12.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197113
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 16.02.2017 – 5 Sa 435/16
In dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwaltskanzlei B., B-Straße, B-Stadt
gegen
Firma C., C-Straße, C-Stadt
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D., D-Straße, D-Stadt
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Vonderau als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter Ruf und Feldmann als Beisitzer für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 31.08.2016, Az. 3 Ca 1394/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über Differenzlohnansprüche (einschließlich Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit) für die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 24.09.2013 sowie über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus dem Jahr 2013.
Die 1976 geborene Klägerin war bei der Beklagten, einem Gebäudereinigungsunternehmen, seit dem 02.09.2002 zu einem Stundenlohn von € 10,00 brutto in Vollzeit beschäftigt. Seit dem 25.09.2013 war die Klägerin ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Nach der Aussteuerung durch die Krankenkasse bezog sie ab 26.03.2015 Arbeitslosengeld. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Kündigung der Klägerin vom 20.01.2016 mit Ablauf des 04.02.2016. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft Allgemeinverbindlichkeit die Rahmentarifverträge für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV) in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.
Mit Schriftsatz vom 28.08.2015 erhob die Klägerin eine Auskunfts- und Stufenklage auf Abrechnung und Zahlung. In erster Instanz änderte sie ihre Anträge mehrfach. Im Kammertermin vom 31.08.2016 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht folgenden
Nach Abschluss des Teilvergleichs begehrte die Klägerin erstinstanzlich zuletzt noch Differenzlohnansprüche iHv. € 15.392,12 brutto für die Zeit vom 01.01.2010 bis 24.09.2013 nebst Zuschlägen sowie Urlaubsabgeltung iHv. € 1.440,00 brutto für nicht genommenen Urlaub aus dem Jahr 2013. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf die tariflichen Ausschlussfristen berufen.
Für folgende Jahre verlangt die Klägerin mit dem Klageantrag zu 1) noch folgende Beträge:
Von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 31.08.2016 Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31.08.2016 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, etwaige Ansprüche der Klägerin auf restliche Vergütung und Zuschläge für die Jahre 2010 bis 2013 seien nach § 22 des RTV vom 04.10.2003 (RTV 2003) und nach § 23 des RTV vom 28.06.2011 (RTV 2011) verfallen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die geltend gemachten Stunden unmittelbar auszuzahlen oder diese zunächst einem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Die Vergütung für die letzten von der Klägerin angeblich geleisteten weiteren Stunden aus dem Monat September 2013 bzw. die Gutschrift dieser Stunden auf ein Arbeitszeitkonto sei nach § 9 RTV 2011 spätestens am 15.10.2013 fällig geworden. Die Klägerin hätte ihre Ansprüche bis spätestens zum 15.12.2013 schriftlich gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Sie habe die Zahlung bzw. Gutschrift der Stunden - wenn man den Inhalt überhaupt als ausreichende Geltendmachung ansehen wolle - erstmals mit Anwaltsschreiben vom 01.07.2014, wenn nicht sogar erstmals - und dann auch nur teilweise - mit der Klageschrift vom 28.08.2015 schriftlich geltend gemacht. Dies sei verspätet. Die Beklagte könne sich auf den Verfall etwaiger Ansprüche berufen, dem stehe der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2013, denn der Urlaub 2013 sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 04.02.2016 bereits verfallen gewesen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen das am 07.09.2016 zugestellte Urteil mit am 06.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 28.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Eine zweite Begründung erfolgte außerhalb der antragsgemäß bis zum 07.12.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 03.02.2017.
Sie macht geltend, die in § 22 RTV 2003 und § 23 RTV 2011 geregelten Ausschlussfristen seien unwirksam. Auch tarifvertragliche Regelungen unterlägen der allgemeinen Billigkeitskontrolle. Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfristen verstoße gegen die Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14.10.1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen sowie gegen Art. 4 der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.03.2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft. Die in § 22 RTV 2003 und § 23 RTV 2011 geregelten Ausschlussfristen seien außerdem unwirksam, weil sie gegen § 9 Satz 3 AEntG und § 3 MiLoG verstießen. Ein Verfall ihrer Ansprüche sei mithin nicht eingetreten.
