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22.08.2017 · IWW-Abrufnummer 196015

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Beschluss vom 11.07.2017 – 5 TaBV 13/16

1. Eine Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Der Ausschluss aus dem Betriebsrat kann ein weniger einschneidendes Mittel sein, künftige Störungen im Arbeitsverhältnis zu verhindern, ohne sogleich das gesamte Arbeitsverhältnis zu beenden. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein Ausschlussverfahrens nach § 23 BetrVG gegenüber der außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB vorrangig.

2. Grobe Beschimpfungen, Verunglimpfungen oder Beleidigungen des Arbeitgebers durch ein Betriebsratsmitglied sind mit dem Gebot zu vertrauensvoller Zusammenarbeit ( § 2 Abs. 1 BetrVG ) unvereinbar und geeignet, einen Ausschluss aus dem Betriebsrat zu rechtfertigen. Die Beleidigung als Arschloch stellt eine schwere verbale Entgleisung dar.

3. Die Präklusionswirkung einer vorherigen gerichtlichen Entscheidung richtet sich nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag (Klageziel) und dem zugehörigen Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird. Das gilt auch für Beschlussverfahren zum Ausschluss aus dem Betriebsrat ( § 23 Abs. 1 BetrVG ). Verbraucht sind nur Ausschlussgründe, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde.


Tenor:

1. Auf die Beschwerde der beteiligten Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund vom 03.05.2016, Aktenzeichen 1 BV 5/16, wird dieser teilweise abgeändert.

Der Beteiligte zu 3) wird aus dem Betriebsrat des Betriebs der Beteiligten zu 1) im A-Stadt (D. Klinik) ausgeschlossen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



Gründe



A.



Die Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, hilfsweise dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat wegen Störung des Betriebsfriedens.



Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) betreibt im A-Stadt eine Rehabilitationseinrichtung mit rund 120 Beschäftigten, die D. Klinik. Die D. Klinik besteht aus den Fachkliniken für Orthopädie, Innere Medizin und Psychosomatik. Chefarzt der Psychosomatik ist Herr Dr. G.. Die Klinik verfügt über 258 Betten. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden. Der Betriebsrat der D. Klinik (Beteiligter zu 2) besteht aus sieben Mitgliedern.



Die Arbeitgeberin stellte den 1967 geborenen, ledigen und nicht unterhaltsverpflichteten Beteiligten zu 3) zum 01.04.2012 als Psychologen ein. Im November 2012 wurde er in den siebenköpfigen Betriebsrat gewählt, dessen Vorsitz er übernahm. Im September 2013 kam es zur Neuwahl des Betriebsrats, nachdem mehrere Betriebsratsmitglieder ihr Amt niedergelegt hatten. Der Beteiligte zu 3) wurde wiederum in den Betriebsrat gewählt. Der Betriebsrat bestimmte ihn erneut zum Vorsitzenden.



Zwischen den Beteiligten gibt es zahlreiche Auseinandersetzung, die zu verschiedenen Gerichts- und Einigungsstellenverfahren führten. Die Arbeitgeberin versuchte bereits mehrfach, die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu erlangen (vgl. z. B. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24. Mai 2016 - 2 TaBV 22/15 - juris = ArbR 2016, 562). Im November 2013 beantragten 48 Beschäftigte der D. Klinik den Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat wegen nachhaltiger Störung des Betriebsfriedens, Gefährdung der Patientenversorgung und Schädigung des Ansehens der Klinik in der Öffentlichkeit (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20.01.2016 - 5 TaBV 11/15 -). Der Antrag blieb u. a. deshalb erfolglos, weil nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts bei den verschiedenen E-Mails, Aushängen und sonstigen Äußerungen nicht eine Diffamierung von Personen im Vordergrund stand und die Grenzen der Meinungsfreiheit gewahrt waren.



Die Betriebspartner schlossen am 18.11.2015 nach Anrufung der Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung über ein betriebliches Entgeltsystem. Danach setzt sich das monatliche Entgelt aus dem Grundgehalt, Zulagen, Zuschlägen, vermögenswirksamen Leistungen und evtl. sonstigen Zahlungen zusammen. Die Betriebsvereinbarung enthält ein Entgeltgruppenschema mit insgesamt 13 Gruppen. In §§ 9, 10 der Betriebsvereinbarung sind Qualifikations- bzw. Funktionszulagen geregelt. Da sich die Beteiligten nicht über alle strittigen Punkte einigen konnten, entschied die Einigungsstelle über den Fälligkeitszeitpunkt der Gratifikationszahlung und über die Abstände zwischen den Entgeltgruppen. Der Einigungsstellenspruch war Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 5 TaBV 17/16 - juris). Zwischen den Betriebspartnern gibt es verschiedene Meinungsverschiedenheiten zur Umsetzung der Betriebsvereinbarung Entgeltsystem.



Am 18.03.2016 fand eine Betriebsversammlung statt, an der auch zwei Vertreter des Marburger Bundes teilnahmen. In dieser Betriebsversammlung präsentierte der Beteiligte zu 3) eine Liste mit Qualifikations- und Funktionszulagen, die der Betriebsrat von dem Kaufmännischen Direktor mit der Kennzeichnung "VERTRAULICH" erhalten hatte. In der Liste sind insgesamt 38 Zulagenzahlungen mit dem jeweiligen Geldbetrag und der zugrundeliegenden Qualifikation bzw. Funktion aufgeführt, wobei die Beteiligten zu 2) und 3) in einigen Zeilen den Betrag löschten. Die hier nur auszugsweise wiedergegebene Liste hat den folgenden Inhalt:



"...



..."



Auf der Betriebsversammlung am 18.03.2016 ging es weiterhin um die schnellere Bearbeitung von Dienstplanänderungswünschen. Eine Arbeitnehmerin schlug vor, hierfür ein Komitee einzurichten. Der Chefarzt Dr. G. regte daraufhin an, einen Tausch von Diensten bei einer Vorlaufzeit von weniger als 24 Stunden nicht an die Zustimmung des Betriebsrats zu koppeln und bei mehr als 24 Stunden ein Komitee entscheiden zu lassen. Eine Arbeitnehmerin schlug vor, die Anträge in einer Box zu sammeln. Als möglichen Standort für diese Box nannte der Chefarzt das Sekretariat der Psychosomatik. Daraufhin erklärte der Beteiligte zu 3) gegenüber der Belegschaft:



"Wenn die Box bei Dr. G. steht, dann ist ja klar, was passiert. Dann wird aussortiert. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen."



Das veranlasste den Chefarzt zu der folgenden Äußerung:



"Sie Arschloch"



Der Beteiligte zu 3) verwies den Chefarzt daraufhin des Raumes. Der Chefarzt befolgte die Aufforderung nach kurzer Diskussion, kam aber später wieder zurück und nahm an der restlichen Betriebsversammlung teil.



Der Beteiligte zu 3) und weitere anwesende Betriebsratsmitglieder verfassten in der Betriebsratssitzung am 23.03.2016 das folgende Schreiben an den Chefarzt Dr. G., das zugleich allen Beschäftigten in der Regionaldirektion und der Zentralverwaltung sowie dem Marburger Bund zur Kenntnis gegeben werden sollte:



"...



Betriebsversammlung vom 18.3.2016



"Sie Arschloch!"



Werter Herr Dr. G.,



in unserer Betriebsversammlung vom 18.3.2016 haben Sie vorgeschlagen, im Sekretariat der Psychosomatik einen Topf aufzustellen, in den Beschäftigte unserer Klinik ihre Wünsche einwerfen können. In Reaktion auf die Skepsis des Unterzeichners bezüglich eines solchen Verfahrens titulierten Sie ihn lautstark als "Sie Arschloch". Sie rechtfertigten Ihre Ausdrucksweise mit der Wut, in die Sie sich und die um Sie herumsitzenden über fast eine Stunde systematisch hineingesteigert hatten.



Grundsätzlich spricht natürlich auch aus Sicht des Betriebsrats nichts gegen basisdemokratische Abstimmungen, sofern der Wille der Beschäftigten frei geäußert werden kann. Leider ist das in unserer Klinik - wie Sie wissen - nicht immer der Fall. Wir haben mehrfach erlebt, dass Beschäftigte zu Wünschen genötigt werden, die den Bedürfnissen der Arbeitgeberin, nicht aber den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen.



