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22.08.2017 · IWW-Abrufnummer 196002

Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 18.11.2016 – 4 Ta 278/16

Die Sanktion für die Missachtung der Anordnung des persönlichen Erscheinens richtet sich, wenn es sich bei der Partei um eine juristische Person handelt, gegen den geladenen gesetzlichen Vertreter.

Die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien für einen (weiteren) Güteversuch unterliegt im arbeitsgerichtlichen Verfahren keinen strengeren Voraussetzungen als im allgemeinen Zivilprozess.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Geschäftsführers der Beklagten gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 29.09.2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.



Gründe



I.



Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer der im Ausgangsrechtsstreit beklagten Partei. Er wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgelds wegen Nichterscheinens in der Kammerverhandlung am 29.09.2016.



Die Parteien des Ausgangsrechtsstreits streiten über die Wirksamkeit einer fristlos und hilfsweise fristgerecht ausgesprochenen Kündigung, über die Anmeldung der Klägerin zur Sozialversicherung sowie über Zahlungsansprüche. Dabei ist zwischen den Parteien insbesondere streitig, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang die Klägerin vertraglich geschuldete Arbeitsleistungen erbracht hat.



Mit Beschluss vom 09.05.2016 hat das Arbeitsgericht Kammertermin auf den 23.06.2016 anberaumt und zu diesem Termin das persönliche Erscheinen der klagenden Partei sowie des Geschäftsführers der Beklagten "zu Aufklärungs- und Vergleichszwecken" angeordnet. Mit Schriftsatz vom 23.06.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mitgeteilt, dass der Geschäftsführer der Beklagten den Termin am 23.06.2016 urlaubsbedingt nicht wahrnehmen könne und darum gebeten, den Kammertermin aufzuheben und zu verlegen "zumal mit Schriftsatz vom 19.05.2016 noch eine Klageerweiterung erfolgte".



Das Arbeitsgericht hat den auf den 23.06.2016 anberaumten Kammertermin sodann auf den 29.09.2016 (12:45 Uhr) verlegt und den Geschäftsführer der Beklagten ausweislich des Ladungsvermerks der Geschäftsstelle formlos zu dem neuen Termin geladen.



Nachdem der Geschäftsführer zum Kammertermin am 29.09.2016 nicht erschienen war, hat das Arbeitsgericht, das auf die mündliche Verhandlung vom 29.09.2016 ein Teilurteil sowie einen Hinweis- und Auflagenbeschluss verkündet hat, durch Beschluss vom 29.09.2016 gegen den Geschäftsführer der Beklagten wegen dessen Nichterscheinens ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 EUR verhängt.



Gegen diesen Beschluss, der dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 10.10.2016 zugestellt worden ist, hat der Geschäftsführer der Beklagten mit einem am 15.10.2016 bei dem Amtsgericht Siegburg und am 17.10.2016 bei dem Arbeitsgericht Siegburg eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.



Der Geschäftsführer der Beklagten führt darin aus, dass er am 29.09.2016 als Dozent bei einem Fachseminar für außerklinische Beatmung tätig gewesen sei, das nicht habe abgesagt werden können.



Mit Beschluss vom 03.11.2016 hat das Arbeitsgericht Siegburg es abgelehnt, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen. Auf die Gründe des Beschlusses (Bl. 94 GA) wird Bezug genommen.



II.



Die sofortige Beschwerde des Geschäftsführers der Beklagten gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 29.09.2016 ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.



1. Die Beschwerde des Geschäftsführers der Beklagten ist zulässig.



a. Die sofortige Beschwerde ist statthaft, wie sich aus § 141 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 380 Abs. 3 ZPO ergibt.



b. Die sofortige Beschwerde des Geschäftsführers des Beklagten ist auch gemäß § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO fristgerecht eingelegt worden.



2. Die sachlichen Einwände gegen den Ordnungsgeldbeschluss vom 29.09.2016 sind jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat bei Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses in nicht zu beanstandender Weise das ihm nach 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO zustehende Ermessen ausgeübt.



a. Zutreffend hat das Arbeitsgericht den Ordnungsgeldbeschluss gegen den zum Kammertermin am 05.10.2007 geladenen Geschäftsführer der Beklagten persönlich gerichtet. Der Geschäftsführer der Beklagten wurde in seiner Eigenschaft als organschaftlicher gesetzlicher Vertreter der beklagten juristischen Person zum Kammertermin geladen. Bei juristischen Personen wie der Beklagten kommt gemäß § 141 ZPO nur die Anhörung des gesetzlichen Vertreters in Betracht (LAG Köln, Beschluss vom 13. Februar 2008 - 7 Ta 378/07 -, Rn. 21, [...] unter Verweis auf BGH, Urteil vom 19. Oktober 1964 - II ZR 109/62 -, Rn. 14, [...]). Die Anordnung der Anhörung "der Partei" ist in diesem Sinne zu verstehen (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 141 Rn. 2). Folgerichtig richtet sich auch die Sanktion für die Missachtung der Anordnung des persönlichen Erscheinens gegen den geladenen gesetzlichen Vertreter (LAG Köln, Beschluss vom 13. Februar 2008 - 7 Ta 378/07 -, Rn. 21; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 141 ZPO, Rn. 13). Der Geschäftsführer der Beklagten hat den Ordnungsgeldbeschluss dementsprechend auch zutreffend als gegen sich persönlich gerichtet verstanden, wie seine Beschwerdeschrift vom 11.10.2016 zeigt.



