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11.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197062

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 16.03.2017 – 11 Sa 1189/16


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 20.07.2016 - 5 Ca 1669/15 - wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des nachfolgenden Betrages richtet:

  • 36.858,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2015.

    Auf die Berufung des Klägers wird der klageabweisende Ausspruch des Arbeitsgerichts wegen eines Betrags von 2.943,00 € nebst Zinsen dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger

  • 2.943,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.06.2016 zu zahlen.

Die Entscheidungen über die weitergehende Berufung der Beklagten und über die weitergehende Berufung des Klägers bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und über die übrigen Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten, ob der Kläger eine höhere Abfindung beanspruchen kann. Der Kläger macht insbesondere geltend, die Regelung zur Berechnung der Abfindung im Sozialtarifvertrag / Sozialplan aus dem Jahr 2014 benachteilige ihn ungerechtfertigt wegen seiner Schwerbehinderung.



Der langjährig beschäftigte Kläger schied mit Ablauf des 31.12.2014 auf der Grundlage eines dreiseitigen Vertrags aus betriebsbedingten Gründen aus dem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten aus. Der dreiseitige Vertrag vom 21./22.08.2014 weist in § 1 einen bezifferten "einmaligen Abfindungsbetrag" zugunsten des Klägers aus "als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Ziffer C. 2.6 und 2.3a des Sozialtarifvertrages/ Sozialplans in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG, §§ 24, 34 EStG" (Kopie des dreiseitigen Vertrags Bl. 43 - 55 GA). Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Die individuellen Daten des Klägers dieses Rechtsstreits sind:

Geburtsdatum Kläger xx.xx.19xx GdB 50 Betriebszugehörigkeit seit 17.01.1985 Bruttomonatsentgelt 3.224,52 € Abfindung (lt. dreiseitigem Vertrag) 80.350,00 € Renteneintritt bei Schwerbehinderung* 01. 01.03.202206.2020 Renteneintritt ohne Schwerbehinderung**



Klageforderung: s.u.



* frühestmöglicher Renteneintritt



** frühestmöglicher Renteneintritt ohne Schwerbehinderung, wie vom Kläger zugrunde gelegt



Auf das zur Akte gereichte "Datenblatt zur Berechnung gemäß Sozialtarifvertrag 'C2.2.2.3a, 2.5 sowie 2.6. und 3.1.1'" wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 25, 26 GA).



Die Beklagte hatte im Jahr 2013 beschlossen, den Produktionsstandort in L zu schließen. Das Werk II sollte zum 31.10.2013 und das Werk I zum 31.12.2014 geschlossen werden. Nach Verhandlungen mit Betriebsrat und IG Metall wurde am 17.11.2013 von der Beklagten und der IG Metall ein Eckpunktepapier unterzeichnet, in dem es unter "V. Sozialplan / Transfergesellschaften" auszugsweise heißt (Anlage B1 Bl. 172, 173 GA):

"(...) Das Gesamtvolumen dieser Maßnahmen beträgt ausweislich dieser Anlage EUR 552 Mio. Das ist die absolute Obergrenze. (...)"



Im Zuge der vollständigen Stilllegung des Betriebs in L schloss die Beklagte mit der IG-Metall, Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen, einen Sozialtarifvertrag (STV), der am 12.06.2014 in Kraft trat (Sozialtarifvertrag zwischen der IG Metall - Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen und der B3 AG über die Schließung der Fahrzeugproduktion am Standort L vom 12.06.2014). Dort heißt es auszugsweise (vollständiger Text Bl. 27 - 42 GA = Anlage B2, Bl. 174 - 189 GA):

"(...) C. Sozialplan 1. Mobilitätsprämie bei Wechsel an einen anderen Standort (...) 2. Arbeitnehmer der Jahrgänge 1949 bis 1959 2.1 Arbeitnehmer der Jahrgänge 1949 bis 1954 Arbeitnehmer der Jahrgänge 1949 bis 1954 erhalten zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung ein individuelles Angebot zum Ausscheiden aus dem Unternehmen bis zum 31.12.2014. Das Angebot beinhaltet die Zahlung einer gemäß Abschnitt C. Ziffer 2.6 individuell berechneten Abfindung und kann je nach persönlichen Gegebenheiten auch den Eintritt in die Transfergesellschaft 1 vorsehen. Die Laufzeit der befristeten Übernahme in die TN Transfer beträgt maximal 12 Monate. Die Entgeltregelungen in der TN Transfer entsprechen denen der Altersgruppe Jahrgänge 1955 bis 1959. 2.2 Arbeitnehmer der Jahrgänge 1955 bis 1959 Arbeitnehmer der Jahrgänge 1955 bis 1959 erhalten zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung ebenfalls ein individuelles Angebot zum Ausscheiden aus dem Unternehmen bis zum 31.12.2014. Dies beinhaltet ebenfalls die Zahlung einer gemäß Abschnitt C. Ziffer 2.6 individuell berechneten Abfindung sowie den Wechsel in die Transfergesellschaft 1. Die Laufzeit der befristeten Übernahme in die TN Transfer beträgt maximal 12 Monate. 2.3 Arbeitnehmer der Jahrgänge 1960 und 1961 mit anerkanntem GdB von mind. 50 % Arbeitnehmer der Jahrgänge 1960 und 1961, die aufgrund eines anerkannten GdB von mind. 50 % und bei Erfüllung aller sonstigen Bedingungen die vorzeitige Altersrente für Menschen mit Behinderung in Anspruch nehmen können, erhalten zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung alternativ zum Angebot eines Ausscheidens nach Abschnitt C. Ziffer 3 ein individuelles Angebot zum Ausscheiden aus dem Unternehmen zum 31.12.2014. Dies beinhaltet ebenfalls die Zahlung einer gemäß Abschnitt C. Ziffer 2.6 individuell berechneten Abfindung sowie den Wechsel in die Transfergesellschaft 1. Die Laufzeit der befristeten Übernahme in die TN Transfer beträgt maximal ein Jahr. Diese Mitarbeiter können frei zwischen einem Angebot nach C.2.3 oder C.3 wählen. 2.3a. Zusatzbetrag Bei der Berechnung der Abfindung erhalten Mitarbeiter in den Fällen 2.1 bis 2.3 für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit, das die 24 übersteigt, zusätzlich einen Pauschalbetrag von € 500 brutto. 2.4 Härtefond (...) 2.5 Leistungen in der Transfergesellschaft gemäß 2.1, 2.2 und 2.3 (...) Für die Berechnung der gesetzlichen Abzüge zur Feststellung des Nettobetrags wird die Steuerklasse in Ansatz gebracht, die im letzten Kalenderjahr vor Austritt überwiegend maßgeblich war. Änderungen von Steuermerkmalen aufgrund geänderter Familienverhältnisse und anderweitige Änderungen der Steuerklasse werden bis 30.11.2014 berücksichtigt. 2.6 Berechnung der Abfindung zu 2.1, 2.2 und 2.3 Das individuelle Abfindungsangebot wird so bemessen, dass es unter Anrechnung von Arbeitslosengeld I und Bezügen aus der F-Altersversorgung (OVK) ab dem 60. Lebensjahr eine 80 prozentige Nettoabsicherung im Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum frühestmöglichen Wechsel in die gesetzliche Rente sicherstellt. Basis der Berechnung ist das zuletzt bezogene Nettomonatseinkommen, das entsprechend Ziffer 2.5 Abs. 1 errechnet wird. Für Zeiten, in denen der Mitarbeiter selbst Beiträge für eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung aufbringen muss, wird ein monatlicher Betrag in Höhe von 200,00 € netto bei der Berechnung der Abfindung berücksichtigt. Der aus dem gesamten Zeitraum ermittelte 80%ige Nettobedarf sowie die Aufwendungen für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung werden unter Zuhilfenahme der dem Arbeitgeber bekannten und angezeigten Steuermerkmale auf eine Bruttosumme hochgerechnet. Grundlage für die Ermittlung des Bruttoabfindungsbetrags ist das zu erwartende steuerpflichtige Bruttoarbeitsentgelt im Jahr 2015 in der TN Transfer und den bekannten Steuerparametern des jeweiligen Mitarbeiters. Hierzu wird der Abfindungsrechner im Internetauftritt der Süddeutschen Zeitung verwendet, der mit dem offiziellen Steuerablaufplan ausgestattet ist. Sofern der Mitarbeiter darlegen kann, ... (...) 4. Auszahlung Abfindungen (...) 4.2 Die Abfindungen nach diesem Sozialtarifvertrag werden mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. im Falle dreiseitiger Verträge mit der letzten Gehaltszahlung fällig, frühestens jedoch einen Monat nach Ausspruch der Kündigung bzw. Abschluss des dreiseitigen Vertrages oder Aufhebungsvertrages. 4.6 Bei den Abfindungsbeträgen handelt es sich um Bruttobeträge. Die Abrechnung und Auszahlung dieser erfolgt unter Berücksichtigung der jeweiligen steuerlichen Regelungen über die Versteuerung außerordentlicher Einkünfte sowie unter Beachtung der Sozialversicherungsbestimmungen unter Einbehaltung der entsprechenden Abzüge im Rahmen der üblichen Entgeltabrechnung. Etwaige Steuern und Sozialabgaben werden von den Arbeitnehmern in Höhe der gesetzlichen Bestimmungen getragen. (...)"



Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 25.06.2014 die den Sozialtarifvertrag vollziehende Betriebsvereinbarung "Sozialplan" (SP), um auch Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern einen Rechtsanspruch auf die Leistungen aus dem Sozialtarifvertrag zu gewähren, Sozialplan zwischen der B3 AG und dem Betriebsrat am Standort L der B3 AG vom 25.06.2014 (Anlage B4, Bl. 191 GA; Interessenausgleich vom 25.06.2014, Anlage B3, Bl. 190 GA). Im SP heißte es auszugsweise:

"... 1. Die Ziffern A (...), C, sowie die Ziffer H (ohne 4.), jeweils mit den in Bezug genommenen Anlagen, des o.g. Tarifvertrages werden als betriebsverfassungsrechtlicher Sozialplan nach §§ 111, 112 BetrVG vereinbart. ... 2. ... 4. ... Frankfurt, den 25.06.2014 Anlage: Sozialtarifvertrag vom 14.06.2016 mit Anlagen"



Die Parteien sowie die U GmbH schlossen einen dreiseitigen Vertrag (Bl. 43 - 55 GA, s.o.), mit welchem das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 31.12.2014 aufgehoben wurde und der Kläger zum 01.01.2015 befristet bis zum 31.12.2015 in die Transfergesellschaft wechselte. In dem "dreiseitigen Vertrag" heißt es auszugsweise wie folgt (Bl. 43 ff GA):

"(...) § 1 Beendigung des Arbeitsvertrags (...) 3. Der Mitarbeiter erhält von F als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Ziffer C. 2.6 und 2.3a des Sozialtarifvertrages / Sozialplans in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG 24, 34 EStG einen einmaligen Abfindungsbetrag in Höhe von EURO 80.350,00 brutto ... (...)"



Der Kläger erhielt im September 2014 ein Datenblatt zur Berechnung gemäß Sozialtarifvertrag "C 2.2, 2.3a, 2.5 sowie 2.6 und 3.1.1" (Bl. 25, 26 GA, s.o.). Auf diesem Datenblatt war für den Kläger angegeben "Kinderfreibetrag: 1". Seit Mai 2014 stand dem Kläger ein Kinderfreibetrag nicht mehr zu. Bei der Berechnung der Abfindung legte die Beklagte als "frühestmöglichen" Wechsel in die gesetzliche Rente den Zeitpunkt zugrunde, in dem der Kläger erstmals eine vorgezogene Rente (Altersrente für schwerbehinderte Menschen) in Anspruch nehmen könnte. Dies ist beim Kläger der 01.06.2020. Der frühestmögliche Renteneintritt ohne Rückgriff auf die Schwerbehinderung ist nach den Angaben des Klägers der 01.03.2022. Zudem bestimmte die Beklagte für die Berechnung der Abfindungshöhe für den Kläger einen 80%igen monatlichen Nettobedarf von 1.968,26 € und berücksichtigte bei der Berechnung der Abfindung einen Arbeitslosengeldanspruch des Klägers in Höhe von 1.688,70 € monatlich (Bl. 25 GA). Die Beklagte berechnete den für die Abfindungshöhe maßgeblichen Nettobedarf des Klägers dann wie folgt (Bl. 25 GA):

01.01.2015 bis 31.12.2015 (Transfergesellschaft) 0,00 € 01.01.2016 bis 30.06.2017(ALG-Bezug) 5.032,08 € 01.07.2017 bis 31.03.2019 45.533,46 € 01.04.2019 bis 31.05.2020 (Bezüge OVK) 24.572,66 € 75.138,20 €



Mit Schreiben an den Kläger vom 25.09.2014 "Fragen zum Sozialtarifvertrag Jahrgang 1959 und älter" (Bl. 209, 210 GA) informierte die Beklagte den Kläger über die aktuelle Entwicklung der Gespräche in dem Steering Committee zum Sozialtarifvertrag zu den strittigen Fragen "Termin frühestmöglicher Rentenbeginn bei schwerbehinderten Arbeitnehmern der Jahrgänge 1959 und älter" und "Berechnung der Nettoabsicherung für Arbeitnehmer der Jahrgänge 1959 und älter" (ob und inwiefern steuerliche Effekte bei der Ermittlung des Nettobedarfs zu berücksichtigen seien); beide Fragen würden sich bis zum 30.09.2014 nicht klären lassen; die Tarifvertragsparteien seien sich jedoch einig, dass es sich um tarifvertragliche Ansprüche handele, welche durch die Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrags nicht verloren gingen; wer bis zum 30. September 2014 unterschreibe, habe in mehrfachem Sinne Rechtssicherheit (Bl. 210 GA):

"1. Der Anspruch auf die Transfergesellschaft besteht zweifelsfrei. 2. Er bekommt den im dreiseitigen Vertrag ausgewiesenen Abfindungsbetrag zum ersten Fälligkeitstermin ausgezahlt. 3. Darüber hinaus gehende tarifvertragliche Ansprüche gehen nicht verloren, sondern Sie sichern sich diese, auch wenn sie erst im Nachgang geklärt werden können."



In einem Schreiben an den Kläger vom 30.01.2015 kündigte die Beklagte die Auszahlung der Abfindung für die nächsten Tage an und führte zugleich aus, die unterschiedlichen Auffassungen zur Bruttoisierung seien im Steering Committee und in der Einigungsstelle behandelt worden; es bestehe Einigkeit, dass mögliche Nachteile wegen des Progressionsvorbehalts beim Kurzarbeitergeld ausgeglichen würden, die Berechnung erfolge in einem mit einem Steuerberater abgestimmten Verfahren, möglichst bis zum 31.03.2015 und spätestens bis zum 31.05.2015 werde der Kläger ein entsprechendes Angebot erhalten, mit der Annahme des Angebots verzichte der Kläger dann "auf etwaig zusätzlich bestehende Ansprüche auf eine höhere Abfindung", die Ausschlussfrist für die Ansprüche beginne mit der Vorlage des Angebots.



Die Beklagte zahlte an den Kläger mit der Januarabrechnung einen Betrag in Höhe von 46.024,52 € netto (Abrechnung über 80.350,00 € brutto, Anlage K 4, Bl. 56 GA); aufgrund einer Korrektur der Abfindungsberechnung zahlte die Beklagte anschließend weitere 16.944,36 € netto aus. Insgesamt erhielt der Kläger von der Beklagten bislang einen Netto-Abfindungsbetrag in Höhe von 62.968,88 €.



Mit Schreiben vom 20.03.2015, übersandt per Fax und nachfolgender Post, forderte der Kläger die Beklagte auf, eine weitere Abfindung auszuzahlen (Bl. 84 - 87 GA). Zur Begründung berief sich der Kläger unter anderem darauf, dass er durch die Abstellung auf das frühestmögliche Renteneintrittsalter aufgrund seiner Schwerbehinderung benachteiligt sei.



Unter dem 11.05.2015 schrieb die Beklagte dem Kläger, die unterschiedlichen Vorstellungen zur sog. Bruttoisierung des Abfindungsbetrags seien im Steering Committee und in der Einigungsstelle behandelt worden und es sei entschieden worden, die Berechnungen so anzupassen, dass mögliche Nachteile, die sich durch den Progressionsvorbehalt aufgrund des Kurzarbeitergeldes im Laufe des Kalenderjahres 2015 ergäben, ausgeglichen würden; der sich individuell für den Kläger ergebende Nachteil sei von Frau B4 vom S / L berechnet worden; der Ausgleich des Nettofehlbetrags (80 % Nettobedarf bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn) belaufe sich auf eine zusätzliche Abfindung von 11.500,00 € brutto; mit der Annahme des Angebots verzichte der Kläger auf etwaig zusätzlich bestehende Ansprüche; bis spätestens 05.06.2016 solle die Vereinbarung unterschrieben zurückgesandt werden (Bl. 57, 58 GA). Wegen des Schreibens der Frau B4 vom 08.04.2015 zur Berechnung des Betrags von 11.500,00 € wird auf Bl. 59 GA Bezug genommen.



Der Kläger unterschrieb nicht und teilte seine Ablehnung mit Schreiben seiner Anwältin vom 08.06.2015 mit und forderte zugleich, den Bruttoabfindungsbetrag von 80.350,00 € um 94.650,00 € zu erhöhen "zum Ausgleich des Nettofehlbetrags" "bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn für Nichtbehinderte" (Bl. 60, 61 GA).



Wegen des weiteren Schreibens der Anwältin des Klägers vom 12.08.2015 wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Bl. 104, 105 GA).



Mit Klage vom 12.08.2015, der Beklagten zugestellt am 19.08.2015, hat der Kläger zunächst die Zahlung eines Betrages von 94.650,00 € gefordert.



Mit Bescheid des Agentur für Arbeit vom 25.04.2016 ist dem Kläger eine Arbeitslosengeld von (nur) 1.525,20 € bewilligt worden (Bl. 310 - 314 GA, Änderungsbescheid zum Bescheid vom 12.01.2016 ["Zahlungen als Vorschuss" vor der "endgültigen Entscheidung"], Bl. 315 - 318 GA) - und nicht wie der Berechnung im Datenblatt zugrunde gelegt ein Arbeitslosengeld von 1.688,70 €. Die daraus hergeleitete Nachforderung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 06.06.2016 - der Beklagten übermittelt am 07.06.2016 - zum Gegenstand seines Klagebegehrens gemacht (Bl. 301 ff GA). In diesem Kontext hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht angegeben, dass sein Sohn im Jahr 2014 in die Berufstätigkeit gegangen sei, sein Kinderfreibetrag sei damit im Mai 2014 weggefallen, die Beklagte habe er hierüber nicht informiert (Bl. 361 R GA).



