25.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196707
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 02.03.2017 – 11 Sa 1453/16
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 16.11.2016 - 2 Ca 692/16 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine zusätzliche Dienstbefreiung als Ausgleich für eine 42 Kalendertage währende Erkrankung während des Sabbatjahrs (Freistellungsjahrs).
Im Berufungsverfahren beschränkt sich der Streit auf einen Ausgleich für den Krankheitszeitraum vom 22.02.2016 bis zum 03.04.2016 innerhalb der Jahresfreistellung für das Schuljahr 2015/2016.
Der 1957 geborene Kläger ist seit dem 01.01.1994 für das beklagte Land als Lehrer tätig. Er arbeitet an der Förderschule E in H, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Grundlage ist der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 20.12.1993. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Der Kläger hat in der Vergangenheit wiederholt Sabbatjahre nach dem einschlägigen Erlass beantragt und bewilligt erhalten.
Auf den Antrag vom 09.11.2012 wurde dem Kläger am 11.02.2013 für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 31.07.2016 eine Arbeitszeitermäßigung von 27,5 Unterrichtsstunden in der Woche auf 18,33 Unterrichtsstunden "in Form der Jahresfreistellung" gewährt, das Freistellungsjahr (Sabbatjahr) wurde für die Zeit vom 01.08.2015 bis zum 31.07.2016 festgelegt (Schreiben "Jahresfreistellung gemäß § 11 Abs. 2 TV-L" vom 11.02.2013: "... Die Teilzeitbeschäftigung wird in Form der Jahresfreistellung bewilligt. ...", Bl. 37 GA sowie Bl. 129 GA). Zur Gewährung von Jahresfreistellungen verhält sich der Runderlass des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 25.06.2004 "Sabbatjahr - Teilzeitbeschäftigung für Lehrkräfte im Tarifbeschäftigungsverhältnis und beamtete Lehrkräfte" (ABl. NRW. S. 209 / BASS 21-05 Nr. 15 - fortan: RdErl. Sabbatjahr/ Bl. 45 GA). In diesem Runderlass ist vorgesehen, dass eine Teilzeitbeschäftigung u.a. in der Weise möglich ist, dass über drei Jahre eine Teilzeitbeschäftigung mit 2/3 der Vergütung erfolgt, wobei sich an eine Vollbeschäftigung von zwei Jahren eine völlige Freistellung von einem Jahr anschließt. Wegen der Vergütung des Klägers während der Teilzeitbeschäftigung wird auf die Abrechnung für Januar 2016 Bezug genommen (anteilige Bezüge "18,33/27,50", Bl. 83 GA).
Während des Freistellungsjahrs vom 01.08.2015 bis 31.07.2016 (Sabbatjahr) war der Kläger als Folge eines Unfalls vom 22.02.2016 bis zum 03.04.2016 (So) krank. Der Kläger legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Mit Schreiben "Erkrankung im Sabbatjahr/Beantragung von Ausgleichszeit" vom 3.3.2016 beantragte der Kläger einen "Ausgleich für die Zeit, die ich als Freistellung nicht wahrnehmen kann" für das Schuljahr 2016/2017 und Gleiches für einen im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlichen Krankheitszeitraum aus März/April 2013 während des Sabbatjahres 2012/2013 (Bl. 5 GA). Das beklagte Land lehnte die beantragte Freistellung ab (Bl. 6 - 8 GA).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er nicht das Risiko trage, in der Freistellungsphase arbeitsunfähig zu erkranken. Aus dem Runderlass ergebe sich nicht, dass die Freistellung im Falle einer Erkrankung nicht entsprechend dem Gedanken des Bundesurlaubsgesetzes nachzuholen sei. Ähnlich wie beim Urlaub führe eine Erkrankung im Sabbatjahr ebenso dazu, dass der Urlaub als nicht genommen gelten könne, so dass er später noch nachgeholt und genommen werden dürfe. Die im Runderlass benannten Ausnahmen seien nicht abschließend geregelt, es handele sich nur um eine beispielhafte Aufzählung. Dabei müsse auch auf den Sinn und Zweck des Sabbatjahres abgestellt werden. Es sei zu berücksichtigen, dass das Sabbatjahr eine ungleichmäßig verteilte Teilzeitbeschäftigung sei. Die Wertungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes und des Bundesurlaubsgesetzes seien heranzuziehen. Nach der gesetzgeberischen Intention des Sabbatjahres (Jahresfreistellung) sei die Regelung des § 9 BUrlG heranzuziehen. Jegliche Form der Erkrankung müsse dazu führen, dass sich das Freistellungsjahr bei einem nicht von der Lehrkraft zu vertretenden Ausfallgrund oder bei nicht voller Inanspruchnahme entsprechend "verlängere". Ein verständiger Arbeitnehmer könne aus dem Runderlass nichts anderes herleiten, als dass grundsätzlich jeder Tag der Erkrankung dazu führen müsse, dass die Freistellungsphase nicht habe in Anspruch genommen werden können.