Das Arbeitsgericht habe ferner übersehen, dass ihr durch die unterlassene Einbringung des Zeitguthabens in das Arbeitszeitkonto ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe, der nicht verfallen sei. Sie habe erstmals am 01.07.2014, die von der Beklagten ohne besondere Aufforderung geschuldete Auskunft über den Stand ihres Arbeitszeitkontos verlangt. Durch die Erhebung der Auskunftsklage am 28.08.2015 habe sie mithin die Verfallfrist gewahrt. Sie habe erst im Verlauf des Rechtsstreits Kenntnis über den tatsächlichen Umfang des in das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitszeitvolumens erlangt. Darüber hinaus habe die Beklagte durch ihr Schreiben vom 04.07.2014 ein schutzwürdiges Vertrauen begründet. Im Übrigen habe sie bereits unter Beweisantritt dargelegt, dass es im Betrieb der Beklagten betrieblicher Übung entsprochen habe, Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis regelmäßig nicht tariflichen Ausschlussfristen zu unterwerfen.
Im Schriftsatz vom 03.02.2017 trägt die Klägerin vor, sie habe insgesamt bislang nicht vergütete Mehrarbeit in folgendem Umfang geleistet: Im Jahr 2010 319 Stunden, im Jahr 2011 499,75 Stunden, im Jahr 2012 545,75 Stunden und im Jahr 2013 465,25 Stunden. Die Ableistung der Mehr-, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sei betriebsnotwendig gewesen und habe der pflichtgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben gedient. Überwiegend seien die Stunden bzw. die Tätigkeiten durch die Betriebsleitung angeordnet worden.
Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,
Die Beklagte beantragt,
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bestreitet weiterhin, dass die Klägerin über die von ihr jeweils monatlich abgerechneten und gezahlten Mehrarbeitsstunden hinaus weitere Stunden geleistet habe. Ein pauschaler Hinweis auf irgendwelche Listen, deren Zusammenstellung sich nicht erschließe, ersetze keinen Sachvortrag. Im Übrigen seien etwaige Ansprüche nach den tarifvertraglichen Ausschlussfristen im Gebäudereinigerhandwerk verfallen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist nur zum Teil zulässig. Soweit die Klägerin einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013 iHv. € 1.440,00 brutto geltend macht, ist die Berufung unzulässig. Im Übrigen ist sie zulässig.
Eine Berufungsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., zB BAG 15.11.2016 - 9 AZR 125/16 -Rn. 11 mwN). Bezieht sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (vgl. etwa BAG 19.07.2016 - 3 AZR 88/15 - Rn. 20 mwN).
Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013 iHv. € 1.440,00 brutto stützt. Die Urlaubsabgeltung 2013 stellt einen eigenen Streitgegenstand und damit einen eigenen Anspruch im prozessualen Sinn dar. Mit der Abweisung dieses Antrags setzt sich die Berufungsbegründung in keiner Weise auseinander.
II.
Die Berufung hat, soweit sie zulässig ist, in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, an die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 24.09.2013 restliche Vergütung sowie Zuschläge (für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit) iHv. insgesamt € 15.392,12 brutto zu zahlen.
1. Die Klage scheitert bereits daran, dass die Klägerin die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Vergütung von Mehrarbeitsstunden nebst Zuschlägen für mehrere Jahre nicht schlüssig dargelegt hat.
a) Die Klägerin stützt sich zur Darlegung von Mehrarbeitsstunden, die sie in den Jahren 2010 bis 2013 geleistet haben will, auf von ihr selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen und Differenzberechnungen, die sie im Verlauf des Rechtsstreits in unterschiedlichen Ausführungen (handschriftliche Listen, Kalenderblattaufschriebe, "Gegenrechnungen" und sonstige Excel-Tabellen) ihren Schriftsätzen - im Umfang von mehreren hundert Seiten - als Anlage beigefügt hat.
Weder das Arbeitsgericht noch die Berufungskammer waren verpflichtet, die umfangreichen Listen von sich aus durchzuarbeiten, um so die Ansprüche zu konkretisieren. Anlagen können lediglich zur Erläuterung und Konkretisierung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht vollständig ersetzen (vgl. BGH 17.03.2016 - III ZR 200/15 - Rn. 19 mwN). Zwar kann die gebotene Individualisierung der Klagegründe grundsätzlich auch durch eine konkrete Bezugnahme auf andere Schriftstücke erfolgen (vgl. Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 253 Rn. 12b). Dies gilt jedoch nur, wenn die dortige Darstellung aus sich heraus verständlich ist (vgl. BGH 17.07.2003 - I ZR 295/00 - Rn. 16). Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, zu prüfen, ob sich aus mehrere hundert Seiten umfassenden Aufstellungen und Berechnungen der Nachweis ergibt, dass die Klägerin Mehrarbeit geleistet hat, die ihr nicht vergütet worden ist. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen (vgl. BAG 16.05.2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29 mwN).