Der Kläger hat im weiteren Verlauf die Auffassung vertreten, ihm stehe ein weitergehender Abfindungsanspruch in Höhe von 51.971,31 € netto zu. Zum einen sei der ursprünglich berechnete Anspruch zu korrigieren. Die Beklagte sei bei ihrer Berechnung davon ausgegangen, dass ihm ein Arbeitslosengeldanspruch in Höhe von 1.688,70 € zustehe. Ihm sei dann jedoch mit Bescheid vom 25.04.2016 lediglich Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1.525,20 € bewilligt worden. Für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 30.06.2017 sei daher ein Nettobedarf von 7.975,08 € zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei bei der Berechnung der Abfindung auch der Nettobedarf für den Zeitraum vom 01.06.2020 bis 28.02.2022 zu berücksichtigen. Die Beklagte stelle bei ihrer Berechnung in Abschnitt C. Ziff. 2.6 des Sozialtarifvertrages auf den frühestmöglichen Renteneintritt aufgrund seiner Schwerbehinderung ab. Diese Regelung sei jedoch unwirksam, da sie eine Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung darstelle. Das frühestmögliche Renteneintrittsalter liege bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern zeitlich später, so dass diese damit einen höheren Abfindungsanspruch erhielten. Die beiden Arbeitnehmergruppen seien auch in einer vergleichbaren Situation. Diese Vergleichbarkeit entfalle nicht dadurch, dass schwerbehinderten Arbeitnehmern dadurch ein Vorteil gewährt werde, dass sie gegenüber nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern die Möglichkeit des früheren Renteneintritts in Anspruch nehmen könnten. Mit dieser Möglichkeit hätten die Schwierigkeiten und besonderen Risiken ausgeglichen werden sollen, mit denen schwerbehinderte Arbeitnehmer konfrontiert seien. Diese Regelung würde jedoch, folge man der Argumentation der Beklagten, beeinträchtigt und wirke sich zu Lasten des schwerbehinderten Arbeitnehmers aus, wenn sie zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung herangezogen würde. Die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmergruppen sei deshalb auch nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. Der Einwand der Beklagten, die Tarifvertragsparteien hätten aufgrund ihrer Tarifautonomie einen Gestaltungsspielraum, sei nicht erheblich. Die Regelung in Abschnitt C. Ziff. 2.6 verstoße gegen § 134 BGB und sei daher nichtig. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auch eine "Anpassung nach oben" vorzunehmen. Zum einen könne die Ungleichbehandlung vorliegend nur durch eine Anpassung nach oben beseitigt werden. Darüber hinaus sei darin auch kein Eingriff in die Tarifautonomie erfolgt. Finanzielle Belange der Beklagten stünden dem nicht entgegen. Er habe auch trotz Art. 1 § 1 Ziff. 15 des dreiseitigen Vertrages einen Anspruch auf eine weitere Abfindungszahlung, da er nicht wirksam auf die sozialtarifvertraglichen Ansprüche habe verzichten können. Ausgehend von einem frühestmöglichen Rentenbeginn - ohne Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung - am 01.03.2022 errechne sich ein zusätzlicher Nettobedarf ab dem 01.06.2020 wie folgt:

21 Monate (01.06.2020 bis 01.03.2022) x 1.555,19 € netto = 32.658,99 € 21 Monate x 200,00 € netto freiwillige KV/PV = 4.200,00 € Gesamt: 36.585,99 €



Insgesamt stehe ihm daher ein Anspruch auf Zahlung von 114.940,19 € netto zu, von dem die Beklagte bislang lediglich 62.968,88 € erfüllt habe. Unter Zugrundelegung eines somit noch ausstehenden Nettobetrages von 51.971,31 € ergebe sich ein Bruttoanspruch in Höhe von 92.500,00 €. Der Zinsanspruch ergebe sich daraus, dass die Zahlung mit der Januarabrechnung fällig gewesen sei.



Bezüglich des zuletzt aufrechterhaltenen Zahlungsantrages hatte der Kläger zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 94.650,00 € brutto zu zahlen. Der Kläger hat diesen Antrag zunächst in Höhe von 7.000,00 € zurückgenommen und anschließend auf 137.650,00 € erweitert.



Zuletzt hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht nach einer weiteren teilweisen Klagerücknahme noch beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 51.971,31 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2015 zu zahlen. 2. Hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 92.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2015 zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die streitgegenständliche Regelung des Sozialtarifvertrages diskriminiere den Kläger nicht wegen seiner Behinderung. Selbst wenn jedoch eine Ungleichbehandlung zu erblicken wäre, so sei die Regelung jedenfalls aufgrund der Besonderheiten der verfassungsrechtlich garantierten Tarifautonomie gerechtfertigt. Der Kläger sei schon nicht mit Arbeitnehmern derselben Altersgruppe, welche keinen Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente wegen Schwerbehinderung hätten, vergleichbar. Die Abfindung solle bei rentennahen Jahrgängen zur Überbrückung bis zum Anspruch auf Leistungen aus dem sozialen Sicherungssystem dienen. Diese Überbrückung habe somit den Zeitpunkt im Blick, ab dem erstmals eine gesetzliche Rente in Anspruch genommen werden könne. Entscheidend sei, ob die Arbeitnehmer gleichermaßen bis zur "Abfederung" durch das soziale Sicherungssystem versorgt seien. Die Abfindung sei nicht darauf ausgerichtet, Arbeitnehmern den vollständigen Zeitraum abzusichern, den sie hypothetisch noch zu arbeiten gewillt und in der Lage gewesen wären. Dies sei Aufgabe der Sozialsysteme, nicht der Tarif- oder Sozialpartner. Nach den Regelungen des Sozialtarifvertrags herrsche Gleichbehandlung, nicht nur bei Arbeitnehmern mit Schwerbehinderung. Auch bei Mitarbeitern ohne Schwerbehinderung werde auf den frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme von Altersrente abgestellt. Jedenfalls sei eine etwaige Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Es solle keine Entlassungsabfindung erfolgen für Personen, die durch ein Ersatzeinkommen abgesichert seien. Das Verhandlungsergebnis der Tarifvertragsparteien stehe unter dem verfassungsrechtlichen Schutz der Tarifautonomie, sie seien frei darin festzulegen, auf welche Art und Weise sie die wirtschaftlichen Nachteile bewerten und ausgleichen wollten. Dies gelte auch insofern, als dass die Regelung aus dem Sozialtarifvertrag mangels Tarifbindung nicht unmittelbar Anwendung finden würde, sondern die Abfindungsregelung aufgrund der betrieblichen Erstreckungsvereinbarung gelte. Die reine Bezugnahme in der Erstreckungsvereinbarung ändere nichts an dem dargestellten Prüfungsmaßstab für Tarifverträge. Im Rahmen des verfassungsrechtlich zugestandenen Spielraums dürften die Tarifvertragsparteien festlegen, dass lediglich die Zeiten bis zum frühestmöglichen Renteneintritt abgesichert werden sollten. Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern greife diese Absicherung eben früher als bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern. Wenn die angegriffene Regelung unwirksam sei, fehle eine Regelung zur Berechnung der individuellen Abfindung. Der Sozialtarifvertrag sei dann bezüglich rentennaher Arbeitnehmer seines Kerns komplett beraubt. Ansprüche des Klägers seien im Übrigen nach Art. 1 § 1 Ziff. 15 des "dreiseitigen Vertrags" vollständig abgegolten. Die Rechtsfolge einer teilweisen Unwirksamkeit der betreffenden Tarifregelung sei nicht die "Anpassung nach oben". Die Korrektur von Sozialplanbestimmungen dürfe nicht zu einer unzulässigen Erhöhung des Gesamtvolumens führen. Die Sozialtarifvertragsparteien hätten eine verbindliche absolute Obergrenze in Höhe von 551,8 Mio. vereinbart. Diese Maximalsumme sei damit absolut durch die Tarifautonomie gedeckt und sei nicht durch Angemessenheitserwägungen, auch nicht minimal, zu erhöhen. Es sei eine zusätzliche Belastung von 17 Mio. zu erwarten, dies würde sämtliche Absprachen und Grenzen sprengen und läge weit jenseits einer nur ansatzweise zumutbaren Anpassung. Wäre den Sozialtarifvertragsparteien bewusst gewesen, dass diese zusätzliche Summe hätte gezahlt werden müssen, so wäre eine andere Binnenverteilung innerhalb der Leistung des Sozialtarifvertrags erfolgt. Als milderes Mittel sei den Tarifvertragsparteien zuzugestehen, die aufgrund des festgelegten Budgets vorhandenen Mittel im Rahmen von Neuverhandlungen anders zu verteilen. Allerdings sei dies praktisch schwierig zu gestalten, da insbesondere die Abfindungen schon ausbezahlt seien. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Ausgleich des geringeren Arbeitslosengeldbezuges zu. Ihre Berechnung sei nicht fehlerhaft gewesen. Die Differenz sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass sich der Leistungssatz von 67% auf 60% verringert habe, da tatsächlich keine Unterhaltspflichten zu berücksichtigen seien. Zudem hätten die Tarifvertragsparteien in dem Sozialtarifvertrag festgelegt, dass für die Berechnung der Nettoabsicherung die Umstände am Ende des Kalenderjahres 2014 maßgeblich seien. Der Anspruch des Klägers sei zudem aber auch insgesamt verfallen. Zwar habe der Kläger den mit der Klage geltend gemachten Anspruch ihr gegenüber zunächst mit Schreiben vom 20.03.2015 geltend gemacht. Durch das Auf und Ab hinsichtlich der Bezifferung der Klageforderung sei sein Anspruch jedoch insgesamt verfallen. Es wäre erforderlich gewesen, dass der Kläger zumindest annähernd mitgeteilt hätte, in welcher Höhe Forderungen geltend gemacht werden sollten. Mit seiner Klageerweiterung vom 18.03.2016 habe der Kläger seinen Anspruch jedoch um ca. 55 % erhöht. Damit sei zumindest der über den im Kammertermin am 09.12.2015 gestellten Antrag hinausgehende Anspruch verfallen, da der Kläger diesen Anspruch erstmals in diesem Schriftsatz geltend gemacht habe. Gleiches gelte für einen Zinsanspruch ab dem 01.02.2015. Der Kläger könne zudem keinen Nettobetrag geltend machen. Eine Nettoabfindung sei nicht vereinbart worden. Eine solche folge weder aus dem Sozialtarifvertrag noch aus dem dreiseitigen Vertrag. Vielmehr sei von einem Bruttoabfindungsbetrag die Rede. Sowohl die Nettobeträge als auch die Bruttobeträge seien zudem auch nicht nachvollziehbar dargelegt worden.



Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20.07.2016 zu einem Betrag von 49.028,31 € nebst Zinsen seit dem 01.02.2015 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kosten hat es zu 65 % dem Kläger und zu 35 % der Beklagten auferlegt. Der Anspruch ergebe sich unmittelbar aus C. Ziff. 2.6 STV aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung der Parteien. Der Betrag von 49.028,31 € entspreche dem Nettobedarf, wie er für die Bezifferung der Abfindung nach dem Sozialtarifvertrag zugrunde zu legen sei. Für den Zeitraum 01.01.2015 bis zum 31.05.2020 errechne sich der Nettobedarf des Klägers in Höhe von 75.138,00 €. Dies werde von der Beklagten nicht bestritten. Dem Kläger stehe darüber hinaus ein weiterer Anspruch von 36.858,99 € zu. Den zugrunde gelegten Nettobedarf habe die Beklagte nicht auf die Zeit bis zum frühestmöglichen Renteneintritt aufgrund der Schwerbehinderung beschränken dürfen. Es sei vielmehr auf den frühesten Renteneintritt ohne Rückgriff auf die Schwerbehinderung abzustellen. Das sei der 01.03.2022. Wie bereits die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Bochum beispielsweise im Rechtsstreit ArbG Bochum 3 Ca 611/15 ausgeführt habe, sei die Regelung im STV gemäß § 7 Abs. 2 AGG (teil-)unwirksam. Sie stelle eine nicht sachlich gerechtfertigte mittelbare Benachteiligung von Mitarbeitern mit Schwerbehinderung aufgrund ihrer Schwerbehinderung dar, da diese im Ergebnis eine geringere Abfindung als Nicht-Schwerbehinderte erhielten. Dabei erstrecke sich die Nichtigkeitsfolge des § 7 Abs. 2 AGG aber nur insoweit, als dass C. Ziff. 2.6. STV Schwerbehinderte mittelbar benachteilige. Im Ergebnis stehe dem Kläger der Anspruch zu, der ihm zustehe, wenn man seine Schwerbehinderung außer Acht lasse. Es handele sich um eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG. Die Vergleichbarkeit entfalle nicht, weil Schwerbehinderte durch die Möglichkeit eines früheren Renteneintritts besser gestellt seien. Die Benachteiligung sei nicht durch ein rechtmäßiges Ziel gemäß § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 AGG führe nach § 7 Abs. 1 AGG wie auch nach § 134 BGB zur (Teil-) Unwirksamkeit der Regelung. Eine Gleichbehandlung des Klägers sei nicht anders herzustellen, als dass die Abfindung so zu berechnen sei wie bei einem Renteneintritt eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers. Die Möglichkeit eines früheren Renteneintritts nach § 236 a SGB VI müsse dabei ausgeklammert werden. Die Tarifautonomie stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Auch die Tarifvertragsparteien seien an das AGG gebunden. Die im Verhältnis zum Gesamtvolumen nicht ins Gewicht fallende Ausdehnung des Finanzvolumens des STV sei von der Beklagten hinzunehmen. Der Anspruch sei nicht durch Art. 1 § 1 Ziff. 15 des dreiseitigen Vertrags ausgeschlossen. Denn der Vertrag sei solange nicht erfüllt, wie nicht in diskriminierungsfreier Weise die Abfindung gezahlt sei. Einem Verzicht stehe zudem § 4 Abs. 4 TVG entgegen. Der Höhe nach berechne sich der weitergehende Anspruch wie folgt: In dem Zeitraum 01.06.2020 bis zum 28.02.2022 sei ein weiterer Nettobetrag für insgesamt 21 Monate in Höhe von 1.555,19 € (80%iger Nettobedarf von 1.928,26 € abzüglich 413,07 aus dem OVK) sowie für 21 Monate ein Betrag von 200,00 € für die private Krankenversicherung zu berücksichtigen. In Höhe von 62.968,88 € sei der Anspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Zahlung untergegangen. Dem Kläger stehe daher noch ein Anspruch auf Zahlung von 49.028,31 € zu. Der Anspruch sei nicht nach § 19 Ziff. 2 b) des MTV der Metall- und Elektroindustrie NRW verfallen. Die Frist sei mit dem Schreiben vom 20.03.2015 eingehalten, in welchem der Kläger einen Anspruch von 80.350,00 € beziffert habe. Der zuletzt geltend gemachte Anspruch entspreche in etwa dem, was der Kläger fristgerecht geltend gemacht habe. Die für eine Geltendmachung erforderliche ungefähre Bezifferung sei erfolgt. Der Zusatz "netto" sei nicht in den Tenor aufzunehmen gewesen. Die Voraussetzungen, unter denen eine Nettoklage erhoben werden könne, seien nicht gegeben. Ein weiter gehender Anspruch stehe dem Kläger nicht zu, insbesondere nicht deshalb, weil die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.06.2017 von einem zu hohen Arbeitslosengeldanspruch ausgegangen sei. Ein diesbezüglich möglicher Anspruch des Klägers sei verfallen, da der Kläger die Frist von 3 Monaten nach Fälligkeit gemäß § 19 Ziff. 2b) MTV für die Metall- und Elektroindustrie NRW nicht eingehalten habe. Der Anspruch sei mit der Januarabrechnung 2015 fällig gewesen. Der Kläger habe erstmals mit Schreiben vom 06.06.2016 eine weitergehende Abfindung geltend gemacht, die er auf eine fehlerhafte Bezifferung des Arbeitslosengeldes gestützt habe. Zwar habe der Kläger erst durch den Bescheid der Arbeitsagentur vom 22.04.2016 Kenntnis von der tatsächlichen Höhe seines Arbeitslosengeldanspruchs erlangt. Dem Kläger sei aber bereits mit Übersendung des Datenblattes zur Berechnung der Abfindung im September 2014 bekannt geworden, dass die Beklagte fälschlicherweise von einem Kinderfreibetrag ausgegangen sei, welcher dem Kläger tatsächlich bereits seit Mai 2014 nicht mehr zugestanden habe. Der Kläger hätte den Anspruch deshalb innerhalb von drei Monaten ab dem Fälligkeitszeitpunkt im Januar 2015 geltend machen müssen. Da der Kläger mit dem Hauptantrag teilweise unterlegen sei, sei in diesem Umfang auch über den Hilfsantrag zu entscheiden. Der Antrag sei unbegründet. Dem Kläger stehe auch bezüglich der Form des Bruttoanspruchs kein weitergehender Anspruch zu. Darüber hinaus habe der Kläger aber auch einen Bruttoanspruch nicht schlüssig begründet. Er habe lediglich pauschal darauf verwiesen, dass der Nettobetrag von 51.971,31 € einem Bruttobetrag von 92.500,00 € entsprechen solle. Wie sich ein solcher Betrag berechne, habe der Kläger jedoch nicht dargelegt. Der Kläger habe nicht die einzelnen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte im Einzelnen dargelegt.



Das Urteil ist dem Kläger am 11.08.2016 zugestellt worden. Der Kläger hat am 09.09.2016 Berufung eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Frist bis zum 11.11.2016 am 11.11.2016 begründet.



Das Urteil ist der Beklagten am 16.08.2016 zugestellt worden. Die Beklagte hat am 16.09.2016 Berufung eingelegt und die Berufung am 17.10.2016 (Montag) begründet.



Der Kläger wendet ein, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht der Klage nur teilweise stattgegeben und fehlerhaft von einer Aufnahme des Zusatzes "netto" in den Tenor abgesehen.



Fehlerhaft habe das Arbeitsgericht den Zusatz "netto" nicht in den Urteilstenor aufgenommen. Angesichts des Streits der Parteien hinsichtlich eines Brutto- oder Nettoanspruchs sei es dem Gericht aufgetragen gewesen, eine entsprechende Entscheidung herbeizuführen. Zudem sei das Arbeitsgericht selbst bei seinen Berechnungen von Nettosummen ausgegangen, für den ausgeklammerten Zeitraum 01.06.2020 bis 28.02.2022 monatlich 1.555,19 € netto nebst weiteren 4.200,00 € (21 Monate x 200,00 €) und damit insgesamt 36.858,99 € netto, was zu nachstehender Gesamtforderung führe: 75.138,20 € ursprünglicher Abfindungsbetrag zuzüglich weiterer 36.858,99 € abzüglich bereits geleisteter 62.968,88 € = 49.028,31 €. Zumindest aufgrund des Hilfsantrags hätte das Arbeitsgericht für den Zeitraum vom 01.06.2020 bis zum 28.02.2022 die jeweiligen Bruttobeträge errechnen müssen. Das Arbeitsgericht verkenne, dass die Parteien eine entsprechende Nettovereinbarung getroffen hätten. Aus der Regelung zur Bruttoisierung gemäß C.2.6 Abs. 4 STV folge keineswegs, dass eine Bruttovereinbarung getroffen worden sei.



Es bestehe ein Anspruch auf weitere 2.943,00 € netto. Fehlerhaft habe das Arbeitsgericht diese Forderung als verfallen gemäß § 19 Ziffer 2 b) MTV angesehen. Ausweislich des Datenblatts habe die Beklagte einen Arbeitslosengeldbetrag von 1.688,70 € zugrunde gelegt. Tatsächlich sei nur ein Arbeitslosengeld von 1.525,20 € bewilligt worden, 163,50 € monatlich weniger als ursprünglich seitens der Beklagten berechnet. Für 18 Monate Arbeitslosengeldbezug (01.01.2016 - 30.06.2017) ergebe sich ein nachzuzahlender Betrag von 2.943,00 € (7.975,08 € - 5.023,08 €). Die Verfallfrist des § 19 MTV sei bereits nicht anwendbar. Der STV enthalte keine Ausschlussklausel. Auch finde sich im STV kein Verweis auf eine ergänzende Anwendung des MTV. Der MTV finde deshalb gerade keine Anwendung. Selbst bei einer Anwendung des MTV sei die Geltendmachung fristgerecht erfolgt. Erst am 25.04.2016 habe er den entsprechenden Bescheid der Bundesagentur für Arbeit erhalten, erst zu diesem Zeitpunkt habe er die tatsächliche Höhe des Arbeitslosengeldes erfahren, erst zu diesem Zeitpunkt habe die Frist zu laufen begonnen. Mit Schriftsatz vom 06.06.2016 habe er die Nachforderung dann rechtzeitig geltend gemacht.



