrede mit der Klägerin zu.
29
Habe der Bürge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam sei, so könne er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen habe.
30
Vorliegend sei die der Bürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede unwirksam, weil eine unangemessene Benachteiligung der Schuldnerin durch die Vertragsbedingungen vorliege. Diese unangemessene Benachteiligung liege darin, dass die Auftragnehmerin nach dem Generalunternehmervertrag für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Gewährleistungsansprüche der Klägerin eine Sicherheit in Höhe von mehr als 10 % der Auftragssumme zu leisten habe. Die Sicherungsabrede zwischen den Beteiligten führe dazu, dass die streitgegenständliche Vertragserfüllungsbürgschaft auch über die Abnahme hinaus noch solange einbehalten werden könne, bis etwaige im Abnahmeprotokoll aufgeführte Mängel erledigt seien, in diesem Zeitraum nach § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages aber gleichzeitig darüber hinaus ein Sicherungseinbehalt wegen etwaiger Gewährleistungsansprüche i.H.v. 5 % vorgenommen werden könne.
31
Aus der Bürgschaftserklärung vom 13.12.2010, die gemäß § 11 des Vertrages dem Muster der dortigen Anlage 17 entspreche, folge, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft (erst) bei mangelfreier Erfüllung, spätestens nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel zurückzugeben sei. Danach könne die Klägerin also dann, wenn im Abnahmeprotokoll noch Mängel aufgelistet seien, die noch nicht erledigt seien, die Vertragserfüllungsbürgschaft einbehalten. Dies würde dann zusammengerechnet mit dem zusätzlich möglichen Einbehalt von 5 % zu einer deutlichen Übersicherung führen. Nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien stelle eine derartige Sicherung eine deutliche unangemessene Benachteiligung dar, die zu einer Unwirksamkeit der Sicherungsabrede insgesamt führe. Insoweit komme es nicht darauf an, ob gleichzeitig eine Erfüllungsbürgschaft und eine Gewährleistungsbürgschaft zu stellen sein könnten, da die Übersicherung hier jedenfalls aus dem Nebeneinander von Erfüllungsbürgschaft und der Absicherung durch den Sicherungseinbehalt folgen könne.
32
Die Kammer folge der Auffassung der Klägerin nicht, Voraussetzung für die Unwirksamkeit sei, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft auch nach Abnahme entstehende Mängel absichere. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nicht in diesem Sinne zu verstehen. Maßgeblich seien allein die Höhe und der Zeitraum der (zweifachen) Sicherung, unabhängig davon, für welche konkreten Mängel die Sicherung jeweils zu gewähren sei.
33
Soweit die Klägerin ausführe, die im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel könnten wertmäßig nicht ins Gewicht fallen, so dass wegen der generellen Verpflichtung, eine Übersicherung freizugeben, die einbehaltene Vertragserfüllungsbürgschaft nur noch geringe Summen ausmachen würde, greife so ein Automatismus nicht. Es gebe keine festen Wertgrenzen, ab welcher Höhe eine Abnahme durch die Parteien noch vorgenommen werde oder nicht. Das obliege der jeweiligen Entscheidung der Parteien. Keineswegs sei jedenfalls ausgeschlossen, dass die vom Bundesgerichtshof vorgegebenen Grenzen für die Übersicherung durch die Addition des Wertes der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel und dem 5 % Sicherungseinbehalt erreicht würden.
34
Die Klägerin könne sich nicht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.02.2014, VII ZR 247/02, berufen. In dieser Entscheidung habe der Bundesgerichtshof ergänzende und abweichende Regelungen in einem vorgegebenen Bürgschaftsmuster für nicht relevant und gegenüber der vertraglichen Sicherungsabrede nachrangig erachtet. Dies hatte zur Folge, dass nur auf die vertragliche Regelung abzustellen war. Diese Entscheidung sei hier indessen nicht einschlägig, da im Hauptvertragstext keine Rückgaberegelung vorhanden sei, die der Regelung im Bürgschaftstext, die dem Muster der Anlage 17 des Vertrages entspreche, widerspräche. Anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lägen hier keine Abweichungen zwischen der Regelung im Hauptvertrag und dem Bürgschaftsmuster vor. Vielmehr fehle es im Generalunternehmervertrag an einer Regelung, unter welchen Voraussetzungen die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugewähren sei. Sie folge auch nicht aus § 11.2 des Generalunternehmervertrages, da dieser Passus allein die Modalitäten bzw. Voraussetzungen der Gewährung der Gewährleistungsbürgschaft regele, nicht indes die Voraussetzungen für die Rückgewähr der Vertragserfüllungsbürgschaft. Zwar sei richtig, dass in S. 2 dieses Absatzes geregelt sei, dass die Gewährleistungsbürgschaft Zug um Zug gegen die Rückgabe der vorgenannten Vertragserfüllungsbürgschaft zu erfolgen habe. Daraus folge indes aufgrund des Regelungsgehaltes dieses Absatzes, der systematischen Stellung und der Intention dieses Absatzes sowie auch aus dem Wortlaut und der Dogmatik einer Zug-um-Zug-Verpflichtung lediglich, dass die Gewährleistungsbürgschaft erst Zug um Zug gegen Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft gestellt werden müsse. Daraus ließen sich aber keine Rückschlüsse auf die Voraussetzungen für die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ziehen. Es sei darin nicht geregelt, wann und ab welchem Zeitpunkt diese zurückzugewähren sei. Es spiele keine Rolle, dass dogmatisch gesehen der Zug-um-Zug-Gegenleistung stets auch eine schuldrechtliche Leistungspflicht zugrundeliege. Diese sei hier jedenfalls nicht in diesem Absatz geregelt worden. Das folge zwingend aus der systematischen Stellung der Regelung in dem Absatz, der die Voraussetzungen der Gewährleistungsbürgschaft regele. Es liege aufgrund dieses Standortes der Regelung und des Sinnzusammenhangs mit den „umliegenden“ Regelungen auf der Hand, dass die Parteien in diesem Zusammenhang nicht die Voraussetzungen der Rückgabe der Erfüllungsbürgschaft regeln wollten, zumal sie hierfür in § 11.1 mit dem Verweis auf das Muster eine spezielle Vereinbarung vorgesehen hätten. Die Klägerin möchte der Regelung in § 11.2 eine Bedeutung beimessen, die die Parteien ihr seinerzeit nicht hätten beimessen wollen. Die vertraglichen Regelungen der Parteien erschienen insoweit eindeutig.
35
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Zug-um-Zug-Regelung stelle sich gar nicht. Denn hier gebe es eine eindeutige und in jedem Fall bestimmbare Fälligkeitsregelung für die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft, nämlich in der Bürgschaftserklärung.
36
Es möge in der Natur der Sache liegen, dass die Abnahme Voraussetzung für die Rückgabe der Erfüllungsbürgschaft sei. Das hätten die Parteien aber jedenfalls nicht vertraglich geregelt. Aus diesem Grund könne die Klägerin nicht geltend machen, dass eine ausdrückliche hauptvertragliche Regelung vorliege, die einem etwaigen abweichenden Muster vorgehen würde. Vielmehr fehle es in dem Hauptvertrag an jeglicher Konkretisierung der Voraussetzungen für die Rückgewähr der Vertragserfüllungsbürgschaft. Schon deshalb liege keine Kollision und daher keine Abweichung zwischen der Regelung in dem Bürgschaftstext selbst und dem Hauptvertrag vor, so dass die Klägerin sich nicht darauf berufen könne, dass die Regelung im Muster-/Bürgschaftstext unbeachtlich sei. Vielmehr sei die Regelung in diesem Muster-/Bürgschaftstext die einzige Konkretisierung der Voraussetzungen für die Rückgewähr, die die Parteien vereinbart hätten. Damit sei sie maßgeblich.
37
Unabhängig davon sei es hier anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.02.2014 nicht so, dass sich eine Vertragspartei auf eine für sie günstigere Regelung in dem Muster berufen wolle, um damit die Vereinbarung in dem Hauptvertrag auszuhebeln. Die Beklagte stütze sich nämlich nicht auf eine für sie günstigere Regelung in den Bürgschaftstext, sondern vielmehr auf eine für sie nachteilige Regelung. Es sei zwar zutreffend, dass eine Prüfung der Regelung durch die Rechtsprechung möglicherweise dazu führe, dass die Sicherungsabrede dadurch insgesamt unwirksam werde, was sich dann wieder als vorteilhaft für die Beklagte herausstellen würde. Das mache die Klausel selbst indes für die Beklagte nicht zu einer generell vorteilhaften Klausel. Die Argumentation des Bundesgerichtshofs sei indes darauf gestützt, dass jemand sich nicht die für ihn günstigere Regelung herauspicken könne, wenn er sich im Hauptvertrag auf eine andere Regelung eingelassen habe. Hier sei die Regelung der Auftragnehmerin vorgegeben worden und die Beklagte weise darauf hin, dass diese durch diese Regelung benachteiligt würde. Hier bestehe kein Bedürfnis für eine Korrektur, da diese Abweichung schlichtweg zulasten derjenigen gehen müsse, die die Vertragsbedingung gestellt habe. Es könne der Beklagten daher nicht verwehrt sein, auf diese Regelung im Bürgschaftstext, die allein für die Klägerin vorteilhaft sei, abzustellen. Die Klägerin müsse die rechtlichen Nachteile einer etwaigen Korrektur durch die Rechtsprechung hinnehmen und tragen.
38
Zuletzt weise die Beklagte auch zutreffend darauf hin, dass selbst dann, wenn man in der Regelung in § 11.2 S. 2 des Generalunternehmervertrages eine Fälligkeitsregelung für die Rückgewähr der Vertragserfüllungsbürgschaft sehen würde, diese dahingehend eingeschränkt wäre, dass auch bei Gestellung der Gewährleistungsbürgschaft die Vertragserfüllungsbürgschaft nur zurückgegeben werden müsse, „soweit diese noch nicht in Anspruch genommen worden ist“. Auch diese Regelung allein würde daher schon theoretisch ermöglichen, dass eine Sicherung durch eine teilweise Inanspruchnahme validiert werde und darüber hinaus eine Gewährleistungsbürgschaft i.H.v. 5 % bzw. ein diesbezüglicher Einbehalt gewährt werden müsse. Auch dies könne zu einem deutlich über die Abnahme hinausgehenden Zeitraum für eine Übersicherung im Sinne der Rechtsprechung führen. Daher läge auch schon in alleiniger Anwendung des Generalunternehmervertrages eine Übersicherung vor, die zu einer unangemessenen Benachteiligung durch die Vertragsbedingungen führe, was zu einer Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führe. Denn je nachdem, in welchem Umfang eine Inanspruchnahme der Vertragserfüllungsbürgschaft schon erfolgt sei, könne eine (Über-) Sicherung der Klägerin eintreten, die die von der Rechtsprechung als insoweit unangemessen angesehenen 7 % erreiche.
39
Die Klägerin könne sich auch nicht auf eine vorrangige Regelung in der VOB/B berufen. Eine etwaige Regelung in der VOB/B wäre gegenüber der vertraglichen Vereinbarung in dem Bürgschaftstext bzw. dem Vertragsmuster, das über § 11.1 des Generalunternehmervertrages einbezogen worden sei, nicht vorrangig.
40
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit welcher sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
41
Sie wiederholt im Wesentlichen ihre erstinstanzlich bereits vertretenen Standpunkte und meint, die der Vertragserfüllungsbürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede sei wirksam.
42
Im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen der Auftraggeber zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft verpflichtet sei, seien allein die Regelungen in § 11.2 des Generalunternehmervertrages maßgeblich.
43
Eine Leistung Zug-um-Zug habe die Bedeutung, dass der Schuldner dem Gläubiger nicht unbedingt verpflichtet sei, sondern der gegen ihn gerichtete Anspruch seinerseits von einer Leistung des Gläubigers abhänge. Gläubiger und Schuldner eines Schuldverhältnisses seien jeweils nur dann zur Leistungserbringung verpflichtet, wenn auch die Gegenseite das Erforderliche getan habe, also beispielsweise ihre Leistung angeboten habe. Der Sinn und Zweck der Verpflichtung Zug-um-Zug bestehe darin, dem an einem Güteraustausch Beteiligten einen Schutz davor zu gewähren, dass er seine Leistung erbringe, aber die Leistung des anderen nicht gleichzeitig erhalte. Die Leistung Zug-um-Zug verbinde die beiderseitigen Ansprüche folgerichtig in der Bestimmung der Leistungszeit. Gefordert werde insoweit die Gleichzeitigkeit, bezogen jedoch nicht auf den Eintritt des Leistungserfolges, sondern auf den jeweiligen Zeitpunkt, zu welchem sich die Parteien ihrer Leistung tatsächlich und endgültig entäußerten. Aufgrund der Zug-um-Zug-Verpflichtung sei somit der Zeitpunkt der Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer insoweit bestimmt, als diese gleichzeitig mit der Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft durch den Auftragnehmer an den Auftraggeber zu erfolgen habe.
44
Es sei auch nicht ersichtlich, dass es sich bei der Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftraggeber Zug-um-Zug gegen Empfang der Gewährleistungsbürgschaft um eine bloße Obliegenheit handeln könnte.
45
Es existiere kein Rechtssatz, der dies besage. Das Gegenteil dürfe vielmehr aus der gesetzlichen Grundnorm § 274 Abs. 1 BGB herzuleiten sein. Deren Formulierung deute darauf hin, dass die Gegenleistung Gegenstand einer eigenen Forderungsberechtigung des Schuldners der Zug-um-Zug-Leistung sei und damit eine echte schuldrechtliche Verpflichtung darstelle.
46
Nach § 11.2 des Generalunternehmervertrages habe der Auftragnehmer dem Auftraggeber nach Abnahme des Bauvorhabens eine Gewährleistungsbürgschaft zu übergeben. Der Wortlaut indiziere also ebenfalls, dass es sich insoweit um eine echte schuldrechtliche Verpflichtung handele. Hierfür spreche auch die Regelung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft in § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B. Es sei anerkannt, dass diese Regelung für den Auftragnehmer einen Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft begründe. Es wäre daher nicht verständlich, wenn die hier für den Auftragnehmer grundsätzlich vorteilhaftere Zug-um-Zug-Regelung im Generalunternehmervertrag keine echte schuldrechtliche Verpflichtung, sondern lediglich eine Obliegenheit zum Gegenstand hätte.
47
Selbst wenn es sich bei der Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft um eine bloße Obliegenheit handeln würde, wäre gleichwohl der Zeitpunkt der Fälligkeit der Herausgabeobliegenheit in § 11.2 des Generalunternehmervertrages eindeutig bestimmt, nämlich einerseits durch die Abnahme und andererseits durch das Angebot der Erfüllung des Anspruchs auf Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft durch den Auftragnehmer.
48
In § 11.2 des Generalunternehmervertrages seien somit die zeitlichen und sonstigen notwendigen Voraussetzungen, aufgrund derer die Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftraggeber zurückzugewähren sei, eindeutig geregelt. Danach sei die Vertragserfüllungsbürgschaft zwingend zurückzugeben nach Abnahme des Bauvorhabens und Zug-um-Zug, d.h. gleichzeitig, gegen eine vom Auftragnehmer nach Abnahme zu stellenden Gewährleistungsbürgschaft. Aufgrund der synallagmatischen Verknüpfung der Zug-um-Zug-Leistungen bedingten diese sich somit auch in zeitlicher Hinsicht wechselseitig. Die zeitliche Anbindung der Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft an die Abnahme des Bauvorhabens gelte daher auch für die reziproke Verpflichtung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft.
49
Mit diesem Vortrag habe sich das Landgericht nicht angemessen auseinandergesetzt. Die Auffassung, in § 11.2 seien ausschließlich die Voraussetzungen der Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft bestimmt, verkenne die synallagmatische Verknüpfung der Zug-um-Zug-Verpflichtungen insbesondere in zeitlicher Hinsicht. Aufgrund des wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses der Zug-um-Zug-Leistungen sei die Fälligkeit der einen jeweils durch die Gewährung der anderen Leistung bedingt.
50
Die Regelung im Bürgschaftsmuster weiche von § 11.2 des Generalunternehmervertrages ab, indem sie die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft von der Beseitigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel abhängig mache. Nach dem Text des Generalunternehmervertrages hänge die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft dagegen lediglich von der Zug-um-Zug-Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft ab. Der Auftragnehmer sei zur Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft unverzüglich nach der Abnahme verpflichtet. Auf die Beseitigung von Protokollmängeln komme es dagegen nach § 11.2 nicht an, um die wechselseitigen Verpflichtungen zum Austausch der Bürgschaften auszulösen.
51
Sie habe bereits im Schriftsatz vom 07.08.2015 darauf hingewiesen, dass vertragliche Regelungen, die einen Zug-um-Zug-Austausch der Vertragserfüllungssicherheit gegen die Gewährleistungssicherheit vorsähen, weithin üblich seien. Entsprechende vertragliche Regelungen seien in der Vergangenheit Gegenstand verschiedener Entscheidungen gewesen. Wäre die Auffassung des Landgerichts richtig, dass solche Zug-um-Zug-Verpflichtungen nicht die Voraussetzungen für die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit beinhalteten, hätten die Gerichte allein wegen dieses Regelungsdefizits die Unwirksamkeit der jeweiligen Sicherungsabrede feststellen müssen. Zu einem entsprechenden Ergebnis seien die Gerichte jedoch nicht gelangt.
52
Nach der Rechtsprechung komme dem Muster einer Bürgschaft, auf das in dem Bauvertrag verwiesen werde, keine vertragsändernde Wirkung zu, falls die Sicherungsabrede im Vertrag in dem Sinne abschließend, verständlich und vollständig sei, dass der Hinweis auf das Muster weggelassen werden könnte, ohne dass die Sicherungsabrede dadurch unverständlich oder unvollständig würde. Der Auftragnehmer müsse unter den vorgenannten Voraussetzungen aus seiner Sicht als Erklärungsempfänger die Übergabe des Musters nicht dahin verstehen, dass sich der Inhalt der geschuldeten Bürgschaft nicht nur nach dem Vertragstext, sondern auch nach dem Bürgschaftsmuster richten sollte. Diese Voraussetzungen lägen auch hier vor. Die Sicherungsabrede in § 11.2 des Generalunternehmervertrages regele eindeutig und für den Auftraggeber klar erkennbar, wann die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugeben sei, nämlich nach der Abnahme des Bauvorhabens und Zug-um-Zug gegen Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft durch den Auftragnehmer.