Der Kläger hat beantragt
Das beklagte Land hat beantragt,
Das beklagte Land hat gemeint, die Störfallregelung in IV. des benannten Runderlasses sei eindeutig. Das Land hat auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.10.2008 - AZ 2 C 15/07 - hingewiesen. Danach ergebe sich, dass vorübergehende Ausfallzeiten, auch bedingt durch Arbeitsunfähigkeit, zu Lasten des Arbeitnehmers gingen. Im Übrigen sehe der Runderlass allenfalls eine Nachzahlung vor, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt jedoch die Nachholung ausgefallener Zeiten. Das Bundesurlaubsgesetz und auch das Entgeltfortzahlungsgesetz seien hier im Falle einer Erkrankung nicht einschlägig. Zu keinem Zeitpunkt habe der Kläger einen Antrag auf Abbruch der Teilzeitregelung gestellt. Sinn und Zweck des Sabbatjahres sei eine ungleichmäßig verteilte Teilzeitbeschäftigung. Diese könne dann unterbrochen und beendet werden, wenn dem Teilzeitbeschäftigten die Weiterführung nicht mehr zumutbar sei, beispielsweise wegen einer langfristigen Erkrankung, weil in einer solchen Situation das bereits vorfinanzierte Freistellungsjahr ansonsten wesentlich entwerten werde. In diesem Zusammenhang führe das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung aus, dass insbesondere eine längerfristige, mit vorübergehender Dienstunfähigkeit verbundene Erkrankung die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Teilzeit begründen könne - es heiße dort: "Entscheidender Gesichtspunkt ist, dass die mit der Wahl der Teilzeitbeschäftigung verbundenen Vorteile, die der Beamte durch den Verzicht auf die volle Besoldung erkaufen will oder - wie hier - bereits erkauft hat, durch die Erkrankung ganz oder nahezu vollständig entwertet worden sind."
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Nachholung der Erkrankungszeiträume der Jahre 2013 und 2016. Die Vereinbarungen der Parteien zum Sabbatjahr gemäß § 11 Abs. 2 TV-L i. V. m. dem Runderlass seien gemäß § 362 Abs. 1 BGB als erfüllt anzusehen. Zur Nachgewährung von Zeiten für die Erkrankung in 2013 müsse der Kläger sich auf die Verfallfrist in § 37 TV-L verweisen lassen, etwaige Ansprüche seien verfallen. Die erstmalige Geltendmachung vom 03.03.2016 sei für Ansprüche aus 2013 verspätet. Auch für 2016 bestehe kein Anspruch auf Ersatz für die Erkrankungszeit. Die Regelung im Runderlass sei insoweit eindeutig. Nach IV. des Runderlasses komme allenfalls eine Nachzahlung erwirtschafteter Entgelte in Betracht. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt komme die Gewährung eines Freizeitausgleichs in Betracht, weder nach dem TzBfG noch nach dem TV-L noch nach dem Runderlass. Die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes seien nicht entsprechend heranzuziehen. Es gehe nicht um Urlaub sondern um die Behandlung von Ausfalltagen in einem laufenden Arbeitsverhältnis. Im Sabbatjahr habe der Kläger das Risiko einer Erkrankung zunächst einmal selbst zu tragen. Nur bei außergewöhnlichen Umständen könne eine Rückabwicklung des Sabbatjahrs oder eine Rückabwicklung von Ausfallzeiten erfolgen. Aus der Entscheidung des BVerwG und aus der Aufzählung im Runderlass gehe hervor, dass es nur um ganz wesentliche Ausfallzeiten gehen könne, wie sie hier nicht gegeben seien. Eine sechswöchige Arbeitsunfähigkeit reiche jedenfalls nicht aus. Im Ergebnis würde die Ansicht des Klägers dazu führen, dass jeder eintägige Schnupfen zu Nachholzeiten führen würde. Genau das aber sei nicht Sinn und Zweck eines Sabbatjahres. Denn umgekehrt müsse der Kläger sich entgegenhalten lassen, dass es ebenfalls nicht zu einer Rückabwicklung oder Verschiebung komme, wenn er in den Vorjahren zum Sabbatjahr erkranke.