b) Hinzu kommt, dass der Vortrag der Klägerin in sich widersprüchlich ist. Die Stundenaufstellungen und Berechnungen variieren von Schriftsatz zu Schriftsatz. Die schriftsätzlichen Ausführungen widersprechen sich nicht nur untereinander, sie lassen sich auch nicht logisch nachvollziehbar mit den beigefügten Berechnungen und Aufstellungen in Einklang bringen. Zuletzt entspricht nicht einmal mehr der Klageantrag der Klagebegründung.
Der wechselnde Vortrag steht der Schlüssigkeit des Vorbringens der Klägerin entgegen. Eine Partei ist zwar nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen (vgl. BGH 02.03.2000 - III ZR 103/99 - Rn. 10 mwN). Stellt allerdings eine Partei mehrere einander widersprechende Behauptungen auf, ohne den Widerspruch zu erläutern, so kann von keiner dieser Behauptungen angenommen werden, sie sei richtig (vgl. BAG 13.06.2002 - 2 AZR 589/01 - Rn. 27). So liegt der Fall hier.
In der Klageschrift vom 28.08.2015 hat die Klägerin unter Vorlage einer handschriftlichen Stundenliste behauptet, für das Jahr 2011 sei ein Stundenguthaben von 218,50 Stunden, für das Jahr 2012 von 217,25 Stunden und für das Jahr 2013 von 103,75 Stunden zur Abrechnung und Zahlung offen. Zum Jahr 2010 finden sich keine Stundenangaben.
Im Schriftsatz vom 26.12.2015 hat die Klägerin unter Vorlage von Kalenderblättern, Lohnabrechnungen und handschriftlichen Stundenlisten vortragen lassen, für das Jahr 2010 seien noch 130,50 Stunden, für das Jahr 2011 noch 229,50 Stunden, für das Jahr 2012 noch 229,25 Stunden und für das Jahr 2013 noch 68,75 Stunden zur Zahlung offen. Dementsprechend hat die Klägerin ihren Klageantrag zu 1) "neu gefasst" und die Zahlung von € 6.580,00 für insgesamt 658 Stunden beantragt (Seite 7 des Schriftsatzes, Bl. 75 d.A.).
Im Schriftsatz vom 15.03.2016 hat die Klägerin unter Vorlage von Excel-Tabellen, Kalenderblättern und diversen "Übersichten", einschließlich einer "Gesamtübersicht" (Bl. 211 d.A.) vorgetragen, für das Jahr 2010 seien noch € 4.480,00 brutto, für das Jahr 2011 noch € 5.285,13 brutto, für das Jahr 2012 noch € 6.038,50 brutto und für das Jahr 2013 noch € 828,50 brutto zur Zahlung offen. Dementsprechend hat sie mit ihrem Klageantrag zu 1) "nunmehr" die Zahlung von € 16.632,12 brutto an Überstundenvergütung nebst Zuschlägen beantragt (Seite 1 des Schriftsatzes, Bl. 205 d.A.).
Diese Klageforderung hat die Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift im Kammertermin des Arbeitsgerichts vom 31.08.2016 nach Abschluss des Teilvergleichs um € 1.240,00 auf € 15.392,12 brutto reduziert (Bl. 659 d.A.). Auch der Berufungsantrag der Klägerin (Seite 1 der Berufungsbegründung vom 28.10.2016, Bl. 710 d.A.) ist mit diesem Betrag identisch.
Schließlich hat die Klägerin im letzten Schriftsatz vom 03.02.2017 noch ein weiteres Rechenwerk vorgelegt. Sie trägt unter Vorlage weiterer Excel-Tabellen, einschließlich einer weiteren "Gesamtübersicht" (Bl. 783 d.A.) vor, für das Jahr 2010 seien 319,00 Stunden, für das Jahr 2011 499,75 Stunden, für das Jahr 2012 545,75 Stunden und für das Jahr 2013 465,25 geleistete Mehrarbeitsstunden von der Beklagten bislang nicht vergütet worden. Ausweislich der vorgelegten "Gesamtübersicht" (Bl. 783 d.A.) sollen für das Jahr 2010 noch € 2.922,50 brutto, für das Jahr 2011 noch € 4.106,38 brutto, für das Jahr 2012 noch € 4.369,75 brutto und für das Jahr 2013 noch € 521,00 brutto zur Zahlung offen stehen. Die Gesamtsumme beläuft sich laut "Gesamtübersicht" auf € 11.919,62 brutto. Die Stundenangaben im Schriftsatz (insgesamt 1.829,75 Stunden) lassen sich nicht mit dem Zahlenwerk in der "Gesamtübersicht" in Einklang bringen. Zudem fehlt der Bezug zum Klageantrag iHv. € 15.392,12 brutto.
c) Die Klage wäre selbst dann unschlüssig, wenn sich die wechselnden Aufstellungen der Klägerin noch irgendwie nachvollziehen ließen.
Verlangt ein Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tariflicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Behauptet der Arbeitnehmer zur Begründung eines (abzugeltenden) Arbeitszeitguthabens, geleistete Überstunden seien in ein vereinbartes Arbeitszeitkonto einzustellen gewesen, hat er die Stunden wie im Überstundenprozess darzulegen (vgl. BAG 23.09.2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 43 mwN). Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat, und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (vgl. BAG 10.04.2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 9). Diese Grundsätze dürfen aber nicht gleichsam schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe (vgl. BAG 16.05.2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 28).
Im vorliegenden Fall fällt schon bei einer stichprobenartigen Überprüfung der Lohnabrechnungen der Beklagten auf, dass die Klägerin - bei einer tariflichen Arbeitszeit von 169 Stunden/Monat erhebliche Überstunden geleistet hat, die ihr mit dem vereinbarten Stundensatz von € 10,00 brutto vergütet worden sind. So hat die Beklagte bspw. für den Monat Oktober 2012 eine Stundenzahl von 245, für November 2012 von 198 und für Dezember 2012 von 217 abgerechnet (Bl. 152-154 d.A.). Ausweislich der handschriftlichen Aufstellungen, die die Klägerin als Anlage zum Schriftsatz vom 26.12.2015 vorgelegt hat, will sie im Oktober 2012 insgesamt 229,75 Stunden, im November 2012 insgesamt 199,25 Stunden und im Dezember 2012 insgesamt 220 Stunden (Bl. 155-156 d.A.) gearbeitet haben. Danach hätte die Beklagte im vierten Quartal 2012 insgesamt 11 Stunden mehr gezahlt als die Klägerin nach ihrer Aufstellung geleistet hätte.
Greift man stichprobenartig das Kalenderjahr 2012 heraus, hat die Beklagte der Klägerin ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen bei einer tariflichen Jahresarbeitszeit von 2.028 Stunden (169 Stunden x 12 Monate) insgesamt 2.425 Stunden bezahlt. Damit sind in diesem Jahr 397 Stunden Mehrarbeit offensichtlich bereits vergütet worden. Laut Lohnabrechnung Februar 2013 hat die Beklagte Lohn für 201 geleistete Stunden abgerechnet und zusätzlich - wohl für im Jahr 2012 nicht genommenen Urlaub - noch 160 Stunden "für Urlaubsabgeltung", also insgesamt 361 Stunden bezahlt (Bl. 162 d.A.). Wenn die Klägerin für das Jahr 2012 im Verlauf des Rechtsstreits die Vergütung für weitere 217,25 Stunden (Klageschrift vom 28.08.2015), für weitere 229,25 Stunden (Schriftsatz vom 26.12.2015), zuletzt für weitere 545,75 Stunden (Schriftsatz vom 03.02.2017) begehrt bzw. die Zahlung von € 6.038,50 brutto (erste "Gesamtübersicht", Bl. 211 d.A.) oder von € 4.369,75 brutto (zweite Gesamtübersicht, Bl. 783 d.A.) verlangt, wird ihr Vortrag vollends unverständlich und damit unschlüssig.