Der Hilfsantrag sei begründet. Da das Arbeitsgericht die Hauptforderung nicht zuerkannt habe, hätte das Arbeitsgericht über den hilfsweise gestellten Antrag auf Zahlung einer weiteren Abfindungsforderung von 92.500,00 € zu entscheiden gehabt. Fehlerhaft habe das Arbeitsgericht bloß auf einen nicht schlüssigen Klägervortrag verwiesen. Bereits in der ersten Instanz sei insoweit hinreichend substantiiert vorgetragen worden. Das Arbeitsgericht überspanne seine - des Klägers Darlegungs- und Beweispflicht, wenn es meine, er hätte sämtliche Steuerparameter und Berechnungsmethoden hinsichtlich des Hilfsantrags darlegen müssen. Er habe Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angetreten. Die Berechnung mithilfe des Abrechnungsrechners der Süddeutschen Zeitung habe den geltend gemachten Bruttobetrag von 92.500,00 € ergeben (Anlage K 26, Bl. 319, 320 GA).



Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 20.07.2016 - 5 Ca 1669/15 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 51.971,31 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2015 zu zahlen; 2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 92.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2015 zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen. und mit ihrer eigenen Berufung, das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 20. Juli 2016 - - Az. 5 Ca 1669/15 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



Zur Begründung ihrer eigenen Berufung wendet die Beklagte ein, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht einen Verstoß gegen das AGG und einen daraus resultierenden Zahlungsanspruch bejaht.



1. Die arbeitsgerichtliche Wertung hinsichtlich einer Benachteiligung des Klägers sei rechtsfehlerhaft.



a) Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts sei keine Ungleichbehandlung von Gleichem gegeben. Zu Unrecht nehme das Arbeitsgericht an, die Gruppen der schwerbehinderten Arbeitnehmer und der nicht schwerbehinderten Mitarbeiter seien vergleichbar. Das unterschiedliche Rentenalter stelle eine objektive Differenzierung dar. Selbst wenn die Mitarbeitergruppen vergleichbar wären, würden die schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht ungleich behandelt. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Regelung vielmehr eine Gleichbehandlung herstelle. Bei beiden Gruppen werde auf den frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme von Altersrente abgestellt und damit die Überbrückung bis zum Bezug einer gesetzlichen Rente sichergestellt (zukunftsgerichtete Ausgleichfunktion). Diese überbrückende Absicherung hätten die Tarifvertragsparteien bei dem Abschluss des STV im Blick gehabt. Diese Absicherung trete bei schwerbehinderten Arbeitnehmern früher ein. Aber auch innerhalb der nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer ergäben sich Unterschiede, weil nicht jeder Arbeitnehmer die Voraussetzungen für die sogenannte "Rente mit 63" (§ 236 b SGB VI) erfülle. Verhindert werden solle, dass ein Arbeitnehmer ohne Absicherung im sozialen Netz ausscheide. Die Überbrückungsfunktion sei hingegen nicht darauf ausgerichtet, den vollständigen Zeitraum abzusichern, den die Arbeitnehmer hypothetisch noch zu arbeiten gewillt und in der Lage gewesen seien.



b) Jedenfalls sei die Regelung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und seien die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich (§ 3 Abs. 2 AGG). Zu beanstanden sei, dass das Arbeitsgericht das Vorliegen einer mittelbaren oder einer unmittelbaren Benachteiligung habe dahinstehen lassen. Bei einer mittelbaren Benachteiligung sei das Vorliegen eines sachlichen rechtfertigenden Ziels sowie der Angemessenheit und Erforderlichkeit bereits auf der Tatbestandsebene zu prüfen. Richtig sei der Prüfungsmaßstab der mittelbaren Benachteiligung, da an den frühestmöglichen Renteneintritt angeknüpft werde. Bei diesem Merkmal werde kein untrennbarer Zusammenhang zu einer bestehenden Behinderung hergestellt. Unterschiede zum Renteneintritt könnten sich auch bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern nach § 237 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI (bei Arbeitslosigkeit) oder § 236 b SGB VI ("Rente mit 63") ergeben. Die Regelung sei deshalb bereits nach § 3 Abs. 2 AGG rechtmäßig, auf § 10 AGG komme es nicht an. Die Regelung verfolge ein zulässiges Ziel. Anders als in der EuGH-Entscheidung "Odar" enthalte die hiesige Regelung eine gleichbleibende Formel, bei der unterschiedslos auf den frühestmöglichen Renteneintritt abgestellt werde. Das Arbeitsgericht habe nicht gewürdigt, dass es hier um einen Sozialtarifvertrag und nicht um einen regulären Sozialplan gehe. Zu berücksichtigen seien die Tarifautonomie, die Einschätzungsprärogative und der Gestaltungsspielraum von Tarifvertragsparteien, die Richtigkeitsgewähr von Tarifnormen sowie der Umstand, dass die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien nicht nach § 112 BetrVG beschränkt sei. Die Regelung im STV verfolge nicht den Ausgleich erdienten Besitzstandes sondern eine zukunftsbezogene Überbrückungsfunktion. Tarifvertragsparteien seien nicht verpflichtet, etwaige gesetzliche Nachteile (geminderte Rentenhöhe), die mit einer gesetzlichen Besserstellung verbunden seien (früherer Renteneintritt), auszugleichen. Die Regelungen des STV bedeuteten keinen "Zwang" zur Verrentung. Maßgeblich gewesen sei die wirtschaftliche Abfederung bis zum Eingreifen anderer Sicherungssysteme. Die objektive Anknüpfung an die Möglichkeit des Rentenbezugs sei ein angemessenes Mittel zur Erreichung des von den Tarifvertragsparteien verfolgten Ziels und gehe nicht über das hinaus, was hierfür erforderlich sei.



2. Die arbeitsgerichtliche Entscheidung sei auch hinsichtlich der Rechtsfolge fehlerhaft.



a) Durch die Erledigungsklausel in Art 1 § 1 Ziff. 15 des dreiseitigen Vertrags sei der Anspruch nach der erfolgten Zahlung ausgeschlossen.



b) Es erfolge keine pauschalierende Gleichbehandlung aller schwerbehinderten Mitarbeiter mit nichtbehinderten Mitarbeitern. Aus der Systematik des STV folge, dass dessen Regelungen nicht so ausgelegt oder geändert werden könnten, dass alle betroffenen schwerbehinderten Mitarbeiter so zu behandeln seien, als seien sie nicht schwerbehindert. C 2.3 STV sehe ein Wahlrecht vor für die schwerbehinderten Arbeitnehmer der Jahrgänge 1960 und 1961 zwischen Pension Bridge und Abfindung nebst Transfergesellschaft. Jedenfalls diese Gruppe könne nicht benachteiligt sein. Die nicht schwerbehinderten Mitarbeiter dieser Jahrgänge hätten nur einen Anspruch auf Regelabfindung, die regelmäßig geringer ausgefallen sei als die Pension Bridge-Zahlung.



c) Jedenfalls aber habe keine Anpassung nach oben zu erfolgen. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit ergebe sich bei § 7 Abs. 2 AGG aus § 134 BGB. Eine geltungserhaltende Reduktion im Sinne einer Zurückführung von Bestimmungen auf ein "nicht diskriminierendes Maß" sei ausgeschlossen. Anders als im Urteil BAG 15.02.2011 - 9 AZR 584/09 - sei eine Anpassung nach oben hier nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten. Da bei der Unwirksamkeit der Regelung weder eine ergänzende Vertragsauslegung noch eine Handhabung nach den Regeln zum blue-pencil-Test in Betracht komme, könne die Regelung nur insgesamt unwirksam sein. Hinzukomme, dass die Sozialpartner 551,8 Mio € als verbindliche Obergrenze vereinbart hätten. Die Maximalsumme sei durch die Tarifautonomie gedeckelt und sei - auch nicht minimal - zu erhöhen. Bei dem Urteil des BAG vom 21.10.2003 - 1 AZR 407/02 - sei es nur um 1,7 Prozent des Gesamtvolumens gegangen. Zu berücksichtigen sei, dass es hier um einen Sozialtarif und nicht lediglich um einen Sozialplan gehe. Eine Neuverteilung der Mittel müsse im Wege einer Neuverhandlung der Abfindungsregelung erfolgen. Die Besonderheiten der verfassungsrechtlich normierten Tarifautonomie stünden einer Erhöhung des Volumens des STV entgegen.



3. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht verkannt, dass der Anspruch insgesamt gemäß § 19 Ziffer 2b) MTV Metallindustrie Nordrhein-Westfalen verfallen sei. Das Auf und Ab hinsichtlich der Klageforderung führe dazu, dass der Anspruch insgesamt verfallen sei. Jedenfalls sei aber der mit Schriftsatz vom 18.03.2016 geltend gemachte Anspruch verfallen, soweit er über den am 09.12.2015 gestellten Antrag hinausgehe. Hinsichtlich des Zinsanspruches wären diese allenfalls erst ab dem 25.06.2015 zuzusprechen (Bl. 455, 456 GA).