Das Urteil ist dem Kläger am 23.11.2016 zugestellt worden. Die Berufung ist am 08.12.2016 eingelegt und begründet worden.
Der Kläger wendet ein, unzutreffend habe das Arbeitsgericht den Anspruch auf eine Freistellung als Ausgleich für die Erkrankung vom 22.02.2016 bis zum 03.04.2016 verneint. Wenn eine Freistellung nicht in Betracht komme, seien zumindest für den Erkrankungszeitraum die in der Ansparphase erwirtschafteten Entgelte nachzuzahlen. Zu berücksichtigen sei, dass ein Sabbatjahr eingelegt werden könne zum Zwecke der vollkommenen Wiedererlangung der Arbeitskraft und auch als Fortbildungsmöglichkeit. Er habe das Sabbatjahr als Urlaub genutzt, um seine Arbeitskraft vollständig herstellen zu können. Er sei immerhin seit fast 25 Jahren im Dienst. Es gehe darum, sich von den Anstrengungen der Tätigkeit als Lehrer an einer Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung, einer gerade auch psychisch schweren Tätigkeit, zu erholen. Die Freistellung erfülle mithin denselben Zweck wie ein Urlaub. Es müsse eine Handhabung wie gemäß § 9 BurlG erfolgen. Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, welchen Zweck die Auszeit eines Sabbatjahres haben solle. Aufgrund der unbestimmten Formulierung im Runderlass stelle sich die Frage, wie bei einer Erkrankung im Freistellungsjahr zu verfahren sei. Die Regelungen der §§ 305 ff BGB seien zu berücksichtigen und damit die Rechtsprechung zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Er habe der Klausel nicht entnehmen können, was im Falle einer Erkrankung gelten solle. Der Runderlass sei in seinen Ausführungen viel zu unbestimmt. Zur zeitlichen Festlegung des geschuldeten Zeitausgleichs seien entsprechend § 7 BurlG die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Hilfsweise sei die Freistellung zu einem anderen Termin in 2017 oder 2018 zu gewähren, äußert hilfsweise sei ein Ausgleich durch eine Entgeltzahlung zu leisten (Nachzahlungsanspruch). Er habe das Freistellungsjahr aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht in vollem Umfang nehmen können. Zumindest bei einer Erkrankung über den Sechswochenzeitraum nach dem EFZG hinaus, sei eine langandauernde Erkrankung im Sinne der Aufzählung im Erlass anzunehmen.
Der Kläger beantragt - nach gerichtlichem Hinweis auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags zu 2. - :
Das beklagte Land beantragt,
Das beklagte Land verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Das Urteil des Arbeitsgerichts sei richtig. Bereits der Ausgangspunkt der Berufung, es handele sich bei dem Freistellungsjahr um Urlaub zum Zwecke der Wiedererlangung der Arbeitskraft, sei unzutreffend. Für eine analoge Anwendung des § 9 BurlG bestehe kein Raum. Der Freizeitausgleich zum Abbau von Überstundenguthaben sei mit einer Urlaubsgewährung nicht vergleichbar. Der Freizeitausgleich diene nicht einem Erholungsurlaub sondern der Einhaltung der vertraglichen Arbeitszeit. Der Kläger übersehe, dass es sich ausweislich des Runderlasses um eine besondere zeitlich befristete Form der Teilzeitbeschäftigung handele. Bei dem in Nordrhein-Westfalen praktizierten Modell zum Sabbatjahr werde das durch die unbezahlten Überstunden zunächst eingesparte Gehalt auf einem Arbeitszeitkonto angespart. Es gebe eine Ansparphase und nachfolgend eine Freistellungsphase. Durch die Fortzahlung des reduzierten Gehalts in der Freistellungsphase erfolge ein Freizeitausgleich für zuvor geleistete Überstunden/Mehrarbeit. Es sei entgegen der Argumentation des Klägers vollkommen unerheblich, wie er die Freistellungsphase genutzt habe. Die Freistellungserklärung des Landes habe sich nicht auf Erholungsurlaub des Klägers beziehen können. Der Anspruch des Klägers auf Freistellung sei bereits durch die Gewährung der Freistellung des Klägers erfüllt. Eine nachträglich eintretende