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02.10.2017 · IWW-Abrufnummer 196849

Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 19.06.2017 – 5 Ta 261/17

Befindet sich ein Arbeitsloser in einer bewilligten vollschichtigen Umschulungsmaßnahme und bezieht weiterhin Arbeitslosengeld gemäß §§ 136 Abs. 1 , 144 Abs. 1 SGB III , so hat er wie ein Erwerbstätiger gemäß § 115 Abs. 1 Ziff. 1 b) ZPO Anspruch auf Anrechnung des Erwerbstätigenfreibetrages auf sein Einkommen.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 28.04.2017, eingegangen am 05.05.2017, gegen den Prozesskostenhilfe-Änderungsbeschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 05.04.2017 - 1 Ca 512/15 - wird dieser aufgehoben.

Es verbleibt bei der Anordnung von Prozesskostenhilfe ohne Leistungen eines monatlichen Beitrages aus dem Einkommen des Klägers entsprechend dem Bewilligungsbeschluss vom 27.03.2015.



Gründe



I. Dem Kläger war zunächst durch Beschluss vom 27.03.2015 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Im Nachprüfungsverfahren des Jahres 2017 ergab sich nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nach Auffassung des Arbeitsgerichtes abschließend ein anrechenbares Einkommen von 227,00 €, damit eine Ratenzahlungspflicht von 113,00 €. Wegen der Einzelheiten der auch dem Kläger bekannt gegebenen Berechnung wird auf Bl. 88 der PKH-Akte Bezug genommen. Nachdem der Kläger sodann weitere Wohn-Nebenkosten geltend gemacht hat sowie einen monatlichen Betrag von 21,50 € für KFZ-Steuern nahm das Arbeitsgericht die weiteren Wohn-Nebenkosten in die Berechnung auf.



Mit Beschluss vom 05.04.2017, zugestellt am 18.04.2017, änderte das Arbeitsgericht aufgrund der vorgelegten Unterlagen die bewilligte Prozesskostenhilfe dahingehend ab, dass der Kläger nunmehr mit einem Betrag von 109,00 € monatlich aus seinem Einkommen an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen sei.



Das Arbeitsgericht hat dabei alle geltend gemachten Belastungen mit Ausnahme der KFZ-Steuer mit einem monatlichen Betrag von 21,50 € berücksichtigt. Der Kläger ist derzeit arbeitslos, befindet sich aber in einer Umschulungsmaßnahme (Bl. 86/87 PKH-Akte). Er besitzt ein Kraftfahrzeug, welches er bereits während seiner Arbeitstätigkeit besaß.



Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 05.05.2017 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 28.04.2017.



Der sofortigen Beschwerde wurde mit Entscheidung vom 29.05.2017 nicht abgeholfen, da sämtliche abzugsfähigen Belastungen berücksichtigt seien.



Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 110 d. PKH-Akte Bezug genommen. Der Sachverhalt wurde der Beschwerdekammer vorgelegt.



II. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist gewahrt.



Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.



Gemäß § 120 a Abs. 1 S. 1 ZPO soll das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Gemäß § 120 a Abs. 1 S. 3 ZPO muss sich die Partei jederzeit erklären, ob eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Genaue Angaben dazu, wann von einer wesentlichen Veränderung auszugehen ist, trifft diese gesetzliche Regelung nicht.



Allerdings liegt eine wesentliche Verbesserung gemäß § 120 a Abs. 2 Satz 2 ZPO bei laufendem Einkommen nur dann vor, wenn die Differenz des Bruttoeinkommens 100,00 € übersteigt. Gemäß § 120 a Abs. 2 Satz 3 ZPO gilt dieses entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen.



a) Das für die Berechnung der Prozesskostenhilfe zugrunde zu legende Einkommen hat sich seit der Bewilligung in der Höhe nicht wesentlich verändert (derzeit 1.192,30 € im Vergleich zu 1.198,46 € laut Bewilligungsbeschluss), setzt sich aber zusammen aus dem Arbeitslosengeld in Höhe von 792,30 € sowie Unterstützungsleistungen seitens der Mutter und Großmutter des Klägers. Eine Differenz des Brutto- oder Nettoeinkommens von 100,00 € liegt daher nicht vor.



b) Für die Bewertung, ob sich eine wesentliche Veränderung der Einkommensverhältnisse ergeben hat, wäre daher darauf abzustellen, ob sich die Lebensumstände des Klägers in einer Weise verändert haben, die es ihm ermöglichen, die Prozesskosten nunmehr zumindest teilweise durch Raten aus dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen aufzubringen.



Dies ist nicht der Fall.