Auf die Berufung des Klägers erwidert die Beklagte, die Berufung sei nicht zulässig. Zu beanstanden sei, dass der Kläger vollumfänglich Berufung eingelegt habe, obwohl er - jedenfalls mit der zuletzt erhobenen Nettoklage - nur in geringem Umfang unterlegen sei (51.971,31 € / 49.028,31 €). Sie sei nicht zu einem Nettobetrag zu verurteilen gewesen. Die Gewährung eines Nettoanspruches sei mit dem STV nicht zu vereinbaren. Der Anspruch auf Abfindung richte sich auf einen Bruttobetrag. Stichtag für die Berechnung des Bruttobetrags sei der Zeitpunkt des Abschlusses des dreiseitigen Vertrags (Berechnung regelmäßig auf Basis der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Januar 2015 maßgeblichen steuerlichen Merkmale). Es sei nicht mit den Regelungen des STV vereinbar, wenn sie zur Zahlung eines Nettobetrags verurteilt werde. Die Bruttoisierung des Nettobetrags habe nicht auf Basis der steuerlichen Merkmale im Auszahlungszeitpunkt zu erfolgen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht den Anspruch auf weitere 2.943,00 € netto abgewiesen. Richtig sei, dass sie bei Berechnung des Arbeitslosengeldes im September 2014 einen Kinderfreibetrag berücksichtigt habe, der dem Kläger nach seinem Vortrag bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zugestanden habe. Der Kläger habe sie über den Wegfall des Kinderfreibetrags im Jahr 2014 nicht informiert. Zutreffend habe das Arbeitsgericht die Forderung als verfallen gemäß § 19 Ziffer 2 b) MTV Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen angesehen. Bereits im September 2014 habe der Kläger erkannt, dass sie - die Beklagte - von einem nicht mehr existenten Kinderfreibetrag ausgegangen sei (Bl. 521, 522 GA). Aber auch ungeachtet dessen bestehe ein Anspruch nicht. Das nach dem STV entsprechend C 2.5 Satz 1 zu errechnende zuletzt bezogene Nettoeinkommen sei unstreitig der im Datenblatt ausgewiesene Betrag (Bl. 522, 523 GA). Der Kläger könne den Betrag mangels Rechtsgrundlage im STV nicht geltend machen. Im Übrigen sei der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Anspruch zumindest nicht in der ausgeurteilten Höhe von 49.028,31 € begründet. Die Berechnung der Deckungslücke bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres ergebe einen weiteren Nettobedarf von 36.585,99 € (21 x 1.555,19 € zzgl. 21 x 200,00 € Krankenversicherung). Das Arbeitsgericht habe dem Kläger zu Unrecht 12.242,32 € mehr zugesprochen. Das Arbeitsgericht habe wohl eine Nettolohnabrede verneint und dennoch aber eine Nettoverrechnung vorgenommen, indem es den dem Kläger aus der Abrechnung der bereits gezahlten Abfindung zugeflossenen Betrag vom Gesamtnettobedarf in Abzug gebracht habe (Bl. 524 GA). Dies stehe im Widerspruch zu den sonstigen Ausführungen zu einer fehlenden Nettovereinbarung. Der STV stelle ausdrücklich klar, dass der Nettobedarf lediglich die Berechnungsgrundlage sei. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger für 2015 keinen Lohnsteuerjahresausgleich erhalten habe. Im Übrigen gehe eine geringere Steuererstattung nach dem Wortlaut des STV nicht zu ihren Lasten. Eine etwaige Minderleistung im Vergleich zu der errechneten Nettoabsicherung sei nach dem Willen der Tarifvertragsparteien hinzunehmen.



Auf die Berufung der Beklagten erwidert der Kläger, dem Arbeitsgericht sei zuzustimmen, dass ihm ein weiterer Abfindungsbetrag hinsichtlich des (späteren) frühestmöglichen Renteneintritts zustehe im Hinblick auf eine unzulässige Benachteiligung nach § 7 Abs. 1 AGG. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auf einen Abfindungsbetrag von 49.028,31 € erkannt, wobei dieser Betrag ausweislich seiner Berechnungsgrundlagen als Nettobetrag auszuweisen gewesen wäre (s.o.). Entgegen der Auffassung der Beklagten sei sehr wohl eine Vergleichbarkeit von schwerbehinderten Mitarbeitern und Mitarbeitern ohne Schwerbehinderung zu bejahen. Die Möglichkeit als Schwerbehinderter früher in Rente gehen zu können, schließe die Diskriminierung nicht aus. Hierin sei kein "Vorteil" im klassischen Sinne zu sehen (weitere Einzelheiten: Bl. 505 ff GA). Der Anspruch sei nicht wegen Artikel 1 § 1 Ziffer 15 des dreiseitigen Vertrags wegen Erfüllung erloschen. Die Beklagte irre mit ihrer Annahme, die Forderung sei nach § 19 MTV verfallen. Selbst wenn § 19 MTV auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden wäre, sei die Forderung fristgerecht geltend gemacht. Bei Fälligkeit der Forderung mit der Abrechnung Januar 2015 hätte der Fristlauf mit dem 01.02.2015 begonnen. Der Anspruch auf weitere Abfindung wegen diskriminierender Berechnung sei bereits am 20.03.2015 geltend gemacht worden. Damit sei er dem Sinn der Ausschlussfrist gerecht geworden.



Zur Berufungserwiderung der Beklagten repliziert der Kläger. Durch die Weglassung der Bezeichnung "netto" habe ihm das Arbeitsgericht nicht annähernd die geltend gemachte Forderung zugesprochen. Für ihn bestehe das Risiko, dass ihm der ausgezahlte Betrag nur als Bruttobetrag zufließe (Bl. 526 GA). Die Beklagte sei durchaus, wie wiederholt ausgeführt, zur Zahlung eines Nettobetrags verpflichtet. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehe auch der Anspruch auf weitere 2.943,00 €. Die Beklagte irre, wenn sie meine, das Arbeitsgericht hätte 12.169,31 € zu viel zugesprochen (Bl. 528, 529 GA).



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen weiterer Einzelheiten der rechtlichen Argumente der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den beigefügten Anlagen verwiesen.



Entscheidungsgründe



A. Beide Berufungen sind statthaft und zulässig und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b), Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).



B. Mit diesem Teilurteil wird dem Kläger unter diesbezüglicher Zurückweisung der gegnerischen Berufung der zusätzliche "Nettobedarfs"-Betrag zugesprochen, um den sich der nach dem STV geschuldete Abfindungsbetrag wegen der auszugleichenden Diskriminierung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung erhöht (I.). Ferner wird dem Kläger auf seine Berufung hin unter diesbezüglicher Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der zusätzliche "Nettobedarfs"-Betrag zugesprochen, um den sich der - zu bruttoisierende - Ausgangsbetrag der Abfindung gegenüber der Berechnung der Beklagten im Datenblatt erhöht, weil das dem Kläger zuerkannte Arbeitslosengeld geringer ausgefallen ist als im Datenblatt angenommen (II.). Beide Beträge waren dem Kläger ohne den Zusatz "netto" zuzusprechen (III.).



I. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht dem Kläger einen höheren Abfindungsbetrag wegen einer unzulässigen Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung zuerkannt. Die Vorgaben des STV - und des SP - zur Berechnung des Abfindungsbetrags benachteiligen den Kläger in nicht gerechtfertigter Weise wegen seiner Schwerbehinderung (1.). Daraus folgt ein Anspruch des Klägers auf einen höheren Abfindungsbetrag (2.).



1. Die für den schwerbehinderten Kläger maßgebliche Abfindungsregelung nach dem SP i.V.m. C. 2.2, 2.6 STV benachteiligt den Kläger in nicht gerechtfertigter Weise wegen seiner Schwerbehinderung (SP = Sozialplan vom 25.06.2014, Bl. 191 GA / STV = Sozialtarifvertrag zwischen IG Metall - Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen und B3 AG über die Schließung der Fahrzeugproduktion am Standort L vom 12.06.2014, Bl. 27 ff u. 174 ff GA). Wegen Verstoßes gegen das AGG ist die Regelung zur Berechnung der Abfindung für schwerbehinderte Arbeitnehmer unwirksam.



a) Nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für kollektivrechtliche Vereinbarungen und damit auch für Sozialtarifverträge und für Sozialpläne nach dem BetrVG. Der durch die Tarifautonomie geschützte Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien findet seine Grenzen in entgegen-stehendem zwingenden Gesetzesrecht, wozu auch die einfachrechtlichen Diskriminierungsverbote des AGG gehören ( BAG 18.02.2016 - 6 AZR 700/14 - Rn. 27; BAG 09.12.2015 - 4 AZR 684/12 - Rn. 26). Die Parteien eines Sozialplans haben wie bei anderen Betriebsvereinbarungen nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. Der in § 75 Abs. 1 BetrVG enthaltene Begriff der Benachteiligung und die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung richten sich nach den Vorschriften des AGG ( BAG 17.11.2015 - 1 AZR 938/13 - Rn. 16, 17).



b) Nach §§ 1, 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen einer bestehenden Behinderung benachteiligt werden. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn ein Beschäftigter wegen einer Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere nicht behinderte Person in vergleichbarer Lage erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung liegt gemäß § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen einer Behinderung gegenüber anderen nicht behinderten Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.