Wir möchten Ihnen einige Beispiele nennen, in der Hoffnung, dass Sie uns bei der Umsetzung der unmissverständlichen Mitarbeiterwünsche mit der gleichen Leidenschaft unterstützen, mit der Sie bisher den Betriebsrat bekämpft haben. Danach können wir uns dann gerne über den von Ihnen vorgeschlagenen Topf unterhalten.



Mit Datum vom 26.7.2014 hatte die Schwesternschaft einen offenen Brief an den damals für Personal zuständigen Geschäftsführer S... gerichtet, mit einem Antrag auf Angleichung der Schwesterngehälter auf Westniveau. ...



...



Die D. Klinik gehört zu den ertragreichsten Häusern des Konzerns. Durch eine völlig unangemessene Miete sind wir dauerhaft im Minus, wofür die Beschäftigten, nicht aber die Abteilungsleiter unseres Hauses oder die Beschäftigten der Zentrale zur Verantwortung gezogen werden. Immerhin ist laut aktuellem Geschäftsbericht die Mietzahlung inzwischen unter Vorbehalt der Rückforderung gestellt. Zeigen Sie, werter Herr Dr. G., dass Sie kein sozialinkompetentes "Arschloch" sind, das sich nur über die neuesten Jaguarmodelle den Kopf zerbricht und setzen Sie sich dafür ein, dass der Betriebsrat wirksam die Interessen der Belegschaft vertreten kann und z. B. die langersehnte Gehaltsangleichung in diesem Jahr endlich umgesetzt werden kann.



Nach wie vor ist es das Anliegen des Betriebsrats, dass die Beschäftigten unseres Hauses fair bezahlt werden, für alle gleichverbindliche Arbeitszeitregelungen gelten, der Arbeits- und Gesundheitsschutz gemäß den gesetzlichen Bestimmungen beachtet wird und alle Kolleginnen und Kollegen die Chance haben, sich weiter zu qualifizieren. Was wir nach wie vor nicht wollen sind Krawallmacher und Jubelperser in Betriebsversammlungen und vor Arbeitsgerichten, die finanziell und/oder in anderer Hinsicht bevorzugt werden sowie unbeherrschte Klinikleitungsmitglieder, die meinen dem wirtschaftlichen Druck des distinguiert auftretenden Regionaldirektors mit Fäkaljargon und Stimmungsmache gegenüber Betriebsräten nachgeben zu müssen.



...



Mit freundlichen Grüßen



C.



Betriebsratsvorsitzender



..."



Am darauffolgenden Tag versandte der Beteiligte zu 3) das oben genannte Schreiben mit geringfügigen, hier nicht wiedergegebenen Änderungen per E-Mail an den Chefarzt sowie zur Kenntnis (Cc) an alle Arbeitnehmer mit E-Mail-Zugang in der D. Klinik, in fünf anderen Reha-Kliniken bzw. Krankenhäusern der Arbeitgeberin in Mecklenburg-Vorpommern, in der Zentralverwaltung und an service@marburger-bund-mv.de.



Mit Schreiben vom 01.04.2016, unterzeichnet von der Personalleiterin W., beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) wegen der Vorwürfe,



- in einem Gespräch zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern am 08.03.2016 die Entlassung einzelner Personen der Klinikleitung gefordert zu haben,



- in der Betriebsversammlung am 16.03.2016 die Liste der anonymisierten, aber teilweise individualisierbaren Qualifikations- und Funktionszulagen entgegen der Geheimhaltungspflicht präsentiert zu haben und



- den Chefarzt mit der E-Mail vom 24.03.2016 bewusst und mit Kalkül sogar über den Betrieb hinaus als sozialinkompetentes Arschloch beleidigt zu haben.



Die Arbeitgeberin teilte die Sozialdaten des Beteiligten zu 3) mit und schilderte im Einzelnen den zugrundeliegenden Sachverhalt. Der Betriebsrat widersprach dem Kündigungsverlangen noch am selben Tag per E-Mail. Aufgrund dessen hat die Arbeitgeberin am 07.04.2016 beim Arbeitsgericht Stralsund die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung und hilfsweise den Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat beantragt.



Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.04.2016 forderte der Beteiligte zu 3) die Personalleiterin W. zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf bezogen auf den im Antrag an den Betriebsrat vom 01.04.2016 enthaltenen Vorwurf, den Chefarzt als sozialinkompetentes Arschloch beleidigt zu haben.



Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, der Beteiligte zu 3) habe in schwerwiegender Weise seine Pflichten verletzt, was eine außerordentliche Kündigung, jedenfalls aber einen Ausschluss aus dem Betriebsrat rechtfertige. Schon die Forderung nach einer Entlassung von Mitgliedern der Klinikleitung stelle eine Störung des Betriebsfriedens dar, erst recht in einem Gespräch, das dem Abbau der Spannungen habe dienen sollen. Die Veröffentlichung der Liste mit Qualifikations- und Funktionszulagen habe ebenfalls den Betriebsfrieden gestört, da trotz Anonymisierung Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich gewesen seien. Das habe, wie vom Beteiligten zu 3) bezweckt, zu Unruhe auf der Betriebsversammlung geführt. Bei Präsentation der Zulagenliste habe der Beteiligte zu 3) sinngemäß behauptet, dass die Arbeitgeberin diese Zulagen für Gefälligkeiten gegenüber der Geschäftsführung zahle, insbesondere an Mitarbeiter, die mit der Arbeit des Betriebsrats in seiner aktuellen Besetzung nicht einverstanden seien.



In der Betriebsversammlung habe der Beteiligte zu 3) dem Chefarzt ein unredliches Verhalten unterstellt, wenn die Box mit den Dienstplanänderungswünschen in seinem Bereich stehe, und ihn damit diskreditiert. Der Chefarzt habe sich dann, obwohl er als ruhiger und besonnener Mensch gelte, im Affekt und spontan zu einer Äußerung provozieren lassen, die in der Tat nicht zu akzeptieren sei. Der Chefarzt habe sich dafür bei dem Beteiligten zu 3) zwischenzeitlich persönlich entschuldigt. Die Arbeitgeberin habe eine Ermahnung ausgesprochen. Der Beteiligte zu 3) habe sich hingegen nicht im Affekt geäußert, sondern sei noch einen Schritt weiter gegangen. Mit dem sechs Tage später versandten Schreiben habe er wohlüberlegt bewusst und gezielt provoziert und zur weiteren Eskalation beigetragen, erst recht durch die Verteilung des Schreibens außerhalb des Betriebs.



Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt,



1. die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des mit dem Beteiligten zu 3) bestehenden Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu ersetzen, und



2. hilfsweise für den Fall der Zurückweisung des Antrages zu Ziffer 1, den Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat des Betriebs der Arbeitgeberin in der A-Straße, A-Stadt, auszuschließen.



Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Es gebe weder einen Kündigungs- noch einen Ausschlussgrund. Der Beteiligte zu 3) habe in den Gesprächen am 08.03.2016 nicht die Entlassung von leitenden Mitarbeitern der Klinik gefordert. Die auf der Betriebsversammlung gezeigte Liste der Qualifikations- und Funktionszulagen habe keine Rückschlüsse auf bestimmte Mitarbeiter zugelassen. Gerade deshalb habe der Betriebsrat bei verschiedenen Qualifikationen und Funktionen die Zulagenhöhe gelöscht. Der Beteiligte zu 3) habe nicht behauptet, die Zulagen würden für Gefälligkeiten gegenüber der Arbeitgeberin gezahlt. Er habe lediglich auf Merkwürdigkeiten hingewiesen, z. B. eine doppelte Zulagenzahlung. Der Beteiligte zu 3) habe dem Chefarzt keine unredlichen Absichten unterstellt. Vielmehr versuche die Arbeitgeberin seit längerem, die Mitbestimmung des Betriebsrats in Arbeitszeitfragen in Teilbereichen abzuschaffen, wofür sich insbesondere der Chefarzt einsetze nebst der Arbeitgeberin nahestehenden Arbeitnehmern. Abgesehen davon, dass der Betriebsrat ohnehin nicht auf Mitbestimmungsrechte verzichten könne, sei nicht einzusehen, weshalb eine Box mit Änderungswünschen ausgerechnet im Sekretariat des Chefarztes aufgestellt werden solle. Der Betriebsrat habe den Chefarzt in dem offenen Brief vom 24.03.2016 nicht als "sozialinkompetentes Arschloch" beleidigt; vielmehr heiße es dort: "kein sozialinkompetentes Arschloch". Der Chefarzt habe den Beteiligten zu 3) zwar am 01.04.2016 angerufen, als dieser im Urlaub gewesen sei; er habe sich aber nicht für seine Äußerung entschuldigt, sondern nur erklärt, die Bezeichnung "Arschloch" sei ihm im Affekt herausgerutscht. Nur etwa eine halbe Stunde nach dem Telefonat habe die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) beantragt.