53
Das Landgericht setze sich mit der von ihr zitierten Rechtsprechung nicht in der gebotenen Art und Weise auseinander. Gegenstand der von ihr zitierten Entscheidungen sei die Frage gewesen, ob die vertragliche Sicherungsabrede unter Berücksichtigung des Bürgschaftsmusters auszulegen sei oder nicht. Im Übrigen seien die den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte mit dem vorliegenden ohne weiteres vergleichbar. Das jeweilige Bürgschaftsformular habe keineswegs für den Bürgen im Vergleich zur Sicherungsabrede im Vertragstext günstigere Regelungen enthalten. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Es sei daher nicht ersichtlich, aus welchem Grund die zitierte Rechtsprechung hier keine Anwendung finden solle.
54
Die Nachrangigkeit der Regelungen im Bürgschaftsmuster im Vergleich zu der in § 11.2 des Generalunternehmervertrages enthaltenen Sicherungsabrede folge zudem aus der Rangfolgeregelung in § 2.3.1 des Generalunternehmervertrages. Die Regelung im Bürgschaftsmuster weiche von der vertraglichen Sicherungsabrede insoweit ab, als Letztere die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft lediglich von der Abnahme des Bauvorhabens und der Zug-um-Zug zu übergebenden Gewährleistungsbürgschaft abhängig mache, während im Bürgschaftsmuster zusätzlich die „Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel“ gefordert werde. Auch mit diesem Einwand habe sich das Landgericht in den Entscheidungsgründen nicht befasst.
55
Eine zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führende Kumulierung von Vertragserfüllungs- und Mängelrechtesicherheit im Sinne der durch das Landgericht herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liege weder nach Maßgabe der vertraglichen Regelung in § 11.2 noch unter Berücksichtigung des dem Generalunternehmervertrag als Anlage 17 beigefügten Musters einer Vertragserfüllungsbürgschaft vor.
56
Mit denen in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vergleichbare Regelungen enthielten weder die vertragliche Sicherungsabrede in § 11.2 des Generalunternehmervertrages noch das diesem als Anlage 17 beigefügte Bürgschaftsmuster.
57
Nach der klaren und unmissverständlichen vertraglichen Regelung in § 11.2 sei der Auftraggeber zwingend zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft Zug-um-Zug gegen eine vom Auftragnehmer nach Abnahme zu stellende Gewährleistungssicherheit in (zulässiger) Höhe von 5 % der geprüften Schlussrechnungssumme verpflichtet. Umgekehrt stelle § 11.2, indem die Regelung den Auftragnehmer zur Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft nach der Abnahme verpflichte, sicher, dass der Auftragnehmer die höhere Sicherheit von 10 % für das Vertragserfüllungsstadium zurückerhalte. Ein Nebeneinander von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft für einen nicht unerheblichen Zeitraum nach der Abnahme sei daher durch § 11.2 des Generalunternehmervertrages gerade ausgeschlossen.
58
Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass gemäß § 11.2 S. 2 des Generalunternehmervertrages die Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft Zug-um-Zug gegen die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft erfolge, soweit diese noch nicht in Anspruch genommen worden sei. Die Inanspruchnahme einer Bürgschaft bedeute deren Verwertung, also die Bezahlung des von der Bürgschaft gesicherten Anspruchs, womit die Bürgschaftsverpflichtung erfüllt sei.
59
Auch die Regelungen in § 17 Abs. 8 VOB/B zur Rückgabe von Sicherheiten beträfen ausschließlich „nicht verwertete“ Sicherheiten.
60
Die vertragliche Regelung habe daher nur klarstellende Funktion. Da im Falle einer in Anspruch genommenen, also verwerteten Bürgschaft häufig die Bürgschaftsurkunde bereits nach der Zahlung durch den Bürgen entwertet zurückgegeben wurde, könne Voraussetzung für die Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft nach § 11.2 S. 1 dann nicht mehr die Zug-um-Zug-Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft sein.
61
Durch die Vertragserfüllungsbürgschaft gesichert seien nach dem Bürgschaftsmuster die im Zuge der Abnahmebegehung vor Erteilung der rechtsgeschäftlichen Abnahme festgestellten und in das Abnahmeprotokoll aufgenommenen Mängel. Erst nach deren Erledigung sei die Bürgschaft durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer zurückzugeben. Soweit im folgenden Satz die Rückgabeverpflichtung für den Fall eingeschränkt werde, dass zu dieser Zeit, also spätestens nach der Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel, Ansprüche des Auftraggebers noch nicht erfüllt seien, seien hiermit ersichtlich keine Mängelansprüche, sondern die sonstigen, zwei Absätze zuvor erwähnten Ansprüche wie z.B. aus Überzahlung, aus Vertragsstrafe und ungerechtfertigter Bereicherung gemeint. Bezöge sich der Satz demgegenüber auch auf Mängelansprüche, die nach Abnahme des Bauvorhabens entstünden, käme dem vorherigen Satz keine Bedeutung zu. Durch die im Bürgschaftsmuster vorgesehene Vertragserfüllungsbürgschaft seien somit lediglich die Protokollmängel erfasst.
62
Gemäß der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liege eine zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führende Kumulierung von Vertragserfüllungs-und Gewährleistungssicherheit jedoch nur vor, falls nach der vertraglichen Vereinbarung der Auftraggeber befugt sei, die Bürgschaft noch längere Zeit nach der Abnahme zu behalten und die Vertragserfüllungsbürgschaft zudem die in dem Zeitraum nach der Abnahme entstehenden Mängelansprüche absichere.
63
Regelungen, wonach die Vertragserfüllungsbürgschaft auch Ansprüche erfasse, die nach Abnahme entstünden, enthalte das Bürgschaftsmuster gerade nicht. Die Vertragserfüllungsbürgschaft solle sich danach lediglich auf die vor der Abnahme festgestellten Protokollmängel beziehen, nicht jedoch auf Mängel-/Gewährleistungsansprüche, die erst nach der Abnahme entstünden.
64
Zu berücksichtigen sei im Hinblick auf die nach dem Bürgschaftsmuster erfasste Beseitigung von Protokollmängeln zudem, dass gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Auftraggeber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Pflicht zur teilweisen Freigabe der Bürgschaft treffe, wenn und soweit die Sicherheit nicht mehr benötigt werde, weil der Sicherungszweck (teilweise) weggefallen sei. Ein entsprechender vertraglicher Freigabeanspruch des Sicherungsgebers bestehe auch dann, wenn der Sicherungsvertrag eine ausdrückliche Freigaberegelung nicht oder nur eine unangemessen beschränkende und deshalb unwirksame Freigabeklausel enthalte. Das Fehlen einer ausdrücklichen wirksamen Regelung des vertraglichen Freigabeanspruchs führe deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Sicherheitenvereinbarung.
65
Sollten die Protokollmängel daher wertmäßig nicht ins Gewicht fallen, wovon regelmäßig auszugehen sein dürfte, weil sie die Abnahme nicht hinderten, stünde dem Auftragnehmer ein entsprechender Freigabeanspruch zu.
66
Auch die Regelung in § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages begründe keine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers.
67
Die Vereinbarung begründe nicht die Gefahr einer unzulässigen Überdeckung von Vertragserfüllungs- und Mängelrechtesicherheit.
68
Danach sei der Auftraggeber berechtigt, einen Gewährleistungssicherheitseinbehalt i.H.v. 5 % der geprüften Schlussrechnung in Abzug zu bringen. Der Auftragnehmer könne dann diesen Einbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft nach § 11.2 ablösen. Die Regelung zum Gewährleistungssicherheitseinbehalt greife erst nach der Abnahme sowie Stellung der Schlussrechnung und deren Prüfung. Fällig sei nämlich die Schlusszahlung gemäß § 4.13.2 innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme und Erhalt der prüffähigen Schlussrechnung. Erst ab diesem Zeitpunkt sei überhaupt die Vornahme eines Einbehalts von der Schlussrechnungssumme begrifflich möglich. Nach der Abnahme sei der Auftragnehmer jedoch gemäß § 11.2 des Generalunternehmervertrages unverzüglich zur Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft verpflichtet. Übergebe der Auftragnehmer dem Auftraggeber die Gewährleistungsbürgschaft vertragsgemäß nach der Abnahme, werde damit das Recht auf Vornahme eines Gewährleistungssicherheitseinbehalts gegenstandslos; gleichzeitig habe der Auftraggeber die Vertragserfüllungsbürgschaft Zug-um-Zug an den Auftragnehmer zurückzugeben. Eine Überdeckung der Sicherheiten sei somit ausgeschlossen.
69
Übergebe der Auftragnehmer entgegen § 11.2 des Generalunternehmervertrages dem Auftragnehmer keine Gewährleistungsbürgschaft i.H.v. 5 %, so verhalte er sich vertragswidrig. Gleichzeitig versäume er es, die Voraussetzung für die Fälligkeit der Verpflichtung des Auftraggebers zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft zu schaffen. Der Auftraggeber sei dann nach Eintritt der Fälligkeit der Schlussrechnung berechtigt, gemäß § 4.13.3 einen Gewährleistungssicherheitseinbehalt i.H.v. 5 % vorzunehmen. Da der Gewährleistungssicherheitseinbehalt und die Gewährleistungsbürgschaft sich gemäß § 4.13.3, letzter Satz, wechselseitig ersetzten, sei mit Vornahme des Gewährleistungssicherheitseinbehalts der Auftraggeber nach § 11.2 des Generalunternehmervertrages zwingend zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft verpflichtet. Auch in diesem Fall sei somit eine Überdeckung der Sicherheiten ausgeschlossen.
70
Selbst für den Fall, dass die Regelung in § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages unwirksam sein sollte, weil eine Kumulierung zwischen Gewährleistungssicherheitseinbehalt und Vertragserfüllungsbürgschaft für einen nicht unwesentlichen Zeitraum nach der Abnahme aufgrund der vertraglichen Regelungen nicht ausgeschlossen sei, hätte dies nicht die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede über die Vertragserfüllungsbürgschaft zur Folge. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnten inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stünden. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung sei, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden müsse, ergreife die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. § 4.13.3 sei nicht Bestandteil der Sicherungsabrede in § 11. Die Klausel sei sprachlich wie inhaltlich von der Sicherungsabrede in § 11 abtrennbar, weil auch nach Wegstreichen von § 4.13.3 die Sicherungsabrede in § 11 aus sich heraus verständlich und sinnvoll bleibe. Dort sei eindeutig und unmissverständlich geregelt, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft Zug-um-Zug gegen Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft zurückzugeben sei. Zwischen § 11 und § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages bestehe daher kein unauflösbarer wechselseitiger Bezug, der zur Annahme einer konzeptionellen Einheit beider Regelungen führen könnte. Vielmehr könne die Sicherungsabrede in § 11 des Generalunternehmervertrages ohne die Bestimmung über den Gewährleistungssicherheitseinbehalt an anderer Stelle des Generalunternehmervertrages – wirksam – bestehen bleiben. § 4.13.3 sei somit von § 11 des Generalunternehmervertrages teilbar mit der Folge, dass auch im Falle der Unwirksamkeit von § 4.13.3 die vertragliche Sicherungsabrede in § 11 hiervon unberührt und wirksam bleibe.
71
Die Klägerin beantragt,
72
das Urteil des Landgerichts Münster vom 18.08.2015, Az. 025 O 125/14 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 200.000,00 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2012 zu zahlen.
73
Die Beklagte und deren Streithelferin beantragen,
74
die Berufung zurückzuweisen.
75
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
76
Die Beklagte meint, gegen die Annahme der Klägerin, aus den Regelungen des Generalunternehmervertrages lasse sich eine abschließende Verpflichtung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ableiten, sprächen mehrere Gründe.
77
In § 11. 1 des Generalunternehmervertrages selbst sei keine Regelung enthalten, wann die Vertragserfüllungssicherheit zurückgegeben werden müsse. Insofern müsse die Klägerin § 11.2 heranziehen und versuchen, aus der Verpflichtung zur Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft gleichzeitig eine Bestimmung abzuleiten, zu welchem Zeitpunkt die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugeben sei.
78
Die Verpflichtung zur Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft sei jedoch unabhängig von dem Rückgabezeitpunkt der Vertragserfüllungsbürgschaft zu sehen. Die Klägerin verkenne die Reichweite der Regelung in § 11.2 des Generalunternehmervertrages. Durch die Verurteilung Zug-um-Zug gegen Erbringung einer Leistung werde dem jeweiligen Anspruchsgegner nichts zugesprochen. Der Anspruchsinhaber werde insofern auch nicht zur Erbringung der Gegenleistung verpflichtet. Es erwachse insofern lediglich die Leistungspflicht des Anspruchsgegners in Rechtskraft, nicht aber die Pflicht des Anspruchstellers zur Gegenleistung. Die noch ausstehende Gegenleistung gebe dem jeweiligen Anspruchsgegner lediglich eine aufschiebende Einrede. Wenn nach vorstehenden Ausführungen aber lediglich die Leistungspflicht Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft begründet werde, nicht jedoch die Zug-um-Zug-Verpflichtung Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft, hätte die Hauptschuldnerin die „Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft“ nach Abnahme verweigern können, wenn die Vertragserfüllungsbürgschaft nicht zurückgereicht worden wäre. Sie hätte jedoch auf „Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft“ keinen Anspruch gehabt. Eine rechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Übergabe der Vertragserfüllungsbürgschaft sei nicht verankert. Also habe für die Hauptschuldnerin auch in zeitlicher Hinsicht kein vertraglich verankerter Anspruch auf Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft nach Abnahme bestanden. Damit fehle es an einem Zeitpunkt der Rückgabeverpflichtung.
79
Die Klägerin blende in ihrer Argumentation auch den letzten Halbsatz von § 11.2 des Generalunternehmervertrages aus, wonach die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft nur insoweit geregelt sei, wie diese „noch nicht in Anspruch genommen worden ist“. Die Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 10 % könne nach dem Wortlaut des Vertrages zurückgehalten werden, wenn vor Abnahme der Leistung ein Mangel, der wertmäßig mit 250,00 € zu beziffern wäre, nur geltend gemacht werde und deswegen auch die Bürgschaft in Anspruch genommen werde. In dieser Konstellation sehe sogar der ausdrückliche Wortlaut des § 11.2 des Generalunternehmervertrages vor, dass nicht einmal die Gewährleistungsbürgschaft nur Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen sei. Nach dem Wortlaut des Vertrages existiere diese Verpflichtung nur dann, wenn eine Inanspruchnahme der Vertragserfüllungsbürgschaft noch nicht erfolgt sei. Die Höhe der Inanspruchnahme sei in dem Vertrag nicht benannt. Es stünde der Klägerin damit frei, einen wertmäßig noch so geringen Mangel geltend zu machen, um dann nach Abnahme sowohl eine Gewährleistungsbürgschaft i.H.v. 5 % der Schlussrechnungssumme verlangen zu können als auch die Vertragserfüllungsbürgschaft in voller Höhe zurück behalten zu dürfen. Diese vertragliche Regelung weiche explizit vom Wortlaut des § 17 Nr. 8 VOB/B ab, der ausdrücklich vorsehe, dass eine Vertragserfüllungssicherheit bei Abnahme nur in Höhe eines entsprechenden Teils der Sicherheit zurückgehalten werden dürfe, der den Ansprüchen des Auftraggebers, die nicht von der gestellten Sicherheit für Mängelansprüche umfasst seien, entspreche. Hierdurch sei sichergestellt, dass eben nicht für Kleinstansprüche die volle Vertragserfüllungssicherheit zurückgehalten werden dürfe.
80
In dem Moment, wo man über eine Auslegung von § 11 des Generalunternehmervertrages debattieren könne, sei die hier zu entscheidende Rechtsfrage in ihrem Sinne zu beantworten. Dies folge aus dem Rechtsgrundsatz, dass sich der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen bei Unklarheiten für die Inhaltskontrolle entgegenhalten lassen müsse, welche für den Vertragspartner denkbar ungünstigste Regelung aus dem Regelwerk herausgelesen werden könne.
81
Soweit die Klägerin hervorhebe, dass § 17 Nr. 8 VOB/B sogar nachteilig im Vergleich zu der hier streitigen Regelung in § 11.2 des Generalunternehmervertrages sei, sei zu berücksichtigen, dass die Zug-um-Zug-Verpflichtung zur Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft lediglich einredebehaftet für den Fall sei, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft durch die Klägerin nicht zurückgegeben werde, so dass daraus für den Auftragnehmer (die Hauptschuldnerin) im vorliegenden Fall erst einmal nur folge, dass sie die Gewährleistungsbürgschaft nicht stellen müsste, wenn sie sich auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Übergabe der Vertragserfüllungsbürgschaft) berufen würde. Das gleiche Recht stehe ihr nach § 17 Nr. 8 VOB/B zu. Im Gegensatz zur hiesigen Konstellation jedoch begründe § 17 Nr. 8 VOB/B einen Anspruch auf Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit. Ein solcher Anspruch existiere vorliegend jedoch nicht. Es bestehe lediglich eine Einrede. Die Folge wäre, dass die Klägerin nach Abnahme eine Sicherheit i.H.v. 10 % der Auftragssumme zurückbehalten dürfte, was ebenfalls zu einer Übersicherung führe.
82
Da es an einer abschließenden Regelung im Generalunternehmervertrag für den Rückgabezeitpunkt der Vertragserfüllungssicherheit fehle, sei auf das von der Klägerin vorgegebene Bürgschaftsmuster zurückzugreifen, welchem die streitgegenständliche Bürgschaft entspreche.
83
In den Fällen, in denen der Text einer Sicherungsabrede nicht abschließend sei, jedoch auf ein Bürgschaftsmuster verweise, konkretisiere dieses Bürgschaftsmuster den Inhalt der Sicherungsabrede. Eine Regelung darüber, wann die Vertragserfüllungssicherheit zurückgegeben werden müsse, sei in dem von der Klägerin vorgegebenen Bürgschaftsmuster, das die vertragliche Regelung insofern ergänze, enthalten. Wenn eine solche explizite Regelung für den Rückgabezeitpunkt der Vertragserfüllungsbürgschaft bestehe, müsse die Klägerin hier wieder die Unklarheitenregel gegen sich gelten lassen. In dem von der Klägerin vorgegebenen Bürgschaftsmuster sei explizit geregelt, wann und unter welchen Bedingungen die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugeben sei. In dieser Deutlichkeit finde dies keine Erwähnung im Generalunternehmervertrag.
84
Zwar sei richtig, dass vertragliche Regelungen, die einen Zug-um-Zug-Austausch von Vertragserfüllungssicherheiten gegen Gewährleistungssicherheiten vorsähen, üblich seien. Die Klägerin verkenne jedoch die Reichweite besagter Zug-um-Zug-Verpflichtung. Der Anspruch auf Gestellung einer Gewährleistungssicherheit wäre bei Ausbleiben der Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit einredebehaftet. Die jeweilige Auftragnehmerin müsste die Gewährleistungssicherheit nicht stellen. In Abweichung zur hiesigen Konstellation hätten sich die von der Klägerin zitierten Urteile nicht mit der Konstellation zu beschäftigen gehabt, dass die Zug-um-Zug Rückgabe als einziger Ansatzpunkt für die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit herangezogen werden sollte.
