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02.10.2017 · IWW-Abrufnummer 196838

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 17.11.2016 – 8 Sa 492/16


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 16.03.2016 - 4 Ca 1840/15 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 01.03.2015 Vergütung nach der Vergütungsgruppe 5 der Vergütungsordnung (Anlage 1 a zu § 22 des Innungskrankenkassen-Tarifvertrages) zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.



Die am xx.xx.19xx geborene Klägerin ist seit dem 15. September 2003 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Die Beklagte ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfasst. Als Innungskrankenkasse ist sie Träger der gesetzlichen Krankenversicherung mit bundesweit rund 2,5 Millionen Versicherten und über 7000 Beschäftigten. Die Klägerin ist Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.



Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Innungskrankenkassen-Tarifvertrag (IKK-TV) vom 19. Dezember 2000 in der Fassung vom 1. Februar 2005 Anwendung. Wegen der Eingruppierung der Angestellten verweist § 22 Abs. 1 IKK-TV auf die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung, Anlage 1a zum IKK-TV. Mit Tarifvertrag vom 29. August 2014 (Kopie Bl. 57/58 d. A.), in Kraft getreten am 1. September 2014, vereinbarten die Beklagte und Gewerkschaft ver.di insoweit die vorläufig weitere Geltung der vom IKK-Bundesverband bereits im Jahre 1998 gekündigten Vergütungsordnung (Anlage 1a zu § 22 BAT/IKK) für die vom Geltungsbereich des IKK-TV erfassten Angestellten der Beklagten.



Nach der dortigen Präambel soll diese Anlage 1a bis zur Vereinbarung einer "modernen und zukunftsorientierten Vergütungsordnung für die X" zwischenzeitlich als rechtsverbindliche Vergütungsgrundlage fungieren. Die aktuell im Umfang von 30 Wochenstunden tätige Klägerin ist gegenwärtig in der Vergütungsgruppe 4 der Anlage 1a eingruppiert. Zum Zeitpunkt des Klageeingangs am 14. Dezember 2015 betrug das monatliche Tabellenentgelt bei der vollen tariflichen Arbeitszeit (38,5 Wochenstunden) insoweit 2.825,78 € brutto.



Der Einsatz der Klägerin erfolgt in dem im Rahmen von Reorganisationsmaßnahmen nach Fusionsprozessen gebildeten Belegcenter P, dort Bereich eArchiv/Beleglesung. Es handelt sich dabei um eines von bundesweit insgesamt vier Belegcentern der Beklagten. In diesen Belegcentern werden zentral jährlich rund 5 Millionen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (im Folgenden: AU-Bescheinigungen), ca. 625.000 Bonushefte und etwa 70.000 Teilnahmebescheinigungen an Desease-Management-Programmen (DMP) von Versicherten der Beklagten EDV-mäßig erfasst. Auf die dortige Einspeisung in das Datenverarbeitungssystem der Beklagten baut die spätere, anderen Organisationseinheiten zugewiesene Sachbearbeitung auf. Unstreitig ist, dass der Klägerin Aufgaben der Sachbearbeitung in Krankenversicherungsangelegenheiten nicht obliegen.



Im Belegcenter P ergeben sich für die Klägerin folgende Arbeitsaufgaben und Arbeitsabläufe: Die eingegangenen Postsendungen werden maschinell geöffnet. Die übermittelten Belege werden zunächst insoweit vorsortiert, als die voraussichtlich nicht maschinenlesbaren Dokumente sowie Irrläufer vorab ausgesondert werden. Auf das Öffnen, Vorsortieren und anschließende Stapeln der Belege verfährt die Klägerin zwei bis drei Stunden je Woche, damit rund 10% ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Mit dem anschließenden Scan-Vorgang selbst ist die Klägerin nicht befasst. Aus dem Scan-Vorgang heraus werden die in den Dokumenten (z. B. AU-Formulare) eingetragenen Daten sodann mittels einer Erkennungssoftware in eine dem Dokumententyp entsprechenden Erfassungsmaske übertragen. Weitere Aufgabe der Klägerin im Rahmen einer im Übrigen am Bildschirm ausgeübten Tätigkeit ist es nun, die vom System erkannten und automatisch in eine Maske übertragenen Daten, die ihr auf der rechten Bildschirmhälfte dargestellt werden, mit den Daten der ihr auf der linken Bildschirmhälfte angezeigten Ablichtung des Originalbelegs zu vergleichen.



Insoweit wird auf den Screenshot (Anlage B 2, Bl. 225 d. A.) verwiesen, der exemplarisch eine AU-Bescheinigung (links) und rechts daneben die entsprechende Datenmaske zeigt. Ein kleiner Teil der Belege (ca. 40.000 jährlich), die das System nach vorgegebenen Kriterien als eindeutig und plausibel einordnet, wird ohne weitere Kontrolle ("dunkel") der Sachbearbeitung zugeleitet.



Über die konkreten Aufgaben der Klägerin und der weiteren in der IT-Beleglesung/AU-Beleglesung beschäftigten Kräfte verhält sich die Arbeitsanweisung Nr. 122-011 (Stand 10. Juli 2015), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage B 1, Bl. 201 ff d. A.). Die dort unter dem 4. Kapitel dargestellten Aufgaben in der "3. Nachbearbeitung ISKV Basis - AUVZU" fallen jedoch wegen einer Softwareumstellung seit Dezember 2015 im Belegcenter P nicht mehr an, wurden zuvor aber ebenfalls von der Klägerin wahrgenommen.