Das Arbeitsgericht Stralsund hat mit Beschluss vom 03.05.2016 - 1 BV 5/16 - sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag zurückgewiesen. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3) liege nicht vor. Soweit er in dem Gespräch am 08.03.2015 diejenigen leitenden Mitarbeiter genannt haben sollte, die seiner Ansicht nach an der Misere schuld seien, handele es sich nicht um eine Pflichtverletzung, sondern um eine zulässige Meinungsäußerung zum Gesprächsthema. Ebenso wenig habe der Beteiligte zu 3) durch die Präsentation der Qualifikations- und Funktionszulagen eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Die Liste enthalte keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Die Präsentation der Liste habe nicht dazu gedient, den Betriebsfrieden zu stören, sondern die Meinungsunterschiede zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat bei Umsetzung der Betriebsvereinbarung zum Entgeltsystem zu verdeutlichen. Die Äußerung des Beteiligten zu 3) zum Aufstellort der Box für Dienstplanänderungswünsche sei eine Reaktion auf die arbeitgeberseitig angedachte Einschränkung von Mitbestimmungsrechten. Einer solchen Entmachtung habe der Betriebsrat von vornherein nicht zustimmen können. Die Befürchtung des Beteiligten zu 3) mag überspitzt gewesen sein, habe aber angesichts des ohnehin kaum vorhandenen Vertrauens zwischen den Beteiligten nicht so ferngelegen. Schließlich rechtfertige auch die E-Mail vom 24.03.2016 nicht eine außerordentliche Kündigung. Sie enthalte zwar bei objektiver Betrachtung trotz des Wortes "kein" durchaus eine - vermeintlich geschickt formulierte - Beleidigung des Chefarztes. Dies abzustreiten verhöhne die Arbeitgeberin und den Chefarzt noch zusätzlich. Allerdings sei die Beleidigung nicht anlasslos erfolgt, sondern sei ihrerseits eine Reaktion auf die vorangegangene Beleidigung des Chefarztes gegenüber dem Beteiligten zu 3). Daran ändere auch eine evtl. erklärte telefonische Entschuldigung des Chefarztes nichts, zumal diese nicht in dem gleichen Rahmen, also betriebsöffentlich, stattgefunden habe. Wer in unsachlicher und emotionalisierender Weise auftrete, habe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine entsprechende Reaktion des Betroffenen hinzunehmen. Der Betroffene habe ein Recht auf einen Gegenschlag. Im Übrigen gebe es keine einschlägige Abmahnung.



Der Beteiligte zu 3) sei nicht aus dem Betriebsrat auszuschließen. Es sei schon nicht erkennbar, welche gesetzlichen Pflichten als Betriebsratsmitglied er verletzt haben sollte. Die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats sei nicht bedroht. Die Präsentation der Qualifikations- und Funktionszulagen habe nicht die Geheimhaltungspflicht des § 79 BetrVG verletzt, da die Liste keine Namen enthalten habe. Der Betriebsrat habe das Recht gehabt, die Belegschaft über die Zulagenzahlungen zu informieren.



Am 28.06.2016 beantragte die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Stralsund (Aktenzeichen 3 BV 73/16) erneut die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3), hilfsweise seinen Ausschluss aus dem Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3) hatte in zwei E-Mails vom 20.05.2016 an einen Mitarbeiter des Landesamtes für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern den folgenden Unterschriftenzusatz (Signatur) verwandt: "Bilanz der BR-Arbeit seit 2013: BV Entgeltsystem, BV Tabellenentgelte/Gratifikation; Beschlussverfahren zur Eingruppierung von Beschäftigten, Vereinbarungen zur Stärkung von Eigenverantwortung/Mitarbeiterbeteiligung bei der Arbeitszeit, Einigungsstellen zum Arbeitsschutz / 27 Abmahnungen, 1 fristlose Kündigung, 10 Zustimmungsersetzungsverfahren zur fristlosen Kündigung, Gehaltsabzüge wegen BR-Arbeit, Wahlanfechtungsverfahren, 2 Amtsenthebungsverfahren, 3 Bestechungsversuche". Des Weiteren war er am 16.06.2016 zusammen mit zwei anderen Betriebsratsmitgliedern, obwohl ausdrücklich nicht eingeladen, zur Verabschiedungsfeier von Herrn Dr. B., Chefarzt Orthopädie, erschienen und hatte sich geweigert, den Raum zu verlassen, weshalb er letztlich mit Hilfe eines herbeigerufenen Haushandwerkers aus dem Raum geleitet wurde. Das Arbeitsgericht Stralsund wies die Anträge mit Beschluss vom 16.11.2016 zurück. Ein Rechtsmittel hiergegen hat die Arbeitgeberin nicht eingelegt.



Wegen der Vorfälle auf der Betriebsversammlung am 18.03.2016 und dem daran anschließenden offenen Brief an den Chefarzt hält die Arbeitgeberin an ihrem Kündigungsbegehren bzw. hilfsweise dem Ausschluss aus dem Betriebsrat fest. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 03.05.2016 - 1 BV 5/16 - hat sie fristgerecht Beschwerde eingelegt. Sie meint, das Arbeitsgericht habe die einzelnen Pflichtverletzungen unzutreffend gewichtet und darüber hinaus keine Gesamtschau der auf eine fortgesetzte Störung des Betriebsfriedens gerichteten Handlungen vorgenommen. Der Beteiligte zu 3) habe nicht nur arbeitsvertragliche Pflichten, sondern auch Amtspflichten als Betriebsratsmitglied verletzt.



Lohn- und Gehaltslisten seien nach allgemeiner Auffassung als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zu werten. Die Art und Weise der Präsentation auf der Betriebsversammlung habe entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht der Klärung von etwaigen Meinungsverschiedenheiten gedient, sondern allein dazu, Unruhe innerhalb der Belegschaft zu stiften. Da es gewisse Positionen im Betrieb nur einmal gebe, sei anhand der Liste von Qualifikations- und Funktionszulagen trotz Löschung einzelner Zahlen jedenfalls erkennbar gewesen, dass bestimmte Personen eine Zulage erhalten. Zudem habe der Beteiligte zu 3) behauptet, es handele sich um Gefälligkeitszahlungen, u. a. für dem derzeitigen Betriebsrat kritisch gegenüberstehende Mitarbeiter.



Der Beteiligte zu 3) habe mit seiner Äußerung zum Vorschlag, die Box mit Dienstplanänderungswünschen im Sekretariat des Chefarztes Dr. G. aufzustellen, den Chefarzt unzweifelhaft diskreditiert. Der Beteiligte zu 3) habe ihm betriebsöffentlich die moralische Integrität abgesprochen und seine Missachtung ausgedrückt. Schon diese grobe Beleidigung rechtfertige für sich genommen eine außerordentliche Kündigung. Erst recht müsse das für die nachfolgende Beleidigung als sozialinkompetentes Arschloch gelten. Das Arbeitsgericht habe die Äußerung zwar zutreffend als Beleidigung gewürdigt und die Einlassung der Beteiligten zu 2) und 3), sich mit dem Wort "kein" davon distanziert zu haben, noch als zusätzliche Verhöhnung betrachtet. Es sei jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Beleidigung durch ein Recht auf Gegenschlag gedeckt sei. Beleidigungen seien Straftaten und nicht von der Meinungsfreiheit geschützt. Während sich der Chefarzt auf der Betriebsversammlung noch zu einer - gleichwohl ebenfalls nicht hinnehmbaren - Spontanäußerung habe hinreißen lassen, habe sich der Beteiligte zu 3) mehrere Tage Zeit gelassen für seine Antwort und diese dann nicht nur an die Mitarbeiter des Betriebs verschickt, sondern auch an zahlreiche Personen außerhalb des Betriebs und sogar außerhalb des Unternehmens. Die Arbeitgeberin bestreitet mit Nichtwissen, dass der Betriebsrat einen ordnungsgemäßen Beschluss zu dem offenen Brief an den Chefarzt gefasst hat.