85
Die Rechtsprechung zur Übersicherung stelle in allen Urteilen auf explizite vertragliche Regelungen ab, die eine Rückreichung der Vertragserfüllungsbürgschaft vorsahen. Stets war die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die es dem Auftragnehmer theoretisch ermöglichten, über den Abnahmezeitpunkt hinaus über die Vertragserfüllungssicherheit unangemessen hoch besichert zu sein.
86
Für die Zeit nach Abnahme habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Sicherheiten von mehr als 5 % nach Abnahme den Auftragnehmer unangemessen benachteiligten und entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen insofern unwirksam seien. Der von ihr zitierten Rechtsprechung liege stets der Grundgedanke zugrunde, dass nach der kundenfeindlichsten Auslegung es dem Auftraggeber nicht möglich sein solle, nach Abnahme eine höhere Sicherheit in den Händen zu halten. An welche Voraussetzungen dieses Behaltendürfen geknüpft sei, sei dabei gleichgültig. Insofern könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, das dem Wortlaut nach die hier streitgegenständliche Sicherungsabrede nicht identisch mit der einschlägigen Rechtsprechungspraxis sei.
87
Es komme nicht darauf an, dass die Vertragserfüllungssicherheit nicht ausdrücklich auch Mängelansprüche absichere. Es gehe um das Zurückbehaltungsrecht der Klägerin für die Höhe der Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 10 % der Auftragssumme nach Abnahme. Dabei sei darauf hinzuweisen, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Bürgschaft diese „sämtliche Ansprüche“ absichern solle. Im Folgenden würden „insbesondere“ weitere Ansprüche aufgelistet, was aber dem Wortlaut nach „sämtliche Ansprüche“ gerade nicht einschränke, sondern lediglich für weitergehende Anspruchsarten präzisiere. Wenn sämtliche Ansprüche abgesichert seien, seien damit nach der kundenfeindlichsten Auslegung auch Mängelansprüche erfasst.
88
Soweit die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft unter Berufung auf eine Einrede verweigert werden dürfe, sofern die Klägerin die Vertragserfüllungssicherheit nach Abnahme nicht übergebe, sei nichts dazu gesagt, was mit dem Einbehalt nach § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages zu geschehen habe. Das Recht zur Vornahme dieses Einbehaltes sei unbedingt von der Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft. Dabei komme es wieder zu der Konstellation, dass die Klägerin eine Gewährleistungssicherheit (nämlich durch Einbehalt anstelle einer Bürgschaft) bereits von sich aus vornehmen konnte, parallel dazu jedoch auch noch eine Vertragserfüllungssicherheit zurückhalten durfte. Hier wiege der Einbehalt für die Hauptschuldnerin durch den Vorhalt liquider Mittel sogar noch weit schwerer.
89
Die Ausführungen der Klägerin zur Teilbarkeit der Sicherungsabrede griffen ebenfalls nicht. Würde man den Passus „sofern diese noch nicht in Anspruch genommen ist“ oder „nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel“ streichen, würde das vertraglich eingeräumte Recht der Klägerin, bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eben die volle Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzuhalten, entfallen. Dann wäre die Sicherheit geringwertiger.
90
Die Streithelferin der Beklagten meint, die vertragliche Regelung in § 11.1 und § 11.2 des Generalunternehmervertrages i.V.m. dem Textmuster für die Bürgschaftsurkunde führe zu einer unzulässigen Kumulierung der zehnprozentigen Vertragserfüllungsbürgschaft und des fünfprozentigen Gewährleistungsbareinbehaltes.
91
Die Vertragserfüllungsbürgschaft decke auch Mängelansprüche des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer ab. Die Rückgabe der Bürgschaft sei in toto an die mangelfreie Erfüllung inklusive Beseitigung der Protokollmängel geknüpft. Eine Reduzierung der Sicherheit auf einem Betrag, der in einer angemessenen Relation zum Wert der verbleibenden Protokollmängel stünde, sehe die Regelung gerade nicht vor. Mit diesem starren Automatismus missachte die Regelung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen dem berechtigtem Sicherungsinteresse des Auftraggebers einerseits und dem Freigabeinteresse des Auftragnehmers andererseits.
92
Die von der Klägerin gewählte Konstruktion benachteilige den Auftragnehmer deshalb unangemessen, weil sie ihm gegebenenfalls zumute, wegen nur geringer Restmängel, deren Klärung sich unter Umständen über Jahre in die Länge ziehen könne, trotzdem die volle Vertragserfüllungssicherheit vorhalten zu müssen, auch wenn deren Wert das Mängelvolumen deutlich übersteige. Dies schmälere in erheblichem Maße den faktischen Kreditrahmen des Auftragnehmers und belaste dessen Liquidität.
93
Der Bundesgerichtshof mache die Wirksamkeit von Sicherungsabreden gemeinhin unter anderem davon abhängig, dass der Auftragnehmer jedenfalls nach dem Ende der regulären Sicherungsfrist wenigstens einen Anspruch auf Teilfreigabe gestellter Sicherheiten habe, wenn und soweit deren Volumen den Wert eines berechtigten und zeitlich gegebenenfalls längeren Sicherungsinteresses des Auftraggebers übersteige. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Freigabepflicht gälten auch im vorliegenden Fall. Ihnen trage die Klauselgestaltung der Klägerin nicht hinreichend Rechnung. Der Ausschluss des Rechtes auf Teilfreigabe führe ebenfalls zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede.
94
Die Sicherungsabrede führe auch deshalb zu einer unangemessenen Übersicherung der Klägerin, weil sie ihm neben 10 %iger Erfüllungs- + 5 %iger Mängelsicherheit zusätzlich noch weitere Ansprüche aus übergeleitetem Recht als kumulative Sicherheit verschaffe. Zwar sei die Vorausabtretung nach § 13.5 und 13.6 des Generalunternehmervertrages aufschiebend bedingt für den Fall einer Insolvenz der Hauptschuldnerin. Gerade in diesem Fall setze jedoch gemeinhin ein Wettlauf und Wettbewerb der bevorrechtigten Sicherungsnehmer gegenüber den bloßen Massegläubigern ein. Demzufolge sei die Frage nach der Wirksamkeit des gesamten Sicherungskonzeptes der Klägerin nicht alleine danach zu bewerten, ob es die Hauptschuldnerin unangemessen benachteilige, sondern auch, ob es zu einer unberechtigten Benachteiligung einzelner Insolvenzgläubiger führe, der kein adäquates Sicherungsinteresse des Auftraggebers gegenüberstehe.
95
So lägen die Dinge auch hier. Es sei nicht erkennbar, warum die Klägerin in den Genuss eines Sicherungspaketes kommen sollte, dessen Gesamtvolumen den für das Erfüllungsstadium inzwischen gefestigten Satz von 10 % der Auftragssumme bei weitem übersteige. Für den nach Abnahme zulässigen Grenzwert von 5 % der Abrechnungssumme gelte dies erst recht. Die Unangemessenheit der Sicherungskonstruktion werde sogar noch dadurch verstärkt, dass die Vorausabtretung in §§ 13.5 und 13.6 weder betragsmäßig noch in zeitlicher Hinsicht begrenzt sei und ihr auch eine Freigaberegelung fehle.
96
Da es im Falle eines Zusammentreffens mehrerer benachteiligender Regelungen nicht Aufgabe des Gerichts sei auszusuchen, welche der betroffenen Klauseln bestehen bleiben solle, führe die aufgezeigte Kumulierung zur Nichtigkeit aller Klauseln, aus denen sich das Sicherungskonzept der Klägerin zusammensetze.
97
Jedenfalls bei kundenfeindlicher Auslegung sei die Regelung in § 4.15 des Generalunternehmervertrages geeignet, den gesamten und im Übrigen ohne weiteres fälligen Vergütungsanspruch – im Extremfall bis zu 100 % – solange zu sperren, als es an der Vorlage einer Vertragserfüllungsbürgschaft fehle. Auch dies verschaffe dem Auftraggeber ein unberechtigtes Sicherungsvolumen, das wegen potentieller Übersicherung zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führe.
98
Im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22.12.2016 vertritt die Streithelferin der Beklagten zudem die Ansicht, ein weiterer Unwirksamkeitsgrund der gesamten Sicherungsabrede wegen Übersicherung folge auch daraus, dass das von der Klägerin vorgegebene Vertragsgefüge den Zeitpunkt der Abnahme durch zusätzliche, teils auch intransparente Voraussetzungen in § 10 des Generalunternehmervertrages auf unbestimmte Zeit nach hinten verschiebe. Diese zusätzlichen Hürden hätten zur Folge, dass die nach dem gesetzlichen Leitbild vorgesehenen Abnahmewirkungen noch lange nicht einträten, obwohl in technischer Hinsicht längst Abnahmereife im Sinne des § 640 BGB gegeben sei. Damit werde das Erfüllungsstadium „künstlich“ und ohne materielle Rechtfertigung verlängert, was damit letztlich den sicherungspflichtigen Auftragnehmer in dreifacher Hinsicht unangemessen benachteilige:
99
Je weiter die Abnahme hinausgeschoben werde, umso später beginne und ende die Gewährleistungsfrist. Letztlich komme der Auftraggeber damit faktisch in den Genuss einer längeren Gewährleistungsfrist. Der Auftragnehmer müsse die Sicherheit länger als nach dem dispositiven Recht vorhalten.
100
Je später kraft Abnahme der Wechsel vom Erfüllungs- in das Gewährsleistungsstadium vollzogen werde, umso länger wäre die Klägerin zum Einbehalt der zehnprozentigen Erfüllungssicherheit berechtigt, während bei früherem Abnahmemodus die Sicherheit auf 5 % zu reduzieren sei.
101
Je später kraft Abnahme der Wechsel vom Erfüllungs- in das Gewährleistungsstadium vollzogen werde, umso länger trage der Auftragnehmer auch die Beweislast für die Mangelfreiheit der ausgeführten Leistungen, was dem Auftraggeber im Mangelfall wiederum den Zugriff auf die Sicherheit erleichtere im Vergleich zur selben Situation nach Abnahme.
102
Ein weiterer Unwirksamkeitsgrund ergebe sich aus dem Nebeneinander von (zunächst) 10 %iger Erfüllungs- und (sodann) 5 %iger Mängelrechtesicherheit (§ 11 Generalunternehmervertrag) einerseits und kumulativer zeitlich wie betragsmäßig unbeschränkter Vorausabtretung aller auch künftiger und bedingter Mängelbeseitigungs- und Gewährleistungsansprüche, die dem Auftragnehmer gegen dessen Nachunternehmer zustünden, andererseits (vgl. § 5.8 und § 13.5 Generalunternehmervertrag). Für eine derartige Anhäufung von Sicherheiten mit gleichzeitiger Verkürzung gewährleistungsrechtlichen Handlungsspielraums des Auftragnehmers gegenüber seinen Nachunternehmern sei ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers nicht zu erkennen.
103
Erst recht in der Gesamtschau aller angesprochenen unangemessenen Einzelregelungen ergebe sich eine massive Benachteiligung der Hauptschuldnerin, die zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führe.
104
Außerdem stellen die Beklagte und ihre Streithelferin das Bestehen der von der Klägerin verfolgten Hauptforderung infrage, die der Geltendmachung der Bürgschaftsforderung zugrunde liegt.
105
B.
106
Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts vom 18.08.2015 bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
107
I.
108
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 200.000,00 € gemäß § 765 Abs. 1 BGB, der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage. Die Beklagte kann einem möglicherweise bestehenden Anspruch der Klägerin aus § 765 Abs. 1 BGB die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung aus dem Rechtsverhältnis der Hauptschuldnerin zur Klägerin entgegenhalten.
109
1.
110
Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass sich der Bürge, der eine Sicherung gewährt hat, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam ist, gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen kann, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen hat. Denn der Bürge muss grundsätzlich keine weitergehenden Leistungen als der Hauptschuldner erbringen (BGH NJW 2009, 1664, 1665, Tz. 9; 2011, 2125, 2126, Tz. 11; 2015, 856, 857, Tz. 14; vgl. hierzu auch Nossek, NJW 2015, 1985, 1988 ff.).
111
2.
112
Die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin über die Gewährung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in § 11.1 des Generalunternehmervertrages vom 30.11.2010 in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Muster der Vertragserfüllungsbürgschaft (Anlage 17 zum Generalunternehmervertrag) ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da sie die Hauptschuldnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
113
a)
114
Die maßgeblichen Vereinbarungen stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB dar.
115
Unstreitig wurden die Vertragsbedingungen des Generalunternehmervertrages einseitig von der Klägerin gestellt.
116
Jedenfalls die für die Stellung der Sicherheiten relevanten Klauseln wurden zudem für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt. Sie waren nicht spezifisch auf das hier zu beurteilende Bauvorhaben zugeschnitten, sondern bereits nach ihrer Gestaltung und ihrem Inhalt auf eine mehrfache Verwendung angelegt (vgl. BGH NJW 2015, 1952, 1953, Tz. 30).
117
Dass die entsprechenden Vereinbarungen individuell ausgehandelt worden seien, macht die Klägerin nicht geltend.
118
b)
119
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wurden gemäß § 305 Abs. 2 BGB in den Vertrag einbezogen. Beide Vertragsparteien haben den die Klauseln beinhaltenden Generalunternehmervertrag unterzeichnet.
120
c)
121
Die Vereinbarungen über die Gewährung der Vertragserfüllungsbürgschaft sind gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da sie die Hauptschuldnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
122
aa)
123
Eine zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer getroffene Sicherungsabrede, nach der Letzterer eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen hat, benachteiligt den Auftragnehmer gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen und ist daher unwirksam, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH NJW 2016, 2802, 2803, Tz. 15).
124
Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich der Auftraggeber ohne angemessenen Ausgleich Sicherheiten einräumen lässt, die dem Auftragnehmer in unangemessenem Umfang Liquidität entziehen oder ihn in Höhe eines unangemessenen Betrages mit dem Insolvenzrisiko des Auftraggebers belasten (vgl. BGH NJW 2016, 2802, 2803, Tz. 17).
125
Dabei kann sich die unangemessene Benachteiligung auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben (BGH NJW 2016, 2802, 2803, Tz. 15).
126
bb)
127
In Konkretisierung der vorstehenden Grundsätze hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass zur Besicherung der Vertragserfüllung vor Abnahme im Erfüllungsstadium eine Bürgschaft, die 10 % der Auftragssumme nicht übersteigt, regelmäßig von dem berechtigten Sicherungsinteresse des Begünstigten gedeckt und damit auch bei formularmäßiger Vereinbarung wirksam ist. Der finanzielle Mehraufwand des Begünstigten im Fall einer Insolvenz des Hauptschuldners während der Vertragsausführung wird 10 % der Auftragssumme regelmäßig erreichen oder übersteigen (BGH NJW 2014, 1725, 1726, Tz. 15; 2011, 2125, 2126, Tz. 19).
128
Demgegenüber liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers vor, wenn die vom Auftraggeber gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu führen, dass der Auftragnehmer für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft iHv 7 % der Auftragssumme oder mehr zu leisten hat (BGH NJW 2015, 856, 858, Tz. 18; 2014, 3642, 3644, Tz. 24).
129
cc)
130
Zwar ist im Streitfall bei Anwendung der vorstehend dargestellten Grundsätze eine Übersicherung der Klägerin für die Zeit vor der Abnahme des Werks nicht ersichtlich, da sich die nach § 11.1 des Generalunternehmervertrages von der Hauptschuldnerin beizubringende Vertragserfüllungsbürgschaft mit nicht mehr als 10 % der Auftragssumme im zulässigen Rahmen hielt.
131
dd)
132
Eine zu einer unangemessenen Benachteiligung der Hauptschuldnerin führende Übersicherung der Klägerin besteht jedoch nach dem Generalunternehmervertrag für die Zeit nach Abnahme des Werks, da die Klägerin auch für diese Zeit durch die Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von nahezu 10 % der Auftragssumme abgesichert ist.
133
(1)
134
§ 11.1 des Generalunternehmervertrages gestattet es der Klägerin, die nach dieser Vereinbarung geschuldete Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe eines Betrages von nahezu 10 % der Auftragssumme über die Abnahme hinaus noch so lange einzubehalten, bis etwaige im Abnahmeprotokoll noch aufgeführte Mängel erledigt sind.
135
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung dient die Vertragserfüllungsbürgschaft der Absicherung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus dem Vertrag. Gesichert sind mithin auch Gewährleistungsansprüche der Klägerin nach Abnahme des Werks (vgl. zu einem insoweit vergleichbaren Fall BGH NJW 2014, 1725, 1726, Tz. 18).
136
(2)
137
Nach der vertraglichen Gestaltung war die Vertragserfüllungsbürgschaft auch nicht unmittelbar mit der Abnahme des Werks zurückzugeben.
138
(aa)
139
§ 11.1 des Generalunternehmervertrages beinhaltet unmittelbar keine Regelung, unter welchen Voraussetzungen die von der Hauptschuldnerin zu stellende Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugewähren ist.
140
(bb)
141
Entgegen der Auffassung der Klägerin sieht auch § 11.2 des Generalunternehmervertrages keinen eigenen Anspruch der Auftragnehmerin auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft vor, sondern lediglich ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Stellung der Gewährleistungsbürgschaft, ohne dass sich hieraus Rückschlüsse auf die Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ziehen lassen.
142
Das Zurückbehaltungsrecht ist ein Sicherungsmittel und dient zugleich mittelbar als Druckmittel der Durchsetzung des Gegenanspruchs. Es begründet aber kein Befriedigungsrecht (MüKoBGB/Krüger, 7. Aufl. 2016, BGB § 273 Rn. 3; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 273, Rn. 1).
143
Insbesondere steht auf der Grundlage von § 11.2 des Generalunternehmervertrages nicht fest, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft zwingend nach Abnahme des Bauvorhabens und Zug um Zug gegen eine von der Hauptschuldnerin nach Abnahme zu stellende Gewährleistungsbürgschaft zurückzugeben ist. Aus der Vereinbarung folgt lediglich der Anspruch der Klägerin auf Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft nach Abnahme des Bauvorhabens Zug um Zug gegen Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft. Eine zwingende und ggf. klagbare vertragliche Verpflichtung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ist jedoch in § 11.2 des Generalunternehmervertrages nicht vereinbart.