2. Hinzu kommt, dass Zahlungsansprüche der Klägerin für das Jahr 2010 und für das Jahr 2011 (bis einschließlich November) verjährt wären. Der Lohn für geleistete Arbeit war spätestens am 15. des Folgemonats fällig (§ 8 Ziff. 2 RTV 2003). Vergütungsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Die Verjährungsfrist für Differenzlohnansprüche bis November 2010 hat mit Schluss des Jahres 2010, bis November 2011 mit Schluss des Jahres 2011 zu laufen begonnen, § 199 Abs. 1 BGB. Bei Erhebung der Klage am 28.08.2015 war die regelmäßige Verjährungsfrist abgelaufen. Die Beklagte hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
3. Außerdem wären etwaige Zahlungsansprüche der Klägerin für den Monat Dezember 2011 sowie für die Jahre 2012 und 2013 (bis zum 24.09.) nach § 22 RTV 2003 bzw. § 23 RTV 2011 verfallen. Die Klägerin hat bereits die erste Stufe der Verfallfrist, dh. die schriftliche Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit des Anspruchs nicht eingehalten. Insoweit wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
4. Die Angriffe der Berufung greifen nicht durch. Sowohl der RTV 2003 als auch der RTV 2011 fanden kraft Allgemeinverbindlichkeit (§ 5 Abs. 4 TVG) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
a) Entgegen der Ansicht der Berufung ist die tarifliche Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit keiner Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen. Nach dem Wortlaut des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden die §§ 305 bis 310 BGB auf Tarifverträge keine Anwendung. Nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB stehen Tarifverträge Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 BGB gleich (vgl. BAG 18.09.2012 - 9 AZR 1/11 - Rn. 24 mwN). Tarifliche Ausschlussfristen sind seit jeher als dem Arbeitsverhältnis innewohnende Besonderheiten anerkannt. Sie dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und sollen zu der im Arbeitsleben besonders gebotenen raschen Klärung von Ansprüchen und Bereinigung offener Streitpunkte führen (st. Rspr., vgl. nur BAG 16.03.2016 - 4 AZR 421/15 - Rn. 37 mwN). Die von der Berufung hieran geäußerte Kritik, gibt keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
b) Die in § 22 RTV 2003 und § 23 RTV 2011 geregelten Ausschlussfristen verstoßen entgegen der Ansicht der Berufung nicht gegen europarechtliche Vorgaben. Zum einen gilt, dass die fehlende Kenntnis von Existenz und Inhalt einer Ausschlussfrist den Verfall des Anspruchs unberührt lässt (allg. Meinung, vgl. BAG 18.08.2011 - 8 AZR 187/10 - Rn.46 mwN). Zum anderen haben die Tarifvertragsparteien mit der Bestimmung einer zweimonatigen Frist zur schriftlichen Geltendmachung den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität (siehe hierzu EuGH 08.07.2010 - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 25; 18.09.2003 - C-125/01 - [Pflücke] Rn. 34) ausreichend Rechnung getragen (vgl. BAG 21.02.2012 - 9 AZR 486/10 -Rn. 20 mwN).
c) Soweit die Berufung einen Verstoß gegen § 3 MiLoG reklamiert, verkennt sie zwei rechtliche Aspekte: Das Mindestlohngesetz (MiLoG) galt im streitigen Zeitraum von 2010 bis 2013 nicht. Es ist erst gemäß Art. 15 Abs. 1 Tarifautonomiestärkungsgesetz am 16.08.2014 in Kraft getreten. Außerdem gehen nach § 1 Abs. 3 MiLoG ua. die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) und der auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen den Regelungen des MiLoG vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns (ab 01.01.2015 € 8,50 je Zeitstunde) nicht unterschreitet.
d) Entgegen der Ansicht der Berufung ist auch ein Verstoß gegen § 9 Satz 3 AEntG nicht feststellbar. Im Streitzeitraum galt für das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der 2. GebäudeArbbV (Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Gebäudereinigerhandwerk) bis zum 31.12.2011 der Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 29.10.2009, der am 10.03.2010 in Kraft getreten ist (TV Mindestlohn 2010) und ab 01.01.2012 nach der 3. GebäudeArbbV vom 21.12.2011 der TV Mindestlohn 2012 vom 23.08.2011.
Der Branchenmindestlohn betrug im Geltungsbereich West im Jahr 2010 € 8,40 brutto, im Jahr 2011 € 8,55 brutto, im Jahr 2012 € 8,82 brutto und im Jahr 2013 € 9,00 brutto. Da die Beklagte der Klägerin einen Stundenlohn von € 10,00 brutto gezahlt hat, hätte die Klägerin zur Geltendmachung des Mindestlohns darlegen müssen, dass die für jeden Kalendermonat von der Beklagten gezahlte Bruttovergütung (01.01.2010-30.09.2013 = 45 Monate) den Betrag nicht erreicht hat, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem jeweiligen Mindestlohn ergibt (vgl. BAG 25.05.2016 -5 AZR 135/16 - Rn. 26). An diesem Vortrag fehlt es.
Im Übrigen war in § 2 Ziff. 6 des TV Mindestlohn 2010 geregelt, dass der Anspruch auf den Mindestlohn verfällt, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten nach seiner Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht wird. Danach waren Ansprüche der Klägerin bis zum 31.12.2011 - schon vor ihrer Verjährung - verfallen. In § 2 Ziff. 5 des TV Mindestlohn 2012 war ebenfalls geregelt, dass der Anspruch auf den Mindestlohn verfällt, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten nach seiner Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht wird. Die Sechsmonatsfrist war bei Klageerhebung am 28.08.2015 für Ansprüche aus den Jahren 2012 und 2013 ebenfalls verstrichen. Darüber hinaus enthielt § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn 2012 die Regelung, dass für die Geltendmachung des Mindestlohnes, welcher nicht ausgezahlt worden ist, sondern dem Jahresarbeitszeitkonto (§ 4 Nr. 2 RTV) gutzuschreiben war, die gesetzliche regelmäßige Verjährungsfrist gilt. Ein Jahresarbeitszeitkonto in diesem Sinne haben die Parteien nicht eingerichtet. Die Arbeitszeitflexibilisierung nach § 4 RTV 2011 konnte nur durch Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung für die gewerblichen Arbeitnehmer, die in den Lohngruppen 6 bis 9 eingruppiert waren, vereinbart werden. Diesen Lohngruppen gehörte die Klägerin nicht an. Im Übrigen durften das Arbeitszeitguthaben und der dafür einbehaltene Lohn zu keinem Zeitpunkt 150 Stunden überschreiten. Wurde ein Guthaben für 150 Stunden erreicht, so war der Lohn für die darüber hinausgehenden Stunden neben dem Monatslohn auszuzahlen. Da die Beklagte der Klägerin durch Teilvergleich vom 31.08.2016 zur Abgeltung von 124 "Gutstunden" bereits € 1.240,00 brutto gezahlt hat, hätte die Klägerin vortragen müssen, welche 26 Stunden noch zu vergüten sind. Auch an diesem Vortrag fehlt es.
e) Soweit die Klägerin erstmals mit der Berufung Schadensersatzansprüche, wohl wegen Verletzung des § 8 TVG oder § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG, geltend macht, hat sie bereits die Voraussetzungen für einen Anspruch nicht schlüssig dargelegt. Im Übrigen hätte sie Schadensersatzansprüche ebenfalls innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der Beklagten schriftlich geltend machen müssen (vgl. BAG 18.08.2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 43). Das war vorliegend nicht der Fall. Schadensersatzansprüche hat die Klägerin erstmals in der Berufungsbegründungsschrift vom 28.10.2016 geltend gemacht. Das war erheblich verspätet. Die Beklagte hat der Klägerin auf außergerichtliche Aufforderung mit Schreiben vom 04.07.2014 mitgeteilt, dass nach ihrer Ansicht noch 124 Gutstunden zur Zahlung offen stünden. Obwohl die Klägerin nach ihren eigenen Angaben, die von ihr geleisteten Stunden auf Tageszetteln akribisch aufgeschrieben hatte, wäre es - allerspätestens im Anschluss an das Schreiben vom 04.07.2014 -Sache der Klägerin gewesen, ihre vermeintlichen Schadensersatzansprüche dem Grunde und der Höhe nach geltend zu machen. Sie hat jedoch erst mit Klageschrift vom 28.08.2015 auf dieses Schreiben reagiert und dann noch nicht einmal Schadensersatzansprüche eingeklagt.
f) Soweit die Klägerin mit der Berufung geltend macht, es habe die betriebli- che Übung bestanden, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis "regelmäßig nicht" tariflichen Ausschlussfristen zu unterwerfen, genügt sie auch insoweit ihrer Darlegungslast nicht. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, wie vielen Arbeitnehmern die Beklagte Mehrarbeitsstunden vergütet hat, obwohl die Ansprüche bereits verfallen waren, und wie ihr Verhältnis zur Belegschaftsstärke war. Zur Feststellung einer betrieblichen Übung fehlen konkrete Zahlen und Fakten. Für das Bestehen einer betrieblichen Übung kommt es auf die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke an. Ferner sind in die Bewertung der Relation von Anzahl der Wiederholungen und Dauer der Übung auch Art und Inhalt der Leistung einzubeziehen (vgl. BAG 11.04.2006 - 9 AZR 500/05 - Rn. 16 mwN). Dazu fehlt jeder Sachvortrag.
III.
Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen. Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).
Ruf
Feldmann
Verkündet am: 16.02.2017