b. Die Entschuldigung, die der Geschäftsführer der Beklagten für sein Nichterscheinen im Termin vom 29.09.2016 im Rahmen der Beschwerde vorgetragen hat, ist nicht ausreichend im Sinne von § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 381 Sätze 1 und 2 ZPO.



aa. Es ist bereits nicht erkennbar, ob die Tätigkeit als Dozent bei einem Fachseminar für außerklinische Beatmung einer Wahrnehmung des auf 12:45 Uhr anberaumten Gerichtstermins tatsächlich entgegenstand. Der Geschäftsführer der Beklagten beschränkt sich darauf mitzuteilen, er sei am 29.09.2016 als Dozent tätig gewesen. Zum zeitlichen Umfang und zur zeitlichen Lage seiner Dozententätigkeit führt er nichts aus, ebenso wenig zum Tätigkeitsort.



bb. Es kann indes offenbleiben, ob die Dozententätigkeit des Geschäftsführers der Beklagten sich grundsätzlich als geeigneter Entschuldigungsgrund für sein Fernbleiben darstellen kann oder nicht. Denn in jedem Falle hätte der Geschäftsführer der Beklagten seine Verhinderung mitteilen und um eine Verlegung des Termins nachsuchen müssen statt dem Termin einfach fernzubleiben. Wäre der Geschäftsführer der Beklagten entsprechend vorgegangen, hätte das Arbeitsgericht klären können, ob die Dozententätigkeit der Wahrnehmung des Gerichtstermins tatsächlich entgegensteht. Bejahendenfalls hätte das Arbeitsgericht prüfen können, ob die mit dem Gerichtstermin kollidierende Dozententätigkeit einen erheblichen Grund für einer Terminsänderung gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO darstellt. Das Arbeitsgericht hätte - wiederum bejahendenfalls - den Termin verlegen und dem Geschäftsführer der Beklagten die Teilnahme ermöglichen können. Dass dem Geschäftsführer der Beklagten diese Möglichkeit bekannt war, ergibt sich bereits daraus, dass er dem Gericht über den Prozessbevollmächtigten der Beklagten seine urlaubsbedingte Abwesenheit am ursprünglich vorgesehenen Terminstag (23.06.2016) hatte mitteilen lassen.



Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten dem nunmehr - nach Mitteilung seiner urlaubsbedingten Abwesenheit am 23.06.2016 - auf den 29.09.2016 verlegten Termin ohne vorherige Ankündigung und Begründung ferngeblieben ist, kann er sich nicht nachträglich auf das objektive Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes berufen. Denn gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 381 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO muss eine Partei, die meint, ihr Fernbleiben entschuldigen zu können - ebenso wie ein zum Termin geladener Zeuge, der meint, sein Fernbleiben entschuldigen zu können - sein Fernbleiben rechtzeitig genügend entschuldigen. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, ist sie nur ausreichend, wenn den Ferngebliebenen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Der Geschäftsführer der Beklagten hat sein Fernbleiben nicht rechtzeitig angekündigt, sondern er ist zum Termin ohne Vorankündigung schlicht nicht erschienen. Anhaltspunkte dafür, dass er keine Möglichkeit hatte, seine Verhinderung am Terminstag rechtzeitig mitzuteilen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal die Tätigkeit als Dozent mutmaßlich mit einer gewissen Vorlaufzeit geplant wird.



cc. Durch das Ausbleiben des Geschäftsführers der Beklagten ist auch die Sachverhaltsaufklärung erschwert worden. Der Rechtsstreit konnte im Termin am 29.09.2016 nicht - zumindest erstinstanzlich - vollständig beendet werden. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes scheidet zwar aus, wenn das Gericht ungeachtet der Abwesenheit der Partei oder ihrer nicht ordnungsgemäßen Vertretung in dem Termin, zu dem das persönliche Erscheinen angeordnet worden ist, den Rechtsstreit durch Protokollierung eines Prozessvergleichs oder Erlass eines Urteils beendet (vgl. Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Mai 2015 - 4 Ta 5/15 (3) -, Rn. 20, [...]). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da das auf die mündliche Verhandlung vom 29.09.2016 ergangene Teilurteil den Rechtsstreit nicht für die erste Instanz beendet, also keine vollständige Entscheidungsreife, die der Verhängung eines Ordnungsgelds entgegenstehen könnte (vgl. BAG, Beschluss vom 01. Oktober 2014 - 10 AZB 24/14 -, Rn. 22, [...]), gegeben war.



dd. Neben der im vorliegenden Fall gegebenen Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung, ist durch das Ausbleiben des Geschäftsführers der Beklagten auch der weitere Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens vereitelt worden, der darin bestand den Versuch einer gütlichen Streitbeilegung unter unmittelbarer Beteiligung der Parteien vorzunehmen.