144
Eine Rückgabeverpflichtung hinsichtlich der Vertragserfüllungsbürgschaft ist dementsprechend durch § 11.2 des Generalunternehmervertrages nicht in Abhängigkeit von der Fertigstellung und Abnahme des Werks begründet worden (vgl. zu einem insoweit vergleichbaren Fall BGH NJW 2014, 1725, 1726, Tz. 18).
145
(cc)
146
Ein Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ergibt sich ferner nicht aus § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B.
147
Zwar ist die Einbeziehung der VOB/B in § 2.1.21 des Generalunternehmervertrages vereinbart. Die Vertragsparteien haben jedoch in § 11.1 des Generalunternehmervertrages in Verbindung mit der Anlage 17 zum Vertrag einen hiervon abweichenden Rückgabezeitpunkt vereinbart, so dass dieser im Streitfall maßgeblich ist (vgl. Rudolph/Koos, in: Beck'scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl., § 17 Abs. 8 VOB/B, Rn. 36).
148
Der Vorrang der vertraglich vereinbarten Rückgaberegelung folgt im Übrigen bereits aus § 2.3.1 des Generalunternehmervertrages, der bestimmt, dass die unter § 2.1 des Generalunternehmervertrages vorgegebene Reihenfolge innerhalb der Vertragsbestandteile die Rangfolge bestimmt. Danach genießt gemäß § 2.1.17 des Generalunternehmervertrages das Muster einer Vertragserfüllungsbürgschaft (Anlage 17) Vorrang vor der VOB/B (§ 2.1.21 des Generalunternehmervertrages).
149
§ 11.1 des Generalunternehmervertrages nimmt hinsichtlich der Vertragserfüllungsbürgschaft Bezug auf das dem Vertrag als Anlage 17 beigefügte Muster, welchem die streitgegenständliche Bürgschaftsurkunde tatsächlich entspricht. Nach dem Bürgschaftsmuster sollte die Klägerin die unbefristet vereinbarte Bürgschaft erst spätestens nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel zurückgeben müssen.
150
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auf die in der Anlage 17 zum Generalunternehmervertrag getroffene Regelung über die Herausgabeverpflichtung der Vertragserfüllungsbürgschaft im Rahmen der AGB-Kontrolle abzustellen.
151
Zwar kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einem durch Verweis in der Sicherungsabrede als Anlage zum Bauvertrag beigefügtem Bürgschaftsmuster mit abweichenden Regelungen zu den Anforderungen an die zu stellende Bürgschaft regelmäßig keine vertragsändernde Wirkung zu (BGH NJW-RR 2004, 814, 815; so auch OLG Hamm NJW-RR 2006, 31, 32; OLG Brandenburg, Urteil vom 21.06.2007 – 12 U 181/06, zit. nach juris, Tz. 28 f.).
152
Dies gilt aber nur, soweit die Sicherungsabrede im Vertrag in dem Sinne abschließend, verständlich und vollständig ist, dass der Hinweis auf das Muster weggelassen werden könnte, ohne dass die Sicherungsabrede dadurch unverständlich oder unvollständig würde. Liegt dem Vertrag eine Sicherungsabrede zu Grunde, die den Inhalt der Gewährleistungsbürgschaft offen lässt und allein auf das Muster des Auftraggebers verweist, so ist der Inhalt dieses Musters maßgeblich (vgl. BGH NJW 2000, 1863, 1864).
153
So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass im Streitfall keine Abweichungen zwischen der Regelung im Hauptvertrag und dem Bürgschaftsmuster vorlägen. Tatsächlich beinhaltet das Bürgschaftsmuster lediglich Ergänzungen zur Regelung der im Vertragstext – wie vorstehend bereits dargelegt - nicht geregelten Frage der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft. Es mangelt mithin an einer Abweichung zwischen der Regelung im Hauptvertrag und dem Bürgschaftsmuster. Durch die Bezugnahme auf die Anlage 17 in § 11.1 des Generalunternehmervertrages wurde der Inhalt des Bürgschaftsmusters somit zum Vertragsinhalt erhoben. Der Inhalt der vertraglichen Vereinbarung beurteilt sich daher (auch) nach den im Bürgschaftsmuster vorgesehenen Rückgaberegelungen.
154
(dd)
155
Das somit maßgebliche Bürgschaftsmuster gestattet der Klägerin mithin auch nach der Abnahme über einen möglicherweise nicht unerheblichen Zeitraum die Zurückbehaltung der Vertragserfüllungsbürgschaft. Der Streit über im Abnahmeprotokoll aufgeführte Mängel und deren Beseitigung kann sich – je nach den Umständen - längere Zeit hinziehen, insbesondere im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung bis hin zu mehreren Jahren. Die Anforderungen, welche an die Konkretisierung des zur unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers führenden erheblichen Zeitraums über die Abnahme hinaus zu stellen sind, dürfen nicht überspannt werden (Nossek, NJW 2015, 1985, 1989). Vor diesem Hintergrund führt das Vertragswerk zweifellos zu einer Übersicherung der Klägerin für die Zeit nach Abnahme des Werks.
156
(ee)
157
Darüber hinaus benachteiligt die Rückgaberegelung im Muster der Vertragserfüllungsbürgschaft die Hauptschuldnerin entgegen Treu und Glauben auch deshalb unangemessen, weil die Klägerin nach der Vertragsgestaltung die als Höchstbetragsbürgschaft gegebene Vertragserfüllungsbürgschaft auch nach Abnahme unabhängig davon „behalten“ kann, in welcher Höhe sie zu diesem Zeitpunkt noch gesicherte Ansprüche hat, sofern solche nur überhaupt existieren. So würde etwa ein ganz geringer berechtigter Anspruch der Klägerin ausreichen, um eine Bürgschaft in Höhe von 200.000,00 € zurückzuhalten, was zu entsprechend hohen finanziellen Belastungen der Hauptschuldnerin führen würde und ihr auch Liquidität entziehen würde (vgl. zur insoweit vergleichbaren Situation im Falle einer Gewährleistungsbürgschaft BGH NJW 2015, 1952, 1954, Tz. 40).
158
Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass den Auftraggeber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Pflicht zur teilweisen Freigabe der Bürgschaft treffe, wenn und soweit die Sicherheit nicht mehr benötigt werde.
159
Der Wortlaut des Bürgschaftsmusters schließt jedenfalls nach der vorliegend gemäß § 305c Abs. 2 BGB gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. BGH NJW 2009, 2051, Tz. 11; NJW 2014, 1725, 1727, Tz. 19) ein Recht zur Freigabe der Vertragserfüllungsbürgschaft aus, soweit sie nicht mehr gebraucht wird. Eine Regelungslücke als Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist mithin nicht ersichtlich.
160
(ff)
161
Die zuvor dargelegte Unwirksamkeit der Regelung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft im Bürgschaftsmuster führt zur Unwirksamkeit der gesamten auf die Vertragserfüllungsbürgschaft bezogenen Sicherungsabrede in § 11.1 des Generalunternehmervertrages.
162
Verstößt der Inhalt einer Allgemeinen Geschäftsbedingung teilweise gegen die §§ 307 ff. BGB, so ist die maßgebliche Klausel grundsätzlich im Ganzen unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion ist unzulässig, und zwar auch im kaufmännischen Verkehr (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 306 BGB, Rn. 6). Dies führt im Streitfall zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede in § 11.1 des Generalunternehmervertrages, weil diese Vereinbarung so eng mit der unwirksamen Regelung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft im Bürgschaftsmuster verknüpft ist, dass die Vereinbarung der Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft nicht isoliert aufrechterhalten werden kann.
163
Dem steht die Regelung des § 306 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Danach richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften, soweit die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind. Da das dispositive Recht keinen Anspruch des Bestellers auf eine Gewährleistungssicherheit vorsieht, existieren zwar im Streitfall keine ausdrücklichen Regelungen über die etwaige Rückgewähr solcher Sicherheiten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann in derartigen Fällen aber grundsätzlich auch eine nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung einer Lücke, die durch die Unwirksamkeit einer der Inhaltskontrolle unterliegenden Klausel entstanden ist, heranzuziehen sein, wenn der Regelungsplan der Parteien in Folge der Lücke einer Vervollständigung bedarf. Das ist dann anzunehmen, wenn dispositives Gesetzesrecht zur Füllung der Lücke nicht zur Verfügung steht und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet (BGH NJW 2015, 1952, 1954, Tz. 46; Palandt/Grüneberg, a. a. O., Rn. 13).
164
Eine derartige ergänzende Vertragsauslegung scheidet im Streitfall aus.
165
Zwar kommt im Grundsatz in Fällen einer unwirksamen Freigabeverpflichtung in Betracht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf den vertraglichen Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgabe nicht mehr benötigter Sicherheiten abzustellen (vgl. BGH NJW 2015, 1952, 1954, Tz. 48). Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung zugunsten der Klägerin als Verwenderin besteht jedoch aufgrund ihrer Formulierungsverantwortung nur im Ausnahmefall (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 305c, Rn. 17).
166
Die vorstehend zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift im Streitfall vor diesem Hintergrund nicht ein.
167
Die Klägerin im dort entschiedenen Fall begehrte Schadensersatz für Kosten im Zusammenhang mit einer von ihr gestellten Gewährleistungsbürgschaft. Ohne die vom Bundesgerichtshof vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung hätte infolge des ersatzlosen Wegfalls der vereinbarten Freigaberegelung mangels dispositiven Gesetzesrechts kein Anspruch der Klägerin bestanden, was im dortigen Fall keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung dargestellt hätte.
168
Im Streitfall würde die Ersetzung der unwirksam vereinbarten AGB-Freigaberegelung durch eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmende zulässige Freigaberegelung allein den Interessen der Klägerin als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugutekommen, ohne die berechtigten Interessen der Hauptschuldnerin zu berücksichtigen. Die ergänzende Vertragsauslegung käme damit einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion der Sicherungsvereinbarung gleich. Eine Wirksamkeit der Verpflichtung zur Stellung der Vertragserfüllungsbürgschaft kann deshalb auch nicht beschränkt auf den Zeitraum bis zur Abnahme angenommen werden.
169
Der Bundesgerichtshof hat sich in der genannten Entscheidung ohnehin nur mit der Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Gewährleistungsbürgschaft befasst, nicht aber mit den Voraussetzungen, unter denen die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückgegeben werden muss.
170
Im Übrigen stünde auch eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzunehmende vertragliche Verpflichtung zur Freigabe nicht mehr benötigter Sicherheiten der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung im Streitfall nicht entgegen. Eine derartige Freigabe stellt keinen Automatismus dar. Vielmehr wäre die Hauptschuldnerin im Falle von Meinungsverschiedenheiten über den unklaren Inhalt des Bürgschaftsmusters oder die Verpflichtung zur Freigabe gezwungen, diese gerichtlich zu erstreiten. Ein solcher Rechtsstreit über die Verpflichtung der Freigabe (eines Teils) der Bürgschaft kann sich zeitlich in die Länge ziehen und dadurch der Auftragnehmerin eine unzumutbar lange Zeit Liquidität entziehen, so dass im Streitfall auch bei Annahme einer vertraglichen Freigabeverpflichtung die Sicherungsvereinbarung insgesamt unwirksam wäre.
171
ee)
172
Das Fortbestehen der Vertragserfüllungsbürgschaft nach Abnahme und Schlusszahlung durch die Klägerin führt umso mehr zu einer unzulässigen Übersicherung, weil die Klägerin daneben berechtigt sein sollte, mit der Schlusszahlung einen Gewährleistungs-Sicherheitseinbehalt i.H.v. 5 % der geprüften Bruttoschlussrechnungssumme vorzunehmen.
173
(1)
174
§ 11.1 des Generalunternehmervertrages ermöglicht es der Klägerin nicht nur, auch noch nach Abnahme eine dann unangemessen hohe Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von nahezu 10 % über einen längeren Zeitraum einzubehalten.
175
Nach § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages darf die Klägerin zudem 5 % der geprüften Bruttoschlussrechnungssumme als Gewährleistungs-Sicherheitseinbehalt in Abzug bringen, wenn die Klägerin gleichzeitig wegen nicht abgearbeiteter Protokollmängel auch noch die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückhalten durfte.
176
Im Ergebnis ermöglicht der Generalunternehmervertrag demnach eine Kumulierung der Sicherheiten für die Zeit nach Abnahme auf 15 %.
177
(2)
178
Der weitere, durch das mögliche Nebeneinander von Vertragserfüllungsbürgschaft einerseits und Sicherheitseinbehalt andererseits herbeigeführte Nachteil zulasten der Hauptschuldnerin wird entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht durch § 11.2 des Generalunternehmervertrages nicht hinreichend ausgeglichen.
179
Zwar berechtigt § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages den Auftragnehmer, den Sicherheitseinbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft gemäß § 11.2 des Generalunternehmervertrages abzulösen.
180
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in dem Verweis in § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages auf § 11.2 des Generalunternehmervertrages jedoch keine Verpflichtung der Klägerin zum Austausch der Vertragserfüllungsbürgschaft Zug um Zug gegen die zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts gestellte Gewährleistungsbürgschaft anzunehmen. Wie vorstehend bereits im Einzelnen ausgeführt wurde, hatte die Auftragnehmerin gemäß dem Inhalt der Rückgabeklausel in dem Muster der Vertragserfüllungsbürgschaft gemäß Anlage 17 zum Generalunternehmervertrag nur dann einen Anspruch auf Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft, wenn die Protokollmängel abgearbeitet waren. Mithin kann die Ablösungsmöglichkeit des Sicherheitseinbehalts durch eine Gewährleistungsbürgschaft eine Kumulierung der Sicherheiten für die Zeit nach Abnahme auf 15 % nicht verhindern.
181
Schließlich sieht der Generalunternehmervertrag auch keine Verpflichtung des Auftragnehmers zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts durch eine Gewährleistungsbürgschaft vor, so dass selbst bei Zugrundelegung der klägerischen Auffassung eine Kumulierung der Sicherheiten für die Zeit nach Abnahme auf 15 % möglich wäre.
182
(3)
183
Der unzulässigen Kumulierung der Sicherungsrechte kann die Klägerin schließlich nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass allenfalls die Regelung über den Sicherheitseinbehalt nach § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages eine unzulässige AGB-Klausel darstelle.
184
Dieses Argument greift schon deshalb nicht, weil das Recht auf eine Vertragserfüllungsbürgschaft schon aus sich heraus zu einer Übersicherung nach Abnahme führen kann und damit unabhängig von dem Recht zum Sicherheitseinbehalt unwirksam ist. Aber selbst dann, wenn erst eine Kumulierung der Sicherungsrechte eine Übersicherung bewirken würde, würde dies zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führen.
185
Auch wenn der 5 %-ige Sicherheitseinbehalt für sich genommen innerhalb der von der Rechtsprechung für zulässig gehaltenen Grenze liegt (vgl. BGH NJW 2014, 3642, 3645, Tz. 27), führt die Kombination beider Sicherungsmittel im hier zu beurteilenden Umfang zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede insgesamt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.08.2013 – 19 U 99/12, zit. nach juris, Tz. 39).
186
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher sich der Senat anschließt, kann die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen hinnehmbaren Klausel durch weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Ergibt sich die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers erst aus einer Gesamtwirkung zweier, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Klauseln, führt dies zur Unwirksamkeit beider Klauseln. Dabei obliegt es nicht dem Gericht darüber zu befinden, welche der beiden Klauseln bestehen bleiben soll (BGH NJW 2014, 3642, 3644, Tz. 17).
187
Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch dahinstehen, ob die Regelungen über den Sicherheitseinbehalt in § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages und über die Sicherungsabrede in § 11 des Generalunternehmervertrages nach ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge des Vertrages überhaupt teilbar sind.
188
ff)
189
Da bereits aus den vorstehend dargelegten Gründen die Sicherungsabrede in § 11.1 des Generalunternehmervertrages unwirksam ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die weiteren von der Beklagten und ihrer Streithelferin aufgeführten Erwägungen ebenfalls die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung der Hauptschuldnerin rechtfertigen und deshalb eine Unwirksamkeit der Sicherungsabrede in § 11.1 des Generalunternehmervertrages nach sich ziehen.
190
3.
191
Ob der Klägerin eine über den in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 11.06.2015 unstreitig gestellten Betrag von 601,00 € hinausgehende gesicherte Hauptforderung gegen die Schuldnerin (mindestens) in der geltend gemachten Höhe zusteht (§ 767 Abs. 1 S. 1 BGB), kann dahinstehen, weil sich die Beklagte – wie vorstehend dargelegt - zu Recht auf die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung aus dem Rechtsverhältnis der Hauptschuldnerin zur Klägerin berufen hat
192
II.
193
Nach den vorstehenden Ausführungen besteht kein Anspruch der Klägerin auf die geltend gemachte Bürgschaftsforderung, so dass sie auch keine Verzinsung von der Beklagten, gleich aus welchem Rechtsgrund, verlangen kann.
194
C.
195
I.
196
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
197
II.
198
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
199
III.
200
Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Das Urteil hat keine über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts weil die Entscheidung der gesicherten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt.
24 U 129/15
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.08.2015 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Streithilfe verursachten Kosten.
Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster vom 18.08.2015 sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
G r ü n d e :
2
A.
3
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft zur Absicherung der Ansprüche aus einem Bauvertrag betreffend das Bauvorhaben „B“ in N in Anspruch.
4
Wegen des Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat zunächst gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
5
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
6
In der Bürgschaftsurkunde heißt es auszugsweise wie folgt:
7
„Gemäß der vertraglichen Vereinbarung ist der Auftragnehmer verpflichtet, für die vertragsgemäße Ausführung der ihm übertragenen Leistungen einschließlich der Abrechnung dem Auftraggeber eine Bürgschaft i.H.v. 10 % der Brutto-Auftragssumme zu stellen.“
8
[…]
9
„Die Bürgschaft gilt für sämtliche Ansprüche, insbesondere für die Ansprüche aus Überzahlung des Auftragnehmers einschließlich der Zinsen, wegen Nichterfüllung, wegen Schlechterfüllung, aus Vertragsstrafe und ungerechtfertigter Bereicherung.“
10
[…]
11
„Die Bürgschaft ist unbefristet. Sie ist bei mangelfreier Erfüllung des Vertrages, spätestens nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel, zurückzugeben. Dies gilt nicht, wenn zu dieser Zeit Ansprüche des Auftraggebers noch nicht erfüllt sind.“
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 2 zur Klageschrift überreichte Kopie der Bürgschaftsurkunde Bezug genommen.
13
In dem von der Klägerin mit der mittlerweile insolventen Hauptschuldnerin geschlossenen Generalunternehmervertrag finden sich folgende, von der Klägerin vorformulierte Klauseln:
14
In § 4.13.3 heißt es unter anderem:
15
„Der Auftraggeber ist berechtigt, einen Gewährleistung-Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % der geprüften Bruttoschlussrechnungssumme in Abzug zu bringen. Der Sicherheitseinbehalt gilt für eine Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche von 5 Jahren als vereinbart.
16
[…]
17
Der Auftragnehmer kann den Sicherheitseinbehalt durch eine Bürgschaft gemäß § 11 Punkt zwei dieses Vertrages ablösen.“
18
§ 11.1 enthält folgende Regelung:
19
„Zur Absicherung sämtlicher Ansprüche des Auftraggebers aus diesem Vertrag übergibt der Auftragnehmer diesem bis spätestens 14 Tage nach Vertragsschluss eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 400.000 Euro.
20
[…]
21
Die Vertragserfüllungsbürgschaft muss textlich dem Muster der Anlage 17 entsprechen.“
22
Zur Anlage 17 heißt es in § 2.1 i.V.m. § 2.1.17:
23
„Die Grundlage dieses Vertrages sind: Das Muster einer Vertragserfüllungsbürgschaft (Anlage 17).“
24
Des Weiteren enthält § 11.2 folgende Regelung:
25
„Nach Abnahme des Bauvorhabens hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Gewährleistungsbürgschaft zu übergeben. Die Übergabe erfolgt Zug-um-Zug gegen die Rückgabe der vorgenannten Vertragserfüllungsbürgschaft, soweit diese noch nicht in Anspruch genommen worden ist. […]“
26
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift überreichte Kopie des Generalunternehmervertrages Bezug genommen.
27
Mit dem am 18.08.2015 verkündeten Teilurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
28
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Beklagten als Bürgin vorlägen. Denn der Beklagten stünden gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB die Einwendungen der Schuldnerin aus der Sicherungsabrede mit der Klägerin zu.
29
Habe der Bürge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam sei, so könne er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen habe.
30
Vorliegend sei die der Bürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede unwirksam, weil eine unangemessene Benachteiligung der Schuldnerin durch die Vertragsbedingungen vorliege. Diese unangemessene Benachteiligung liege darin, dass die Auftragnehmerin nach dem Generalunternehmervertrag für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Gewährleistungsansprüche der Klägerin eine Sicherheit in Höhe von mehr als 10 % der Auftragssumme zu leisten habe. Die Sicherungsabrede zwischen den Beteiligten führe dazu, dass die streitgegenständliche Vertragserfüllungsbürgschaft auch über die Abnahme hinaus noch solange einbehalten werden könne, bis etwaige im Abnahmeprotokoll aufgeführte Mängel erledigt seien, in diesem Zeitraum nach § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages aber gleichzeitig darüber hinaus ein Sicherungseinbehalt wegen etwaiger Gewährleistungsansprüche i.H.v. 5 % vorgenommen werden könne.
31
Aus der Bürgschaftserklärung vom 13.12.2010, die gemäß § 11 des Vertrages dem Muster der dortigen Anlage 17 entspreche, folge, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft (erst) bei mangelfreier Erfüllung, spätestens nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel zurückzugeben sei. Danach könne die Klägerin also dann, wenn im Abnahmeprotokoll noch Mängel aufgelistet seien, die noch nicht erledigt seien, die Vertragserfüllungsbürgschaft einbehalten. Dies würde dann zusammengerechnet mit dem zusätzlich möglichen Einbehalt von 5 % zu einer deutlichen Übersicherung führen. Nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien stelle eine derartige Sicherung eine deutliche unangemessene Benachteiligung dar, die zu einer Unwirksamkeit der Sicherungsabrede insgesamt führe. Insoweit komme es nicht darauf an, ob gleichzeitig eine Erfüllungsbürgschaft und eine Gewährleistungsbürgschaft zu stellen sein könnten, da die Übersicherung hier jedenfalls aus dem Nebeneinander von Erfüllungsbürgschaft und der Absicherung durch den Sicherungseinbehalt folgen könne.
32
Die Kammer folge der Auffassung der Klägerin nicht, Voraussetzung für die Unwirksamkeit sei, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft auch nach Abnahme entstehende Mängel absichere. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nicht in diesem Sinne zu verstehen. Maßgeblich seien allein die Höhe und der Zeitraum der (zweifachen) Sicherung, unabhängig davon, für welche konkreten Mängel die Sicherung jeweils zu gewähren sei.
33
Soweit die Klägerin ausführe, die im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel könnten wertmäßig nicht ins Gewicht fallen, so dass wegen der generellen Verpflichtung, eine Übersicherung freizugeben, die einbehaltene Vertragserfüllungsbürgschaft nur noch geringe Summen ausmachen würde, greife so ein Automatismus nicht. Es gebe keine festen Wertgrenzen, ab welcher Höhe eine Abnahme durch die Parteien noch vorgenommen werde oder nicht. Das obliege der jeweiligen Entscheidung der Parteien. Keineswegs sei jedenfalls ausgeschlossen, dass die vom Bundesgerichtshof vorgegebenen Grenzen für die Übersicherung durch die Addition des Wertes der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel und dem 5 % Sicherungseinbehalt erreicht würden.
34
Die Klägerin könne sich nicht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.02.2014, VII ZR 247/02, berufen. In dieser Entscheidung habe der Bundesgerichtshof ergänzende und abweichende Regelungen in einem vorgegebenen Bürgschaftsmuster für nicht relevant und gegenüber der vertraglichen Sicherungsabrede nachrangig erachtet. Dies hatte zur Folge, dass nur auf die vertragliche Regelung abzustellen war. Diese Entscheidung sei hier indessen nicht einschlägig, da im Hauptvertragstext keine Rückgaberegelung vorhanden sei, die der Regelung im Bürgschaftstext, die dem Muster der Anlage 17 des Vertrages entspreche, widerspräche. Anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lägen hier keine Abweichungen zwischen der Regelung im Hauptvertrag und dem Bürgschaftsmuster vor. Vielmehr fehle es im Generalunternehmervertrag an einer Regelung, unter welchen Voraussetzungen die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugewähren sei. Sie folge auch nicht aus § 11.2 des Generalunternehmervertrages, da dieser Passus allein die Modalitäten bzw. Voraussetzungen der Gewährung der Gewährleistungsbürgschaft regele, nicht indes die Voraussetzungen für die Rückgewähr der Vertragserfüllungsbürgschaft. Zwar sei richtig, dass in S. 2 dieses Absatzes geregelt sei, dass die Gewährleistungsbürgschaft Zug um Zug gegen die Rückgabe der vorgenannten Vertragserfüllungsbürgschaft zu erfolgen habe. Daraus folge indes aufgrund des Regelungsgehaltes dieses Absatzes, der systematischen Stellung und der Intention dieses Absatzes sowie auch aus dem Wortlaut und der Dogmatik einer Zug-um-Zug-Verpflichtung lediglich, dass die Gewährleistungsbürgschaft erst Zug um Zug gegen Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft gestellt werden müsse. Daraus ließen sich aber keine Rückschlüsse auf die Voraussetzungen für die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ziehen. Es sei darin nicht geregelt, wann und ab welchem Zeitpunkt diese zurückzugewähren sei. Es spiele keine Rolle, dass dogmatisch gesehen der Zug-um-Zug-Gegenleistung stets auch eine schuldrechtliche Leistungspflicht zugrundeliege. Diese sei hier jedenfalls nicht in diesem Absatz geregelt worden. Das folge zwingend aus der systematischen Stellung der Regelung in dem Absatz, der die Voraussetzungen der Gewährleistungsbürgschaft regele. Es liege aufgrund dieses Standortes der Regelung und des Sinnzusammenhangs mit den „umliegenden“ Regelungen auf der Hand, dass die Parteien in diesem Zusammenhang nicht die Voraussetzungen der Rückgabe der Erfüllungsbürgschaft regeln wollten, zumal sie hierfür in § 11.1 mit dem Verweis auf das Muster eine spezielle Vereinbarung vorgesehen hätten. Die Klägerin möchte der Regelung in § 11.2 eine Bedeutung beimessen, die die Parteien ihr seinerzeit nicht hätten beimessen wollen. Die vertraglichen Regelungen der Parteien erschienen insoweit eindeutig.
35
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Zug-um-Zug-Regelung stelle sich gar nicht. Denn hier gebe es eine eindeutige und in jedem Fall bestimmbare Fälligkeitsregelung für die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft, nämlich in der Bürgschaftserklärung.
36
Es möge in der Natur der Sache liegen, dass die Abnahme Voraussetzung für die Rückgabe der Erfüllungsbürgschaft sei. Das hätten die Parteien aber jedenfalls nicht vertraglich geregelt. Aus diesem Grund könne die Klägerin nicht geltend machen, dass eine ausdrückliche hauptvertragliche Regelung vorliege, die einem etwaigen abweichenden Muster vorgehen würde. Vielmehr fehle es in dem Hauptvertrag an jeglicher Konkretisierung der Voraussetzungen für die Rückgewähr der Vertragserfüllungsbürgschaft. Schon deshalb liege keine Kollision und daher keine Abweichung zwischen der Regelung in dem Bürgschaftstext selbst und dem Hauptvertrag vor, so dass die Klägerin sich nicht darauf berufen könne, dass die Regelung im Muster-/Bürgschaftstext unbeachtlich sei. Vielmehr sei die Regelung in diesem Muster-/Bürgschaftstext die einzige Konkretisierung der Voraussetzungen für die Rückgewähr, die die Parteien vereinbart hätten. Damit sei sie maßgeblich.
37
Unabhängig davon sei es hier anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.02.2014 nicht so, dass sich eine Vertragspartei auf eine für sie günstigere Regelung in dem Muster berufen wolle, um damit die Vereinbarung in dem Hauptvertrag auszuhebeln. Die Beklagte stütze sich nämlich nicht auf eine für sie günstigere Regelung in den Bürgschaftstext, sondern vielmehr auf eine für sie nachteilige Regelung. Es sei zwar zutreffend, dass eine Prüfung der Regelung durch die Rechtsprechung möglicherweise dazu führe, dass die Sicherungsabrede dadurch insgesamt unwirksam werde, was sich dann wieder als vorteilhaft für die Beklagte herausstellen würde. Das mache die Klausel selbst indes für die Beklagte nicht zu einer generell vorteilhaften Klausel. Die Argumentation des Bundesgerichtshofs sei indes darauf gestützt, dass jemand sich nicht die für ihn günstigere Regelung herauspicken könne, wenn er sich im Hauptvertrag auf eine andere Regelung eingelassen habe. Hier sei die Regelung der Auftragnehmerin vorgegeben worden und die Beklagte weise darauf hin, dass diese durch diese Regelung benachteiligt würde. Hier bestehe kein Bedürfnis für eine Korrektur, da diese Abweichung schlichtweg zulasten derjenigen gehen müsse, die die Vertragsbedingung gestellt habe. Es könne der Beklagten daher nicht verwehrt sein, auf diese Regelung im Bürgschaftstext, die allein für die Klägerin vorteilhaft sei, abzustellen. Die Klägerin müsse die rechtlichen Nachteile einer etwaigen Korrektur durch die Rechtsprechung hinnehmen und tragen.
38
Zuletzt weise die Beklagte auch zutreffend darauf hin, dass selbst dann, wenn man in der Regelung in § 11.2 S. 2 des Generalunternehmervertrages eine Fälligkeitsregelung für die Rückgewähr der Vertragserfüllungsbürgschaft sehen würde, diese dahingehend eingeschränkt wäre, dass auch bei Gestellung der Gewährleistungsbürgschaft die Vertragserfüllungsbürgschaft nur zurückgegeben werden müsse, „soweit diese noch nicht in Anspruch genommen worden ist“. Auch diese Regelung allein würde daher schon theoretisch ermöglichen, dass eine Sicherung durch eine teilweise Inanspruchnahme validiert werde und darüber hinaus eine Gewährleistungsbürgschaft i.H.v. 5 % bzw. ein diesbezüglicher Einbehalt gewährt werden müsse. Auch dies könne zu einem deutlich über die Abnahme hinausgehenden Zeitraum für eine Übersicherung im Sinne der Rechtsprechung führen. Daher läge auch schon in alleiniger Anwendung des Generalunternehmervertrages eine Übersicherung vor, die zu einer unangemessenen Benachteiligung durch die Vertragsbedingungen führe, was zu einer Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führe. Denn je nachdem, in welchem Umfang eine Inanspruchnahme der Vertragserfüllungsbürgschaft schon erfolgt sei, könne eine (Über-) Sicherung der Klägerin eintreten, die die von der Rechtsprechung als insoweit unangemessen angesehenen 7 % erreiche.
39
Die Klägerin könne sich auch nicht auf eine vorrangige Regelung in der VOB/B berufen. Eine etwaige Regelung in der VOB/B wäre gegenüber der vertraglichen Vereinbarung in dem Bürgschaftstext bzw. dem Vertragsmuster, das über § 11.1 des Generalunternehmervertrages einbezogen worden sei, nicht vorrangig.
40
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit welcher sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
41
Sie wiederholt im Wesentlichen ihre erstinstanzlich bereits vertretenen Standpunkte und meint, die der Vertragserfüllungsbürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede sei wirksam.
42
Im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen der Auftraggeber zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft verpflichtet sei, seien allein die Regelungen in § 11.2 des Generalunternehmervertrages maßgeblich.
43
Eine Leistung Zug-um-Zug habe die Bedeutung, dass der Schuldner dem Gläubiger nicht unbedingt verpflichtet sei, sondern der gegen ihn gerichtete Anspruch seinerseits von einer Leistung des Gläubigers abhänge. Gläubiger und Schuldner eines Schuldverhältnisses seien jeweils nur dann zur Leistungserbringung verpflichtet, wenn auch die Gegenseite das Erforderliche getan habe, also beispielsweise ihre Leistung angeboten habe. Der Sinn und Zweck der Verpflichtung Zug-um-Zug bestehe darin, dem an einem Güteraustausch Beteiligten einen Schutz davor zu gewähren, dass er seine Leistung erbringe, aber die Leistung des anderen nicht gleichzeitig erhalte. Die Leistung Zug-um-Zug verbinde die beiderseitigen Ansprüche folgerichtig in der Bestimmung der Leistungszeit. Gefordert werde insoweit die Gleichzeitigkeit, bezogen jedoch nicht auf den Eintritt des Leistungserfolges, sondern auf den jeweiligen Zeitpunkt, zu welchem sich die Parteien ihrer Leistung tatsächlich und endgültig entäußerten. Aufgrund der Zug-um-Zug-Verpflichtung sei somit der Zeitpunkt der Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer insoweit bestimmt, als diese gleichzeitig mit der Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft durch den Auftragnehmer an den Auftraggeber zu erfolgen habe.
44
Es sei auch nicht ersichtlich, dass es sich bei der Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftraggeber Zug-um-Zug gegen Empfang der Gewährleistungsbürgschaft um eine bloße Obliegenheit handeln könnte.
45
Es existiere kein Rechtssatz, der dies besage. Das Gegenteil dürfe vielmehr aus der gesetzlichen Grundnorm § 274 Abs. 1 BGB herzuleiten sein. Deren Formulierung deute darauf hin, dass die Gegenleistung Gegenstand einer eigenen Forderungsberechtigung des Schuldners der Zug-um-Zug-Leistung sei und damit eine echte schuldrechtliche Verpflichtung darstelle.
46
Nach § 11.2 des Generalunternehmervertrages habe der Auftragnehmer dem Auftraggeber nach Abnahme des Bauvorhabens eine Gewährleistungsbürgschaft zu übergeben. Der Wortlaut indiziere also ebenfalls, dass es sich insoweit um eine echte schuldrechtliche Verpflichtung handele. Hierfür spreche auch die Regelung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft in § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B. Es sei anerkannt, dass diese Regelung für den Auftragnehmer einen Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft begründe. Es wäre daher nicht verständlich, wenn die hier für den Auftragnehmer grundsätzlich vorteilhaftere Zug-um-Zug-Regelung im Generalunternehmervertrag keine echte schuldrechtliche Verpflichtung, sondern lediglich eine Obliegenheit zum Gegenstand hätte.
47
Selbst wenn es sich bei der Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft um eine bloße Obliegenheit handeln würde, wäre gleichwohl der Zeitpunkt der Fälligkeit der Herausgabeobliegenheit in § 11.2 des Generalunternehmervertrages eindeutig bestimmt, nämlich einerseits durch die Abnahme und andererseits durch das Angebot der Erfüllung des Anspruchs auf Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft durch den Auftragnehmer.
48
In § 11.2 des Generalunternehmervertrages seien somit die zeitlichen und sonstigen notwendigen Voraussetzungen, aufgrund derer die Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftraggeber zurückzugewähren sei, eindeutig geregelt. Danach sei die Vertragserfüllungsbürgschaft zwingend zurückzugeben nach Abnahme des Bauvorhabens und Zug-um-Zug, d.h. gleichzeitig, gegen eine vom Auftragnehmer nach Abnahme zu stellenden Gewährleistungsbürgschaft. Aufgrund der synallagmatischen Verknüpfung der Zug-um-Zug-Leistungen bedingten diese sich somit auch in zeitlicher Hinsicht wechselseitig. Die zeitliche Anbindung der Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft an die Abnahme des Bauvorhabens gelte daher auch für die reziproke Verpflichtung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft.
49
Mit diesem Vortrag habe sich das Landgericht nicht angemessen auseinandergesetzt. Die Auffassung, in § 11.2 seien ausschließlich die Voraussetzungen der Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft bestimmt, verkenne die synallagmatische Verknüpfung der Zug-um-Zug-Verpflichtungen insbesondere in zeitlicher Hinsicht. Aufgrund des wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses der Zug-um-Zug-Leistungen sei die Fälligkeit der einen jeweils durch die Gewährung der anderen Leistung bedingt.
50
Die Regelung im Bürgschaftsmuster weiche von § 11.2 des Generalunternehmervertrages ab, indem sie die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft von der Beseitigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel abhängig mache. Nach dem Text des Generalunternehmervertrages hänge die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft dagegen lediglich von der Zug-um-Zug-Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft ab. Der Auftragnehmer sei zur Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft unverzüglich nach der Abnahme verpflichtet. Auf die Beseitigung von Protokollmängeln komme es dagegen nach § 11.2 nicht an, um die wechselseitigen Verpflichtungen zum Austausch der Bürgschaften auszulösen.
51
Sie habe bereits im Schriftsatz vom 07.08.2015 darauf hingewiesen, dass vertragliche Regelungen, die einen Zug-um-Zug-Austausch der Vertragserfüllungssicherheit gegen die Gewährleistungssicherheit vorsähen, weithin üblich seien. Entsprechende vertragliche Regelungen seien in der Vergangenheit Gegenstand verschiedener Entscheidungen gewesen. Wäre die Auffassung des Landgerichts richtig, dass solche Zug-um-Zug-Verpflichtungen nicht die Voraussetzungen für die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit beinhalteten, hätten die Gerichte allein wegen dieses Regelungsdefizits die Unwirksamkeit der jeweiligen Sicherungsabrede feststellen müssen. Zu einem entsprechenden Ergebnis seien die Gerichte jedoch nicht gelangt.