Nach der Entscheidung des EuGH vom 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] ist eine mittelbar auf dem Kriterium der Behinderung beruhende Ungleichbehandlung gegeben, wenn eine Regelung vorsieht, dass einem schwerbehinderten Arbeitnehmer bei Entlassung wegen der Möglichkeit eines früheren Renteneintritts ein geringerer Abfindungsbetrag zu zahlen ist als einem nicht behinderten Arbeitnehmer ( EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] unter 59.). Der Entscheidung des EuGH lag ein Rechtsstreit aus Deutschland zugrunde. Der dort zu beurteilende Sozialplan sah vor, dass die den gekündigten Arbeitnehmern zustehende Abfindung auf der Grundlage des frühestmöglichen Rentenbeginns berechnet wurde. Dass einer solchen Berechnung das Renteneintrittsalter dem Anschein nach neutral zugrunde lag, führte im beurteilten Fall dazu, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer, die die Möglichkeit hatten früher und zwar mit 60 Jahren statt wie nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer mit 63 Jahren in Rente zu gehen, wegen ihrer Schwerbehinderung eine geringere Entlassungsabfindung erhielten ( EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] unter 54., 57.). Der EuGH hat die Vergleichbarkeit von schwerbehinderten Arbeitnehmern, die einer kurz vor dem Renteneintritt stehenden Altersgruppe angehören, mit nicht behinderten Arbeitnehmern derselben Altersgruppe bejaht ( EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] unter 60., 61.). Dem stand nach Auffassung des EuGH nicht entgegen, dass den schwerbehinderten Arbeitnehmern kraft Gesetzes der Vorteil gewährt war, mit einem drei Jahre niedrigeren Alter Altersrente in Anspruch nehmen zu können als nicht behinderte Arbeitnehmer ( EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] unter 62.). Dieser Vorteil könne die schwerbehinderten Arbeitnehmer gegenüber den nicht behinderten Arbeitnehmern nicht in eine besondere Situation bringen. Die nach dem Sozialplan erfolgende Ungleichbehandlung von schwerbehinderten und nicht behinderten Arbeitnehmern sei nicht durch ein sachliches Ziel gerechtfertigt, zu dessen Erreichung die eingesetzten Mittel angemessen seien. Die Minderung der Abfindung sei nicht durch den gesetzlich gewährten Vorteil gerechtfertigt, der darin bestehe, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer ab einem Alter, das drei Jahre niedriger sei als bei nicht behinderten Arbeitnehmern, eine Altersrente in Anspruch nehmen könnten ( EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] unter 62.-67.). Dem stehe entgegen, dass die streitige Maßnahme damit nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt sei, die nichts mit dieser Diskriminierung zu tun hätten. Zum anderen liefe diese Argumentation darauf hinaus die praktische Wirksamkeit der nationalen Vorschriften, die den genannten Vorteil vorsähen, zu beeinträchtigen, deren Daseinsberechtigung allgemein darin bestehe, den Schwierigkeiten und besonderen Risiken Rechnung zu tragen, mit denen schwerbehinderte Arbeitnehmer konfrontiert seien. Die Zahlung eines geringeren Abfindungsbetrags an schwerbehinderte Arbeitnehmer bei betriebsbedingter Kündigung bewirkt danach eine übermäßige Beeinträchtigung der legitimen Interessen schwerbehinderter Arbeitnehmer und geht daher über das hinaus, was zur Erreichung der vom deutschen Gesetzgeber verfolgten sozialpolitischen Ziele erforderlich ist ( EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] unter 70.). Die durch den dortigen Sozialplan bewirkte Ungleichbehandlung von schwerbehinderten Arbeitnehmern durch eine niedrigere Abfindungszahlung hat der EuGH aus diesen Gründen als nicht gerechtfertigt angesehen ( EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] unter 71./ ebenso: Richardi-Annuß, BetrVG, 15. Aufl. 2016, § 112 BetrVG Rn. 105; Fitting, BetrVG, 28. Aufl. 2016, §§ 112, 112 a BetrVG Rn. 149).



c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist auch im hier zu entscheidenden Fall eine mittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung durch die Abfindungsregelung nach dem Sozialplan i.V.m. dem Sozialtarifvertrag zu bejahen, ohne dass der niedrigere Abfindungsanspruch durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zu seiner Erreichung angemessen und erforderlich sind (§§ 3 Abs. 2, 1, 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG).



Für den schwerbehinderten Kläger errechnet sich nach SP und C.2.6 STV ein niedrigerer Abfindungsanspruch als für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer. Dies folgt daraus, dass er als schwerbehinderter Arbeitnehmer nach § 236 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB VI bereits vor Vollendung des 63. Lebensjahres die Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen kann (§ 236 a Abs. 1, Abs. 2 SGB VI Altersrente für schwerbehinderte Menschen), während für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres möglich ist, § 236 Abs. 2 SGB VI (§ 236 Abs. 1 SGB VI Altersrente für langjährig Versicherte). Da Berechnungsfaktor der Abfindung eine 80%-Nettoabsicherung im Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum frühestmöglichen Wechsel in die gesetzliche Rente ist, führt ein früherer Renteneintrittstermin zu einem niedrigeren Nettoabsicherungsbedarf und damit zu einem niedrigeren Abfindungsbetrag. Die 80%-Nettoabsicherung fällt bei dem Kläger wegen des früher möglichen Renteneintritts für Schwerbehinderte um 36.858,99 € niedriger aus, als dies bei einem nicht behinderten Arbeitnehmer mit ansonsten identischen Daten der Fall wäre. Als ein dem Geltungsbereich von STV/SP unterfallender Arbeitnehmer befindet sich der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten auch in einer einem nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer vergleichbaren Situation. Zur Feststellung der Vergleichbarkeit sind sachlogische Gemeinsamkeiten festzustellen, um die Unterschiede zueinander in Beziehung zu setzen ( BAG 09.12.2015 - 4 AZR 684/12 - Rn. 27). Der Kläger ist als ein Arbeitnehmer, der aufgrund seiner Behinderung als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist, in Bezug auf seine durch die Betriebsänderung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation mit nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern. Ebenso wie diese verliert er infolge der Betriebsänderung und dem damit verbundenen Verlust seines Arbeitsplatzes seinen Anspruch auf das bisher gewährte Arbeitsentgelt ( BAG 17.11.2015 - 1 AZR 938/13 - Rn. 26). Aus dem Umstand der Möglichkeit der früheren Inanspruchnahme einer (vorzeitigen) Altersrente aufgrund seiner Schwerbehinderung folgt nicht, dass seine Situation eine andere ist als die eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers (BAG aaO Rn. 26 unter Hinweis auf EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar]). Hinter der Möglichkeit zum früheren Renteneintritt für Schwerbehinderte steht der sozialpolitische Zweck, die Renteneintrittszeiten an die Bedürfnisse behinderter Menschen anzupassen. Der hieraus resultierende "Vorteil" beim Vergleich der wirtschaftlichen Lage von schwerbehinderten und nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern kann nicht zu Lasten der Schwerbehinderten berücksichtigt werden (s.o.). Als Ausgleich allein aus der Schwerbehinderteneigenschaft resultierender Nachteile muss er - wie die Schwerbehinderung - beim Vergleich der beiden Arbeitnehmergruppen und ihrer Situation bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinweggedacht werden. Anderenfalls würde sich die gesetzliche Kompensation für besondere Erschwernisse, denen Schwerbehinderte ausgesetzt sind, an anderer Stelle zu ihren Lasten auswirken ( Hess. LAG 04.09.2015 - 14 Sa 1288/14 - Rn. 58; LAG Köln19.11.2013 - 12 Sa 692/13 - Rn.46 - jeweils unter Bezugnahme auf EuGH 06.12.2012 - C-152/11 [Odar]). Das dem Anschein nach neutrale Kriterium des frühestmöglichen Renteneintritts führt zu einer mittelbaren Diskriminierung des Klägers wegen der Schwerbehinderung (vgl. EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] 57.-59.)



Entgegen der Argumentation der Beklagten ist die Ungleichbehandlung nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und sind die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nicht angemessen und erforderlich i. S. d. § 3 Abs. 2 2.HS AGG. Der sachlichen Rechtfertigung und Angemessenheit / Erforderlichkeit steht entgegen, dass die Argumentation der Beklagten darauf hinausliefe, die praktische Wirksamkeit der nationalen Vorschrift, die den Vorteil eines früher möglichen Renteneintritts gewährt (236 a Abs. 1 SGB VI), zu beeinträchtigen (s.o.). Die Daseinsberechtigung des § 236 a Abs. 1 SGB VI besteht darin, dass den Schwierigkeiten und besonderen Risiken Rechnung getragen werden soll, mit denen schwerbehinderte Arbeitnehmer konfrontiert sind. Schwerbehinderte haben im Allgemeinen größere Schwierigkeiten, sich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern; auch ist zu berücksichtigen, dass Schwerbehinderte unabweisbaren finanziellen Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrer Behinderung ausgesetzt sind und/oder dass sich diese finanziellen Aufwendungen mit zunehmendem Alter erhöhen ( EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] 67. - 69.). Die Regelung in C 2.6 STV bewirkt dadurch, dass sie bei betriebsbedingter Kündigung zur Zahlung eines Abfindungsbetrags an einen schwerbehinderten Arbeitnehmer führt, die geringer ist als die Abfindung, die ein nicht behinderter Arbeitnehmer enthält, eine übermäßige Beeinträchtigung der berechtigt bestehenden Interessen schwerbehinderter Arbeitnehmer und geht daher über das hinaus, was zur Erreichung der vom deutschen Gesetzgeber verfolgten sozialpolitischen Ziele erforderlich ist, die Ungleichbehandlung ist deshalb nicht gerechtfertigt (vgl. EuGH aaO, unter 70., 71., zusammengefasst in LS 4).



2. Aufgrund der mittelbaren Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung hat der Kläger einen Anspruch auf Gewährung der Leistungen nach Maßgabe der Regelungen für die begünstigte Gruppe, also nach den Regeln für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer der entsprechenden Altersgruppe.



Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Abs. 1 zur Unwirksamkeit der verbotswidrigen Regelung. Rechtsfolge einer - mittelbaren - Benachteiligung ist die Nichtanwendung allein der diskriminierenden Regelung. Besteht diese in einer Ausgrenzung der diskriminierten Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich einer vergleichbare Arbeitnehmer begünstigenden Regelung und sind bisher keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen, so dass die Regelung das einzige Bezugssystem bleibt, ist regelmäßig auf die Angehörigen der durch die Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die begünstigten Arbeitnehmer anzuwenden, um die Benachteiligung zu beseitigen ( BAG 09.12.2015 - 4 AZR 684/12 - Rn.53 mwN). Der Kläger kann verlangen, wie ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer behandelt zu werden ( BAG 17.11.2015 - 1 AZR 938/13 - Rn. 34). Der Kläger hat daher Anspruch auf einen Abfindungsbetrag, wie er sich nach dem STV bei Zugrundelegung des frühestmöglichen Renteneintrittstermins für nicht behinderte Arbeitnehmer ergibt ( = Bezugssystem / Termin nach § 236 SGB VI statt Termin nach § 236 a Abs. 1, Abs. 2 SGB VI). Wegen der Erhöhung des 80%-Nettoabsicherungsbedarf kann der Kläger den von ihm eingeforderten weiteren Betrag von 36.858,99 € beanspruchen (Bl. 305, 265, 266 GA: 21 Monate x 1.555,19 € zzgl. 21 Monate x 200,00 € [wg. Krankenversicherung] für den Zeitraum 01.06.2020 bis 28.02.2022)



Dieses Ergebnis einer "Anpassung nach oben" zugunsten der Gruppe der schwerbehinderten Arbeitnehmer führt nicht zu einem unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie. Die Abfindungen für Mitarbeiter der Jahrgänge 1959 und älter waren mit der Gehaltsabrechnung für Januar 2015 abzurechnen und auszuzahlen. Trotz dieses in der Vergangenheit liegenden Zeitraums haben die Tarifvertragsparteien nichts unternommen, den STV wegen der Problematik der Diskriminierung schwerbehinderter Arbeitnehmer abzuändern, um der unzulässigen Benachteiligung der schwerbehinderten Arbeitnehmer entgegenzuwirken. Die Anpassung nach oben betrifft nur eine untergeordnete Teilmenge der ausgeschiedenen Arbeitnehmer und führt zu einer Ausweitung des Gesamtabfindungsvolumens von hier unter 5 % des Gesamtvolumens (zu diesen Kriterien: BAG 18.02.2016 - 6 AZR 700/14 - Rn. 30 ff; BAG 09.12.2015 - 4 AZR 684/12 - Rn.53; BAG 10.11.2011 - 6 AZR 481/09 - Rn. 32 - 40).



3. Weiterhin zutreffend hat das Arbeitsgericht begründet, dass der Anspruch nicht aufgrund von Art. 1 § 1 Nr. 15 des dreiseitigen Vertrags ausgeschlossen ist. Nach dieser Bestimmung sind "mit Erfüllung dieser Vereinbarung" alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten und dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, abgegolten. Der dreiseitige Vertrag ist solange nicht ordnungsgemäß erfüllt, wie die Beklagte dem Kläger nicht in diskriminierungsfreier Weise eine Abfindungszahlung gewährt. Auch fehlt es an einer Billigung eines Verzichts durch die Gewerkschaft / den Betriebsrat (§§ 4 Abs. 4 TVG, 77 Abs. 4 BetrVG). Die tarifvertragliche Verfallfrist ist durch die schriftliche Geltendmachung vom 20.03.2015 gewahrt (Bl. 84, 85 GA).



II. Unter teilweiser Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts war dem Kläger ein weiterer Betrag von 2.943,00 € zuzusprechen. Der Kläger kann eine - zumindest - um diesen Betrag höhere Abfindung beanspruchen, weil er durch den abschließenden Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 25.04.2016 ein niedrigeres Arbeitslosengeld erhalten hat, als die Beklagte bei ihrer Berechnung des Abfindungsbetrags zu Januar 2015 zugrunde gelegt hat.



Ausweilich des Datenblatts (Bl. 25 GA) ist die Beklagte bei der Berechnung des Nettobedarfs für die Monate Januar 2016 bis Juni 2017 davon ausgegangen, dass der Kläger in diesem Zeitraum ein monatliches Arbeitslosengeld von 1.688,26 € erhalten wird. Davon ausgehend hat die Beklagte für die 18 Monate einen "Bedarf" von insgesamt 5.032,08 € errechnet (80 % Netto Betrag: 1.968,26 € - 1.688,70 € = 279,56 € Bedarf / 18 Monate x 279,56 € = 5.032,08 €).



Mit dem abschließenden Bescheid vom 25.04.2016 ist das monatliche Arbeitslosengeld auf (nur) 1.525,20 € festgesetzt worden (Bl. 310 - 313 GA). Dies hat seinen Grund darin, dass im Jahr 2014 der Kinderfreitag des Klägers entfallen ist, weil sein Kind eine Berufstätigkeit aufgenommen hat - was der Beklagten seinerzeit nicht bekannt war -. Damit erhöht sich der "Bedarf", der aufzuwenden ist, damit der Kläger in den Monaten Januar 2016 bis Juni 2017 die nach dem STV geschuldete 80%-Nettoabsicherung von monatlich 1.968,26 € erreicht, auf monatlich 443,06 €. Es ergibt sich ein Differenzbetrag von 2.943,00 € [18 Monate x (443,06 € - 279,56 €) = 2.943,00 €]. Diesen Differenzbetrag hat die Beklagte gemäß C 2.2, 2.6 STV an den Kläger nachzuentrichten.



Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist die Forderung nicht verfallen. Nach § 19 2 b) EMTV (Einheitlicher Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18.12.2003) ist eine Forderung der vorliegenden Art innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind nach § 19 Nr. 4 EMTV ausgeschlossen. Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist zu beachten, dass ein Anspruch regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig wird, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann ( BAG 14.03.2012 - 10 AZR 172/11 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 199; Schaub-Treber, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl. 2015, § 205 Rn. 23 = S.2247). Der Kläger konnte die Forderung erst näher beziffern, als ihm der abschließende Bescheid der Bundesagentur vom 25.04.2016 vorlag. Der Kläger hat den aus dem Bescheid resultierenden Differenzbetrag mit Schriftsatz seines Anwalts vom 06.06.2016 geltend gemacht. Die Beklagte hat den entsprechenden Schriftsatz noch im Juni 2016 erhalten. Die Dreimonatsfrist ist gewahrt.



III. Die dem Kläger durch dieses Teilurteil zuerkannten Mehrbeträge gemäß I. und II. waren dem Kläger ohne den Zusatz "netto" zuzusprechen.



Es ist strittig, ob und inwieweit Zahlungsverurteilungen in arbeitsgerichtlichen Urteilen mit einem Zusatz "brutto" oder "netto" zu versehen sind. Während sich die Auffassung findet, bei der Tenorierung von Vergütungsansprüchen sei ein Zusatz "brutto" oder "netto" stets wegzulassen (Ziemann jurisPR-ArbR 21/2016 Anm. 6 mwN), hat das BAG in seinem Beschluss vom 17.02.2016 ausgeführt, der Zusatz "brutto" sei keine Einschränkung eines ohne diesen Zusatz gestellten Antrags, sondern verdeutliche nur, was von Gesetzes wegen hinsichtlich Steuer- und Sozialversicherung gelte ( BAG 17.02.2016 - 5 AZN 981/15 -; ebenso: BAG 21.12.2016 - 5 AZR 273/16 -). Etwas anderes gilt, so das BAG, wenn aufgrund einer Nettolohnvereinbarung die gesetzlichen Abgaben und Beiträge nicht zu Lasten des Arbeitnehmers sondern insgesamt zu Lasten des Arbeitgebers gehen sollen. In einem solchen Fall, so das BAG, muss der Arbeitnehmer bei streitiger Zahlungspflicht eine Nettolohnklage erheben. Aus Gründen der Bestimmtheit des Antrags (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist es dann erforderlich, in dem Klageantrag die begehrte Zahlung ausdrücklich als "netto" zu bezeichnen ( BAG 17.02.2016 - 5 AZN 981/15 -).



Nach C. 2.6 STV ist der Betrag der 80%-Nettoabsicherung nach den Regeln des vierten Absatzes von C. 2.6 STV zu "bruttoisieren", d.h. er ist unter Zuhilfenahme der seinerzeit bekannten und angezeigten Steuermerkmale auf einen Bruttobetrag hochzurechnen, wobei Grundlage das zu erwartende steuerpflichtige Bruttoarbeitsentgelt im Jahr 2015 in der TN Transfer und die bekannten Steuerparameter des jeweiligen Mitarbeiters sind. Die Beklagte schuldet mithin auch nach dem Vorbringen des Klägers die von dem höheren Betrag der 80%-Nettoabsicherung zu berechnende Abfindung nicht als Nettobetrag sondern als Bruttobetrag (C 4.6 STV: "Bei den Abfindungsbeträgen handelt es sich um Bruttobeträge."). Eine Kennzeichnung des ausgeurteilten Betrags als "netto" kommt deshalb - nach beiden Auffassungen - nicht in Betracht.



C. Da ein Teilurteil ergangen ist, ist die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits dem Schlussurteil vorzubehalten (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung). Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Vorschriften§§ 9, 10 KSchG, §§ 24, 34 EStG, § 134 BGB, § 7 Abs. 2 AGG, § 3 Abs. 2 AGG, § 7 Abs. 1 AGG, § 236 a SGB VI, § 4 Abs. 4 TVG, § 362 Abs. 1 BGB, § 19 Ziffer 2 b) MTV, § 19 MTV, § 236 b SGB VI, § 237 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, § 10 AGG, § 112 BetrVG, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b), Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, §§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG, §§ 1, 7 AGG, § 75 Abs. 1 BetrVG, 7 Abs. 1 AGG, § 3 Abs. 1 AGG, §§ 3 Abs. 2, 1, 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG, § 236 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB VI, § 236 a Abs. 1, § 236 Abs. 2 SGB VI, § 236 Abs. 1 SGB VI, § 3 Abs. 2 2.HS AGG, § 236 a Abs. 1 SGB VI, § 236 SGB VI, §§ 4 Abs. 4 TVG, 77 Abs. 4 BetrVG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

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