Das Arbeitsgericht hat das persönliche Erscheinen der Parteien ausdrücklich auch für einen weiteren Güteversuch ("zu Vergleichszwecken") angeordnet. Gem. § 57 Abs. 2 ArbGG soll die gütliche Erledigung des Rechtsstreits während des ganzen Verfahrens angestrebt werden. Das Arbeitsgericht ist auch berechtigt, das persönliche Erscheinen der Parteien zu diesem Zweck anzuordnen. Dies ergibt sich entweder unmittelbar aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 278 Abs. 3 ZPO. Demnach soll auch für weitere Güteversuche das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. "Sollen" bedeutet, dass die Anordnung regelmäßig zu ergehen hat und nur "in atypischen Fällen" unterbleiben kann (vgl. BT-Drs. 14/6036, 121; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 278 ZPO, Rn. 12).



Hält man § 278 Abs. 3 ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren für nicht anwendbar, weil die Vorschrift durch die Spezialregelung des § 51 ArbGG verdrängt werde (so Germelmann, ArbGG, 8. Aufl., § 54 Rn. 2; GK-ArbGG/Schütz, Stand März 2013, § 54 Rn. 6), so ergibt sich die Befugnis zur Anordnung des persönlichen Erscheinen der Parteien für einen (weiteren) Güteversuch jedenfalls aus § 51 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Wie sich aus § 57 Abs. 2 ArbGG ergibt, kommt der Streitbeilegung durch Vergleich im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine besondere Bedeutung zu (LAG Köln, Beschluss vom 12. Juni 2002 - 4 Sa 480/02 -, Rn. 2, [...]). Das hat zur Folge, dass die Befugnis zur Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien zum Zwecke eines (weiteren) Güteversuchs im arbeitsgerichtlichen Verfahren keinen strengeren Voraussetzungen unterliegen kann als im allgemeinen Zivilprozess. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens gem. § 51 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist daher stets dann zulässig, wenn sie im allgemeinen Zivilprozess gem. § 278 Abs. 3 ZPO zulässig wäre.



ee. Soweit das Bundesarbeitsgericht entschieden hat, der Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens nach § 141 Abs. 1 ZPO bestehe allein darin, die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern, weshalb Ordnungsgeld nur festgesetzt werden könne, wenn durch das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert werde (BAG, Beschluss vom 01. Oktober 2014 - 10 AZB 24/14 -, Rn. 14, [...]), steht dies der Verhängung des Ordnungsgelds im vorliegenden Fall nicht entgegen. Zum einen konnte der Rechtsstreit im Kammertermin am 29.09.2016 nicht - zumindest erstinstanzlich - abschließend erledigt werden, zum anderen erfasst die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nur den Fall, in dem die Anordnung des persönlichen Erscheinens ausschließlich gem. § 141 Abs. 1 ZPO, also "zur Aufklärung des Sachverhalts", erfolgt ist. Ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens demgegenüber - wie im vorliegenden Fall - ausdrücklich auch für einen Güteversuch erfolgt, also gem. § 278 Abs. 3 ZPO bzw. gem. § 51 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, und wird dieser Zweck durch das Nichterscheinen der Partei vereitelt, kommt es für die Verhängung eines Ordnungsgelds nicht darauf an, ob zusätzlich durch das Nichterscheinen auch die Sachaufklärung erschwert worden ist.



ee. Die Höhe des Ordnungsgeldes von 300 EUR ist mit Rücksicht auf die grundsätzlich in Betracht zu ziehende Spannbreite von 5 EUR bis 1.000 EUR moderat gewählt und auch mit Rücksicht auf den Gesamtstreitwert des Verfahrens in keiner Weise zu beanstanden (vgl. zur Höhe des Ordnungsgelds Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 30. Mai 2009 - 10 Ta 109/09 -, Rn. 24, [...]).



III. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat der Beschwerdeführer



die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.



IV. Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

Vorschriften§ 380 Abs. 3 ZPO, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 141 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 381 Sätze 1 und 2 ZPO, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO, §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 381 Abs. 1 Sätze 1, 2 ZPO, § 57 Abs. 2 ArbGG, § 278 Abs. 3 ZPO, § 51 ArbGG, § 51 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 141 Abs. 1 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO

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