Entsprechend dieser Arbeitsanweisung arbeitet die Klägerin rund 2000 Belege - darunter ganz überwiegend AU-Bescheinigungen - je vollem Arbeitstag ab. Sie achtet zunächst auf die in der Maske rot hinterlegten Einträge. Diese wurden vom System als potentiell fehlerhaft, unvollständig, fehlerfasst oder unleserlich erkannt. Diese Fehler oder Unvollständigkeiten sind von der Klägerin zunächst aus dem Originalbeleg heraus zu berichtigen oder zu füllen. Auch hinsichtlich grün hinterlegter Daten nimmt die Klägerin einen Abgleich vor, um z. B. die Fehlerfassung von Zahlen zu vermeiden. Ebenso kontrolliert sie die in der Maske erfassten Versicherten- und Arztnummern auf Übereinstimmung mit den entsprechenden natürlichen Personen oder Leistungserbringern laut Originalbeleg. Es gilt insoweit Abweichungen zu erkennen, die bei falsch erfassten jedoch tatsächlich vergebenen Nummern entstehen können. Darüber hinaus obliegen der Klägerin Evidenzkontrollen. So hat sie zu überprüfen, ob die - regelmäßig im ICD-10-Code verschlüsselt angegebenen - Diagnosen plausibel mit der Dauer der attestierten Arbeitsunfähigkeit korrespondieren, ob ganz ungewöhnliche Diagnosen vorliegen (z. B. schwangerschaftsbedingte oder gynäkologische Erkrankungen bei Männern), ob die ICD-10-Codierung in sich plausibel ist oder ob eine ggf. nur schriftliche Diagnose angegeben ist, die von ihr in die Codierung überführt werden kann.



Fehlt die Angabe der Diagnose gänzlich, ist diese unleserlich oder unplausibel, sind besonders seltene Diagnosen mit entsprechender Fehlervermutung codiert, fehlen Angaben zum Vorliegen einer Erst- oder Folgebescheinigung oder liegt sonstiger aufgabenbezogener Klärungsbedarf vor, so hat die Klägerin nach Maßgabe der Arbeitsanweisung in der jeweiligen Arbeitspraxis anzurufen und sich dort um Aufklärung bzw. Ergänzung der Angaben zu bemühen. Derartiger telefonischer Klärungsbedarf besteht nach unstreitiger Darstellung der Klägerin mit Mittel in zwei bis fünfzehn Fällen je Schicht. Ist der Klägerin eine telefonische Klärung nicht möglich, endet ihre Tätigkeit mit der Abgabe des Vorgangs an die Sachbearbeitung über den sog. Clearing-Korb. Bestimmte, nach neuer GB-A Richtlinie vom 17. Dezember 2015 zusätzlich vorgesehene Angaben in den AU-Formularen zum Bezug von Krankengeld oder zum Vorliegen einer Endbescheinigung erfasst das System gegenwärtig nicht. Diese sind stets manuell in die Maske einzupflegen und, soweit in den Belegen fehlend, vorab mit den Arztpraxen abzuklären. Zum Zwecke der vollständigen bildlichen Darstellung wird ergänzend auf die weiteren, voll aufgezogenen Screenshots (Bl. 242/243 d. A.) verwiesen.



Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 6. November 2015 (Bl. 6/7 d. A.), auf welches Bezug genommen wird, machte die Klägerin ihre Eingruppierung in der Vergütungsgruppe 5 und - im Rahmen der tariflichen Ausschlussfristen - die rückwirkende Zahlung der entsprechenden Vergütung geltend. Unter dem 27. November 2015 wies die Beklagte den geltend gemachten Anspruch zurück. Diesen verfolgt die Klägerin nunmehr auf dem Rechtsweg weiter.



Zur Begründung hat sie erstinstanzlich vorgetragen, dass ihre Haupttätigkeit am Bildschirm von der Vergütungsgruppe 5 Ziffer 6 der Anlage 1a zum IKK-TV, Tätigkeitsbeispiel "Angestellte in der DV-Datenerfassung, die auch Daten bearbeiten" erfasst werde. In Abgrenzung zum Regelbeispiel der Vergütungsgruppe 4 Ziffer 5 "Angestellte in der DV-Datenerfassung spätestens nach 6 Monaten" obliege ihr nicht lediglich die Erfassung, sondern unter Berücksichtigung der Arbeitsanweisung und der tatsächlichen Arbeitsabläufe eben auch die Ermittlung, Ergänzung und Veränderung von Daten. Die Arbeit am Bildschirm stelle sich dabei als einheitlicher, zeitlich ganz überwiegender Arbeitsvorgang dar. Insoweit habe sie bei allen von ihr zu bearbeitenden Dokumenten fortlaufend Richtigkeits-, Vollständigkeits- und Plausibiliätskontrollen vorzunehmen, die Notwendigkeit telefonsicher Nachfragen zu beurteilen und diese im Bedarfsfall auch durchzuführen.



Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 1. März 2015 gemäß der Vergütungsgruppe 5 der Vergütungsordnung der Anlage 1a zu § 22 des Innungskrankenkassen-Tarifvertrages zu vergüten.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass das von der Klägerin bemühte Tätigkeitsbeispiel der Vergütungsgruppe 5 Ziffer 6 schon nicht einschlägig sei. Unter Berücksichtigung der Entstehungszeit der Beispiele (1991) könne schon von einer Tätigkeit in der DV-Datenerfassung nicht ausgegangen werden. Das heute angewandte System der Erfassung mittels Erkennungssoftware sei den Tarifvertragsparteien damals gänzlich unbekannt gewesen. Es müsse wegen der Eingruppierung folglich auf die allgemeinen Merkmale der beanspruchten Vergütungsgruppe 5 abgestellt werden, zu deren Verwirklichung die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen habe und deren Anforderungen durch die konkrete Tätigkeit auch nicht erfüllt werden könnten. Gehe man gleichwohl von dem bemühten Tätigkeitsbeispiel aus, so könne im Lichte der dazu von den Tarifvertragsparteien verhandelten Fußnote 19 nicht von einem "Bearbeiten" ausgegangen werden, weil sich die Tätigkeit der Klägerin auf die bloße Fehlerkorrektur beschränke. Im Übrigen komme den ggf. tariflich höherwertigen Recherche- und Ergänzungsarbeiten ein so geringer zeitlicher Anteil zu, dass keinesfalls die Hälfte der klägerischen Gesamttätigkeit damit belegt werde.



Die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Paderborn hat die Klage mit Urteil vom 16. März 2016 - 4 Ca 1840/15 - abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Arbeit der Klägerin am Bildschirm - nach der technisierten Erfassung der Belegdaten - als einheitlicher Arbeitsvorgang zu betrachten sei. Denn keine von der Klägerin beschriebene Tätigkeit erfülle, unabhängig von deren Anteil an der gesamten Arbeitszeit, die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale oder ein Beispiel der Vergütungsgruppe 5. So liege insgesamt keine Bearbeitung von Daten im Sinne der Vergütungsgruppe 5 Ziffer 6 vor. Mit "Bearbeitung" seien Vorgänge des Prüfens oder des inhaltlich darüber Befindens angesprochen, nicht aber die bloße Ergänzung oder der Austausch vorgegebener Daten, welcher der Klägerin unter Berücksichtigung der relevanten Arbeitsanweisung obliege. Diese Auslegung werde bei Berücksichtigung des Entstehungszeitpunkts der Tarifnorm (1991) und der damaligen anderen technischen Voraussetzungen weiter gestützt. Die Fußnote 19 zur Vergütungsgruppe 5 Ziffer 6, die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien jedenfalls als Auslegungshilfe relevant sei, bestimmte, dass die Berichtigung eigener Erfassungsfehler gerade keine "Bearbeitung von Daten" sei. Unter Berücksichtigung der veränderten technischen Möglichkeiten gehe es bei der Tätigkeit der Klägerin aber um nichts anderes, als Erfassungsfehler zu beseitigen bzw. den ggf. lückenhaften Datenbestand zu vervollständigen. Dass die Fehler oder Lücken insoweit dem Zusammenwirken von Scanner und Erfassungssoftware und nicht der eigenen Fehlerfassung bei rein manueller Übertragung zugeordnet werden müsse, sei dabei unerheblich, weil die EDV hier die manuelle Eingabe lediglich ersetzt habe. Anspruch und Inhalt der Kontroll- und Korrekturtätigkeit seien dennoch gleichartig. Es sei nicht ersichtlich, dass die der Klägerin übertragene Tätigkeit - den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe 5 entsprechend - gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordere. Da insoweit eine auf dem allgemeinen Merkmal der Vergütungsgruppe 4, die ihrerseits nur gründliche Fachkenntnisse verlange, aufbauende tätigkeitsbezogene Heraushebung gefordert wäre, müsse dazu regelmäßig im Rahmen eines wertenden Vergleichs vorgetragen werden, woran es insgesamt fehle.



Gegen dieses ihr am 5. April 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. April 2016 Berufung eingelegt, die sie - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. Juli 2016 - mit Schriftsatz vom 11. Juli 2016, der am 12. Juli 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, unter Bezugnahme auf und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens begründet.



Neben der Postöffnung und Vorsortierung der Belege (Arbeitsvorgang mit einem Anteil von rund 10% an der Gesamttätigkeit) stelle sich die Arbeit am Bildschirm als einheitlicher, mit einem Zeitanteil von über 80% für die Eingruppierung hier einzig relevanter Arbeitsvorgang dar. Diese Tätigkeit werde entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts vom Beispiel der Vergütungsgruppe 5 Ziffer 6 erfasst. Hilfsweise könne mit gleichem Eingruppierungsergebnis auch auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe 5 rekurriert werden. Die Tätigkeitsmerkmale und Beispiele der Anlage 1a seien von den Tarifvertragsparteien durch bewusste Entscheidung und Tarifvertragsschluss im Jahre 2014 wieder unmittelbar in Kraft gesetzt worden, weshalb sie nicht allein im Lichte der 1990er Jahre betrachtet werden könnten und bei vorliegend gegebener Tarifbindung zudem unabdingbar seien.