52
Nach der Rechtsprechung komme dem Muster einer Bürgschaft, auf das in dem Bauvertrag verwiesen werde, keine vertragsändernde Wirkung zu, falls die Sicherungsabrede im Vertrag in dem Sinne abschließend, verständlich und vollständig sei, dass der Hinweis auf das Muster weggelassen werden könnte, ohne dass die Sicherungsabrede dadurch unverständlich oder unvollständig würde. Der Auftragnehmer müsse unter den vorgenannten Voraussetzungen aus seiner Sicht als Erklärungsempfänger die Übergabe des Musters nicht dahin verstehen, dass sich der Inhalt der geschuldeten Bürgschaft nicht nur nach dem Vertragstext, sondern auch nach dem Bürgschaftsmuster richten sollte. Diese Voraussetzungen lägen auch hier vor. Die Sicherungsabrede in § 11.2 des Generalunternehmervertrages regele eindeutig und für den Auftraggeber klar erkennbar, wann die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugeben sei, nämlich nach der Abnahme des Bauvorhabens und Zug-um-Zug gegen Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft durch den Auftragnehmer.
53
Das Landgericht setze sich mit der von ihr zitierten Rechtsprechung nicht in der gebotenen Art und Weise auseinander. Gegenstand der von ihr zitierten Entscheidungen sei die Frage gewesen, ob die vertragliche Sicherungsabrede unter Berücksichtigung des Bürgschaftsmusters auszulegen sei oder nicht. Im Übrigen seien die den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte mit dem vorliegenden ohne weiteres vergleichbar. Das jeweilige Bürgschaftsformular habe keineswegs für den Bürgen im Vergleich zur Sicherungsabrede im Vertragstext günstigere Regelungen enthalten. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Es sei daher nicht ersichtlich, aus welchem Grund die zitierte Rechtsprechung hier keine Anwendung finden solle.
54
Die Nachrangigkeit der Regelungen im Bürgschaftsmuster im Vergleich zu der in § 11.2 des Generalunternehmervertrages enthaltenen Sicherungsabrede folge zudem aus der Rangfolgeregelung in § 2.3.1 des Generalunternehmervertrages. Die Regelung im Bürgschaftsmuster weiche von der vertraglichen Sicherungsabrede insoweit ab, als Letztere die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft lediglich von der Abnahme des Bauvorhabens und der Zug-um-Zug zu übergebenden Gewährleistungsbürgschaft abhängig mache, während im Bürgschaftsmuster zusätzlich die „Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel“ gefordert werde. Auch mit diesem Einwand habe sich das Landgericht in den Entscheidungsgründen nicht befasst.
55
Eine zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führende Kumulierung von Vertragserfüllungs- und Mängelrechtesicherheit im Sinne der durch das Landgericht herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liege weder nach Maßgabe der vertraglichen Regelung in § 11.2 noch unter Berücksichtigung des dem Generalunternehmervertrag als Anlage 17 beigefügten Musters einer Vertragserfüllungsbürgschaft vor.
56
Mit denen in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vergleichbare Regelungen enthielten weder die vertragliche Sicherungsabrede in § 11.2 des Generalunternehmervertrages noch das diesem als Anlage 17 beigefügte Bürgschaftsmuster.
57
Nach der klaren und unmissverständlichen vertraglichen Regelung in § 11.2 sei der Auftraggeber zwingend zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft Zug-um-Zug gegen eine vom Auftragnehmer nach Abnahme zu stellende Gewährleistungssicherheit in (zulässiger) Höhe von 5 % der geprüften Schlussrechnungssumme verpflichtet. Umgekehrt stelle § 11.2, indem die Regelung den Auftragnehmer zur Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft nach der Abnahme verpflichte, sicher, dass der Auftragnehmer die höhere Sicherheit von 10 % für das Vertragserfüllungsstadium zurückerhalte. Ein Nebeneinander von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft für einen nicht unerheblichen Zeitraum nach der Abnahme sei daher durch § 11.2 des Generalunternehmervertrages gerade ausgeschlossen.
58
Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass gemäß § 11.2 S. 2 des Generalunternehmervertrages die Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft Zug-um-Zug gegen die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft erfolge, soweit diese noch nicht in Anspruch genommen worden sei. Die Inanspruchnahme einer Bürgschaft bedeute deren Verwertung, also die Bezahlung des von der Bürgschaft gesicherten Anspruchs, womit die Bürgschaftsverpflichtung erfüllt sei.
59
Auch die Regelungen in § 17 Abs. 8 VOB/B zur Rückgabe von Sicherheiten beträfen ausschließlich „nicht verwertete“ Sicherheiten.
60
Die vertragliche Regelung habe daher nur klarstellende Funktion. Da im Falle einer in Anspruch genommenen, also verwerteten Bürgschaft häufig die Bürgschaftsurkunde bereits nach der Zahlung durch den Bürgen entwertet zurückgegeben wurde, könne Voraussetzung für die Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft nach § 11.2 S. 1 dann nicht mehr die Zug-um-Zug-Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft sein.
61
Durch die Vertragserfüllungsbürgschaft gesichert seien nach dem Bürgschaftsmuster die im Zuge der Abnahmebegehung vor Erteilung der rechtsgeschäftlichen Abnahme festgestellten und in das Abnahmeprotokoll aufgenommenen Mängel. Erst nach deren Erledigung sei die Bürgschaft durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer zurückzugeben. Soweit im folgenden Satz die Rückgabeverpflichtung für den Fall eingeschränkt werde, dass zu dieser Zeit, also spätestens nach der Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel, Ansprüche des Auftraggebers noch nicht erfüllt seien, seien hiermit ersichtlich keine Mängelansprüche, sondern die sonstigen, zwei Absätze zuvor erwähnten Ansprüche wie z.B. aus Überzahlung, aus Vertragsstrafe und ungerechtfertigter Bereicherung gemeint. Bezöge sich der Satz demgegenüber auch auf Mängelansprüche, die nach Abnahme des Bauvorhabens entstünden, käme dem vorherigen Satz keine Bedeutung zu. Durch die im Bürgschaftsmuster vorgesehene Vertragserfüllungsbürgschaft seien somit lediglich die Protokollmängel erfasst.
62
Gemäß der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liege eine zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führende Kumulierung von Vertragserfüllungs-und Gewährleistungssicherheit jedoch nur vor, falls nach der vertraglichen Vereinbarung der Auftraggeber befugt sei, die Bürgschaft noch längere Zeit nach der Abnahme zu behalten und die Vertragserfüllungsbürgschaft zudem die in dem Zeitraum nach der Abnahme entstehenden Mängelansprüche absichere.
63
Regelungen, wonach die Vertragserfüllungsbürgschaft auch Ansprüche erfasse, die nach Abnahme entstünden, enthalte das Bürgschaftsmuster gerade nicht. Die Vertragserfüllungsbürgschaft solle sich danach lediglich auf die vor der Abnahme festgestellten Protokollmängel beziehen, nicht jedoch auf Mängel-/Gewährleistungsansprüche, die erst nach der Abnahme entstünden.
64
Zu berücksichtigen sei im Hinblick auf die nach dem Bürgschaftsmuster erfasste Beseitigung von Protokollmängeln zudem, dass gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Auftraggeber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Pflicht zur teilweisen Freigabe der Bürgschaft treffe, wenn und soweit die Sicherheit nicht mehr benötigt werde, weil der Sicherungszweck (teilweise) weggefallen sei. Ein entsprechender vertraglicher Freigabeanspruch des Sicherungsgebers bestehe auch dann, wenn der Sicherungsvertrag eine ausdrückliche Freigaberegelung nicht oder nur eine unangemessen beschränkende und deshalb unwirksame Freigabeklausel enthalte. Das Fehlen einer ausdrücklichen wirksamen Regelung des vertraglichen Freigabeanspruchs führe deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Sicherheitenvereinbarung.
65
Sollten die Protokollmängel daher wertmäßig nicht ins Gewicht fallen, wovon regelmäßig auszugehen sein dürfte, weil sie die Abnahme nicht hinderten, stünde dem Auftragnehmer ein entsprechender Freigabeanspruch zu.
66
Auch die Regelung in § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages begründe keine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers.
67
Die Vereinbarung begründe nicht die Gefahr einer unzulässigen Überdeckung von Vertragserfüllungs- und Mängelrechtesicherheit.
68
Danach sei der Auftraggeber berechtigt, einen Gewährleistungssicherheitseinbehalt i.H.v. 5 % der geprüften Schlussrechnung in Abzug zu bringen. Der Auftragnehmer könne dann diesen Einbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft nach § 11.2 ablösen. Die Regelung zum Gewährleistungssicherheitseinbehalt greife erst nach der Abnahme sowie Stellung der Schlussrechnung und deren Prüfung. Fällig sei nämlich die Schlusszahlung gemäß § 4.13.2 innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme und Erhalt der prüffähigen Schlussrechnung. Erst ab diesem Zeitpunkt sei überhaupt die Vornahme eines Einbehalts von der Schlussrechnungssumme begrifflich möglich. Nach der Abnahme sei der Auftragnehmer jedoch gemäß § 11.2 des Generalunternehmervertrages unverzüglich zur Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft verpflichtet. Übergebe der Auftragnehmer dem Auftraggeber die Gewährleistungsbürgschaft vertragsgemäß nach der Abnahme, werde damit das Recht auf Vornahme eines Gewährleistungssicherheitseinbehalts gegenstandslos; gleichzeitig habe der Auftraggeber die Vertragserfüllungsbürgschaft Zug-um-Zug an den Auftragnehmer zurückzugeben. Eine Überdeckung der Sicherheiten sei somit ausgeschlossen.
69
Übergebe der Auftragnehmer entgegen § 11.2 des Generalunternehmervertrages dem Auftragnehmer keine Gewährleistungsbürgschaft i.H.v. 5 %, so verhalte er sich vertragswidrig. Gleichzeitig versäume er es, die Voraussetzung für die Fälligkeit der Verpflichtung des Auftraggebers zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft zu schaffen. Der Auftraggeber sei dann nach Eintritt der Fälligkeit der Schlussrechnung berechtigt, gemäß § 4.13.3 einen Gewährleistungssicherheitseinbehalt i.H.v. 5 % vorzunehmen. Da der Gewährleistungssicherheitseinbehalt und die Gewährleistungsbürgschaft sich gemäß § 4.13.3, letzter Satz, wechselseitig ersetzten, sei mit Vornahme des Gewährleistungssicherheitseinbehalts der Auftraggeber nach § 11.2 des Generalunternehmervertrages zwingend zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft verpflichtet. Auch in diesem Fall sei somit eine Überdeckung der Sicherheiten ausgeschlossen.
70
Selbst für den Fall, dass die Regelung in § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages unwirksam sein sollte, weil eine Kumulierung zwischen Gewährleistungssicherheitseinbehalt und Vertragserfüllungsbürgschaft für einen nicht unwesentlichen Zeitraum nach der Abnahme aufgrund der vertraglichen Regelungen nicht ausgeschlossen sei, hätte dies nicht die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede über die Vertragserfüllungsbürgschaft zur Folge. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnten inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stünden. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung sei, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden müsse, ergreife die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. § 4.13.3 sei nicht Bestandteil der Sicherungsabrede in § 11. Die Klausel sei sprachlich wie inhaltlich von der Sicherungsabrede in § 11 abtrennbar, weil auch nach Wegstreichen von § 4.13.3 die Sicherungsabrede in § 11 aus sich heraus verständlich und sinnvoll bleibe. Dort sei eindeutig und unmissverständlich geregelt, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft Zug-um-Zug gegen Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft zurückzugeben sei. Zwischen § 11 und § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages bestehe daher kein unauflösbarer wechselseitiger Bezug, der zur Annahme einer konzeptionellen Einheit beider Regelungen führen könnte. Vielmehr könne die Sicherungsabrede in § 11 des Generalunternehmervertrages ohne die Bestimmung über den Gewährleistungssicherheitseinbehalt an anderer Stelle des Generalunternehmervertrages – wirksam – bestehen bleiben. § 4.13.3 sei somit von § 11 des Generalunternehmervertrages teilbar mit der Folge, dass auch im Falle der Unwirksamkeit von § 4.13.3 die vertragliche Sicherungsabrede in § 11 hiervon unberührt und wirksam bleibe.
71
Die Klägerin beantragt,
72
das Urteil des Landgerichts Münster vom 18.08.2015, Az. 025 O 125/14 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 200.000,00 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2012 zu zahlen.
73
Die Beklagte und deren Streithelferin beantragen,
74
die Berufung zurückzuweisen.
75
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
76
Die Beklagte meint, gegen die Annahme der Klägerin, aus den Regelungen des Generalunternehmervertrages lasse sich eine abschließende Verpflichtung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ableiten, sprächen mehrere Gründe.
77
In § 11. 1 des Generalunternehmervertrages selbst sei keine Regelung enthalten, wann die Vertragserfüllungssicherheit zurückgegeben werden müsse. Insofern müsse die Klägerin § 11.2 heranziehen und versuchen, aus der Verpflichtung zur Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft gleichzeitig eine Bestimmung abzuleiten, zu welchem Zeitpunkt die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugeben sei.
78
Die Verpflichtung zur Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft sei jedoch unabhängig von dem Rückgabezeitpunkt der Vertragserfüllungsbürgschaft zu sehen. Die Klägerin verkenne die Reichweite der Regelung in § 11.2 des Generalunternehmervertrages. Durch die Verurteilung Zug-um-Zug gegen Erbringung einer Leistung werde dem jeweiligen Anspruchsgegner nichts zugesprochen. Der Anspruchsinhaber werde insofern auch nicht zur Erbringung der Gegenleistung verpflichtet. Es erwachse insofern lediglich die Leistungspflicht des Anspruchsgegners in Rechtskraft, nicht aber die Pflicht des Anspruchstellers zur Gegenleistung. Die noch ausstehende Gegenleistung gebe dem jeweiligen Anspruchsgegner lediglich eine aufschiebende Einrede. Wenn nach vorstehenden Ausführungen aber lediglich die Leistungspflicht Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft begründet werde, nicht jedoch die Zug-um-Zug-Verpflichtung Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft, hätte die Hauptschuldnerin die „Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft“ nach Abnahme verweigern können, wenn die Vertragserfüllungsbürgschaft nicht zurückgereicht worden wäre. Sie hätte jedoch auf „Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft“ keinen Anspruch gehabt. Eine rechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Übergabe der Vertragserfüllungsbürgschaft sei nicht verankert. Also habe für die Hauptschuldnerin auch in zeitlicher Hinsicht kein vertraglich verankerter Anspruch auf Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft nach Abnahme bestanden. Damit fehle es an einem Zeitpunkt der Rückgabeverpflichtung.
79
Die Klägerin blende in ihrer Argumentation auch den letzten Halbsatz von § 11.2 des Generalunternehmervertrages aus, wonach die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft nur insoweit geregelt sei, wie diese „noch nicht in Anspruch genommen worden ist“. Die Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 10 % könne nach dem Wortlaut des Vertrages zurückgehalten werden, wenn vor Abnahme der Leistung ein Mangel, der wertmäßig mit 250,00 € zu beziffern wäre, nur geltend gemacht werde und deswegen auch die Bürgschaft in Anspruch genommen werde. In dieser Konstellation sehe sogar der ausdrückliche Wortlaut des § 11.2 des Generalunternehmervertrages vor, dass nicht einmal die Gewährleistungsbürgschaft nur Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen sei. Nach dem Wortlaut des Vertrages existiere diese Verpflichtung nur dann, wenn eine Inanspruchnahme der Vertragserfüllungsbürgschaft noch nicht erfolgt sei. Die Höhe der Inanspruchnahme sei in dem Vertrag nicht benannt. Es stünde der Klägerin damit frei, einen wertmäßig noch so geringen Mangel geltend zu machen, um dann nach Abnahme sowohl eine Gewährleistungsbürgschaft i.H.v. 5 % der Schlussrechnungssumme verlangen zu können als auch die Vertragserfüllungsbürgschaft in voller Höhe zurück behalten zu dürfen. Diese vertragliche Regelung weiche explizit vom Wortlaut des § 17 Nr. 8 VOB/B ab, der ausdrücklich vorsehe, dass eine Vertragserfüllungssicherheit bei Abnahme nur in Höhe eines entsprechenden Teils der Sicherheit zurückgehalten werden dürfe, der den Ansprüchen des Auftraggebers, die nicht von der gestellten Sicherheit für Mängelansprüche umfasst seien, entspreche. Hierdurch sei sichergestellt, dass eben nicht für Kleinstansprüche die volle Vertragserfüllungssicherheit zurückgehalten werden dürfe.
80
In dem Moment, wo man über eine Auslegung von § 11 des Generalunternehmervertrages debattieren könne, sei die hier zu entscheidende Rechtsfrage in ihrem Sinne zu beantworten. Dies folge aus dem Rechtsgrundsatz, dass sich der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen bei Unklarheiten für die Inhaltskontrolle entgegenhalten lassen müsse, welche für den Vertragspartner denkbar ungünstigste Regelung aus dem Regelwerk herausgelesen werden könne.
81
Soweit die Klägerin hervorhebe, dass § 17 Nr. 8 VOB/B sogar nachteilig im Vergleich zu der hier streitigen Regelung in § 11.2 des Generalunternehmervertrages sei, sei zu berücksichtigen, dass die Zug-um-Zug-Verpflichtung zur Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft lediglich einredebehaftet für den Fall sei, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft durch die Klägerin nicht zurückgegeben werde, so dass daraus für den Auftragnehmer (die Hauptschuldnerin) im vorliegenden Fall erst einmal nur folge, dass sie die Gewährleistungsbürgschaft nicht stellen müsste, wenn sie sich auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Übergabe der Vertragserfüllungsbürgschaft) berufen würde. Das gleiche Recht stehe ihr nach § 17 Nr. 8 VOB/B zu. Im Gegensatz zur hiesigen Konstellation jedoch begründe § 17 Nr. 8 VOB/B einen Anspruch auf Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit. Ein solcher Anspruch existiere vorliegend jedoch nicht. Es bestehe lediglich eine Einrede. Die Folge wäre, dass die Klägerin nach Abnahme eine Sicherheit i.H.v. 10 % der Auftragssumme zurückbehalten dürfte, was ebenfalls zu einer Übersicherung führe.