Erkrankung mache die bewirkte Erfüllung des Ausgleichsanspruchs nicht hinfällig. Der Arbeitnehmer trage das Risiko, die durch Arbeitszeitausgleich gewonnene Freizeit auch tatsächlich nach seinen Vorstellungen nutzen zu können (BAG 11.09.2003 - 6 AZR 374/02 -). Eine Pflicht zur Nachgewährung der durch Krankheit "verlorenen" Überstunden bestehe nicht. Das erstmals in der Berufungsinstanz verfolgte Begehren auf Nachzahlung sei unzulässig. Einer entsprechenden Klageänderung werde ausdrücklich widersprochen. Jedenfalls sei der Anspruch ebenfalls unbegründet. Der Anspruch auf Freistellung sei durch die erfolgte Freistellung vollständig erfüllt. Zahlungsansprüche bestünden auch nicht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Die Erkrankung sei nicht die alleinige Ursache der Arbeitsverhinderung des Klägers. Hier hätte der Kläger auch ohne Erkrankung nicht gearbeitet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die gerichtlichen Protokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b), Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Haupt- und Hilfsantrag zu 1. sind unbegründet (Freistellung vom Dienst). Der Hilfsantrag zu 2. ist unzulässig (Nachzahlung von Entgelt).
I. Das Begehren des Klägers auf Freistellung vom Dienst gemäß dem Haupt- und dem Hilfsantrag zu 1 bleibt ohne Erfolg.
Zwar sind der Feststellungsantrag und das hilfsweise Leistungsbegehren zu 1. nach §§ 256 Abs. 1, 253 Abs. 2 ZPO prozessrechtlich zulässig. Die geforderte Leistung ist durch die Angabe der konkreten Daten bzw. der konkreten Zeitdauer in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Weise bestimmt. Auch ist nicht zu beanstanden, dass der Hauptantrag als Feststellungsantrag gefasst ist. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über eine Freistellung abschließend zu klären, zumal es sich bei der beklagten Partei um einen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes handelt (vgl. BAG 20.10.2016 - 6 AZR 715/15 - Rn. 25).
Hauptantrag und erster Hilfsantrag sind jedoch unbegründet. Für das Begehren auf Freistellung fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
1. Eine Freistellung vom Dienst kann der Kläger nicht nach § 10 Abs. 4, Abs. 6 TV-L beanspruchen. Dem stehen die tarifvertraglichen Sonderregelungen für Beschäftigte als Lehrkräfte gemäß § 44 TV-L entgegen.
§ 10 Abs. 6 TV-L sieht vor, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Einrichtung eines Langzeitkontos vereinbaren können. In § 10 Abs. 4 TV-L ist geregelt, dass im Falle einer unverzüglich angezeigten und durch ärztliches Attest nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit während eines Zeitausgleichs vom Arbeitszeitkonto eine Minderung des Zeitguthabens nicht eintritt. Mit der letztgenannten Regelung berücksichtigen die Tarifvertragsparteien, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Freizeitausgleich bereits durch die erfolgte Freistellung von der Arbeit erfüllt ist und eine nachträglich eintretende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs nicht hinfällig macht und deshalb im Falle der Erkrankung eine Nachgewährung des Freizeitausgleichs nicht verlangt werden kann (Breier u.a., TV-L, 71. AL 12/2016, 3.2 Arbeitsunfähigkeit während Freizeitausgleichs Rn. 35 [[...]] unter Hinweis auf BAG 11.09.2003 - 6 AZR 374/02 - AP BGB § 611 Gleitzeit Nr. 1). Abweichend von dieser gesetzlich vorgezeichneten Rechtslage verlagern die Tarifvertragsparteien mit § 10 Abs. 4 TV-L das Risiko der Nutzungsmöglichkeit des Arbeitszeitausgleichs vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber und verpflichten den Arbeitgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 TV-L zu einer Nachgewährung des Arbeitszeitausgleichs (Breier u.a., TV-L, 71. AL 12/2016, 3.2 Arbeitsunfähigkeit während Freizeitausgleichs Rn. 35 [[...]]).