Das beanspruchte Beispiel sei erfüllt, weil die konkrete Tätigkeit mit einer Ergänzung und Veränderung des erfassten Datenbestandes einhergehe, was sich als "Bearbeitung" im Tarifsinne darstelle. Im Gegensatz zum bloßen Erfassen von Daten, was begrifflich lediglich Eingabe, Kontrolle und Abgleich erfordere, verlange die übertragene Tätigkeit vorliegend Plausibilitätsüberlegungen und das Ändern und Ergänzen von Daten, selbiges zum Teil als Ergebnis eigener Ermittlungsarbeit oder von Zuordnungsüberlegungen. Soweit das Arbeitsgericht damit argumentiere, dass unter Berücksichtigung der Vorgaben aus der Arbeitsanweisung von eigenverantwortlichen Entscheidungen hier nicht ausgegangen werden könne, verlange es immanent selbstständige Leistungen, welche die Vergütungsgruppe 5 insgesamt aber nicht voraussetze. Die Fußnote 19 zum Tätigkeitsbeispiel spreche - unabhängig von ihrer genauen rechtlichen Einordnung - gerade für den eigenen Standpunkt, denn die Tätigkeit gehe über die Korrektur eigener Erfassungsfehler deutlich hinaus. Das Arbeitsgericht habe zudem gänzlich außer Betracht gelassen, dass mit der zum Jahresende 2015 entfallenen 3. Nachbearbeitung ISKV Basis - AUVZU (vgl. 4. Kapitel der Arbeitsanweisung 122-011) eine zunächst übertragene Teilaufgabe entzogen worden sei, die aktuell zum Teil auf Sachbearbeiterebene erledigt werde und keinesfalls als bloße Datenerfassung qualifiziert werden könne. Von der daraus resultierenden Folge für die tarifliche Eingruppierung könne sich die Beklagte durch bloßen Entzug der Teilaufgabe nicht einseitig lösen. Unabhängig vom beanspruchten Tätigkeitsbeispiel verlange die gefordert schnelle Bearbeitung der AU-Bescheinigungen - über die zur Datenerfassung erforderlichen Kenntnisse hinaus - umfassende Kenntnisse von Diagnosen und deren korrekter Codierung im ICD-10-Schlüssel, womit auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe 5 erfüllt seien.



Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 16. März 2016 - 4 Ca 1840/15 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 1. März 2015 gemäß Vergütungsgruppe 5 der Vergütungsordnung (Anlage 1 a zu § 22 des Innungskrankenkassen-Tarifvertrages) zu vergüten.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter ergänzender Auseinandersetzung mit der Berufungsbegründung. Hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich bemühten allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe 5 bleibe die Klage unschlüssig. Vertiefte Kenntnisse von Diagnosen und deren Umsetzung in den ICD-10-Schlüssel seien nicht erforderlich, da das System die Übersetzung allein schriftlicher Diagnosen in die korrekte Verschlüsselung unterstütze, was als solches unstreitig blieb. Die entfallenen Tätigkeiten im Kontext des 4. Kapitels der Arbeitsanweisung seien weder damals noch heute vom Anspruch her auf der Sachbearbeiterebene anzusiedeln bzw. dieser nunmehr übertragen worden. Die Klägerin mache zusammengefasst nicht mehr, als Daten abzugleichen, offensichtliche Fehler aufzuklären und sodann zu korrigieren, fehlende Daten zu beschaffen und eine Plausibilitätskontrolle zum Ergebnis des Scanvorgangs vorzunehmen, was den Anforderungen der Vergütungsgruppe 5 weder im Allgemeinen noch unter Berücksichtigung des bemühten Tätigkeitsbeispiels genüge.



Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird ergänzend auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, deren Gegenstand Inhalt der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer war, sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 17. November 2016 Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin hat in der Sache Erfolg.



I.



Die gem. § 64 Abs. 1 u. 2b ArbGG vorliegend statthafte Berufung ist zulässig. Die Klägerin hat das Rechtsmittel insbesondere nach § 66 Abs. 1 S. 1 u. 2 ArbGG i. V. m. §§ 519,520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet.



II.



Die Berufung ist begründet.



1. Der von der Klägerin in zweiter Instanz weiter verfolgte Feststellungsantrag (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist zulässig. Es handelt sich vorliegend um einen auf Feststellung der Vergütungspflicht aus einer konkret angegebenen Vergütungsgruppe einer bestimmten Vergütungsordnung ab einem konkret benannten Zeitpunkt gerichteten Eingruppierungsfeststellungsantrag. Gegen einen Feststellungsantrag dieser Gestaltung obwalten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, jedenfalls im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes, keine durchgreifenden prozessrechtlichen Bedenken (BAG, Urteil vom 28. Januar 1998 - 4 AZR 473/96 - ZTR 1998, S. 329 ff; BAG, Urteil vom 7. Juli 2010 - 4 AZR 862/08 - [...]).



2. Die Beklagte ist gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 TVG i. V. m. § 22 Abs. 1 IKK-TV und der Anlage 1a zum Tarifvertrag verpflichtet, die Klägerin beginnend ab dem 1. März 2015 nach der Vergütungsgruppe 5 der Anlage 1a (Vergütungsordnung) des Innungskrankenkassen-Tarifvertrages zu vergüten.



a. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung gem. § 3 Abs. 1 TVG qua Mitgliedschaft in einer Tarifvertragspartei bzw. eigener Stellung als tarifvertragsschließender Arbeitgeber der IKK-TV Anwendung. Dies schließt die unmittelbare und zwingende Geltung der Anlage 1a zu § 22 BAT/IKK ein, die durch Tarifvertrag vom 29. August 2014 für die Beschäftigten der Beklagten ausdrücklich wieder in Kraft gesetzt worden ist, was zugleich eine Öffnung für ggf. abweichende Vereinbarungen im (beendeten) Nachwirkungszeitraum ausschließt.



b. § 22 IKK-TV bestimmt folgendes:



c. In Anwendung dieser Tarifbestimmung gilt hier zunächst folgendes: Gem. § 22 Abs. 1 S. 1 IKK-TV richtet sich die Eingruppierung der tarifgebunden Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlage 1a). Nach § 22 Abs. 1 S. 2 IKK-TV erhalten die Beschäftigten ohne weiteres ein Entgelt nach der Vergütungsgruppe, in der sie eingruppiert sind. § 22 Abs. 2 Unterabsatz 1 IKK-TV bestimmt hierzu, dass die Beschäftigten - im Sinne einer Eingruppierungsautomatik - in der Vergütungsgruppe eingruppiert sind, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihnen nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht nach § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 IKK-TV dann den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn - soweit kein anderes zeitliches Maß ausdrücklich bestimmt ist (§ 22 Abs. 2 Unterabsatz 4 IKK-TV) - zeitlich zumindest zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen des oder der Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsgruppe erfüllen.



d. Nach der oben zitieren Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 IKK-TV sind Arbeitsvorgänge die Arbeitsleistungen (einschließlich der Zusammenhangsarbeiten), die - bezogen auf den jeweiligen Aufgabenkreis der Beschäftigten - bei natürlicher Betrachtung zu einem abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Dabei ist jeder Arbeitsvorgang als solcher einheitlich zu bewerten und darf hinsichtlich der nach den Tätigkeitsmerkmalen definierten Anforderungen in sich zeitlich nicht aufgespalten werden. Anknüpfend an diese Protokollnotiz bzw. weitgehend wort- oder inhaltsgleiche Bestimmungen des BAT, des TV-L und des TVöD wird der Begriff des Arbeitsvorgangs im Tarifbereich öffentlich-rechtlich verfasster Rechtsträger nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als eine unter Hinzurechnung von Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungs- übung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit verstanden, die zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führt (BAG, Urteil vom 19.05.2010 - 4 AZR 912/08 - ZTR 2010, S. 577 m. w. N.; BAG, Urteil vom 27.07.1994 - 4 AZR 593/93 - AP Nr. 5 zu § 12 AVR Caritasverband m. w. N.). Die gesamte Tätigkeit kann einen einzigen Arbeitsvorgang bilden, wenn der Aufgabenkreis nach diesen Kriterien nicht weiter aufteilbar und einer gesonderten Bewertung deshalb unzugänglich ist (BAG, Urteil vom 30.01.1985 - 4 AZR 184/83 - AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (BAG, Urteil vom 20.10.1993 - 4 AZR 45/93 - AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07.02.2007 - 6 Sa 279/05 - [...]).



e. Gemessen an diesen Maßstäben kann die an die Scan- und softwaregesteuerten Erfassungsvorgang anschließende, weitere Belegverarbeitung am Bildschirm als einheitlicher Arbeitsvorgang betrachtet werden. Dass es sich insoweit um die auszuübende, der Klägerin also willentlich übertragene Tätigkeit i. S. d. § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 IKK-TV handelt, steht unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Arbeitsanweisung Nr. 122-011 für die Berufungskammer außer Frage und zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Ebenso kann als unstreitig betrachtet werden, dass diese Arbeitsleistung deutlich mehr als die Hälfte der gesamten klägerischen Arbeitszeit belegt. Alle insoweit vorzunehmenden Unteraufgaben und Arbeitsschritte dienen der Erzielung eines einheitlichen und abgrenzbaren Arbeitsergebnisses. Die Aufgabe der Klägerin besteht insoweit darin, bezogen auf die drei Belegtypen im Zusammenwirken mit automatisierten Vorgängen, bei primär auf Fehler kontrollierender und Datenlücken ergänzender Funktion, für eine möglichst vollständige, korrekt übertrage und in sich plausible Datenlage zu sorgen. Dies um eine möglichst valide Grundlage für die sich daran anschließende Sachbearbeitung zu schaffen. Dabei lassen sich einzelne Arbeitsschritte, wie die Ermittlung von ICD-10-Codierungen aus handschriftlichen Diagnosen, Plausibilitätsüberlegungen beim Abgleich von Diagnose und bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit, das Bemühen um Lückenfüllung bzw. die Klärung von Auffälligkeiten oder die Beseitigung ggf. nur vermeintlicher Fehler durch telefonische Rücksprache mit Arztpraxen ohne unnatürliche Spaltung von den weiteren Arbeitsschritten nicht abtrennen und tariflich gesondert bewerten. Diese sind vielmehr insofern integraler Bestandteil der gesamten einheitlichen Arbeitsleistung, als die dazu notwendigen Kontrollüberlegungen notwendig bei jeder Belegverarbeitung mitlaufen, die auf die relevanten Details zu richtende Aufmerksamkeit fortlaufend einzubringen ist und die bei gegebenen Anlass zu ergreifenden Reaktionsmöglichkeiten oder Maßnahmen jederzeit - bei jedem Einzelbeleg - relevant werden können.



f. Die tarifgerechte Eingruppierung der danach im Sinne des § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 IKK-TV gesamten von der Klägerin auszuübenden Tätigkeit richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1a zu § 22 Abs. 1 IKK-TV.



Die dortige Vorbemerkung Nr. 2 hat folgenden Wortlaut:



Die Tätigkeitsmerkmale und Beispiele sind in der Anlage 1a, soweit vorliegend relevant, wie folgt bestimmt:



Die Fußnote 19 zur Vergütungsgruppe 5 Ziffer 6 lautet:



g. Gemäß Anlage 1a Vorbemerkung 2 ist bei Erfüllung eines ausschließlich einer Vergütungsgruppe zugeordneten Tätigkeitsbeispiels ausdrücklich nicht weiter zu prüfen, ob die im Eingangssatz der Vergütungsgruppe normierten allgemeinen Voraussetzungen dortiger Tätigkeitsmerkmale ("Oberbegriffe") vorliegen oder nicht. Es kann folglich für die begehrte Eingruppierung in der Vergütungsgruppe 5 IKK-TV offen bleiben, ob die dem beschriebenen Arbeitsvorgang zuzuordnende Tätigkeit der Klägerin gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert, wenn das der Vergütungsgruppe von den Tarifvertragsparteien verbindlich zugeordnete Tätigkeitsbeispiel 6 "Angestellte in der DV-Datenerfassung, die auch Daten bearbeiten" einschlägig ist. Davon ist nach Überzeugung der Berufungskammer mit der Klägerin und entgegen der Auffassung der Beklagten, welcher das Arbeitsgericht mit gleichwohl sorgfältiger Begründung gefolgt ist, auszugehen.



h. Das Tätigkeitsbeispiel ist - auch und gerade unter Berücksichtigung der in Fußnote 19 beschriebenen Abgrenzungskriterien - nicht abschließend bestimmt. Es bedarf daher der Auslegung.



(a) Normative Tarifbestimmungen sind nach den für die Auslegung von Gesetzen entwickelten Grundsätzen auszulegen (BAG, Urteil vom 25.02.2009 - 4 AZR 41/08 - AP Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge: Verkehrsgewerbe). Danach ist - ohne allein am Wortlaut der Norm zu haften - ausgehend von diesem der Sinn der Erklärung festzustellen, wobei der wirkliche Wille des Normgebers und der von ihm beabsichtigte Sinn und Zweck mit zu berücksichtigen sind, soweit dieser in der Bestimmung seinen Niederschlag gefunden hat (BAG, Urteil vom 14.01.2004 - 10 AZR 188/03 - [...] m. w. N.). Zu berücksichtigen ist ferner der tarifliche Gesamtzusammenhang, also die systematische Stellung und Einbettung der Norm (Spelge, Aktuelle Probleme des Rechts der Überleitung in den TVöD und den TV-L sowie der Stufenzuordnung, Teil I, ZTR 2015, S. 175 ff m. w. N.). Daneben können Gesichtspunkte wie die praktische Anwendbarkeit und die Entstehungsgeschichte berücksichtigt werden. Insgesamt ist die Auslegung zu wählen, die zu vernünftigen, sachlich gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösungen führt (BAG, Urteil vom 31.07.2002 - 10 AZR 578/01 - [...]).



(b) In Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, ob es sich vorliegend um eine Tätigkeit in der DV-Datenerfassung handelt. Unter DV, der üblichen Abkürzung des Begriffs der Datenverarbeitung, ist - fasst man die Definitionen in gängigen Lexika und Standardwerken zur deutschen Sprache zusammen - nach allgemeinem Sprachgebrauch und Verständnis das Erfassen, Ordnen, Umformen, Speichern und Übermitteln von Daten mit Hilfe technisch-maschineller Unterstützung durch einen Rechner oder Computer zu verstehen. Soweit danach das Tätigkeitsbeispiel die "DV-Datenerfassung" anspricht, ist damit vorliegend die menschliche Mitwirkung an der Einspeisung krankenversicherungsrelevanter Daten in die rechner- oder computergestützten Datenverarbeitungssysteme der vom Tarifvertrag erfassten Krankenkassen als Teilaufgabe der Datenverarbeitung gemeint.



Dass es sich - worauf die Beklagte abstellt - zur Entstehungszeit der Anlage 1a regelmäßig noch um ein rein manuelles Ablesen und Eingeben von Daten gehandelt haben mag, schließt die Einschlägigkeit des Teilmerkmals unter heutigen technischen Verhältnissen nicht aus. Denn zum einen werden die zuvor manuellen Erfassungsvorgänge (inzwischen) durch den Einsatz von Scanner und Erkennungssoftware lediglich beschleunigt und den Beschäftigten insoweit nur die maschinell substituierbaren Aufgaben abgenommen, wobei ihnen nach wie vor die entscheidenden Kontroll- und Ergänzungsaufgaben obliegen. Ohne deren Wahrnehmung ist eine hinreichend valide Erfassung auch aktuell nicht möglich, was die im Verhältnis zur Gesamtbelegzahl beinahe verschwindend geringe Anzahl sog. "Dunkelbelege" eindrucksvoll untermauert. Zum anderen haben die Tarifvertragsparteien bzw. die Beklagte als tarifschließender Arbeitgeber die Anlage 1a im Jahre 2014 bewusst - wenngleich mit Übergangsfunktion - wieder in Kraft gesetzt, womit sich deren Merkmale im Sinne der damit verbundenen Novation im Lichte der Umstände des Jahres 2014 betrachten lassen müssen, weshalb sich Datenerfassung nach aktuellem technischen Standard durchaus als DV-Datenerfassung im Tarifsinne darstellen kann.



(c) In Abgrenzung zu den Tätigkeitsbeispielen der Vergütungsgruppen 3 Ziffer 6 und 4 Ziffer 5, dessen weitere Voraussetzung "spätestens nach 6 Monaten" offensichtlich erfüllt ist, ist das Tätigkeitsbeispiel der Vergütungsgruppe 5 Ziffer 6 durch den Zusatz "die auch Daten bearbeiten" im Sinne einer Heraushebung gekennzeichnet. Das vorliegend mit "Daten", konkret personenbezogenen Daten i. S. d. § 3 Abs. 1 BDSG umzugehen ist, bedarf keiner Vertiefung. Der Begriff des "Bearbeitens" ist zunächst von einer Mitwirkung an der Datenverarbeitung (Erfassung) selbst abzugrenzen, um überhaupt ein geboten trennscharfes Heraushebungskriterium zu entwickeln. Insoweit ist mit dem "Erfassen" das bloße Übernehmen oder Übertragen des vorgefundenen oder vorgelegten Datenbestands angesprochen. Ein "Bearbeiten" von Daten erfordert demgegenüber eine auch inhaltliche Erfassung und Prüfung durch den Beschäftigten - sei es nur eine Vollständigkeits-, Evidenz- oder Plausibilitätskontrolle - und in den danach gebotenen Fällen eine inhaltliche Veränderung des schon vorhandenen Datenbestands durch Ergänzung, Fehlerkorrektur oder Transformierung. Die dem Tätigkeitsbeispiel durch das Wort "auch" beigegebene quantitative Einschränkung verdeutlicht dabei, dass die Zuordnung von Datenbearbeitungstätigkeiten zu dem herausgehobenen Tätigkeitsbeispiel eben nicht erfordert, dass ausschließlich auf inhaltliche Erfassung und Veränderung des Datenbestands gerichtete Arbeitsaufgaben erledigt werden müssen. Vielmehr ist es danach ausreichend, wenn diese Elemente notwendiger Teil der übertragenen Datenerfassungsaufgabe sind.



(d) Eben solche Aufgaben obliegen der Klägerin nach ihrem insoweit unstreitigen Vorbringen und gerade auch ausweislich der für ihre Tätigkeit einschlägigen Arbeitsanweisung 122-011. Die Klägerin hat vorliegend nicht lediglich Daten zu lesen, abzugleichen und danach lediglich Übertragungsfehler oder Übertragungslücken zu schließen. Auch ohne Berücksichtigung der ihr bis Dezember 2015 zusätzlich obliegenden Aufgaben des 4. Kapitels der Arbeitsanweisung hat sie unter anderem AU-Belege zu prüfen und unklar scheinende Angaben mit der Arztpraxis zu klären (siehe Arbeitsanweisung 2.1, dort 3. Absatz). Fehlende Versicherungsnummern oder neue Nummern sind mit Hilfe einer Abgleichdatenbank über die in dem Beleg vorhandenen sonstigen personenbezogenen Daten zu ermitteln (2.3, dort 1. Absatz). Es gilt darüber hinaus zu erkennen, ob dokumentierte Diagnosen unplausibel sind, wobei selbiges mit der Arztpraxis abzuklären ist (2.8 dort 2. und 3. Absatz). Diagnose und Geschlecht des Versicherten sind auf potentielle Übereinstimmung zu prüfen (2.8.3). Handschriftliche Diagnosen sind in den ICD-10-Code umzusetzen (vgl. 2.8 am Ende). Hinzu kommen Überprüfungsaufgaben bzgl. korrekter Verwendung von Scheintypen und im Kontext von Arbeits- und Freizeitunfällen (2.5). Bestimmte Codierungen sollen zum Anlass genommen werden, "defensiv" in der Arztpraxis anzufragen (2.8.4). Diese in der täglichen Arbeit umzusetzenden Anweisungen belegen ebenso exemplarisch wie aussagekräftig, dass die Datenerfassungsaufgaben der Klägerin ständig von einem Auftrag zur Bearbeitung der Daten im geschilderten Sinne begleitet werden, weshalb vorliegend von einer mit dem Tätigkeitsbeispiel angesprochenen, qualifizierten Datenerfassung ausgegangen werden muss.



(e) Diese Auffassung der Berufungskammer findet ihre Bestätigung im systematischen Gesamtzusammenhang der Vergütungsgruppen gemäß Anlage 1a und ihrer Tätigkeitsbeispiele. Die Vergütungsordnung differenziert ausweislich ihrer Beispiele zwischen der einfachen Tätigkeit in der Verarbeitung von Daten, der herausgehobenen Tätigkeit einer Bearbeitung des Datenbestands und der Sachbearbeitung im Übrigen. Folglich wird vorausgesetzt, dass es ein Bearbeiten von Daten gibt, welches aber nach Inhalt und Anforderungen nicht Sachbearbeitung ist. Eben solche Abgrenzungsgesichtspunkte hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 29. November 1989 - 4 AZR 391/89 - [...]) entwickelt und ausgeführt, dass die nur die Berichtigung offensichtlicher Datenfehler und die bloß formale Ergänzung von Daten eine Tätigkeit in der Datenerfassung ist, während sich weitergehende Abänderungen des Datenbestands als insoweit höherwertigere Tätigkeit darstellen kann. Gibt es aber - was die Anlage 1a hier vorsieht - eine höherwertige Tätigkeit in der Datenerfassung, die nicht Führungsaufgabe ist (vgl. Vergütungsgruppe 6 Ziffer 4) und (noch) nicht Sachbearbeitung (vgl. Vergütungsgruppen 5 und 6 jeweils Ziffer 1), dann muss die vorliegend auch inhaltliche Arbeit am Datenbestand ein "Bearbeiten" im Sinne der Vergütungsgruppe 5 Ziffer 5 sein. Das Tätigkeitsbeispiel könnte ansonsten nicht ausgefüllt werden. Diese Sichtweise lässt sich insoweit harmonisch in das Gesamtgefüge der Vergütungsgruppen 3 bis 6 einbinden, als dort über die Protokollnotiz Nr. 1 zur Vergütungsgruppe 6 Ziffer 1 ein Beschäftigter mit Aufgaben in der Sachbearbeitung regelmäßig nach zweijähriger Tätigkeit in der Vergütungsgruppe 5 in die Vergütungsgruppe 6 aufsteigt. Dagegen kann die "Bearbeitung" von Daten ohne weitere Umstände nur zu einer Eingruppierung in der Vergütungsgruppe 5 führen, womit den regelmäßig unterschiedlichen Anforderungen an Qualifikation und Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit Rechnung getragen wird.



(f) Die in Fußnote 19 zur Vergütungsgruppe 5 Ziffer 6 gegebenen Hinweise bestätigen - ungeachtet ihrer rechtlichen Qualität - den Standpunkt der Berufungskammer.



Soweit es sich um zwischen den Tarifvertragsparteien abgestimmte Hinweise handelt, wovon beide Parteien übereinstimmend ausgehen (ebenso LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14. Mai 2014 - 3 Sa 414/13 - [...]), sind diese im Sinne einer Auslegungshilfe heranzuziehen. Die dort vorgenommene Abgrenzung zu den Aufgaben und der Eingruppierung einer Sachbearbeitung ist vorliegend nicht unmittelbar relevant, da der Klägerin unstreitig keine Sachbearbeitungsaufgaben im Leistungs-, Versicherungs-, Beitrags- oder Vertragsbereich einer gesetzlichen Krankenkasse obliegen. Die Klarstellung, dass bei bloßer Beseitigung eigener Erfassungsfehler eine Bearbeitung von Daten im Sinne des Tätigkeitsbeispiels nicht vorliegt, lässt den Umkehrschluss darauf zu, dass die darüber hinausgehende Tätigkeit in der Datenerfassung als "Bearbeiten" im Sinne des Tätigkeitsbeispiels in Betracht kommt. Betrachtet man die scan- und softwareveranlassten Erkennungsfehler als "eigene" Fehler der Klägerin, weil ihre Arbeitskraft durch diese technischen Mittel lediglich substituiert wird, so geht ihre Arbeit inhaltlich betrachtet deutlich über das Beseitigen diesbezüglicher Lese- und Erfassungsfehlern aller Art hinaus. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen zu (h) verwiesen werden.



i. Nach § 70 IKK-TV verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, wobei für Ansprüche aufgrund desselben Sachverhalts die einmalige Geltendmachung auch die später fällig werdenden Leistungen erfasst. Von der danach fristgemäßen Geltendmachung einer Entgeltleistung nach der Vergütungsgruppe 5 der Anlage 1a zum IKK-TV für den gesamten vorliegend streitbefangenen Zeitraum und die Zukunft kann hier im Hinblick auf das von der Klägerin beigebrachte Geltendmachungsschreiben ausgegangen werden, dessen zum 1. März 2015 zurückgreifender Wirkung die Beklagte nicht entgegen getreten ist.



III.



Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.



Die Kammer hat die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Vorschriften§ 22 BAT, § 64 Abs. 1, 2b ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 u. 2 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 256 Abs. 1 ZPO, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 TVG, § 3 Abs. 1 TVG, § 3 Abs. 1 BDSG, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

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