82
Da es an einer abschließenden Regelung im Generalunternehmervertrag für den Rückgabezeitpunkt der Vertragserfüllungssicherheit fehle, sei auf das von der Klägerin vorgegebene Bürgschaftsmuster zurückzugreifen, welchem die streitgegenständliche Bürgschaft entspreche.
83
In den Fällen, in denen der Text einer Sicherungsabrede nicht abschließend sei, jedoch auf ein Bürgschaftsmuster verweise, konkretisiere dieses Bürgschaftsmuster den Inhalt der Sicherungsabrede. Eine Regelung darüber, wann die Vertragserfüllungssicherheit zurückgegeben werden müsse, sei in dem von der Klägerin vorgegebenen Bürgschaftsmuster, das die vertragliche Regelung insofern ergänze, enthalten. Wenn eine solche explizite Regelung für den Rückgabezeitpunkt der Vertragserfüllungsbürgschaft bestehe, müsse die Klägerin hier wieder die Unklarheitenregel gegen sich gelten lassen. In dem von der Klägerin vorgegebenen Bürgschaftsmuster sei explizit geregelt, wann und unter welchen Bedingungen die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugeben sei. In dieser Deutlichkeit finde dies keine Erwähnung im Generalunternehmervertrag.
84
Zwar sei richtig, dass vertragliche Regelungen, die einen Zug-um-Zug-Austausch von Vertragserfüllungssicherheiten gegen Gewährleistungssicherheiten vorsähen, üblich seien. Die Klägerin verkenne jedoch die Reichweite besagter Zug-um-Zug-Verpflichtung. Der Anspruch auf Gestellung einer Gewährleistungssicherheit wäre bei Ausbleiben der Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit einredebehaftet. Die jeweilige Auftragnehmerin müsste die Gewährleistungssicherheit nicht stellen. In Abweichung zur hiesigen Konstellation hätten sich die von der Klägerin zitierten Urteile nicht mit der Konstellation zu beschäftigen gehabt, dass die Zug-um-Zug Rückgabe als einziger Ansatzpunkt für die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit herangezogen werden sollte.
85
Die Rechtsprechung zur Übersicherung stelle in allen Urteilen auf explizite vertragliche Regelungen ab, die eine Rückreichung der Vertragserfüllungsbürgschaft vorsahen. Stets war die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die es dem Auftragnehmer theoretisch ermöglichten, über den Abnahmezeitpunkt hinaus über die Vertragserfüllungssicherheit unangemessen hoch besichert zu sein.
86
Für die Zeit nach Abnahme habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Sicherheiten von mehr als 5 % nach Abnahme den Auftragnehmer unangemessen benachteiligten und entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen insofern unwirksam seien. Der von ihr zitierten Rechtsprechung liege stets der Grundgedanke zugrunde, dass nach der kundenfeindlichsten Auslegung es dem Auftraggeber nicht möglich sein solle, nach Abnahme eine höhere Sicherheit in den Händen zu halten. An welche Voraussetzungen dieses Behaltendürfen geknüpft sei, sei dabei gleichgültig. Insofern könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, das dem Wortlaut nach die hier streitgegenständliche Sicherungsabrede nicht identisch mit der einschlägigen Rechtsprechungspraxis sei.
87
Es komme nicht darauf an, dass die Vertragserfüllungssicherheit nicht ausdrücklich auch Mängelansprüche absichere. Es gehe um das Zurückbehaltungsrecht der Klägerin für die Höhe der Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 10 % der Auftragssumme nach Abnahme. Dabei sei darauf hinzuweisen, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Bürgschaft diese „sämtliche Ansprüche“ absichern solle. Im Folgenden würden „insbesondere“ weitere Ansprüche aufgelistet, was aber dem Wortlaut nach „sämtliche Ansprüche“ gerade nicht einschränke, sondern lediglich für weitergehende Anspruchsarten präzisiere. Wenn sämtliche Ansprüche abgesichert seien, seien damit nach der kundenfeindlichsten Auslegung auch Mängelansprüche erfasst.
88
Soweit die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft unter Berufung auf eine Einrede verweigert werden dürfe, sofern die Klägerin die Vertragserfüllungssicherheit nach Abnahme nicht übergebe, sei nichts dazu gesagt, was mit dem Einbehalt nach § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages zu geschehen habe. Das Recht zur Vornahme dieses Einbehaltes sei unbedingt von der Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft. Dabei komme es wieder zu der Konstellation, dass die Klägerin eine Gewährleistungssicherheit (nämlich durch Einbehalt anstelle einer Bürgschaft) bereits von sich aus vornehmen konnte, parallel dazu jedoch auch noch eine Vertragserfüllungssicherheit zurückhalten durfte. Hier wiege der Einbehalt für die Hauptschuldnerin durch den Vorhalt liquider Mittel sogar noch weit schwerer.
89
Die Ausführungen der Klägerin zur Teilbarkeit der Sicherungsabrede griffen ebenfalls nicht. Würde man den Passus „sofern diese noch nicht in Anspruch genommen ist“ oder „nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel“ streichen, würde das vertraglich eingeräumte Recht der Klägerin, bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eben die volle Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzuhalten, entfallen. Dann wäre die Sicherheit geringwertiger.
90
Die Streithelferin der Beklagten meint, die vertragliche Regelung in § 11.1 und § 11.2 des Generalunternehmervertrages i.V.m. dem Textmuster für die Bürgschaftsurkunde führe zu einer unzulässigen Kumulierung der zehnprozentigen Vertragserfüllungsbürgschaft und des fünfprozentigen Gewährleistungsbareinbehaltes.
91
Die Vertragserfüllungsbürgschaft decke auch Mängelansprüche des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer ab. Die Rückgabe der Bürgschaft sei in toto an die mangelfreie Erfüllung inklusive Beseitigung der Protokollmängel geknüpft. Eine Reduzierung der Sicherheit auf einem Betrag, der in einer angemessenen Relation zum Wert der verbleibenden Protokollmängel stünde, sehe die Regelung gerade nicht vor. Mit diesem starren Automatismus missachte die Regelung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen dem berechtigtem Sicherungsinteresse des Auftraggebers einerseits und dem Freigabeinteresse des Auftragnehmers andererseits.
92
Die von der Klägerin gewählte Konstruktion benachteilige den Auftragnehmer deshalb unangemessen, weil sie ihm gegebenenfalls zumute, wegen nur geringer Restmängel, deren Klärung sich unter Umständen über Jahre in die Länge ziehen könne, trotzdem die volle Vertragserfüllungssicherheit vorhalten zu müssen, auch wenn deren Wert das Mängelvolumen deutlich übersteige. Dies schmälere in erheblichem Maße den faktischen Kreditrahmen des Auftragnehmers und belaste dessen Liquidität.
93
Der Bundesgerichtshof mache die Wirksamkeit von Sicherungsabreden gemeinhin unter anderem davon abhängig, dass der Auftragnehmer jedenfalls nach dem Ende der regulären Sicherungsfrist wenigstens einen Anspruch auf Teilfreigabe gestellter Sicherheiten habe, wenn und soweit deren Volumen den Wert eines berechtigten und zeitlich gegebenenfalls längeren Sicherungsinteresses des Auftraggebers übersteige. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Freigabepflicht gälten auch im vorliegenden Fall. Ihnen trage die Klauselgestaltung der Klägerin nicht hinreichend Rechnung. Der Ausschluss des Rechtes auf Teilfreigabe führe ebenfalls zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede.
94
Die Sicherungsabrede führe auch deshalb zu einer unangemessenen Übersicherung der Klägerin, weil sie ihm neben 10 %iger Erfüllungs- + 5 %iger Mängelsicherheit zusätzlich noch weitere Ansprüche aus übergeleitetem Recht als kumulative Sicherheit verschaffe. Zwar sei die Vorausabtretung nach § 13.5 und 13.6 des Generalunternehmervertrages aufschiebend bedingt für den Fall einer Insolvenz der Hauptschuldnerin. Gerade in diesem Fall setze jedoch gemeinhin ein Wettlauf und Wettbewerb der bevorrechtigten Sicherungsnehmer gegenüber den bloßen Massegläubigern ein. Demzufolge sei die Frage nach der Wirksamkeit des gesamten Sicherungskonzeptes der Klägerin nicht alleine danach zu bewerten, ob es die Hauptschuldnerin unangemessen benachteilige, sondern auch, ob es zu einer unberechtigten Benachteiligung einzelner Insolvenzgläubiger führe, der kein adäquates Sicherungsinteresse des Auftraggebers gegenüberstehe.
95
So lägen die Dinge auch hier. Es sei nicht erkennbar, warum die Klägerin in den Genuss eines Sicherungspaketes kommen sollte, dessen Gesamtvolumen den für das Erfüllungsstadium inzwischen gefestigten Satz von 10 % der Auftragssumme bei weitem übersteige. Für den nach Abnahme zulässigen Grenzwert von 5 % der Abrechnungssumme gelte dies erst recht. Die Unangemessenheit der Sicherungskonstruktion werde sogar noch dadurch verstärkt, dass die Vorausabtretung in §§ 13.5 und 13.6 weder betragsmäßig noch in zeitlicher Hinsicht begrenzt sei und ihr auch eine Freigaberegelung fehle.
96
Da es im Falle eines Zusammentreffens mehrerer benachteiligender Regelungen nicht Aufgabe des Gerichts sei auszusuchen, welche der betroffenen Klauseln bestehen bleiben solle, führe die aufgezeigte Kumulierung zur Nichtigkeit aller Klauseln, aus denen sich das Sicherungskonzept der Klägerin zusammensetze.
97
Jedenfalls bei kundenfeindlicher Auslegung sei die Regelung in § 4.15 des Generalunternehmervertrages geeignet, den gesamten und im Übrigen ohne weiteres fälligen Vergütungsanspruch – im Extremfall bis zu 100 % – solange zu sperren, als es an der Vorlage einer Vertragserfüllungsbürgschaft fehle. Auch dies verschaffe dem Auftraggeber ein unberechtigtes Sicherungsvolumen, das wegen potentieller Übersicherung zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führe.
98
Im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22.12.2016 vertritt die Streithelferin der Beklagten zudem die Ansicht, ein weiterer Unwirksamkeitsgrund der gesamten Sicherungsabrede wegen Übersicherung folge auch daraus, dass das von der Klägerin vorgegebene Vertragsgefüge den Zeitpunkt der Abnahme durch zusätzliche, teils auch intransparente Voraussetzungen in § 10 des Generalunternehmervertrages auf unbestimmte Zeit nach hinten verschiebe. Diese zusätzlichen Hürden hätten zur Folge, dass die nach dem gesetzlichen Leitbild vorgesehenen Abnahmewirkungen noch lange nicht einträten, obwohl in technischer Hinsicht längst Abnahmereife im Sinne des § 640 BGB gegeben sei. Damit werde das Erfüllungsstadium „künstlich“ und ohne materielle Rechtfertigung verlängert, was damit letztlich den sicherungspflichtigen Auftragnehmer in dreifacher Hinsicht unangemessen benachteilige:
99
Je weiter die Abnahme hinausgeschoben werde, umso später beginne und ende die Gewährleistungsfrist. Letztlich komme der Auftraggeber damit faktisch in den Genuss einer längeren Gewährleistungsfrist. Der Auftragnehmer müsse die Sicherheit länger als nach dem dispositiven Recht vorhalten.
100
Je später kraft Abnahme der Wechsel vom Erfüllungs- in das Gewährsleistungsstadium vollzogen werde, umso länger wäre die Klägerin zum Einbehalt der zehnprozentigen Erfüllungssicherheit berechtigt, während bei früherem Abnahmemodus die Sicherheit auf 5 % zu reduzieren sei.
101
Je später kraft Abnahme der Wechsel vom Erfüllungs- in das Gewährleistungsstadium vollzogen werde, umso länger trage der Auftragnehmer auch die Beweislast für die Mangelfreiheit der ausgeführten Leistungen, was dem Auftraggeber im Mangelfall wiederum den Zugriff auf die Sicherheit erleichtere im Vergleich zur selben Situation nach Abnahme.
102
Ein weiterer Unwirksamkeitsgrund ergebe sich aus dem Nebeneinander von (zunächst) 10 %iger Erfüllungs- und (sodann) 5 %iger Mängelrechtesicherheit (§ 11 Generalunternehmervertrag) einerseits und kumulativer zeitlich wie betragsmäßig unbeschränkter Vorausabtretung aller auch künftiger und bedingter Mängelbeseitigungs- und Gewährleistungsansprüche, die dem Auftragnehmer gegen dessen Nachunternehmer zustünden, andererseits (vgl. § 5.8 und § 13.5 Generalunternehmervertrag). Für eine derartige Anhäufung von Sicherheiten mit gleichzeitiger Verkürzung gewährleistungsrechtlichen Handlungsspielraums des Auftragnehmers gegenüber seinen Nachunternehmern sei ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers nicht zu erkennen.
103
Erst recht in der Gesamtschau aller angesprochenen unangemessenen Einzelregelungen ergebe sich eine massive Benachteiligung der Hauptschuldnerin, die zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führe.
104
Außerdem stellen die Beklagte und ihre Streithelferin das Bestehen der von der Klägerin verfolgten Hauptforderung infrage, die der Geltendmachung der Bürgschaftsforderung zugrunde liegt.
105
B.
106
Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts vom 18.08.2015 bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
107
I.
108
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 200.000,00 € gemäß § 765 Abs. 1 BGB, der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage. Die Beklagte kann einem möglicherweise bestehenden Anspruch der Klägerin aus § 765 Abs. 1 BGB die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung aus dem Rechtsverhältnis der Hauptschuldnerin zur Klägerin entgegenhalten.
109
1.
110
Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass sich der Bürge, der eine Sicherung gewährt hat, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam ist, gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen kann, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen hat. Denn der Bürge muss grundsätzlich keine weitergehenden Leistungen als der Hauptschuldner erbringen (BGH NJW 2009, 1664, 1665, Tz. 9; 2011, 2125, 2126, Tz. 11; 2015, 856, 857, Tz. 14; vgl. hierzu auch Nossek, NJW 2015, 1985, 1988 ff.).
111
2.
112
Die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin über die Gewährung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in § 11.1 des Generalunternehmervertrages vom 30.11.2010 in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Muster der Vertragserfüllungsbürgschaft (Anlage 17 zum Generalunternehmervertrag) ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da sie die Hauptschuldnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
113
a)
114
Die maßgeblichen Vereinbarungen stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB dar.
115
Unstreitig wurden die Vertragsbedingungen des Generalunternehmervertrages einseitig von der Klägerin gestellt.
116
Jedenfalls die für die Stellung der Sicherheiten relevanten Klauseln wurden zudem für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt. Sie waren nicht spezifisch auf das hier zu beurteilende Bauvorhaben zugeschnitten, sondern bereits nach ihrer Gestaltung und ihrem Inhalt auf eine mehrfache Verwendung angelegt (vgl. BGH NJW 2015, 1952, 1953, Tz. 30).
117
Dass die entsprechenden Vereinbarungen individuell ausgehandelt worden seien, macht die Klägerin nicht geltend.
118
b)
119
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wurden gemäß § 305 Abs. 2 BGB in den Vertrag einbezogen. Beide Vertragsparteien haben den die Klauseln beinhaltenden Generalunternehmervertrag unterzeichnet.
120
c)
121
Die Vereinbarungen über die Gewährung der Vertragserfüllungsbürgschaft sind gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da sie die Hauptschuldnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
122
aa)
123
Eine zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer getroffene Sicherungsabrede, nach der Letzterer eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen hat, benachteiligt den Auftragnehmer gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen und ist daher unwirksam, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH NJW 2016, 2802, 2803, Tz. 15).
124
Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich der Auftraggeber ohne angemessenen Ausgleich Sicherheiten einräumen lässt, die dem Auftragnehmer in unangemessenem Umfang Liquidität entziehen oder ihn in Höhe eines unangemessenen Betrages mit dem Insolvenzrisiko des Auftraggebers belasten (vgl. BGH NJW 2016, 2802, 2803, Tz. 17).
125
Dabei kann sich die unangemessene Benachteiligung auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben (BGH NJW 2016, 2802, 2803, Tz. 15).
126
bb)
127
In Konkretisierung der vorstehenden Grundsätze hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass zur Besicherung der Vertragserfüllung vor Abnahme im Erfüllungsstadium eine Bürgschaft, die 10 % der Auftragssumme nicht übersteigt, regelmäßig von dem berechtigten Sicherungsinteresse des Begünstigten gedeckt und damit auch bei formularmäßiger Vereinbarung wirksam ist. Der finanzielle Mehraufwand des Begünstigten im Fall einer Insolvenz des Hauptschuldners während der Vertragsausführung wird 10 % der Auftragssumme regelmäßig erreichen oder übersteigen (BGH NJW 2014, 1725, 1726, Tz. 15; 2011, 2125, 2126, Tz. 19).
128
Demgegenüber liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers vor, wenn die vom Auftraggeber gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu führen, dass der Auftragnehmer für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft iHv 7 % der Auftragssumme oder mehr zu leisten hat (BGH NJW 2015, 856, 858, Tz. 18; 2014, 3642, 3644, Tz. 24).
129
cc)
130
Zwar ist im Streitfall bei Anwendung der vorstehend dargestellten Grundsätze eine Übersicherung der Klägerin für die Zeit vor der Abnahme des Werks nicht ersichtlich, da sich die nach § 11.1 des Generalunternehmervertrages von der Hauptschuldnerin beizubringende Vertragserfüllungsbürgschaft mit nicht mehr als 10 % der Auftragssumme im zulässigen Rahmen hielt.
131
dd)
132
Eine zu einer unangemessenen Benachteiligung der Hauptschuldnerin führende Übersicherung der Klägerin besteht jedoch nach dem Generalunternehmervertrag für die Zeit nach Abnahme des Werks, da die Klägerin auch für diese Zeit durch die Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von nahezu 10 % der Auftragssumme abgesichert ist.
133
(1)
134
§ 11.1 des Generalunternehmervertrages gestattet es der Klägerin, die nach dieser Vereinbarung geschuldete Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe eines Betrages von nahezu 10 % der Auftragssumme über die Abnahme hinaus noch so lange einzubehalten, bis etwaige im Abnahmeprotokoll noch aufgeführte Mängel erledigt sind.
135
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung dient die Vertragserfüllungsbürgschaft der Absicherung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus dem Vertrag. Gesichert sind mithin auch Gewährleistungsansprüche der Klägerin nach Abnahme des Werks (vgl. zu einem insoweit vergleichbaren Fall BGH NJW 2014, 1725, 1726, Tz. 18).
136
(2)
137
Nach der vertraglichen Gestaltung war die Vertragserfüllungsbürgschaft auch nicht unmittelbar mit der Abnahme des Werks zurückzugeben.