Nach § 44 Nr. 1, Nr. 2 TV-L finden die §§ 6 bis 10 TV-L jedoch keine Anwendung auf Lehrkräfte an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, zu welchen der Kläger rechnet. Statt der §§ 6 bis 10 TV-L gelten für die genannten Lehrkräfte gemäß § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten in der jeweils geltenden Fassung. Diese Blankettverweisung auf beamtenrechtliche Bestimmungen in einer Tarifnorm ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG rechtlich unbedenklich und wirksam (
BAG 20.10.2016 - 6 AZR 715/15 - Rn. 29 mwN; BAG 08.05.2008 - 6 AZR 359/07 - Rn. 14 = ZTR 2008,558 = NZA-RR 2008,665
[BAG 08.05.2008 - 6 AZR 359/07]
zur Vorgängerregelung zum BAT).
2. Ein Anspruch auf Freistellung folgt nicht aus dem Runderlass des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 25.06.2004 "Sabbatjahr - Teilzeitbeschäftigung für Lehrkräfte im Tarifbeschäftigungsverhältnis und beamtete Lehrkräfte" (ABl. NRW. S. 209 / BASS 21-05 Nr. 15 - fortan: RdErl. Sabbatjahr/ Bl. 45 GA). Dort ist eine zusätzliche Dienstbefreiung als Ausgleich für Arbeitsunfähigkeitszeiten während des Freistellungsjahrs (Sabbatjahrs) nicht vorgesehen.
Der RdErl. Sabbatjahr ist im Fall des Klägers anzuwenden. Die Verweisung in § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L bezieht nicht nur Gesetze und Verordnungen sondern auch Verwaltungsvorschriften und Erlasse mit ein (
BAG 20.10.2016 - 6 AZR 715/15 - Rn. 29 mwN). Die Regelung in § 44 TV-L und die dort in Bezug genommenen Bestimmungen für Beamte unterliegen keiner richterlichen Kontrolle nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff BGB. Die §§ 305 ff BGB finden gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keine Anwendung auf Tarifverträge. Die beamtenrechtlichen Bestimmungen einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, Anordnungen und Erlasse kommen nicht auf Grund arbeitsvertraglicher Regelungen zur Geltung, sondern auf Grund der Tarifregelung in § 44 TV-L. Das schließt eine Überprüfung der beamtenrechtlichen Bestimmungen am Maßstab der §§ 305 - 310 BGB aus (vgl. BAG 08.05.2008 - 6 AZR 359/07 - Rn. 15 zur Vorgängerregelung in Nr. 3 Satz 2 SR 2l I BAT = ZTR 2008,558 = NZA-RR 2008,665
[BAG 08.05.2008 - 6 AZR 359/07]
)
Im RdErl. Sabbatjahr heißt es auszugsweise (vollständiger Text Bl. 45 GA):
I. Formen des Sabbatjahres und Bewilligungsvoraussetzungen
Das Sabbatjahr ist eine besondere, zeitlich befristete Form der Teilzeitbeschäftigung, die ermöglicht, dass der Teil, um den die Arbeitszeit ermäßigt ist, zu einem zusammenhängenden Zeitraum am Ende der bewilligten Teilzeitbeschäftigung zusammengefasst wird. ...
II. Antragsverfahren
...
III. Arbeits-, sozialversicherungs- und dienstrechtliche Auswirkungen
...
IV. Veränderungen während des Bewilligungszeitraums
Bei Antritt einer Elternzeit oder eines Urlaubs aus familiären oder arbeitsmarktpolitischen Gründen wird die Teilnahme am Sabbatjahr grundsätzlich unterbrochen. Nach Beendigung des Urlaubs wird die Teilzeitbeschäftigung nach dem bewilligten Sabbatjahrmodell fortgesetzt.
Eine vorzeitige Änderung des Umfangs der Teilzeitbeschäftigung in Form des Sabbatjahrs oder die Rückkehr zur Vollbeschäftigung ist nur mit Zustimmung des Arbeitgebers oder des Dienstvorgesetzten zulässig, wenn dienstliche Belange nicht entgegenstehen. In diesem Fall werden das bis zu diesem Zeitpunkt "angesparte" Entgelt oder die "angesparten" Dienstbezüge nachgezahlt.
Kann das Freistellungsjahr aus einem nicht von der Lehrkraft zu vertretenden Grund nicht oder nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen werden (z.B. wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, Ausscheidung aus dem Landesdienst oder vorzeitiger Pensionierung, Wechsel des Dienstherrn, Entlassung, Tod), besteht ebenfalls ein Nachzahlungsanspruch auf das nicht ausgezahlte Entgelt oder die nicht ausgezahlte Besoldung.
Eine zusätzliche Dienstbefreiung der Lehrkraft bei Arbeitsunfähigkeitszeiten im Sabbatjahr ist im RdErl. Sabbatjahr nicht vorgesehen. Bei dem Sabbatjahr handelt es sich um eine besondere zeitlich befristete Form der Teilzeitbeschäftigung, die auf Antrag der Lehrkraft über einen nachfolgenden Zeitraum von mindestens drei bis längstens sieben Jahre bewilligt wird (RdErl. Sabbatjahr unter I.).
Die Auswirkungen von Veränderungen während des Bewilligungszeitraums (Störfälle) sind unter IV. RdErl. Sabbatjahr geregelt. Ein Fall der Unterbrechung des Sabbatjahrs wegen Elternzeit oder Urlaubs aus arbeitsmarktpolitischen Gründen im Sinne des ersten Absatzes von IV. RdErl. Sabbatjahr liegt hier unstreitig nicht vor.
Auch nach dem zweiten Absatz von IV. ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf zusätzliche Freistellung, weder nach den Tatbestandsvoraussetzungen noch nach der Rechtfolge der Bestimmung. Geregelt sind die Fälle einer einvernehmlichen vorzeitigen Rückkehr zur Vollbeschäftigung und einer einvernehmlichen vorzeitigen Änderung des Umfangs der Teilzeitbeschäftigung; im Fall einer solchen vorzeitigen Änderung werden das bis zu diesem Zeitpunkt "angesparte" Entgelt oder die "angesparten" Dienstbezüge nachgezahlt. Bereits die Tatbestandsvoraussetzungen sind nicht erfüllt. Das 2012 bewilligte Sabbatjahrmodell über 3 Jahre mit zwei Jahren Vollbeschäftigung und einem nachfolgenden Freistellungsjahr mit durchgehend 2/3 der Vergütung über die gesamten drei Jahre ist weder anlässlich der Erkrankung des Klägers im März / April 2016 weder vorzeitig beendet worden noch ist der Umfang der Teilzeitbeschäftigung abgeändert worden. Die einjährige Freistellung ist vielmehr weiter wie beantragt und bewilligt bis zum Ende des Schuljahres 2015/2016 fortgeführt worden. Abgesehen vom Fehlen der Voraussetzungen stützt auch die ausgewiesene Rechtsfolge einen Anspruch auf zusätzliche Dienstbefreiung nicht. Vorgesehen ist ein finanzieller Ausgleich und nicht ein Ausgleich durch eine zusätzliche Freistellung vom Dienst in der Zeit nach Ablauf des Sabbatjahres.
Letzteres gilt auch für die im dritten und letzten Absatz zu IV. behandelten Veränderungen während der Laufzeit des bewilligten Teilzeitmodells. Kann das Freistellungsjahr aus einem nicht von der Lehrkraft zu vertretenden Grund nicht oder nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen werden, besteht, so der Erlass, ebenfalls ein Nachzahlungsanspruch auf das noch nicht ausgezahlte Entgelt oder die nicht ausgezahlte Besoldung. Auch hier ergibt sich als Rechtsfolge allenfalls ein Zahlungsanspruch und nicht ein Anspruch auf zusätzliche Dienstbefreiung. Bereits deshalb erweisen sich das Hauptbegehren und der erste Hilfsantrag des Klägers auf zusätzliche Dienstbefreiung als unbegründet. Davon abgesehen teilt die Berufungskammer die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass auch die Tatbestandsvoraussetzungen des letzten Absatzes von IV. RdErl. Sabbatjahr nicht erfüllt sind. Die Erkrankung des Klägers für den Zeitraum vom 22.02.2016 bis zum 03.04.2016 kann den im Erlass exemplarisch aufgezählten Störfällen einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, eines Ausscheidens aus dem Landesdienst oder einer vorzeitigen Pensionierung, eines Wechsels des Dienstherrn, einer Entlassung oder des Todes in der Gewichtigkeit nicht gleichgestellt werden, ein Überschreiten des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraums um einen Tag reicht dazu nicht aus. Insofern kann auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts auf S. 7 des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen werden.
3. Ein Anspruch auf Freistellung folgt schließlich nicht aus sonstigen Rechtsnormen, insbesondere kann die Regelung des § 9 BurlG nicht entsprechend angewandt werden.
Das beklagte Land hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Freizeitausgleich bei Anwendung der allgemeinen Rechtsvorschriften bereits durch die erfolgte Freistellung von der Arbeit erfüllt ist (§ 362 Abs. 1 BGB), eine nachträglich eintretende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs nicht hinfällig macht und deshalb im Falle der Erkrankung eine Nachgewährung des Freizeitausgleichs nicht verlangt werden kann (
BAG 11.09.2003 - 6 AZR 374/02 - AP BGB § 611 Gleitzeit Nr. 1; Breier u.a., TV-L, 71. AL 12/2016, 3.2 Arbeitsunfähigkeit während Freizeitausgleichs Rn. 35 [[...]] / s.o.).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 9 BurlG. Einer unmittelbaren Anwendung des § 9 BurlG steht entgegen, dass es sich bei dem Sabbatjahr nicht um die Abwicklung von Erholungsurlaub handelt. Das Sabbatjahr nach dem Runderlass ist eine besondere, zeitlich befristete Form der Teilzeitbeschäftigung und keine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht zu Erholungszwecken. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt auch eine analoge Anwendung von § 9 BurlG nicht in Betracht. Eine wortsinnübersteigende Anwendung eines Gesetzes durch Analogie bedarf stets einer besonderen Legitimation. Es muss eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegen, deren Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann (
BAG 24.09.2015 - 6 AZR 511/14 - Rn. 26 = AP SGB II § 6 c Nr. 3 = ZTR 2016,84 = NZA-RR 2016, 41). Darüber hinaus ist erforderlich, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle (BAG 24.09.2015 aaO). Eine planwidrige Gesetzeslücke kann nicht festgestellt werden. Fragen der Teilzeitbeschäftigung regeln sich nach den teilzeitbezogenen Vorschriften des TzBfG und nach den allgemeinen Rechtsnormen des BGB zum arbeitsvertraglichen Leistungsaustausch. Auch ergeben sich keine Wertungswidersprüche. Die Interessenlagen sind bei Erholungsurlaub einerseits und einem Zeitausgleich innerhalb eines besonderen Teilzeitmodells mit unterschiedlich gestalteten Beschäftigungsphasen andererseits nicht vergleichbar. Auch eine Analogie zu Regeln des Entgeltfortzahlungsgesetzes kommt nicht in Betracht. Es fehlt insoweit an einer auch nur ansatzweise vergleichbaren Interessenlage. Weder eine Gesetzeslücke noch ein Widerspruch des hiesigen Ergebnisses zu den Regeln des Entgeltfortzahlungsgesetzes sind feststellbar. Weshalb der Kläger meint, das "Entgeltfortzahlungsgesetz sei als Auslegungshilfe heranzuziehen", erschließt sich der Kammer nicht. Dass das Erreichen des Sechswochenzeitraums des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht entscheidungserheblich ist, ist bereits oben unter 2. ausgeführt worden. Sonstige Anspruchsgrundlagen für einen Anspruch auf zusätzliche Dienstbefreiung bestehen nicht; solche werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
II. Ohne Erfolg bleibt auch der zweite Hilfsantrag, das beklagte Land zu einer Nachzahlung - in nicht bezifferter Höhe - zu verurteilen. Der Antrag ist unzulässig. Zwar ist die insoweit gegebene Klageänderung in der Berufungsinstanz nach § 533 ZPO zulässig, weil die Klageänderung sachdienlich ist und die dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen auf der Grundlage der Tatsachen zu beurteilen sind, die das Berufungsgericht der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat. Der Antrag ist jedoch nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, weil er - auch nach entsprechendem Hinweis des Gerichts - nicht hinreichend bestimmt gefasst ist. Es fehlt die Bezifferung des eingeforderten Betrags. Ein Zahlungsantrag muss - von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen wie etwa Schmerzensgeldklagen nach § 253 Abs. 2 BGB oder Entschädigungsklagen gemäß § 15 Abs. 2 AGG abgesehen - die geforderte Summe konkret angeben, bei einer Arbeitsvergütung ist dies der geschuldete Bruttobetrag (Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 253 ZPO Rn. 13, 13 a, 14). Ist die geforderte Summe nicht konkret beziffert, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen.
III. Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten des erfolglos betriebenen Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine über den entschiedenen Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Das Urteil der Kammer weicht nicht von einer Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte ab.