Wenn das nicht für eine außerordentliche Kündigung genügen sollte, so sei aber zumindest ein Ausschluss aus dem Betriebsrat gerechtfertigt. Der Beteiligte zu 3) habe mit der Präsentation von Zulagenzahlungen gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen. Des Weiteren habe er die Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens verletzt. Die grobe Beleidigung des Chefarztes als sozialinkompetentes Arschloch sei mit dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit in keiner Weise mehr vereinbar. Der Beteiligte zu 3) habe eine mehr oder weniger private Angelegenheit durch die Einschaltung betriebsfremder Personen auf eine andere Stufe gehoben. Abgesehen davon sei der Betriebsrat für die im Schreiben vom 24.03.2016 angesprochenen Fragen zur Gehaltshöhe überhaupt nicht zuständig. Das sei Aufgabe der Tarifvertragsparteien.



Die Arbeitgeberin beantragt,



den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund vom 03.05.2016 - 1 BV 5/16 - abzuändern und



1. die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des mit dem Beteiligten zu 3) bestehenden Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu ersetzen, und



2. hilfsweise für den Fall der Zurückweisung des Antrages zu Ziffer 1, den Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat des Betriebs der Arbeitgeberin in der A-Straße, A-Stadt, auszuschließen.



Der Betriebsrat beantragt,



die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.



Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, verweist aber darauf, dass die E-Mail vom 24.03.2016 keinen beleidigenden Inhalt gehabt und den Betriebsfrieden nicht gestört habe. Dem Schreiben liege ein Betriebsratsbeschluss zugrunde. Der Beteiligte zu 3) habe den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertreten. Der Betriebsrat habe den Chefarzt nicht beleidigt und auch nicht die Absicht gehabt, ihn zu beleidigen. Sollte die Formulierung tatsächlich missverständlich sein, werde das bedauert. Für die - dann wohl - unglückliche Ausdrucksweise entschuldige sich der Betriebsrat wie auch der Beteiligte zu 3). Der Chefarzt, ein im Krisenmanagement geschulter Psychologe, habe auch nicht im Affekt gehandelt, sondern sich ruhig aufgesetzt und dann "Sie Arschloch" gesagt.



Des Weiteren seien die Gesamtumstände zu berücksichtigen. Der Beteiligte zu 3) sei von Repräsentanten der Arbeitgeberin in Betriebsversammlungen schon als "Kamikazeflieger", als "Arschloch" oder als "krank" bezeichnet worden. Eine Entschuldigung hierfür habe es nicht gegeben. Eingaben der Beteiligten zu 2) und 3) an die Klinikleitung, die Fäkalsprache abzustellen, seien erfolglos geblieben. Stattdessen habe die Arbeitgeberin Abmahnungen ausgesprochen. Der Umgangston sei unternehmensweit - vorsichtig gesagt - sehr rau. So habe der Chefarzt des Krankenhauses P. am S. in der offenen E-Mail an alle vom 26.02.2016 anlässlich des Ausscheidens eines Vorstandsmitgliedes seine große Erleichterung darüber zum Ausdruck gebracht und ihm viel Erfolg bei der Entwicklung seiner Sozialkompetenz gewünscht.



Ohnehin könne die Arbeitgeberin ihr Kündigungs- und Ausschlussbegehren nicht mehr auf die obigen Vorwürfe stützen, nachdem der Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund vom 16.11.2016 - 3 BV 73/16 - rechtskräftig geworden sei. Damit stehe fest, dass jedenfalls bis zum 16.11.2016 kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB oder eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten im Sinne des § 23 BetrVG vorgelegen habe. Die Arbeitgeberin stütze sich aber nur auf Sachverhalte vor diesem Zeitraum. Im Rahmen der Amtsermittlung seien alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Die Arbeitgeberin könne die Anträge nicht auf bestimmte Sachverhalte beschränken. Der Beschluss des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 24.05.2016 - 2 TaBV 22/15 - in einem weiteren Zustimmungsersetzungsverfahren sei ebenfalls erst nach der Betriebsversammlung vom 18.03.2016 und der E-Mail vom 24.03.2016 ergangen.



Die Beschwerde der Arbeitgeberin sei hinsichtlich des Hilfsantrags unzulässig. Die Arbeitgeberin setze sich in ihrer Beschwerdebegründung nur teilweise mit der Argumentation des Arbeitsgerichts auseinander. Des Weiteren habe die Arbeitgeberin nicht vorgetragen, weshalb eine gesetzmäßige Arbeit des Beteiligten zu 3) nicht mehr zu erwarten sei. Der Betriebsrat habe in der Folgezeit durchaus einvernehmlich Betriebsvereinbarungen abgeschlossen und Dienstplänen zugestimmt. Die Arbeitgeberin verstoße ständig gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Sie ziehe beispielsweise den Betriebsratsmitgliedern bewusst rechtswidrig Gehalt ab, selbst für die Teilnahme an einer Mitarbeiterversammlung (dazu LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.03.2017 - 5 Sa 16/16 -). Die Arbeitgeberin habe den Bereitschaftsdienstplan der Ärzte für Juni 2017 trotz der fehlenden Zustimmung des Beteiligten zu 2) umgesetzt, ohne die Einigungsstelle anzurufen. Sie führe die Betriebsvereinbarung Entgeltsystem in mehrfacher Hinsicht nicht ordnungsgemäß durch, indem sie Funktions- und Qualifikationszulagen ohne Betriebsratsbeteiligung zahle oder das Entgeltsystem durch persönliche Zulagen unterlaufe.



Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle und auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.



B.



Die Beschwerde ist zulässig und zum Teil begründet.



I. Zulässigkeit der Beschwerde



Die Arbeitgeberin hat die Beschwerde fristgerecht eingelegt und fristgerecht begründet. Das gilt auch für den Hilfsantrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat.



Die Beschwerdebegründung muss nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG angeben, auf welche im einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird. Allgemeine, formelhafte Wendungen genügen hierfür nicht. Der Beschwerdeführer darf sich nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Beschwerdeführer die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt (BAG, Beschluss vom 30. Oktober 2012 - 1 ABR 64/11 - Rn. 11, juris = NJW 2013, 2218 [BAG 30.10.2012 - 1 ABR 64/11] ). Der Beschwerdeführer muss im Einzelnen klar und konkret angeben, wie er durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert ist und welche Tatsachenfeststellungen und/oder welche die Entscheidung tragenden Rechtsansichten der ersten Instanz aus seiner Sicht unzutreffend sind (LAG Hessen, Beschluss vom 04. September 2007 - 4/5 TaBV 88/07 - Rn. 18, juris = ArbuR 2008, 77). Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, die Entscheidung selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss in der Rechtsmittelbegründung für jede dieser Begründungen dargelegt werden, warum sie unzutreffend sein sollen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (LAG Hessen, Beschluss vom 04. September 2007 - 4/5 TaBV 88/07 - Rn. 19, juris = ArbuR 2008, 77).



Die Arbeitgeberin hat nicht nur den Haupt-, sondern auch den Hilfsantrag ausreichend begründet. Das Arbeitsgericht hat sich mit dem Hilfsantrag nur noch kurz befasst und hat eine mögliche Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten allenfalls in einer Verwendung eventuell nicht ausreichend anonymisierter Daten auf der Betriebsversammlung gesehen. Im Übrigen hat es auf die Ausführungen zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung verwiesen. Die Arbeitgeberin hat in ihrer Beschwerdebegründung diese Erwägungen aufgegriffen und vor allem eingewandt, dass das Arbeitsgericht die Beleidigung des Chefarztes überhaupt nicht als Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten gewürdigt habe. Das Arbeitsgericht habe die hiermit verbundene Verletzung des Betriebsfriedens (§ 74 BetrVG) und den groben Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht berücksichtigt. Die Arbeitgeberin hat zwar keine neuen Tatsachen herangezogen oder den Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts widersprochen. Das ist aber auch nicht erforderlich. Vielmehr wendet sie ein, das Arbeitsgericht habe bei der Entscheidung über den Ausschlussantrag einen wesentlichen Teil des Sachverhalts außenvorgelassen, obwohl dieser durchaus den Ausschluss aus dem Betriebsrat rechtfertige, wie beispielsweise das Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschieden habe. Damit hat die Arbeitgeberin deutlich gemacht, was sie an der erstinstanzlichen Entscheidung bemängelt und weshalb die Ausführungen des Arbeitsgerichts aus ihrer Sicht die Entscheidung nicht tragen. Da das Arbeitsgericht selbst nur kurz zum Hilfsantrag Stellung genommen hat, konnte sich die Arbeitgeberin darüber hinaus nicht mit weiteren Punkten auseinandersetzen. Zur Geheimhaltungspflicht hatte sie bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag vorgetragen. Auch das Arbeitsgericht hat insofern auf seine Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen. Die Arbeitgeberin hat nicht ausschließlich ihr Vorbringen in der Vorinstanz wiederholt, sondern ist konkret auf die Argumentation des Arbeitsgerichts eingegangen und hat ihr eine eigene rechtliche Argumentation entgegengestellt. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung nicht auf mehrere voneinander unabhängige, die Entscheidung selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, mit denen sich die Arbeitgeberin als Beschwerdeführerin hätte auseinandersetzen müssen. Das Arbeitsgericht hat den Hilfsantrag allein deshalb zurückgewiesen, weil der Beteiligte zu 3) die Schweigepflicht durch die Präsentation der Zulagenliste nicht verletzt habe.



II. Begründetheit der Beschwerde



Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist hinsichtlich des Hauptantrages (Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung) unbegründet, hinsichtlich des Hilfsantrages (Ausschluss aus dem Betriebsrat) jedoch begründet.



1. Zulässigkeit der Anträge



Die Anträge sind zulässig. Die Rechtskraft der Beschlüsse des Arbeitsgerichts Stralsund vom 18.11.2016 - 3 BV 73/16 - und des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24.05.2016 - 2 TaBV 22/15 - steht weder einer Entscheidung über den Zustimmungsersetzungs- noch über den Ausschlussantrag entgegen.



Nach § 322 Abs. 1 ZPO sind Urteile der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden wurde. Diese Vorschrift findet auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Anwendung (BAG, Beschluss vom 6. Juni 2000 - 1 ABR 21/99 - Rn. 15, juris = NZA 2010, 659 [BAG 19.01.2010 - 1 ABR 55/08] ). Die materielle Rechtskraftwirkung solcher Beschlüsse hindert grundsätzlich, dass bei Identität der Beteiligten und Identität des Sachverhalts die bereits rechtskräftig entschiedene Frage den Gerichten zur erneuten Entscheidung unterbreitet werden kann (BAG, Beschluss vom 05. März 2013 - 1 ABR 75/11 - Rn. 12, juris = DB 2013, 1423 [BAG 05.03.2013 - 1 ABR 75/11] ; BAG, Beschluss vom 6. Juni 2000 - 1 ABR 21/99 - Rn. 15, juris = NZA 2010, 659 [BAG 19.01.2010 - 1 ABR 55/08] ). Unzulässig ist eine erneute Klage, wenn die Streitgegenstände beider Prozesse identisch sind oder im zweiten Prozess das kontradiktorische Gegenteil der im ersten Prozess ausgesprochenen Rechtsfolge begehrt wird (BAG, Urteil vom 15. Juni 2016 - 4 AZR 485/14 - Rn. 29, juris = NZA 2017, 593 [BAG 15.06.2016 - 4 AZR 485/14] ; BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - XII ZR 216/05 - Rn. 22, juris = NJW 2008, 1227 [BGH 16.01.2008 - XII ZR 216/05] ).



Bei der Entscheidung über einen Zustimmungsersetzungsantrag handelt es sich um eine rechtsgestaltende Entscheidung (BAG, Beschluss vom 08. Juni 2000 - 2 ABR 1/00 - Rn. 17, juris = NZA 2001, 91 [BAG 08.06.2000 - 2 ABR 1/00] ). Gleiches gilt für einen Beschluss nach § 23 Abs. 1 BetrVG (BAG, Beschluss vom 18. Mai 2016 - 7 ABR 81/13 - Rn. 18, juris = NZA-RR 2016, 582 [BAG 18.05.2016 - 7 ABR 81/13] ). Wird eine Gestaltungsklage abgewiesen, steht rechtskräftig fest, dass der Kläger zurzeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung des Erstprozesses die begehrte Gestaltung im Rahmen des Streitgegenstandes nicht verlangen konnte (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 322, Rn. 5).



Das vorliegende Verfahren hat einen anderen Streitgegenstand als die vorangegangenen Beschlussverfahren, da eine Gestaltung zu einem späteren Zeitpunkt begehrt wird. Die im hiesigen Verfahren angestrebte Zustimmungsersetzung bzw. der Ausschluss wirken nicht auf einen früheren Zeitpunkt zurück, der bereits Gegenstand eines anderen Beschlussverfahrens war. Mit Rechtskraft der Beschlüsse des Arbeitsgerichts Stralsund vom 16.11.2016 - 3 BV 73/16 - und des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24.05.2016 - 2 TaBV 22/15 - steht lediglich fest, dass ein Ausspruch der außerordentlichen Kündigung bzw. ein Ausschluss aus dem Betriebsrat zu den damaligen Zeitpunkten, d. h. zurzeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, nicht mehr möglich ist. Zu einem späteren Zeitpunkt kann eine Kündigung oder ein Ausschluss aber berechtigt sein.



2. Begründetheit der Anträge



Der Hauptantrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung ist unbegründet, der Hilfsantrag auf Ausschluss des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat ist hingegen begründet.



a) Zustimmungsersetzung außerordentliche Kündigung



Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) ist nicht zu ersetzen.



Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 15 Abs. 1 KSchG ist die verweigerte Zustimmung zu ersetzen, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls aus wichtigem Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist. Es müssen also Tatsachen vorliegen, auf Grund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (BAG, Beschluss vom 13. Mai 2015 - 2 ABR 38/14 - Rn. 18, juris = NZA 2016, 116 [BAG 13.05.2015 - 2 ABR 38/14] ).



Die Prüfung, ob ein Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar war oder nicht (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 14, juris = NZA 2016, 1527 [BAG 20.10.2016 - 6 AZR 471/15] ).



Stützt der Arbeitgeber den wichtigen Grund bei einem Betriebsratsmitglied auf dessen Verhalten, muss dieses sich als Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen (BAG, Beschluss vom 13. Mai 2015 - 2 ABR 38/14 - Rn. 18, juris = NZA 2016, 116 [BAG 13.05.2015 - 2 ABR 38/14] ; BAG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 39, juris = NZA 2013, 143 [BAG 19.07.2012 - 2 AZR 989/11] ). Ist einem Betriebsratsmitglied dagegen ausschließlich eine Verletzung seiner Amtspflichten vorzuwerfen, kommt nur ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG in Betracht. Es ist jedoch möglich, dass ein bestimmtes Verhalten sowohl Amtspflichten aus dem Betriebsverfassungsrecht als auch die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt (BAG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 39, juris = NZA 2013, 143 [BAG 19.07.2012 - 2 AZR 989/11] ; BAG, Beschluss vom 16. Oktober 1986 - 2 ABR 71/85 - Rn. 26, juris = ZTR 1987, 125 [BAG 16.10.1986 - 2 ABR 71/85] ; BAG, Urteil vom 25. Mai 1982 - 7 AZR 155/80 - Rn. 24, juris).



Ein wichtiger Grund kann sich sowohl aus der Verletzung einer vertraglichen Hauptpflicht als auch aus der schuldhaften Verletzung von Nebenpflichten, beispielsweise der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB), ergeben (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 18, juris = NZA 2016, 1527 [BAG 20.10.2016 - 6 AZR 471/15] ).



Eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen ist eine Pflichtverletzung, die typischerweise als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet ist. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen aufstellt, insbesondere dann, wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (BAG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14 - Rn. 16, juris = NZA 2015, 797 [BAG 18.12.2014 - 2 AZR 265/14] ). Bewusst falsche Tatsachenbehauptungen fallen schon nicht in den Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG. Äußerungen, die nicht Tatsachenbehauptungen, sondern ein Werturteil enthalten, können hingegen vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sein. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG ist aber nicht schrankenlos gewährleistet. Es ist gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre beschränkt (BAG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14 - Rn. 17-18, juris = NZA 2015, 797 [BAG 18.12.2014 - 2 AZR 265/14] ).



Erweist sich das in einer Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik, muss die Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten. Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Dafür muss hinzutreten, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BAG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14 - Rn. 20, juris = NZA 2015, 797 [BAG 18.12.2014 - 2 AZR 265/14] ) und es jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie darum geht, den anderen verächtlich zu machen und sein Ansehen zu schädigen.



Der Beteiligte zu 3) hat zusammen mit anderen Betriebsratsmitgliedern den Chefarzt durch den am 24.03.2016 versandten offenen Brief grob beleidigt. Er hat damit seine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis zur Rücksichtnahme auf die Interessen anderer verletzt. Diese Pflicht, andere Betriebsangehörige nicht zu diffamieren, trifft alle Arbeitnehmer gleichermaßen, unabhängig davon, ob sie zugleich Mitglieder des Betriebsrats sind oder nicht.



Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Zu berücksichtigen sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein "schonenderes" Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 30, juris = NZA 2016, 1527 [BAG 20.10.2016 - 6 AZR 471/15] ; BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 46, juris = NJW 2016, 1754 [BAG 22.10.2015 - 2 AZR 569/14] ).



Der Ausschluss aus dem Betriebsrat kann ein weniger einschneidendes Mittel sein, künftige Störungen im Arbeitsverhältnis zu verhindern, ohne sogleich das gesamte Arbeitsverhältnis zu beenden. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein Ausschlussverfahrens nach § 23 BetrVG gegenüber der außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB vorrangig (BAG, Urteil vom 25. Mai 1982 - 7 AZR 155/80 - Rn. 24, juris, vgl. ErfK/Koch, 17. Aufl. 2017, § 23 BetrVG, Rn. 2; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 28. Aufl. 2016, § 23, Rn. 23). Betriebsverfassungsrechtliche Amtsträger können gerade aufgrund ihrer Betriebsratstätigkeit leichter in Gefahr geraten, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu verletzen, z. B. durch beleidigende Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber (BAG, Urteil vom 25. Mai 1982 - 7 AZR 155/80 - Rn. 24, juris). Arbeitnehmer, die dem Betriebsrat nicht angehören, sind solchen Konfliktsituationen von vornherein nicht ausgesetzt (BAG, Beschluss vom 16. Oktober 1986 - 2 ABR 71/85 - Rn. 28, juris = AP Nr. 95 zu § 626 BGB).



Die im hiesigen Verfahren gegenüber dem Beteiligten zu 3) erhobenen Vorwürfe hängen ausschließlich mit seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied bzw. als Vorsitzender des Betriebsrats zusammen. Die Beleidigung des Chefarztes in der E-Mail vom 24.03.2016 geht auf Konflikte aus der Betriebsratstätigkeit zurück. Der Ausschluss aus dem Betriebsrat ist geeignet, die Konfliktherde schlagartig zu beseitigen. Mit gleichen oder ähnlichen Beleidigungen ist nach Beendigung der Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht mehr zu rechnen. Ein Ausschluss aus dem Betriebsrat genügt, um derartige Beleidigungen gegenüber dem Chefarzt und anderen Repräsentanten der Arbeitgeberin zu verhindern. Einer außerordentlichen Kündigung, d. h. der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bedarf es hierzu nicht.



b) Ausschluss aus dem Betriebsrat



Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen.



Gesetzliche Pflichten in diesem Sinne sind die Pflichten aus dem Betriebsverfassungsrecht (z. B. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 6 TaBV 48/14 - Rn. 50, juris = NZA-RR 2015, 299 [LAG Düsseldorf 23.01.2015 - 6 TaBV 48/14] ). Darunter fallen die Pflichten als Betriebsratsmitglied ebenso wie die Pflichten in besonderen Funktionen, wie z. B. als Betriebsratsvorsitzender (LAG Hessen, Beschluss vom 19. September 2013 - 9 TaBV 225/12 - Rn. 32, juris). Von den Amtspflichten zu unterscheiden sind die - jeden Arbeitnehmer treffenden - Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis.



Voraussetzung ist eine grobe Verletzung einer Amtspflicht, d. h. eine objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung, die unter Berücksichtigung aller Umstände eine weitere Amtsführung untragbar macht (BAG, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 7 ABR 14/15 - Rn. 21, juris = NZA 2017, 136 [BAG 27.07.2016 - 7 ABR 14/15] ). Die Pflichtverletzung muss regelmäßig schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder grob fahrlässig, begangen worden sein. Eine einmalige grobe Pflichtverletzung genügt (LAG Hessen, Beschluss vom 20. März 2017 - 16 TaBV 12/17 - Rn. 18, juris; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01. Oktober 2015 - 5 TaBV 876/15 - Rn. 44, juris = AE 2016, 98). Der Ausschluss aus dem Betriebsrat stellt keine Sanktion wegen der Amtspflichtverletzung dar, sondern soll künftige Amtspflichtverletzungen durch das betreffende Betriebsratsmitglied verhindern (LAG München, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 6 TaBV 97/16 - Rn. 45, juris). Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG ist es, die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats zu gewährleisten (BAG, Beschluss vom 05. September 1967 - 1 ABR 1/67 - Rn. 42, juris = MDR 1968, 84; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 6 TaBV 48/14 - Rn. 72, juris = NZA-RR 2015, 299 [LAG Düsseldorf 23.01.2015 - 6 TaBV 48/14] ; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 28. Aufl. 2016, § 23, Rn. 18).



Die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats kann dadurch bedroht sein, dass Betriebsratsmitglieder ihre Aufgaben stark vernachlässigen. Auch ein querulatorisches oder krankhaft boshaftes Verhalten kann unter Umständen zum Ausschluss führen, wenn das Vertrauen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber oder zwischen Betriebsrat und Belegschaft in einem solchen Maß erschüttert ist, dass der Betriebsrat nicht mehr in der Lage ist, seine gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen (BAG, Beschluss vom 05. September 1967 - 1 ABR 1/67 - Rn. 42, juris = MDR 1968, 84).



Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden. Diese Pflicht trifft nicht nur den Betriebsrat, sondern auch die einzelnen Betriebsratsmitglieder (ErfK/Kania, 17. Aufl. 2017, § 74 BetrVG, Rn. 16; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 28. Aufl. 2016, § 74, Rn. 27).



Der Begriff Betriebsfrieden beschreibt das friedliche, störungsfreie Zusammenleben und Zusammenwirken von Arbeitnehmern, Betriebsrat und Arbeitgeber auf der Grundlage vertrauensvoller Zusammenarbeit (GK-BetrVG/Kreutz, 10. Aufl. 2014, § 74, Rn. 133). Daraus ergibt sich aber nicht ein Verbot, um des lieben Friedens willen auf jeglichen Streit zu verzichten. Der Arbeitgeber kann ebenso wie der Betriebsrat bzw. die Betriebsratsmitglieder die Rechte aus dem Betriebsverfassungsrecht wahrnehmen und ggf. auch gerichtlich durchsetzen (GK-BetrVG/Kreutz, 10. Aufl. 2014, § 74, Rn. 137). Das Betriebsverfassungsgesetz geht davon aus, dass es aufgrund der unterschiedlichen Interessen von Arbeitgeber und Belegschaft durchaus zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kommen kann (z. B. § 74 Abs. 1 Satz 2, § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Der Betriebsfrieden ist aber beeinträchtigt, wenn die Betriebspartner nicht die zur Lösung von Interessenkonflikten vorgesehenen Verfahren und Wege einhalten (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Mai 1976 - 15 TaBV 10/76 - DB 1977, 453 [LAG Düsseldorf 25.05.1976 - 15 Ta BV 10/76] ) oder in einer Weise miteinander umgehen, die trotz Anerkennung bestehender Interessengegensätze schlechterdings nicht mit dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) vereinbar ist (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 28. Aufl. 2016, § 74, Rn. 31; Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 115).



Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist Maßstab dafür, wie die Betriebsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und auszuüben haben. Sie müssen dabei auch auf die Interessen der anderen Betriebspartei Rücksicht nehmen (BAG, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 7 ABR 36/12 - Rn. 35, juris = NZA 2014, 1213 [BAG 28.05.2014 - 7 ABR 36/12] ). Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 BetrVG bezieht sich nicht allein auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat als Gremium. Auch das einzelne Betriebsratsmitglied ist danach verpflichtet, durch sein Verhalten die Grundlagen des gegenseitigen Vertrauens nicht nachhaltig zu stören. Das einzelne Betriebsratsmitglied hat sich bei seiner Betriebsratstätigkeit innerhalb der Grenzen zu halten, die sich aus den allgemeinen Vorschriften der Rechtsordnung, insbesondere aus denen des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05. Juni 2014 - 10 TaBVGa 146/14 - Rn. 40, juris = NZA-RR 2014, 538 [LAG Berlin-Brandenburg 05.06.2014 - 10 TaBVGa 146/14] ).



Die Verbreitung von wahrheitswidrigen oder ehrverletzenden Behauptungen über den anderen Betriebspartner kann den Betriebsfrieden ebenso beeinträchtigen wie die zielgerichtete Einbindung von Dritten oder der Öffentlichkeit in den Konflikt. Es gehört grundsätzlich nicht zu den Aufgaben von Betriebsratsmitgliedern, die außerbetriebliche Öffentlichkeit über Betriebsratsinterna zu unterrichten. Weder aus den in Einzelbestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes geregelten besonderen Aufgaben und Befugnissen des Betriebsrats noch insbesondere aus der Aufzählung seiner allgemeinen Aufgaben in § 80 Abs. 1 BetrVG noch aus der Generalklausel über die vertrauensvolle Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) ergibt sich eine Befugnis von Betriebsratsmitgliedern, von sich aus die außerbetriebliche Öffentlichkeit über innerbetriebliche Vorgänge zu unterrichten (LAG Hessen, Beschluss vom 07. März 2013 - 9 TaBV 197/12 - Rn. 27, juris).



Arbeitgeber und Betriebsrat sind hingegen berechtigt, die Belegschaft über betriebliche Vorgänge zu unterrichten. Das gilt auch für Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen. Die Betriebspartner dürfen sich im Rahmen der Meinungsfreiheit (vgl. Art. 5 Abs. 1 GG), die wiederum ihre Schranke in den allgemeinen Gesetzen und dem Recht der persönlichen Ehre findet, auch kritisch äußern. Das allein beeinträchtigt noch nicht das störungsfreie Zusammenleben und Zusammenwirken im Betrieb. Der Betriebsfrieden ist aber gefährdet, wenn bewusst falsche oder aus dem Zusammenhang gerissene Tatsachen verbreitet werden, um den anderen Betriebspartner in Misskredit zu bringen und verächtlich zu machen. Gleiches gilt für Äußerungen, bei denen nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung von Personen und die persönliche Kränkung im Vordergrund steht (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20.01.2016 - 5 TaBV 11/15 -; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05. Juni 2014 - 10 TaBVGa 146/14 - Rn. 50, juris = NZA-RR 2014, 538 [LAG Berlin-Brandenburg 05.06.2014 - 10 TaBVGa 146/14] ). Grobe Beschimpfungen, Verunglimpfungen oder Beleidigungen des Arbeitgebers sind mit dem Gebot zu vertrauensvoller Zusammenarbeit unvereinbar und geeignet, einen Ausschluss aus dem Betriebsrat zu rechtfertigen (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01. Oktober 2015 - 5 TaBV 876/15 - Rn. 54, juris = AE 2016, 98; LAG Hessen, Beschluss vom 23. Mai 2013 - 9 TaBV 17/13 - Rn. 31, juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 31. März 2005 - 1 TaBV 15/04 - Rn. 38, juris; LAG Niedersachsen, Beschluss vom 25. Oktober 2004 - 5 TaBV 96/03 - Rn. 47, juris = NZA-RR 2005, 530 [LAG Niedersachsen 25.10.2004 - 5 TaBV 96/03] ). Die Beleidigung als Arschloch stellt eine schwere verbale Entgleisung dar (LAG Niedersachsen, Beschluss vom 25. Oktober 2004 - 5 TaBV 96/03 - Rn. 39, juris = NZA-RR 2005, 530 [LAG Niedersachsen 25.10.2004 - 5 TaBV 96/03] ).



Die grobe Beleidigung des Chefarztes in der E-Mail vom 24.03.2016 ist nicht als Grund für einen Ausschluss aus dem Betriebsrat verbraucht, da dieser Vorwurf nicht Gegenstand eines anderen, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war. Die Arbeitgeberin ist mit diesem Sachverhalt nicht präkludiert. Die Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 18.11.2016 - 3 BV 73/16 - steht dem nicht entgegen.



Der Umfang der materiellen Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist aus dem Urteil und den dazu ergangenen Gründen zu bestimmen. Die objektiven Grenzen der Rechtskraft des Entscheidungsgegenstandes werden durch den Streitgegenstand des vorangegangenen Verfahrens bestimmt. Dieser richtet sich nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag (Klageziel) und dem zugehörigen Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (BAG, Beschluss vom 6. Juni 2000 - 1 ABR 21/99 - Rn. 15, juris = NZA 2010, 659 [BAG 19.01.2010 - 1 ABR 55/08] ). Bei einer klageabweisenden Entscheidung ist der ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung (BAG, Urteil vom 15. Juni 2016 - 4 AZR 485/14 - Rn. 40, juris = NZA 2017, 593 [BAG 15.06.2016 - 4 AZR 485/14] ; BAG, Urteil vom 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 - Rn. 29, juris = NZA 2014, 653 [BAG 10.04.2014 - 2 AZR 812/12] ). Demnach tritt im Falle einer Kündigung eine Präklusionswirkung durch eine vorangegangene gerichtliche Entscheidung über die frühere Kündigung nur ein, wenn der Kündigungssachverhalt identisch ist. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen (BAG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 26, juris = NZA 2013, 1003 [BAG 20.12.2012 - 2 AZR 867/11] ).



Die Streitgegenstände des vorliegenden und des Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht Stralsund unter dem Aktenzeichen 3 BV 73/16 sind nicht identisch. Die Arbeitgeberin hat ihren Ausschlussantrag beim Arbeitsgericht ausdrücklich auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt, nämlich zum einen auf die Rufschädigung der Arbeitgeberin gegenüber dem Landesamt für Gesundheit und Soziales mit der Behauptung von Bestechungsversuchen etc. und zum anderen auf die Störung der Verabschiedungsfeier des Chefarztes Dr. B.. Dementsprechend hat sich das Arbeitsgericht in der Begründung des Beschlusses auch nur mit diesen beiden Lebenssachverhalten auseinandergesetzt. Soweit die Arbeitgeberin in diesem Verfahren Sachverhalte angesprochen hat, auf die das vorliegende Beschlussverfahren gestützt wird, diente das ausschließlich dazu, das Gesamtbild abzurunden. Die Arbeitgeberin hat die jeweils angeführten Kündigungs- und Ausschlussgründe nicht in mehreren Verfahren parallel genutzt, sondern je nach Sachverhalt unterschiedliche Verfahren eingeleitet und diese Trennung beibehalten. Auch in das vorliegende Verfahren hat die Arbeitgeberin keine Vorwürfe aus anderen Verfahren eingeführt, sondern solche nur im Zusammenhang und unter Bezugnahme auf weitere Verfahren erwähnt.



Der Beteiligte zu 3) hat den Chefarzt als sozialinkompetentes Arschloch bezeichnet, das sich nur über die neuesten Jaguarmodelle den Kopf zerbricht. Die Einkleidung dieser Aussage in eine Aufforderung mit negativem Vorzeichen ändert nichts an ihrem Gehalt, wie die Aussage zu verstehen ist. Die Aufforderung an den Chefarzt, zu zeigen, dass er kein Arschloch ist, heißt nichts anderes als dass er eben doch ein Arschloch ist und bleibt, wenn er sein Verhalten nicht wie vom Betriebsrat gewünscht ändert. Der Chefarzt muss nach Ansicht des Betriebsrats erst noch zeigen, dass er kein Arschloch ist, das sich nur über die neuesten Jaguarmodelle den Kopf zerbricht. Das beinhaltet die Unterstellung, sich für nichts anderes zu interessieren als für Autos, also jedenfalls nicht für die Klinik und die dort Beschäftigten. Darüber hinaus wird zugleich noch seine Sozialinkompetenz angezweifelt. Auch die Sozialkompetenz hat er - der Aussage der Beteiligten zu 2) und 3) zufolge - erst noch zu beweisen, nämlich durch Unterstützung des Betriebsrats im Hinblick auf eine langersehnte Gehaltsangleichung, für die der Betriebsrat im Übrigen nicht zuständig ist. Die Aussage zielt allein darauf, den Chefarzt verächtlich zu machen und seine Person herabzuwürdigen. Eine derart grobe Beschimpfung des Chefarztes ist trotz aller Spannungen zwischen den Betriebspartnern nicht mehr mit einer interessenorientierten Betriebsratsarbeit zu rechtfertigen.



Die Anführungsstriche bei dem Begriff "Arschloch" schränken den Aussagegehalt nicht ein. Sie dienen der Kennzeichnung als Zitat, da ja der Chefarzt selbst diesen Ausdruck zuvor verwendet hat, was an dieser Stelle nochmals hervorgehoben wird. Ein entsprechendes Zitat findet sich in der Betreffzeile des offenen Briefes. Die vorangegangene, ebenfalls beleidigende Äußerung des Chefarztes rechtfertigt es nicht, die Eskalation der Auseinandersetzungen in mehrfacher Hinsicht voranzutreiben. Die Beteiligten zu 2) und 3) waren durchaus berechtigt, auf die Äußerung des Chefarztes in der Betriebsversammlung zu reagieren, insbesondere eine Entschuldigung zu fordern. Sie haben sich allerdings nicht auf eine noch angemessene Reaktion beschränkt, sondern die Situation genutzt, um das Ansehen des Chefarztes zum einen auf betrieblicher Ebene weiter zu schädigen und zum anderen ihn darüber hinaus bei den völlig unbeteiligten Mitarbeitern anderer Betriebe bloßzustellen und ihn verächtlich zu machen. Für eine derartige Ausweitung des Konflikts gab es keinen Anlass. Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Grenzen des Betriebsverfassungsrechts sowohl mit der Forderung zur Unterstützung bei der Gehaltserhöhung überschritten als auch mit der Einbindung von Betriebsfremden. Bei Betriebsfremden, die das Geschehen auf der Betriebsversammlung nicht kennen können, entsteht zudem noch der falsche Eindruck, dass die Äußerung des Chefarztes "Sie Arschloch!" mehr oder weniger aus dem Nichts heraus fiel. Die vorherige provozierende Äußerung des Beteiligten zu 3) ist nämlich nicht dargestellt. Die vorausgegangene Unterstellung dem Chefarzt gegenüber, Dienstplanänderungswünsche nach Belieben auszusortieren, ist mit dem neutralen Ausdruck "Skepsis" nur unzureichend wiedergegeben.



Bei der E-Mail vom 24.03.2016 handelt es sich - anders als bei der verbalen und emotionalen Entgleisung des Chefarztes, die der Beteiligte zu 3) auch als solche erkannt hat - nicht um eine spontane, unüberlegte Überreaktion. Der Beteiligte zu 3) hat den Text zusammen mit anderen Betriebsratsmitgliedern mehrere Tage nach der Betriebsversammlung mit Abstand zu den Ereignissen der Betriebsversammlung verfasst. Die Formulierungen gehen nicht auf eine emotional angespannte Situation zurück.



Der Text des offenen Briefes an den Chefarzt ist dem Beteiligten zu 3) zuzurechnen. Ob der Betriebsrat hierzu einen wirksamen Beschluss gefasst hat, kann dahinstehen. Ein Betriebsratsbeschluss entbindet Betriebsratsmitglieder nicht von ihrer Verantwortung (vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 28. Aufl. 2016, § 1, Rn. 217). Der Beteiligte zu 3) hat aktiv an der Erarbeitung des Textes mitgewirkt. Er hat sich von den diffamierenden Aussagen über den Chefarzt nicht distanziert. Er hat die E-Mail nicht allein in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender unterzeichnet und verschickt. Vielmehr hat er sich die Aussagen, falls nicht selbst formuliert, so doch zumindest zu Eigen gemacht, indem er sie als Ergebnis der Erörterungen im Betriebsrat mitgetragen hat.



Der Beteiligte zu 3) hat schuldhaft gehandelt. Er kannte den Text und den Aussagegehalt. Der Text ist nicht missverständlich formuliert. Er enthält gerade nicht die Erklärung, dass der Chefarzt kein sozialinkompetentes Arschloch ist. Für eine solche Aussage gab es keinen Anlass, da eine derartige Behauptung, die hätte widerrufen werden können, nicht im Raum stand. Vielmehr steht die Aussage ausdrücklich im Zusammenhang mit der geforderten Gehaltsangleichung, der auf diese Weise scheinbar Nachdruck verliehen werden sollte. Die Anspielung auf das alleinige Interesse des Chefarztes an den neuesten Jaguarmodellen kann ebenfalls nur den Sinn haben, ihn zu diskreditieren. Dem Beteiligten zu 3) waren die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den Grenzen der Meinungsfreiheit zumindest aus dem vorangegangenen Beschlussverfahren beim LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20.01.2016 - 5 TaBV 11/15 - bekannt.



Soweit sich der Beteiligte zu 3) auf einen unternehmensweit rauen Umgangston beruft, entschuldigt das nicht die grobe Beleidigung des Chefarztes der Dünenwald Klinik. Dass sich ggf. auch andere pflichtwidrig verhalten, beispielsweise der angeführte Chefarzt eines anderen Krankenhauses der Arbeitgeberin, ist kein Freibrief für eigenes Fehlverhalten. Schon gar nicht berechtigt es dazu, den Boden des Betriebsverfassungsgesetzes zu verlassen und ohne Bezug zu den Aufgaben eines Betriebsrats das Ansehen eines Vorgesetzten innerhalb und außerhalb des Betriebs zu schädigen und ihn persönlich anzugreifen. Die Reaktion des Beteiligten zu 3) war auch angesichts von früheren verfehlten Äußerungen der Arbeitgeberin (Kamikazeflieger, Arschloch, krank) erkennbar unverhältnismäßig. Der offene Brief diente nicht mehr dazu, Interessen der Belegschaft zu verfolgen oder eine dem Beteiligten zu 3) zustehende Entschuldigung einzufordern. Er zielte vor allem auf eine Herabwürdigung des Chefarztes vor einer Vielzahl von Beschäftigten. Eine derartige Ansprache war von vornherein nicht dazu geeignet, im Interesse der Belegschaft für ein Wohlwollen des Chefarztes im Hinblick auf eine Lohnerhöhung zu werben. Die Verknüpfung einer Aufforderung mit einem persönlichen Angriff führt üblicherweise zur gegenteiligen Reaktion.



Die objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung des Beteiligten zu 3) machen eine weitere Amtsführung untragbar. Die Herabwürdigung des Chefarztes innerhalb und auch außerhalb des Betriebes bedroht die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats. Eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die eine ausgewogene Berücksichtigung von Belegschafts- und Arbeitgeberinteressen ermöglicht, ist nach einem derartigen persönlichen Angriff nicht mehr zu erwarten. Der persönliche Schlagabtausch überlagert die Betriebsratsarbeit und drängt diese in den Hintergrund. Der Beteiligte zu 3) hat nicht versucht, auf die Sachebene zurückzukehren und die grobe Beleidigung wieder aus der Welt zu schaffen. Er hat sich gegenüber dem Chefarzt nicht entschuldigt und dies auf die gleiche Art und Weise wie die Beleidigung kommuniziert. Weitere Angriffe auf die Person des Chefarztes sind nicht auszuschließen. Eine sachbezogene, von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Akzeptanz getragene Zusammenarbeit ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Soweit trotz allem zwischenzeitlich Betriebsvereinbarungen zustande gekommen sind, ist damit weder die in dem offenen Brief enthaltene grobe Beleidigung noch die Gefahr weiterer grober Beleidigungen ausgeräumt. Der Abschluss von einzelnen Betriebsvereinbarungen lässt nicht den Schluss zu, dass der Beteiligte zu 3) zukünftig auf jegliche persönliche Angriffe verzichten wird.



Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Das Verfahren wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Das gilt auch für die Präklusion, bei der das Landesarbeitsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hat.

Vorschriften§ 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 79 BetrVG, § 626 BGB, § 23 BetrVG, § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 74 BetrVG, § 322 Abs. 1 ZPO, § 23 Abs. 1 BetrVG, § 103 Abs. 1 BetrVG, § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB, § 241 Abs. 2 BGB, Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 2 GG, § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, § 74 Abs. 1 Satz 2, § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 2 Abs. 1 BetrVG, § 80 Abs. 1 BetrVG

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