Entgegen der Berechnung des Arbeitsgerichtes sind bei dem Kläger nicht die abzugsfähigen Belastungen im Sinne des § 120 a Abs. 2 Satz 3 ZPO in einem Umfang von 213,00 € entfallen, da die Voraussetzungen für die pauschale Berücksichtigung des Erwerbstätigenfreibetrages gemäß § 115 Abs. 1 Ziff. 1 b ZPO (215,00 € ab dem 01.01.2017) weiterhin bestehen.



c) Soweit dem Kläger ursprünglich Prozesskostenhilfe ohne die Anordnung einer Ratenzahlung bewilligt worden war, beruhte dieses darauf, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch ein Erwerbseinkommen von 1.198,46 € bezog, weshalb ihm als berücksichtigungsfähige Belastung u.a. der Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von damals noch 213,00 € in Anrechnung gebracht wurde.



Gemäß § 115 Abs. 1 Ziff. 1 b) ZPO ist bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit beziehen, der Freibetrag für Erwerbstätige nach den dort festgelegten Voraussetzungen in Abzug zu bringen. Zur Überzeugung der Kammer ist diese Voraussetzung auch dann gegeben, wenn sich ein Arbeitssuchender in einer Umschulungsmaßnahme befindet, aufgrund derer ihm Arbeitslosengeld gemäß §§ 136 Abs. 1, 144 Abs. 1 SGB III gezahlt wird. Danach wird Arbeitslosengeld u.a. dann gezahlt, wenn der Arbeitslose eine berufliche Weiterbildung vornimmt und die Zahlung von Arbeitslosengeld allein wegen einer durchgeführten Weiterbildungsmaßnahme nicht möglich wäre, da er dann gemäß § 138 Abs. 1 Ziff. 3 SGB III nicht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stünde. Arbeitslosengeld kann daher auch dann verlangt und bewilligt werden, wenn ein Arbeitsloser sich in einer vollschichtigen Weiterbildungsmaßnahme befindet (zu den Voraussetzungen LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2015 - L 14 AL 121/15 B ER -, [...]).



Grundsätzlich ist der Begriff der Erwerbstätigkeit im Sinne des § 115 Abs. 1 Ziff. 1b) ZPO weit zu fassen. Dieser umfasst damit unter anderem auch berufliche Umschüler (siehe hierzu OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. September 2002 - 10 WF 2899/02 -, FamRZ 2003, 774; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl., 2016, § 6 Rz. 303), allerdings keine Arbeitslosen.



Wenn aber Arbeitslosengeld, trotz des Fehlens der Voraussetzungen gemäß § 138 Abs. 1 Ziff. 3 SGB III, nämlich der jederzeitigen Vermittelbarkeit, im Hinblick auf eine durchgeführte, vollschichtige Umschulungsmaßnahme weiter gezahlt wird, ist die arbeitslose Partei nicht anders gestellt, als eine vergleichbare Partei, die, ohne arbeitslos zu sein, eine Ausbildung oder Weiterbildung durchführt. Diese hat ebenso die aus einer vollschichtigen Ausbildung, so wie aus jeder anderen Erwerbstätigkeit, erwachsenden zusätzlichen Kosten zu tragen. Der Erwerbstätigenfreibetrag soll pauschaliert die erhöhten Aufwendungen ausgleichen, die einem aktiv im Arbeitsleben stehenden Arbeitnehmer entstehen (BAG, Beschluss vom 22. April 2009 - 3 AZB 90/08 -, [...]).



d) Da sich der Kläger laut dem vorgelegten Bildungsvertrag (Bl. 86) mit einer Unterrichtszeit von 40 Stunden an fünf Wochentagen in einer Umschulung befindet, war der Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von derzeit 215,00 € in Abzug zu bringen. Von dem seitens des Arbeitsgerichtes errechneten Einkommen von 219,00 € verbleiben 4,00 €, welche gemäß § 115 Abs.2 S. 2 ZPO als eine weniger als 10,00 € ergebende Rate unberücksichtigt bleiben.



Auf die sofortige Beschwerde des Klägers war daher der Änderungsbeschluss des Arbeitsgerichtes aufzuheben, sodass Prozesskostenhilfe weiterhin gemäß dem Beschluss vom 27.03.2015 zu gewähren ist.

Vorschriften§§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO, § 120 a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 120 a Abs. 1 S. 3 ZPO, § 120 a Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 120 a Abs. 2 Satz 3 ZPO, § 115 Abs. 1 Ziff. 1 b ZPO, § 115 Abs. 1 Ziff. 1 b) ZPO, §§ 136 Abs. 1, 144 Abs. 1 SGB III, § 138 Abs. 1 Ziff. 3 SGB III, § 115 Abs. 1 Ziff. 1b) ZPO, § 115 Abs.2 S. 2 ZPO

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