138
(aa)
139
§ 11.1 des Generalunternehmervertrages beinhaltet unmittelbar keine Regelung, unter welchen Voraussetzungen die von der Hauptschuldnerin zu stellende Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugewähren ist.
140
(bb)
141
Entgegen der Auffassung der Klägerin sieht auch § 11.2 des Generalunternehmervertrages keinen eigenen Anspruch der Auftragnehmerin auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft vor, sondern lediglich ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Stellung der Gewährleistungsbürgschaft, ohne dass sich hieraus Rückschlüsse auf die Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ziehen lassen.
142
Das Zurückbehaltungsrecht ist ein Sicherungsmittel und dient zugleich mittelbar als Druckmittel der Durchsetzung des Gegenanspruchs. Es begründet aber kein Befriedigungsrecht (MüKoBGB/Krüger, 7. Aufl. 2016, BGB § 273 Rn. 3; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 273, Rn. 1).
143
Insbesondere steht auf der Grundlage von § 11.2 des Generalunternehmervertrages nicht fest, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft zwingend nach Abnahme des Bauvorhabens und Zug um Zug gegen eine von der Hauptschuldnerin nach Abnahme zu stellende Gewährleistungsbürgschaft zurückzugeben ist. Aus der Vereinbarung folgt lediglich der Anspruch der Klägerin auf Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft nach Abnahme des Bauvorhabens Zug um Zug gegen Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft. Eine zwingende und ggf. klagbare vertragliche Verpflichtung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ist jedoch in § 11.2 des Generalunternehmervertrages nicht vereinbart.
144
Eine Rückgabeverpflichtung hinsichtlich der Vertragserfüllungsbürgschaft ist dementsprechend durch § 11.2 des Generalunternehmervertrages nicht in Abhängigkeit von der Fertigstellung und Abnahme des Werks begründet worden (vgl. zu einem insoweit vergleichbaren Fall BGH NJW 2014, 1725, 1726, Tz. 18).
145
(cc)
146
Ein Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ergibt sich ferner nicht aus § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B.
147
Zwar ist die Einbeziehung der VOB/B in § 2.1.21 des Generalunternehmervertrages vereinbart. Die Vertragsparteien haben jedoch in § 11.1 des Generalunternehmervertrages in Verbindung mit der Anlage 17 zum Vertrag einen hiervon abweichenden Rückgabezeitpunkt vereinbart, so dass dieser im Streitfall maßgeblich ist (vgl. Rudolph/Koos, in: Beck'scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl., § 17 Abs. 8 VOB/B, Rn. 36).
148
Der Vorrang der vertraglich vereinbarten Rückgaberegelung folgt im Übrigen bereits aus § 2.3.1 des Generalunternehmervertrages, der bestimmt, dass die unter § 2.1 des Generalunternehmervertrages vorgegebene Reihenfolge innerhalb der Vertragsbestandteile die Rangfolge bestimmt. Danach genießt gemäß § 2.1.17 des Generalunternehmervertrages das Muster einer Vertragserfüllungsbürgschaft (Anlage 17) Vorrang vor der VOB/B (§ 2.1.21 des Generalunternehmervertrages).
149
§ 11.1 des Generalunternehmervertrages nimmt hinsichtlich der Vertragserfüllungsbürgschaft Bezug auf das dem Vertrag als Anlage 17 beigefügte Muster, welchem die streitgegenständliche Bürgschaftsurkunde tatsächlich entspricht. Nach dem Bürgschaftsmuster sollte die Klägerin die unbefristet vereinbarte Bürgschaft erst spätestens nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel zurückgeben müssen.
150
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auf die in der Anlage 17 zum Generalunternehmervertrag getroffene Regelung über die Herausgabeverpflichtung der Vertragserfüllungsbürgschaft im Rahmen der AGB-Kontrolle abzustellen.
151
Zwar kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einem durch Verweis in der Sicherungsabrede als Anlage zum Bauvertrag beigefügtem Bürgschaftsmuster mit abweichenden Regelungen zu den Anforderungen an die zu stellende Bürgschaft regelmäßig keine vertragsändernde Wirkung zu (BGH NJW-RR 2004, 814, 815; so auch OLG Hamm NJW-RR 2006, 31, 32; OLG Brandenburg, Urteil vom 21.06.2007 – 12 U 181/06, zit. nach juris, Tz. 28 f.).
152
Dies gilt aber nur, soweit die Sicherungsabrede im Vertrag in dem Sinne abschließend, verständlich und vollständig ist, dass der Hinweis auf das Muster weggelassen werden könnte, ohne dass die Sicherungsabrede dadurch unverständlich oder unvollständig würde. Liegt dem Vertrag eine Sicherungsabrede zu Grunde, die den Inhalt der Gewährleistungsbürgschaft offen lässt und allein auf das Muster des Auftraggebers verweist, so ist der Inhalt dieses Musters maßgeblich (vgl. BGH NJW 2000, 1863, 1864).
153
So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass im Streitfall keine Abweichungen zwischen der Regelung im Hauptvertrag und dem Bürgschaftsmuster vorlägen. Tatsächlich beinhaltet das Bürgschaftsmuster lediglich Ergänzungen zur Regelung der im Vertragstext – wie vorstehend bereits dargelegt - nicht geregelten Frage der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft. Es mangelt mithin an einer Abweichung zwischen der Regelung im Hauptvertrag und dem Bürgschaftsmuster. Durch die Bezugnahme auf die Anlage 17 in § 11.1 des Generalunternehmervertrages wurde der Inhalt des Bürgschaftsmusters somit zum Vertragsinhalt erhoben. Der Inhalt der vertraglichen Vereinbarung beurteilt sich daher (auch) nach den im Bürgschaftsmuster vorgesehenen Rückgaberegelungen.
154
(dd)
155
Das somit maßgebliche Bürgschaftsmuster gestattet der Klägerin mithin auch nach der Abnahme über einen möglicherweise nicht unerheblichen Zeitraum die Zurückbehaltung der Vertragserfüllungsbürgschaft. Der Streit über im Abnahmeprotokoll aufgeführte Mängel und deren Beseitigung kann sich – je nach den Umständen - längere Zeit hinziehen, insbesondere im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung bis hin zu mehreren Jahren. Die Anforderungen, welche an die Konkretisierung des zur unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers führenden erheblichen Zeitraums über die Abnahme hinaus zu stellen sind, dürfen nicht überspannt werden (Nossek, NJW 2015, 1985, 1989). Vor diesem Hintergrund führt das Vertragswerk zweifellos zu einer Übersicherung der Klägerin für die Zeit nach Abnahme des Werks.
156
(ee)
157
Darüber hinaus benachteiligt die Rückgaberegelung im Muster der Vertragserfüllungsbürgschaft die Hauptschuldnerin entgegen Treu und Glauben auch deshalb unangemessen, weil die Klägerin nach der Vertragsgestaltung die als Höchstbetragsbürgschaft gegebene Vertragserfüllungsbürgschaft auch nach Abnahme unabhängig davon „behalten“ kann, in welcher Höhe sie zu diesem Zeitpunkt noch gesicherte Ansprüche hat, sofern solche nur überhaupt existieren. So würde etwa ein ganz geringer berechtigter Anspruch der Klägerin ausreichen, um eine Bürgschaft in Höhe von 200.000,00 € zurückzuhalten, was zu entsprechend hohen finanziellen Belastungen der Hauptschuldnerin führen würde und ihr auch Liquidität entziehen würde (vgl. zur insoweit vergleichbaren Situation im Falle einer Gewährleistungsbürgschaft BGH NJW 2015, 1952, 1954, Tz. 40).
158
Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass den Auftraggeber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Pflicht zur teilweisen Freigabe der Bürgschaft treffe, wenn und soweit die Sicherheit nicht mehr benötigt werde.
159
Der Wortlaut des Bürgschaftsmusters schließt jedenfalls nach der vorliegend gemäß § 305c Abs. 2 BGB gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. BGH NJW 2009, 2051, Tz. 11; NJW 2014, 1725, 1727, Tz. 19) ein Recht zur Freigabe der Vertragserfüllungsbürgschaft aus, soweit sie nicht mehr gebraucht wird. Eine Regelungslücke als Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist mithin nicht ersichtlich.
160
(ff)
161
Die zuvor dargelegte Unwirksamkeit der Regelung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft im Bürgschaftsmuster führt zur Unwirksamkeit der gesamten auf die Vertragserfüllungsbürgschaft bezogenen Sicherungsabrede in § 11.1 des Generalunternehmervertrages.
162
Verstößt der Inhalt einer Allgemeinen Geschäftsbedingung teilweise gegen die §§ 307 ff. BGB, so ist die maßgebliche Klausel grundsätzlich im Ganzen unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion ist unzulässig, und zwar auch im kaufmännischen Verkehr (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 306 BGB, Rn. 6). Dies führt im Streitfall zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede in § 11.1 des Generalunternehmervertrages, weil diese Vereinbarung so eng mit der unwirksamen Regelung zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft im Bürgschaftsmuster verknüpft ist, dass die Vereinbarung der Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft nicht isoliert aufrechterhalten werden kann.
163
Dem steht die Regelung des § 306 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Danach richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften, soweit die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind. Da das dispositive Recht keinen Anspruch des Bestellers auf eine Gewährleistungssicherheit vorsieht, existieren zwar im Streitfall keine ausdrücklichen Regelungen über die etwaige Rückgewähr solcher Sicherheiten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann in derartigen Fällen aber grundsätzlich auch eine nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung einer Lücke, die durch die Unwirksamkeit einer der Inhaltskontrolle unterliegenden Klausel entstanden ist, heranzuziehen sein, wenn der Regelungsplan der Parteien in Folge der Lücke einer Vervollständigung bedarf. Das ist dann anzunehmen, wenn dispositives Gesetzesrecht zur Füllung der Lücke nicht zur Verfügung steht und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet (BGH NJW 2015, 1952, 1954, Tz. 46; Palandt/Grüneberg, a. a. O., Rn. 13).
164
Eine derartige ergänzende Vertragsauslegung scheidet im Streitfall aus.
165
Zwar kommt im Grundsatz in Fällen einer unwirksamen Freigabeverpflichtung in Betracht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf den vertraglichen Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgabe nicht mehr benötigter Sicherheiten abzustellen (vgl. BGH NJW 2015, 1952, 1954, Tz. 48). Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung zugunsten der Klägerin als Verwenderin besteht jedoch aufgrund ihrer Formulierungsverantwortung nur im Ausnahmefall (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 305c, Rn. 17).
166
Die vorstehend zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift im Streitfall vor diesem Hintergrund nicht ein.
167
Die Klägerin im dort entschiedenen Fall begehrte Schadensersatz für Kosten im Zusammenhang mit einer von ihr gestellten Gewährleistungsbürgschaft. Ohne die vom Bundesgerichtshof vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung hätte infolge des ersatzlosen Wegfalls der vereinbarten Freigaberegelung mangels dispositiven Gesetzesrechts kein Anspruch der Klägerin bestanden, was im dortigen Fall keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung dargestellt hätte.
168
Im Streitfall würde die Ersetzung der unwirksam vereinbarten AGB-Freigaberegelung durch eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmende zulässige Freigaberegelung allein den Interessen der Klägerin als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugutekommen, ohne die berechtigten Interessen der Hauptschuldnerin zu berücksichtigen. Die ergänzende Vertragsauslegung käme damit einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion der Sicherungsvereinbarung gleich. Eine Wirksamkeit der Verpflichtung zur Stellung der Vertragserfüllungsbürgschaft kann deshalb auch nicht beschränkt auf den Zeitraum bis zur Abnahme angenommen werden.
169
Der Bundesgerichtshof hat sich in der genannten Entscheidung ohnehin nur mit der Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Gewährleistungsbürgschaft befasst, nicht aber mit den Voraussetzungen, unter denen die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückgegeben werden muss.
170
Im Übrigen stünde auch eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzunehmende vertragliche Verpflichtung zur Freigabe nicht mehr benötigter Sicherheiten der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung im Streitfall nicht entgegen. Eine derartige Freigabe stellt keinen Automatismus dar. Vielmehr wäre die Hauptschuldnerin im Falle von Meinungsverschiedenheiten über den unklaren Inhalt des Bürgschaftsmusters oder die Verpflichtung zur Freigabe gezwungen, diese gerichtlich zu erstreiten. Ein solcher Rechtsstreit über die Verpflichtung der Freigabe (eines Teils) der Bürgschaft kann sich zeitlich in die Länge ziehen und dadurch der Auftragnehmerin eine unzumutbar lange Zeit Liquidität entziehen, so dass im Streitfall auch bei Annahme einer vertraglichen Freigabeverpflichtung die Sicherungsvereinbarung insgesamt unwirksam wäre.
171
ee)
172
Das Fortbestehen der Vertragserfüllungsbürgschaft nach Abnahme und Schlusszahlung durch die Klägerin führt umso mehr zu einer unzulässigen Übersicherung, weil die Klägerin daneben berechtigt sein sollte, mit der Schlusszahlung einen Gewährleistungs-Sicherheitseinbehalt i.H.v. 5 % der geprüften Bruttoschlussrechnungssumme vorzunehmen.
173
(1)
174
§ 11.1 des Generalunternehmervertrages ermöglicht es der Klägerin nicht nur, auch noch nach Abnahme eine dann unangemessen hohe Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von nahezu 10 % über einen längeren Zeitraum einzubehalten.
175
Nach § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages darf die Klägerin zudem 5 % der geprüften Bruttoschlussrechnungssumme als Gewährleistungs-Sicherheitseinbehalt in Abzug bringen, wenn die Klägerin gleichzeitig wegen nicht abgearbeiteter Protokollmängel auch noch die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückhalten durfte.
176
Im Ergebnis ermöglicht der Generalunternehmervertrag demnach eine Kumulierung der Sicherheiten für die Zeit nach Abnahme auf 15 %.
177
(2)
178
Der weitere, durch das mögliche Nebeneinander von Vertragserfüllungsbürgschaft einerseits und Sicherheitseinbehalt andererseits herbeigeführte Nachteil zulasten der Hauptschuldnerin wird entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht durch § 11.2 des Generalunternehmervertrages nicht hinreichend ausgeglichen.
179
Zwar berechtigt § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages den Auftragnehmer, den Sicherheitseinbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft gemäß § 11.2 des Generalunternehmervertrages abzulösen.
180
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in dem Verweis in § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages auf § 11.2 des Generalunternehmervertrages jedoch keine Verpflichtung der Klägerin zum Austausch der Vertragserfüllungsbürgschaft Zug um Zug gegen die zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts gestellte Gewährleistungsbürgschaft anzunehmen. Wie vorstehend bereits im Einzelnen ausgeführt wurde, hatte die Auftragnehmerin gemäß dem Inhalt der Rückgabeklausel in dem Muster der Vertragserfüllungsbürgschaft gemäß Anlage 17 zum Generalunternehmervertrag nur dann einen Anspruch auf Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft, wenn die Protokollmängel abgearbeitet waren. Mithin kann die Ablösungsmöglichkeit des Sicherheitseinbehalts durch eine Gewährleistungsbürgschaft eine Kumulierung der Sicherheiten für die Zeit nach Abnahme auf 15 % nicht verhindern.
181
Schließlich sieht der Generalunternehmervertrag auch keine Verpflichtung des Auftragnehmers zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts durch eine Gewährleistungsbürgschaft vor, so dass selbst bei Zugrundelegung der klägerischen Auffassung eine Kumulierung der Sicherheiten für die Zeit nach Abnahme auf 15 % möglich wäre.
182
(3)
183
Der unzulässigen Kumulierung der Sicherungsrechte kann die Klägerin schließlich nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass allenfalls die Regelung über den Sicherheitseinbehalt nach § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages eine unzulässige AGB-Klausel darstelle.
184
Dieses Argument greift schon deshalb nicht, weil das Recht auf eine Vertragserfüllungsbürgschaft schon aus sich heraus zu einer Übersicherung nach Abnahme führen kann und damit unabhängig von dem Recht zum Sicherheitseinbehalt unwirksam ist. Aber selbst dann, wenn erst eine Kumulierung der Sicherungsrechte eine Übersicherung bewirken würde, würde dies zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führen.
185
Auch wenn der 5 %-ige Sicherheitseinbehalt für sich genommen innerhalb der von der Rechtsprechung für zulässig gehaltenen Grenze liegt (vgl. BGH NJW 2014, 3642, 3645, Tz. 27), führt die Kombination beider Sicherungsmittel im hier zu beurteilenden Umfang zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede insgesamt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.08.2013 – 19 U 99/12, zit. nach juris, Tz. 39).
186
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher sich der Senat anschließt, kann die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen hinnehmbaren Klausel durch weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Ergibt sich die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers erst aus einer Gesamtwirkung zweier, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Klauseln, führt dies zur Unwirksamkeit beider Klauseln. Dabei obliegt es nicht dem Gericht darüber zu befinden, welche der beiden Klauseln bestehen bleiben soll (BGH NJW 2014, 3642, 3644, Tz. 17).
187
Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch dahinstehen, ob die Regelungen über den Sicherheitseinbehalt in § 4.13.3 des Generalunternehmervertrages und über die Sicherungsabrede in § 11 des Generalunternehmervertrages nach ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge des Vertrages überhaupt teilbar sind.
188
ff)
189
Da bereits aus den vorstehend dargelegten Gründen die Sicherungsabrede in § 11.1 des Generalunternehmervertrages unwirksam ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die weiteren von der Beklagten und ihrer Streithelferin aufgeführten Erwägungen ebenfalls die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung der Hauptschuldnerin rechtfertigen und deshalb eine Unwirksamkeit der Sicherungsabrede in § 11.1 des Generalunternehmervertrages nach sich ziehen.
190
3.
191
Ob der Klägerin eine über den in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 11.06.2015 unstreitig gestellten Betrag von 601,00 € hinausgehende gesicherte Hauptforderung gegen die Schuldnerin (mindestens) in der geltend gemachten Höhe zusteht (§ 767 Abs. 1 S. 1 BGB), kann dahinstehen, weil sich die Beklagte – wie vorstehend dargelegt - zu Recht auf die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung aus dem Rechtsverhältnis der Hauptschuldnerin zur Klägerin berufen hat
192
II.
193
Nach den vorstehenden Ausführungen besteht kein Anspruch der Klägerin auf die geltend gemachte Bürgschaftsforderung, so dass sie auch keine Verzinsung von der Beklagten, gleich aus welchem Rechtsgrund, verlangen kann.
194
C.
195
I.
196
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
197
II.
198
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
199
III.
200
Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Das Urteil hat keine über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts weil die Entscheidung der gesicherten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt.