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19.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196545

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 19.01.2017 – 17 Sa 993/16


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 14.07.2016 - 4 Ca 2175/15 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Vertragsverhältnisses.



Der am 20.12.1957 geborene Kläger war seit dem 01.07.2002 Geschäftsführer einer Rechtsvorgängerin der Beklagten. Ausweislich der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt vom 11.06.2007 (Bl. 86, 87 d. A.) wurde er in der Gesellschafterversammlung vom 18.04.2007 zum Geschäftsführer der Firma L GmbH bestellt. Seit 2014 firmierte diese als K E GmbH. Diese verschmolz als übertragende Rechtsträgerin aufgrund eines Verschmelzungsvertrags vom 10.06.2016 mit der K F GmbH, der jetzigen Beklagten. Wegen der Einzelheiten der Verschmelzung wird auf ihren Schriftsatz vom 14.12.2016 (Bl. 151, 152 d.A.) verwiesen.



In 2012 schlossen der Kläger und die L GmbH einen Anstellungsvertrag (Bl. 9 - 17 d. A.) Unter den Überschriften "Tätigkeit" und "Vertragsdauer und Kündigung" hielten die Parteien fest, dass der Kläger seit dem 01.07.2002 als Geschäftsführer tätig war und insoweit eine Anrechnung seiner Betriebszugehörigkeit erfolgt. Gleichzeitig vereinbarten sie eine Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils zum 30.06. und 31.12. eines Jahres.



Ausweislich der Niederschrift über eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Firma K E GmbH beschloss die K und Q mbH als Alleingesellschafterin, die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer mit Ablauf des 30.09.2015 zu widerrufen und den Dienstvertrag zum nächstmöglichen Termin, nämlich zum 30.06.2016 ordentlich zu kündigen. Gleichzeitig wurde die Geschäftsführerin A ermächtigt, das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Kläger bis auf weiteres auszuüben und ihm den Gesellschafterbeschluss mitzuteilen.



Mit Schreiben vom 29.09.2015 widerrief die Beklagte unter Vorlage einer Ausfertigung des Protokolls der Gesellschafterversammlung seine Bestellung zum Geschäftsführer mit Wirkung zum 30.09.2015 und kündigte den Dienstvertrag ordentlich zum 30.06.2016. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie (Bl. 7, 8 d. A.) Bezug genommen.



Seine Abberufung als Geschäftsführer wurde am 21.10.2016 in das Handelsregister eingetragen.



Mit seiner am 19.10.2015 bei dem Arbeitsgericht Hagen eingegangenen Klage wendet er sich gegen die Kündigung des vom ihm als Arbeitsverhältnis qualifizierten Vertragsverhältnisses.



Er hat die Auffassung vertreten, das Kündigungsschutzgesetz sei auf die Kündigung anwendbar, sie sei sozial ungerechtfertigt.



Er hat dazu ausgeführt:



§ 14 Abs. 1 Nr.1 KSchG sei nicht anwendbar. Die Vorschrift enthalte eine Fiktion, wie sie auch nach § 5 ArbGG bestehe. Deshalb seien die Grundsätze des Bundesarbeitsgericht aus einer Entscheidung vom 22.10.2014 (10 AZB 46/14) zu berücksichtigen. Es reiche es aus, dass zum Zeitpunkt der Klagezustellung keine Geschäftsführerfunktion mehr bestanden habe. Der Gedanke der Manipulation liege auch hier nahe, da die Beklagte den zeitlichen Ablauf von Kündigung und Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer habe steuern können. Es stelle sich die Frage, warum seine Abberufung erst zum 30.09.2015 erfolgt sei, obwohl der entsprechende Beschluss auf den 04.09.2015 datiere.



Er sei sozial schutzbedürftig wie jeder Arbeitnehmer.



Der Kläger hat behauptet:



Die Beklagte unterhalte zwei Betriebsstätten in H und F die als ein Betrieb anzusehen seien. Insgesamt beschäftige sie an ihren Standorten mehr als zehn Arbeitnehmer.



Faktisch habe er aufgrund der Unterstellung unter das Weisungsrecht der Geschäftsführerin A keine Geschäftsführertätigkeit mehr entwickelt und entwickeln dürfen.



Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.09.2015 beendet worden ist.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat die Auffassung vertreten:



Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht anwendbar, da der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 29.09.2015 noch ihr Geschäftsführer gewesen sei. Ihr sei es unbenommen, den Widerruf der Geschäftsführerbestellung zu einem bestimmten Kalenderdatum auszusprechen.



Für die Frage der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG komme es entgegen der Auffassung des Klägers auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an.



Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.10.2014 (10 AZB 46/14) sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar.



Es sei unzutreffend, dass der Kläger schon ab dem 04.09.2015 keine Geschäftsführertätigkeiten mehr habe entwickeln dürfen. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 04.09.2015 sei ihm erst am 29.09.2015 zur Kenntnis gebracht worden.



Mit Urteil vom 14.07.2016 hat das Arbeitsgericht Hagen die Klage abgewiesen.



Es hat ausgeführt:



Die zulässige Klage sei unbegründet, da die Kündigung der Beklagten vom 29.09.2015 nicht der sozialen Rechtfertigung nach § 1 KSchG bedurft habe. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG finde § 1 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, da der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als Geschäftsführer Organ der Beklagten gewesen sei.



Entgegen seiner Auffassung sei die zu § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entwickelte höchstrichterliche Rechtsprechung (BAG 22.10.2014 - 10 AZB 46/14, NZA 2015, 60) nicht auf die Regelung in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zu übertragen. Und zwar könne auch im Rahmen des § 14 Abs. 1. Nr. 1 KSchG durch zeitliche Trennung von Kündigungszugang und Abberufung eine Manipulation dahingehend erfolgen, dass die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes verhindert werde. Gleichwohl sei hinsichtlich seiner Anwendbarkeit nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung oder Klagezustellung abzustellen, da die Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ihrer Wirksamkeit nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB mit ihrem Zugang entfalte. Das gelte auch im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG.



Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 98 bis 104 der Akte Bezug genommen.



Gegen das ihm am 19.07.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.08.2016 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.10.2016 am 19.10.2016 eingehend begründet.



Er rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:



Er stelle die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts, dass für die Prüfung der Kündigung und damit für die Prüfung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung maßgeblich sei, nicht mehr in Frage.



In Literatur und Rechtsprechung seien jedoch Ausnahmesituationen anerkannt, in denen Kündigungen unter Berücksichtigung des § 242 BGB als gegen Treu und Glauben verstoßend anzusehen seien.



Im vorliegenden Fall könne zwar die Kündigung an sich nicht als treuwidrig angesehen werden. Die Beklagte habe aber treuwidrig den Zugang der Kündigung und seine Abberufung als Geschäftsführer zeitlich so abgestimmt, dass § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG die Prüfung der sozialen Rechtfertigung verhindere. Durch die zeitliche Abfolge habe sie seinen Ausschluss aus dem allgemeinen Kündigungsschutz erreichen wollen. Die Manipulationsabsicht ergebe sich daraus, dass der Gesellschafterbeschluss vom 04.09.2015 ohne weiteres eine Abberufung mit sofortiger Wirkung hätte vorsehen können. Tatsächlich sei die Abberufung erst zum 30.09.2015 beschlossen worden. Das Datum sei nicht anders erklärbar, als dass zuvor sein Vertragsverhältnis habe gekündigt werden sollen.



Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass er mit Beschluss vom 04.09.2015 dem Direktionsrecht seiner Mitgeschäftsführerin unterstellt worden sei. Tatsächlich habe er Tätigkeiten als Geschäftsführer nicht mehr ausüben können. Seine Geschäftsführerposition sei schon im September 2015 sinnentleert gewesen. Er habe keine Personalführung mehr wahrnehmen können. Diese Entwicklung habe schon vor September 2015 begonnen. Allerdings gebe es keine konkrete Anordnung der Gesellschafter, ihm Befugnisse zu entziehen.



Der Kläger beantragt,

in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nach seinen Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:



Die Argumentation des Klägers sei nicht folgerichtig. Sie habe gerade nicht im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Kündigung durch Manipulation dafür sorgen müssen, dass er aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes falle. Diesen habe er als Geschäftsführer von Beginn des Vertragsverhältnisses an nicht gehabt, wie ihm bekannt gewesen sei. Er werfe ihr vielmehr vor, dass sie vor Kündigungsausspruch nicht einen für ihn günstigen Rechtzustand geschaffen habe. Sie sei nicht nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, ihn vor Ausspruch der Kündigung als Geschäftsführer abzuberufen, um ihm den gesetzlichen Kündigungsschutz zu verschaffen.



Seine Behauptung, seine Geschäftsführerposition sei schon im September 2015 sinnentleert gewesen, sei nicht einlassungsfähig. Soweit erinnerlich, sei die weitere Geschäftsführerin A sogar Anfang September 2015 im Urlaub gewesen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 04.09.2015 sei er nicht derart dem Direktionsrecht der Mitgeschäftsführerin unterstellt worden, dass er Tätigkeiten als Geschäftsführer nicht mehr habe ausüben können. Wie bereits ausgeführt, sei ihm der Beschluss erst am 29.09.2015 bekannt gemacht worden. Er habe auch über den 30.09.2015 hinaus in der Korrespondenz die Bezeichnung Geschäftsführer verwendet. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführerin A lediglich das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung übertragen worden sei.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



A.



Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 14.07.2016 ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die zulässige Klage abgewiesen.



I.



Die Kündigung der Beklagten vom 29.09.2015 ist nicht auf ihre soziale Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu prüfen, da die Norm nicht gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist.



Danach gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes zum allgemeinen Kündigungsschutz nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG enthält eine negative Fiktion. Die Vorschrift geht von der Vorstellung aus, dass die in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG aufgeführten Personengruppen ohnehin nicht unter den in § 1 Abs. 1 KSchG genannten Begriff "Arbeitnehmer" fallen, da die Rechtsverhältnisse, auf denen die Organstellung beruht, keine Arbeitsverhältnisse sind. Insoweit hat die Vorschrift nur klarstellende Funktion. Da der Gesetzgeber jedoch die gesetzestechnische Ausgestaltung einer negativen Fiktion gewählt hat, ist es unerheblich, ob der Geschäftsführerstellung im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt. Maßgeblich ist die Erwägung, dass der gesetzliche Vertreter das Willensorgan der juristischen Person ist, durch das sie handelt, das für sie die Arbeitgeberfunktion ausübt und deshalb in jedem Fall von dem allgemeinen Kündigungsschutz ausgeschlossen sein soll (BAG 17.01.2002 - 2 AZR 719/00 - Rnr. 20, BAGE 100, 182).



1. Die Beklagte ist als GmbH gemäß § 13 Abs. 1 GmbHG eine juristische Person.



2. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 29.09.2015 ihr Geschäftsführer im Sinne des § 6 GmbHG und damit nach § 36 Abs. 1 GmbHG ihr Organ.



Wie das Arbeitsgericht Hagen zutreffend festgestellt hat, sind für die Frage nach der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung und damit für die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG die Umstände bei Kündigungszugang maßgeblich (LAG Berlin-Brandenburg 17.09.2015 - 5 Sa 516/15 - Rnr. 56, ArbRB 2016, 41 [LAG Berlin-Brandenburg 17.09.2015 - 5 Sa 516/15] ). Gegen diese Feststellung des Urteils wendet sich der Kläger nicht mehr mit der Berufung.



3. Es ist auch unerheblich, dass die Beklagte ihn mit Wirkung zum 30.09.2015, demnach einen Tag nach Zugang der Kündigung als Geschäftsführer abberufen hat.



a. Zwar hat ihr Gesellschafter bereits am 04.09.2015 seine Abberufung zum 30.09.2015 beschlossen. Der Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer ist jedoch eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die gemäß § 130 BGB erst mit ihrem Zugang und nicht bereits durch die Beschlussfassung durch die Gesellschafter wirksam wird (BAG 15.04.1982 - 2 AZR 1101/79 - Rnr. 21, BAGE 39, 16).



Der Widerruf zum 30.09.2015 ist dem Kläger erst am 29.09.2015 bekannt gemacht worden.



b. Die Beklagte muss sich auch nicht entsprechend § 162 BGB so behandeln lassen, als sei ihm der Widerruf vor Zugang der Kündigung zugegangen.



Gemäß § 162 Abs. 1 BGB gilt eine Bedingung als eingetreten, wird ihr Eintritt von der Partei, zu deren Nachteil sie gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert. Die Vorschrift enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken, dass niemand aus einer von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen soll (BAG 18.01.2012 - 10 AZR 667/10 - Rnr. 27, BAGE 140, 239; 26.01.1989 - 2 AZR 318/88 - Rnr. 59, RzK I 5 h 8; Erman/Armbrüster, BGB, 14. Auflage, § 162 BGB Rdr. 7; Staudinger/Bork, 2015 § 162 BGB Rnr. 15).



So hat das Bundesarbeitsgericht im Grundsatz angenommen, dass sich der Arbeitgeber nach § 162 BGB so behandeln lassen muss, als sei die Wartezeit verstrichen, wenn er die Kündigung allein deshalb ausspricht, um entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben den Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes zu verhindern (BAG 16.03.2000 - 2 AZR 828/98 - Rnr. 20, DB 2000, 1871). Dabei hat es allerdings betont, dass es nicht ausreicht, wenn die Kündigung wenige Tage vor Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes ausgesprochen wird, da der Arbeitgeber frei ist, die gesamte Wartezeit auszuschöpfen. § 162 BGB setzt nämlich nicht nur eine den Bedingungseintritt verhindernde Beeinflussung des Kausalverlaufs, sondern zusätzlich die Treuwidrigkeit der Beeinflussung voraus. Wird einem Vertragspartner gesetzlich die Möglichkeit zur weitgehend freien Ausübung eines Gestaltungsrechts eingeräumt, kann die Ausübung des Rechts kurz vor Fristablauf nicht treuwidrig sein (BAG 16.03.2000 a. a. O. Rnr. 20). Die Treuwidrigkeit ergab sich in dem Fall der Wartezeitkündigung auch nicht aus der Absicht des Arbeitgebers, einen Rechtstreit über die soziale Rechtfertigung der Kündigung zu vermeiden, da dieses gerade der Zweck der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ist (BAG 16.03.2000 a. a. O. - Rnr. 21).



Das Bundesarbeitsgericht hat auch angenommen, dass der Fortfall eines Weihnachtsgeldanspruchs nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag, zu dem nach der Vertragsregelung ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehen musste, § 162 BGB widersprechen kann, wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich zuvor geweigert hat, auf das Weihnachtsgeld zu verzichten (BAG 18.01.2012 a. a. O. - Rnr. 27, 28).



aa. Hier hat die Beklagte den Kausalverlauf beeinflusst, indem ihr Gesellschafter am 04.09.2015 beschlossen hat, das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30.06.2016 zu kündigen und ihn zum 30.09.2015 als Geschäftsführer abzuberufen. Angesichts der im Vertrag aus 2012 vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten zum 30.06. bzw. 31.12. eines jeden Jahres wäre ein Kündigungszugang im Laufe des 30.09.2015 ausreichend gewesen. Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Gesellschafter den Widerruf der Geschäftsführerbestellung trotz der Beschlussfassung schon am 04.09.2015 erst zum 30.09.2015 vorgegeben hat. Allerdings haben die Parteien in ihrem Vertrag keine Vereinbarung dahin getroffen, dass die Abberufung nur zu einem bestimmten Zeitpunkt oder mit einer bestimmten Ankündigungsfrist zulässig sein sollte.



Hätte die Beklagte erst den Widerruf und dann die Kündigung des der Geschäftsführerbestellung zugrunde liegenden Vertrags ausgesprochen, hätte der Kläger unter der Voraussetzung, er hätte in einem Arbeitsverhältnis gestanden, Kündigungsschutz erworben, weil er im Zeitpunkt des Zugangs nicht mehr Organ gewesen wäre.



bb. Die Beklagte hat jedoch nicht treuwidrig gehandelt.



Gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG ist die Bestellung des Geschäftsführers zu jeder Zeit widerruflich, es sei denn, im Gesellschaftsvertrag ist die Zulässigkeit des Widerrufs beschränkt worden, § 38 Abs. 2 GmbHG. Eine derartige Beschränkung im Gesellschaftsvertrag ist nicht vorgetragen.



Damit war der Kläger frei abrufbar. Es stand im Belieben des Gesellschafters, seine Abberufung zu beschließen. Sie musste nicht begründet werden (Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, 19. Auflage § 38 GmbHG Rnr. 2).



Daraus folgt auch, dass der Widerruf nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden und auf die Interessen des Geschäftsführers mangels Erforderlichkeit eines Widerrufsgrundes nur sehr eingeschränkt Rücksicht zu nehmen ist.



So wenig wie bei einer Wartezeitkündigung die Treuwidrigkeit schon deshalb zu bejahen ist, weil der Arbeitgeber durch Ausspruch der Kündigung in der Wartezeit einen Rechtstreit um die soziale Rechtfertigung der Kündigung vermeiden will, ist hier ein Verstoß gegen Treu und Glauben allein deshalb anzunehmen, weil die Beklagte ihre Gestaltungsrechte so ausgeübt hat, dass der Kläger nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keinen Kündigungsschutz erwerben konnte.



Ihr ist auch nicht deshalb Treuwidrigkeit vorzuwerfen, weil sie seine Position als Geschäftsführer schon vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs so entwertet hat, dass dieser sofort am 04.09.2015 hätte zugehen können.



Das ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass der Gesellschafter die Geschäftsführerin A am 04.09.2015 ermächtigt hat, das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Kläger bis auf weiteres wahrzunehmen. Er war dadurch nicht gehindert, für die Gesellschaft als Organ zu handeln und sie zu vertreten.



Gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG ist der Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nichts anderes bestimmt, durch Beschlüsse der Gesellschafter festgelegt sind. Sie können dem Geschäftsführer generelle oder spezielle Weisungen erteilen (Lutter/Hommelhoff/Kleindiek a. a. O. § 37 GmbHG Rnr. 17). Ob, wann und auf welche Maßnahmen bezogen sie Weisungen erteilen wollen, steht in ihrem Belieben (Lutter/Hommelhoff/Kleindiek a. a. O. § 37 GmbHG Rnr. 18). Dabei ist es ihnen nicht verwehrt, die Ausübung des Weisungsrechts auf einen einzelnen Gesellschafter oder eine andere gesellschaftsinterne Stelle durch einfachen Gesellschafterbeschluss zu übertragen (Lutter/Hommelhoff/Kleindiek a. a. O. § 37 GmbHG Rnr. 21).



Es kann hier dahinstehen, ob die allgemeine nicht nach Art der Weisung oder nach Geschäftsart beschränkte Übertragung des Weisungsrechtes wirksam ist (dazu Lutter/Hommelhoff/Kleindiek a. a. O. § 37 GmbHG Rnr. 21). Jedenfalls unterlag der Kläger nach dem Gesellschafterbeschluss keinen weitergehenden Weisungsrechten, als sie sich aus seiner Position als Geschäftsführer ergaben.



Seine Behauptung, seine Position als Geschäftsführer sei schon vor September 2015 sinnentleert gewesen, er habe die Aufgabe der Personalführung nicht mehr wahrnehmen können, ist unsubstantiiert und keiner Beweisaufnahme zugänglich.



B.



Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs.6, 97 ZPO.



Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Vorschriften§ 14 Abs. 1 Nr.1 KSchG, § 5 ArbGG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, § 1 KSchG, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 14 Abs. 1. Nr. 1 KSchG, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 242 BGB, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 1 Abs. 2 KSchG, § 1 Abs. 1 KSchG, § 13 Abs. 1 GmbHG, § 6 GmbHG, § 36 Abs. 1 GmbHG, § 130 BGB, § 162 BGB, § 162 Abs. 1 BGB, § 38 Abs. 1 GmbHG, § 38 Abs. 2 GmbHG, § 37 Abs. 1 GmbHG, §§ 64 Abs.6, 97 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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