Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

23.08.2017 · IWW-Abrufnummer 196041

Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 03.08.2017 – 9 TaBV 63/17


Tenor:

wird die Frist zur Begründung der am 01.08.2017 eingelegten Beschwerde des Betriebsrats gegen den ihm am 21.07.2017 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 20.07.2017 bis zum 31.08.2017 verlängert.



Gründe



I. Das Arbeitsgericht hat mit dem am 20.07.2017 verkündeten und dem Betriebsrat am 21.07.2017 zugestellten Beschluss Herrn Rechtsanwalt P F zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle über die Inhalte einer Betriebsvereinbarung zum Thema "Arbeitszeit" in der K Filiale der Arbeitgeberin bestellt und die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf drei festgesetzt.



Dagegen richtet sich die am 01.08.2017 bei dem Landesarbeitsgericht eingelegte Beschwerde, in der zugleich die Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 31.08.2017 beantragt wird.



II. Die beantragte Fristverlängerung ist gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG zu gewähren.



1.) Allerdings ist die Frage, ob eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist nach § 100 Abs. 2 Satz 2 ArbGG überhaupt möglich ist, vor dem Hintergrund streitig, dass der Gesetzgeber die Verkürzung der Frist für die Einlegung und Begründung der Beschwerde von insgesamt zwei Wochen bei Entscheidungen über die Besetzung der Einigungsstelle deswegen als gerechtfertigt angesehen hatte, weil es nicht um die Entscheidung schwieriger Rechtsfragen gehe, die eine längere Überlegungsfrist für die Beteiligten in Bezug auf die Beschwerde rechtfertigen würden (BT- Drucksache 8/4259, S. 10). Demgemäß wird die Begründungsfrist teilweise als nicht verlängerbare Notfrist angesehen, auch wenn sie nicht ausdrücklich als solche bezeichnet ist (etwa GMP/Schlewing ArbGG § 98 Rn. 13-41, [...]; HWK-Bepler/Treber, 7. Aufl. 2016, ArbGG, § 100, Rn. 11). Anderer Auffassung nach soll eine Fristverlängerung hingegen möglich sein (etwa Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 17. Juni 2010 - 7 TaBV 32/10 -, Rn. 17, [...]; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 1 TaBV 1/12 -, Rn. 26, [...]; Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 31. Mai 2013 - 12 TaBV 49/13 -, Rn. 4, [...]; GK-ArbGG/Schleusener, § 100 Rn. 49; ErfK/Koch ArbGG § 100 Rn. 7, [...]).



2.) Der letztgenannten Auffassung folgt auch die Kammer.



a) Zunächst sprechen der Wortlaut des § 100 Abs. 2 Satz 3 ArbGG und die in der Bestimmung aufgezeigte Verweisungskette für eine Verlängerungsmöglichkeit.



aa) Gemäß § 224 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind nicht verlängerbare Notfristen nur diejenigen Fristen, die die in der ZPO - oder in anderen Gesetzen (Stöber in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 224 ZPO, Rn. 2) - als solche bezeichnet sind. Auch im Arbeitsgerichtsgesetz werden daher Notfristen als solche bezeichnet (etwa in § 59 ArbGG, § 72a Abs. 2 und 3 ArbGG, § 72b Abs. 2 ArbGG, § 76 Abs. 1 ArbGG, § 78 Abs. 2 ArbGG, § 96 a Abs. 1 ArbGG, § 110 Abs. 3 ArbGG). Eine entsprechende Bezeichnung fehlt jedoch in § 100 Abs. 2 Satz 2 ArbGG.



bb) Zu Recht hat bereits das Landesarbeitsgericht Nürnberg darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 66 Abs.1 Satz 5 ArbGG, wonach die Begründungsfrist unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden kann, in § 100 Abs. 2 Satz 3 ArbGG nicht ausgenommen ist. Vielmehr verweist die Norm auf § 87 Abs. 2 ArbGG, der wiederum in Satz 1 auf die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften über die Einlegung der Berufung und ihre Begründung, also auch auf § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG, verweist. Nach § 66cAbs. 1 Satz 5 ArbGG kann der Vorsitzende die Frist zur Begründung der Berufung einmal auf Antrag verlängern, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.



b) Auch Sinn und Zweck des § 100 Abs. 2 Satz 2 ArbGG gebieten nicht die Annahme, die Begründungsfrist könne nicht verlängert werden. Zwar handelt es sich bei dem Verfahren nach § 100 ArbGG seiner Ausgestaltung nach um ein vereinfachtes Verfahren, das die alsbaldige Bildung einer Einigungsstelle zur Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten ermöglichen soll (GMP/Schlewing ArbGG § 98 Rn. 4-12, [...]). Aber auch in dem Beschwerdeverfahren nach § 100 Abs. 2 ArbGG können Gründe auftreten, die einer Begründung der Beschwerde innerhalb der verkürzten Beschwerdebegründungsfrist entgegenstehen. Es würde daher auf eine Beschneidung des rechtlichen Gehörs hinauslaufen, wenn die Beschwerdebegründungsfrist trotz Vorliegens erheblicher Gründe für eine Fristverlängerung nicht verlängert werden könnte (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 17. Juni 2010 - 7 TaBV 32/10 -, Rn. 17, [...]; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 1 TaBV 1/12 -, Rn. 26, [...]). Zudem kann dem Beschleunigungsgebot durch eine zurückhaltende Bemessung des Verlängerungszeitraums effektiv Rechnung getragen werden. Zwar lässt § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG trotz des arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatzes in § 9 Abs. 1 ArbGG auch eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist nach Abwägung der Parteiinteressen mit dem Beschleunigungsgebot um mehr als einen Monat zu (BAG, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 7 ABR 13/07 -, BAGE 127, 126-139, Rn. 17). Im Beschwerdeverfahren nach § 100 Abs. 2 ArbGG dürfte es aber regelmäßig angezeigt sein, dass die Fristverlängerung auf ein dem Beschleunigungsgrundsatz und der Dringlichkeit des Regelungsgegenstandes entsprechendes, moderates Maß begrenzt wird (vgl. GK-ArbGG/Schleusener, § 100 Rn. 49; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 1 TaBV 1/12 -, Rn. 26, [...]). Daher wird die Fristverlängerung sich an der gesetzlichen Begründungsfrist von zwei Wochen zu orientieren haben, sofern nicht erhebliche Gründe eine darüber hinaus gehende Verlängerung gebieten. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass Einigungsstellen nach rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Bestellungsverfahrens regelmäßig nicht sofort tätig werden können, da bis zu der endgültigen Klärung ihrer Besetzung regelmäßig noch keine Terminabstimmungen der Mitglieder und ihrer Bevollmächtigten haben stattfinden können. Angesichts dessen dürfte eine moderate Verlängerung der Begründungsfrist des § 100 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ohnehin kaum ins Gewicht fallen.



3.) Der Vertreter des Betriebsrats hat durch die vorgetragenen urlaubsbedingten Abwesenheiten in seiner Kanzlei während der Ferienzeit sowie den Verweis auf eilige und zum Teil fristgebundene andere Verpflichtungen erhebliche Gründe für die beantragte Verlängerung bis zum 31.08.2017 dargelegt. Eine besonderer Regelungsdruck, der der Fristverlängerung entgegen stehen könnte, ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, da die von der Arbeitgeberin gekündigte Arbeitszeitregelung erst zum 31.07.2017 ausgelaufen ist und seitdem gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nachwirkt, soweit sie Regelungen enthält, die der zwingenden Mitbestimmung unterliegen (vgl. BAG, Beschluss vom 05. Oktober 2010 - 1 ABR 20/09 -, BAGE 135, 382-390, Rn. 18). Der Eintritt eines regelungsfreien Zustands ist im Kölner Betrieb daher nicht zu befürchten.



4.) Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Vorschriften§ 100 Abs. 2 Satz 2, 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG, § 100 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 100 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, § 224 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 59 ArbGG, § 72a Abs. 2, 3 ArbGG, § 72b Abs. 2 ArbGG, § 76 Abs. 1 ArbGG, § 78 Abs. 2 ArbGG, § 96 a Abs. 1 ArbGG, § 110 Abs. 3 ArbGG, § 66 Abs.1 Satz 5 ArbGG, § 87 Abs. 2 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG, § 100 ArbGG, § 100 Abs. 2 ArbGG, § 9 Abs. 1 ArbGG, § 77 Abs. 6 BetrVG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr