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24.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197332

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Beschluss vom 20.07.2017 – 17 TaBV 2/17


Im Beschlussverfahren mit den Beteiligten
1.
- Antragsteller/Beschwerdeführer -
Verf.-Bev.:
2.
- Beteiligte -
Verf.-Bev.:
3.
- Beteiligte -
Verf.-Bev.:
4.
- Beteiligte -
Verf.-Bev.:
5.
- Beteiligte -
Verf.-Bev.:
6.
- Beteiligte -
Verf.-Bev.:
7.
- Beteiligte -
Verf.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 17. Kammer - durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Pulz, die ehrenamtliche Richterin Hehl und den ehrenamtlichen Richter Kühnle auf die Anhörung der Beteiligten am 20.07.2017
für Recht erkannt:

Tenor:
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 06.12.2016 - 23 BV 95/16 - wird zurückgewiesen.


2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



Gründe



I.



Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung sowie über einen hilfsweise gestellten Antrag gerichtet auf eine Feststellung, dass eine Betriebsvereinbarung nachwirkt.



Die Beteiligte Ziff. 2 ist der Landesverband der Gewerkschaft X. Die Beteiligten Ziff. 4 bis 7 sind regionale Gliederungen der Gewerkschaft X; diese Gliederungen vertreten die Gewerkschaft X in ihrem Bereich. Die S. P. V. GmbH, Beteiligte Ziff. 3, ist der Fachverlag der Gewerkschaft X. Die Beteiligten Ziff. 2 bis 7 bilden einen Gemeinschaftsbetrieb (sie werden fortan auch als "Arbeitgeberinnen" bezeichnet). Der Beteiligte Ziff. 1 ist der dort gewählte fünfköpfige Betriebsrat (nachfolgend: Betriebsrat). Für die Arbeitgeberinnen gilt die Konzernbetriebsvereinbarung über die allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten in Gliederungen der Gewerkschaft X (AAB), die mit Wirkung zum 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist (Anl. 1, Bl. 107 ff. der erstinstanzlichen Akte). Diese lautet auszugsweise:



Die bei den Arbeitgeberinnen abgeschlossenen Arbeitsverträge enthalten regelmäßig keine Angaben zur Höhe der Arbeitsvergütung. Sie verweisen vielmehr insoweit auf die bestehenden Betriebsvereinbarungen, insbesondere eine Gehaltstabelle (vgl. beispielhaft Anl. AST 5/1 und 5/2, Bl. 148 ff. der erstinstanzlichen Akte).



Seit 1. März 2003 regelt die Betriebsvereinbarung Nr. 5, dass Beschäftigte der Gewerkschaft X im Falle von Krankheit, Geburt und Tod Unterstützungsleistungen auf der Grundlage der Beihilfeverordnung des Finanzministeriums Baden-Württemberg in Anspruch nehmen können. Die Frage der Nachwirkung dieser Betriebsvereinbarung nach Ablauf der Kündigungsfrist bildet den Kern des vorliegenden Rechtsstreits. Die Betriebsvereinbarung Nr. 5 lautet (Anl. 2, Bl. 118 der erstinstanzlichen Akte):



Für die Arbeitgeberseite trägt die Betriebsvereinbarung Nr. 5 die Unterschriften der Beteiligten Ziff. 2 und 4 bis 7, weiter ist eine Unterschrift für den Betriebsrat vorhanden. Das Unterschriftsfeld für die Beteiligte Ziff. 3 (S. P. V. GmbH) ist nicht ausgefüllt. Die Beteiligte Ziff. 3 wendete die Betriebsvereinbarung aber ebenfalls an.



Mit Schreiben vom 25. März 2015 kündigten die Arbeitgeberinnen die Betriebsvereinbarung Nr. 5 zum 30. Juni 2015. In diesem Schreiben wiesen sie darauf hin, dass sie ab sofort keine weiteren Mittel für Unterstützungsleistungen nach der Betriebsvereinbarung Nr. 5 zur Verfügung stellen (Anl. Ast. 2, Bl. 8 der erstinstanzlichen Akte).



Mit Schreiben vom 12. Mai 2015 kündigten die Arbeitgeberinnen vorsorglich die Nachwirkungsklausel der Betriebsvereinbarung Nr. 5 zum 30. September 2015 (Anl. Ast. 3, Bl. 9 der erstinstanzlichen Akte). In der Folge stellten die Arbeitgeberinnen ihre Unterstützungsleistungen nach der Betriebsvereinbarung Nr. 5 ein.



Der Betriebsrat hat vorgetragen,



die Betriebsvereinbarung Nr. 5 wirke nach Ablauf der Kündigungsfrist nach. Er habe einen Durchführungsanspruch aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.



Die Betriebsvereinbarung wirke bereits nach der gesetzlichen Regelung des § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Sie enthalte Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetze. Indem die Arbeitgeberinnen die Unterstützungsleistungen strichen, ergebe sich eine Änderung der Entlohnungsgrundsätze und der Vergütungsstruktur im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Es handele sich somit um einen Fall der zwingenden Mitbestimmung und hiervon ausgehend gelte die gesetzliche Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG. Die in der Betriebsvereinbarung Nr. 5 geregelten Vergütungsbestandteile seien ein untrennbarer Teil eines kollektiven Vergütungssystems. Die Streichung dieses Teiles stelle eine Änderung der Vergütungsstruktur bezogen auf das Gesamtvergütungssystem dar. Vorliegend sei auch zu beachten, dass die Verhandlungspartner des Betriebsrats gewerkschaftliche Arbeitgeberinnen seien. Die maßgeblichen materiellen Regelungen der Arbeitsverhältnisse könnten daher nicht durch Tarifvertrag, sondern kollektiv ausschließlich durch den Abschluss von Betriebsvereinbarungen getroffen werden. Würden die Vergütungsbestandteile aus der Betriebsvereinbarung Nr. 5 nicht als Teil eines kollektiven Vergütungssystems angesehen, würde der Betriebsrat als Verhandlungspartner bei betrieblichen Entgeltregelungen unerträglich geschwächt.



Im Übrigen wirkten die Regelungen der Betriebsvereinbarung Nr. 5 auch aufgrund einer getroffenen Vereinbarung nach. Es sei anerkannt, dass auch außerhalb der zwingenden Mitbestimmung die Betriebspartner vereinbaren könnten, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nachwirken. Vorliegend ignorierten die Arbeitgeberinnen schlicht die in der Betriebsvereinbarung vereinbarte Nachwirkungsregelung. Der Wortlaut sei insoweit eindeutig. Danach gelte die Betriebsvereinbarung Nr. 5 "bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung". Eine neue Betriebsvereinbarung gebe es nicht, also bestehe die Nachwirkung. Es sei auch zu beachten, dass die vereinbarte Nachwirkungsregelung in der Betriebsvereinbarung Nr. 5 keineswegs nur die gesetzliche Regelung des § 77 Abs. 6 BetrVG wörtlich wiedergebe. Abweichend von der gesetzlichen Regelung solle die Betriebsvereinbarung nachwirken, bis sie durch eine neue Betriebsvereinbarung ersetzt werde - also nicht, wie in § 77 Abs. 6 BetrVG geregelt, bis sie durch eine andere "Abmachung" ersetzt werde. Hätten die Betriebsparteien lediglich die gesetzliche Nachwirkung gewollt, hätte es einer ausdrücklichen Regelung zur Nachwirkung nicht bedurft. Allein die Aussage der Arbeitgeberinnen, keine Mittel mehr zur Verfügung zu stellen, beseitige nicht die vereinbarte Nachwirkung.



Der Betriebsrat habe auch einen Anspruch auf die Durchführung der nachwirkenden Vereinbarung. Es entspreche der herrschenden Meinung, dass der Betriebsrat auch in Bezug auf nachwirkende Betriebsvereinbarungen einen Durchführungsanspruch habe. Zwar entfalle bei Fortgeltung im Rahmen der Nachwirkung die zwingende Wirkung der Betriebsvereinbarung. Hiervon bleibe jedoch der betriebsverfassungsrechtliche Durchführungsanspruch unberührt.



Der Betriebsrat hat beantragt:



Die Arbeitgeberinnen haben beantragt,



Die Arbeitgeberinnen haben vorgetragen,



Antrag Ziff. 1 sei bereits unzulässig. Dem Betriebsrat fehle die Antragsbefugnis. Es gehe ihm letztlich um die Erfüllung vermeintlicher individueller Ansprüche der Arbeitnehmer. Im Übrigen sei Antrag Ziff. 1 zu unbestimmt.



Die Anträge seien auch unbegründet. Die Betriebsvereinbarung Nr. 5 wirke nicht nach, weil die Arbeitgeberinnen in ihren Kündigungsschreiben dezidiert und unmissverständlich darauf hingewiesen hätten, dass keine weiteren Mittel für die Unterstützungsleistungen zur Verfügung gestellt würden. Der Arbeitgeber müsse die Möglichkeit haben, eine mit dem Betriebsrat vereinbarte zusätzliche Vergütung einseitig wieder zu beseitigen.



Die in der Betriebsvereinbarung Nr. 5 zugesagten Unterstützungsleistungen bei Krankheits-, Geburts- und Todesfällen seien nicht Teil einer einheitlichen Gesamtvergütungsordnung und ihre vollständige Streichung führe daher nicht zu einer Änderung der Gesamtvergütungsordnung. Sie unterliege daher auch nicht der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Unterstützungsleistungen seien in einer eigenen Betriebsvereinbarung geregelt worden, die übrigen Vertragsbedingungen seien dagegen u.a. in der Konzernbetriebsvereinbarung AAB separat geregelt. Es handele sich somit um eine eigenständige Regelung.



Im Übrigen sei der vorliegende Fall nicht mit der Konstellation vergleichbar, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.04.1998 (- 1 ABR 43/97 -) zugrunde gelegen habe. In der dortigen Entscheidung sei es um eine Regelung nach § 102 Abs. 6 BetrVG bezüglich der Zustimmung des Betriebsrats zu Kündigungen gegangen. Hier gehe es um eine Regelung über freiwillige finanzielle Leistungen, die mit der Entscheidung des Arbeitgebers, kein Geld mehr hierfür zur Verfügung zu stellen, nicht nachwirken könne. In Fällen wie diesem könne auch eine Einigungsstelle die Arbeitgeberseite nicht zu weiteren Unterstützungsleistungen zwingen.



Der Betriebsrat habe selbst dann keinen Durchführungsanspruch, wenn die Betriebsvereinbarung nachwirke. Im Nachwirkungszeitraum bestehe kein Durchführungsanspruch mehr.



Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Leistungsantrag sowie der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag seien zulässig aber unbegründet.



Der geltend gemachte Durchführungsantrag bestehe nicht. Die Betriebsvereinbarung Nr. 5 habe aufgrund der Kündigung geendet. Die Betriebsvereinbarung wirke auch nicht nach, weshalb auch der Feststellungsantrag Ziff. 2 abzuweisen sei. Die Voraussetzungen einer gesetzlichen Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG lägen nicht vor. Ein Fall der zwingenden Mitbestimmung sei nicht gegeben. Entschließe sich der nicht tarifgebundene Arbeitgeber dazu, eine in einer gesonderten Betriebsvereinbarung ausgebrachte Leistung vollständig einzustellen, stünden für den von ihm einseitig vorgegebenen Zweck keine Mittel mehr zur Verfügung, über deren Verteilung der Betriebsrat mitbestimmen könne. Vorliegend seien die Regelungen über Unterstützungsleistungen bei Krankheits-, Geburts- und Todesfällen in einer separaten von den allgemeinen Anstellungsbedingungen getrennten Betriebsvereinbarung geregelt worden. Die vollständige Einstellung der finanziellen Leistung für den mit der Betriebsvereinbarung Nr. 5 verfolgten Leistungszweck habe die Beendigung des in ihr enthaltenen Entlohnungsgrundsatzes zur Folge.



Die Betriebsvereinbarung wirke auch nicht aufgrund Vereinbarung nach. Die vereinbarte Nachwirkung habe ihr Ende jedenfalls in der Entscheidung der Arbeitgeberinnen gefunden, keine weiteren Mittel für die Unterstützungsleistungen zur Verfügung zu stellen. Mit der vereinbarten Nachwirkung hätten die Betriebspartner ihre Rechtsbeziehungen denjenigen der erzwingbaren Mitbestimmung angeglichen. Dies ergebe eine Auslegung der Nachwirkungsklausel. Freiwillige Betriebsvereinbarungen, in denen eine Nachwirkung vereinbart sei, seien ergänzend auszulegen. In einer Nachwirkungsabrede komme zum Ausdruck, dass die Betriebspartner keine Dauernachwirkung, sondern eine Überbrückung bis zu einer Neuregelung wollten. Im Zweifel sei eine Konfliktlösungsmöglichkeit gewollt, die derjenigen bei der erzwingbaren Mitbestimmung entspreche. Im Regelfall seien Nachwirkungsvereinbarungen bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen deshalb ergänzend dahin auszulegen, dass die Einigungsstelle bei Scheitern der Verhandlungen über eine neue Regelung einseitig angerufen werden und verbindlich entscheiden könne (Hinweis auf BAG 28. April 1998 - 1 ABR 43/97). Wegen der beabsichtigten Gleichstellung mit der gesetzlichen Regelung trete vorliegend wegen Wegfalls der gesamten Leistung keine Nachwirkung ein. Die vereinbarte Nachwirkung reiche nicht weiter als die gesetzliche. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Arbeitgeberinnen zu einer (jedenfalls temporären) Aufrechterhaltung der Unterstützungsleistungen hätten verpflichten wollen. Die Wirksamkeit der Einstellungsentscheidung der Arbeitgeberinnen vom Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung oder der Einrichtung einer Einigungsstelle wäre bloße Förmelei.



Gegen den Beschluss vom 6. Dezember 2016, dem Betriebsrat am 25. Januar 2017 zugestellten, hat der Betriebsrat am 24. Februar 2017 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 25. April 2017 am 25. April 2017 begründet.



Der Betriebsrat trägt vor,



das Arbeitsgericht beschränke sich hinsichtlich des Leistungsantrags auf die Aussage, ein Durchführungsanspruch bestehe nicht, weil die Betriebsvereinbarung Nr. 5 aufgrund der Kündigung geendet habe. Da der Betriebsrat jedoch auch im Nachwirkungszeitraum einen Durchführungsanspruch habe, könne der Leistungsantrag nicht mit der Begründung, die Betriebsvereinbarung sei gekündigt und befinde sich bestenfalls noch in der Nachwirkung, zurückgewiesen werden.



Das Gericht komme auch unzutreffend zu dem Ergebnis, dass ein Fall der gesetzlichen Nachwirkung nicht vorliege. Grundsätzlich gelte, dass beim tarifungebundenen Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung geregelte Vergütungsbestandteile als Teil der Gesamtvergütung anzusehen seien, mit der Folge, dass jede Beseitigung auch nur eines Teils der Gesamtvergütung durch den Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Entlohnungsgrundsätze darstelle. Selbst eine Aufspaltung der Gesamtvergütung in mehrere selbständige Betriebsvereinbarungen führe nicht dazu, dass der Arbeitgeber nach Kündigung einer dieser Betriebsvereinbarungen mitbestimmungsfrei über die Einstellung der in der jeweiligen Betriebsvereinbarung geregelten Bestandteile entscheiden könne.



Juristisches Neuland betrete das Arbeitsgericht, soweit es zu der Auffassung komme, der Betriebsvereinbarung Nr. 5 sei auch keine vereinbarte Nachwirkung beizumessen. Nach der Argumentation des Arbeitsgerichts würde letztlich die Möglichkeit der Betriebsparteien abgeschafft, eine Nachwirkung freiwillig zu vereinbaren. Die vereinbarte Nachwirkung müsse jedenfalls bis zum Spruch der Einigungsstelle gelten. Der Willen der Betriebsparteien werde verkannt, wenn unterstellt werde, die Nachwirkungsvereinbarung habe keinerlei Bedeutung.



Der Betriebsrat beantragt,



Die Arbeitgeberinnen tragen vor,



der Beschluss des Arbeitsgerichts sei im Ergebnis richtig und überzeugend begründet.



Der Leistungsantrag sei selbst dann unbegründet, wenn die Betriebsvereinbarung Nr. 5 nachwirken sollte. Es gebe keinen Anspruch eines Betriebsrats auf Durchführung einer lediglich nachwirkenden Betriebsvereinbarung. Da der Durchführungsantrag zu Ziff. 1 unbegründet sei, falle der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag zur Entscheidung an. Eine gesetzliche Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG komme schon deswegen nicht in Betracht, weil es sich bei der Betriebsvereinbarung Nr. 5 nicht um einen untrennbaren Bestandteil eines einheitlichen Vergütungssystems handele, sondern um eine eigenständige Regelung. Mit der Erklärung, keine Mittel mehr zur Verfügung zu stellen, entfalle jegliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Die von den Beteiligten getroffenen Regelungen zur Nachwirkung verpflichte die Arbeitgeberinnen nicht, dauerhaft Unterstützungsleistungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen zu gewähren. Es bedürfe auch keines "Beendigungsmechanismusses" durch Befassung einer Einigungsstelle. Im Falle finanzieller Leistungen sei mit der Entscheidung des Arbeitgebers, keine Mittel mehr zur Verfügung zu stellen, jeglicher Fortgeltung der Betriebsvereinbarung der Boden entzogen.



Abschließend wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie sämtliche sonstigen Aktenteile.



II.



1. Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist gemäß §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.



2. Die Beschwerde ist unbegründet.



a) Der Antrag des Betriebsrats, den Arbeitgeberinnen aufzugeben, die Betriebsvereinbarung Nr. 5 über den 30. Juni 2015 und auch über den 30.09.2015 hinaus durchzuführen, hat im Ergebnis keinen Erfolg.



aa) Der Antrag ist jedoch zulässig.



(1) Der Betriebsrat ist in Bezug auf den geltend gemachten Durchführungsanspruch antragsbefugt. Er macht nicht unzulässiger Weise in der Rolle eines Prozessstandschafters Individualrechte der Arbeitnehmer geltend. Der Betriebsrat kann einen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch auf abredegemäße Durchführung einer Betriebsvereinbarung geltend machen. Insbesondere kann er die Wirksamkeit oder (Fort-)Geltung einer Betriebsvereinbarung im Beschlussverfahren klären lassen (vgl. BAG 18. Januar 2005 - 3 ABR 21/04 - Rn. 35 ff.; vgl. auch BAG 22. Januar 2013 - 1 ABR 92/11 - Rn. 8).



(2) Der Antrag ist nach der gebotenen Auslegung auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.



Nach dem auch im Beschlussfahren anzuwendenden § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss eine Klageschrift u. a. einen "bestimmten Antrag" enthalten. Ein Antrag im Beschlussverfahren unterliegt insoweit denselben Anforderungen wie im Urteilsverfahren. Dementsprechend muss der Verfahrensgegenstand so bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Eine Entscheidung, die eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht ausspricht, muss grundsätzlich zur Zwangsvollstreckung geeignet sein. Die Prüfung, welche genaue Handlungspflicht den Schuldner treffen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden (vgl. BAG 22. Juli 2014 - 1 ABR 9/13 - Rn. 12). Das Gericht ist gehalten, eine entsprechende Auslegung des Antrags vorzunehmen, wenn hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 27. Juli 2016 - 7 ABR 16/14 - Rn. 13).



Der auf Durchführung der Betriebsvereinbarung Nr. 5 gerichtete Leistungsantrag genügt nach der gebotenen Auslegung diesen Anforderungen an die Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass die Durchführung "nach Maßgabe der weiteren Regelungen dieser Betriebsvereinbarung" erfolgen soll. Dem Betriebsrat geht es ersichtlich nur um die Frage, ob die Betriebsvereinbarung Nr. 5 überhaupt über den 30. Juni 2015 bzw. über den 30. September 2015 hinaus weiter anwendbar ist. Dagegen ist zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens der Inhalt der Betriebsvereinbarung nicht streitig. Im Wege der Auslegung ist daher davon auszugehen, dass der Betriebsrat mit der Formulierung "nach Maßgabe der weiteren Regelungen dieser Betriebsvereinbarung" keine - nicht näher bestimmte - Klärung in Bezug auf den Inhalt der Regelungen der Betriebsvereinbarung Nr. 5 begehrt, sondern es ihm ausschließlich um die Verpflichtung geht, die Betriebsvereinbarung überhaupt durchzuführen. Jedenfalls mit diesem im Wege der Auslegung gefundenen Verständnis ist der Leistungsantrag Ziff. 1 hinreichend bestimmt.



bb) Der Antrag ist unbegründet. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch gegen die beteiligten Arbeitgeberinnen auf Durchführung der Betriebsvereinbarung Nr. 5. Dabei kann dahinstehen, ob die Rechtsgrundlage eines Durchführungsanspruchs § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG oder die Betriebsvereinbarung selbst ist (vgl. dazu BAG 18. Januar 2005 - 3 ABR 21/04 - Rn. 34; BAG 18. April 1989 - 1 ABR 3/88 - Rn. 28).



(1) Die Arbeitgeberinnen haben die Betriebsvereinbarung Nr. 5 mit Schreiben vom 25. März 2015 form- und fristgerecht zum 30. Juni 2015 gekündigt. Damit endet die Betriebsvereinbarung. Ein Durchführungsanspruch des Betriebsrats kommt somit allenfalls noch in Betracht, wenn die Betriebsvereinbarung nachwirken würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.



(2) Die Betriebsvereinbarung Nr. 5 unterfällt nicht der gesetzlichen Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG.



(a) Gem. § 77 Abs. 6 BetrVG gelten die Regelungen einer Betriebsvereinbarung nach deren Ablauf weiter in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Betriebsvereinbarungen über Gegenstände, die nicht der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, entfalten kraft Gesetzes keine Nachwirkung. Betriebsvereinbarungen mit teils erzwingbaren, teils freiwilligen Regelungen wirken grundsätzlich nur hinsichtlich der Gegenstände nach, die der zwingenden Mitbestimmung unterfallen (BAG 10. November 2009 - 1 AZR 511/08 - Rn. 12; BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 14).



Betriebsvereinbarungen über finanzielle Leistungen des Arbeitgebers, die dieser ohne eine vertragliche oder sonstige rechtliche Verpflichtung erbringt, sind regelmäßig teilmitbestimmt. Während der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei vorgeben kann, bedarf er für die Ausgestaltung, also für den Verteilungs- und Leistungsplan, nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Die Nachwirkung derart teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen hängt im Falle ihrer Kündigung durch den Arbeitgeber davon ab, ob die finanziellen Leistungen ersatzlos beseitigt oder lediglich reduziert werden sollen (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/09 - Rn. 19).



Ist ein Vergütungsbestandteil untrennbarer Teil eines umfassenden betrieblichen Vergütungssystems, stellt seine Streichung lediglich eine Reduzierung des Dotierungsrahmens der Gesamtvergütung dar und unterfällt somit dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Handelt es sich dagegen um einen selbständigen Vergütungsbestandteil, kann der Arbeitgeber diesen mitbestimmungsfrei streichen; ein zu verteilender Dotierungsrahmen ist dann nicht mehr vorhanden (vgl. BAG 10. Dezember 2013 -1 ABR 39/12 - Rn. 20). Bei gesonderter Regelung in einer eigenen Betriebsvereinbarung ist regelmäßig anzunehmen, dass der sich aus dieser Leistung ergebende Entlohnungsgrundsatz nicht untrennbarer Teil eines umfassenden betrieblichen Vergütungssystems wird und die sonstigen für die Verteilung der Gesamtvergütung geltenden Entlohnungsgrundsätze unberührt bleiben sollen. Entschließt sich der nicht tarifgebundene Arbeitgeber dazu, eine in einer gesonderten Betriebsvereinbarung ausgebrachte Leistung mit Ablauf ihrer Kündigungsfrist vollumfänglich einzustellen, stehen für den von ihm einseitig vorgegebenen Zweck keine Mittel mehr zur Verfügung, über deren Verteilung der Betriebsrat mitbestimmen könnte. Ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Beendigung des gesondert ausgestalteten Entlohnungsgrundsatzes besteht in diesem Fall nicht, weshalb die Betriebsvereinbarung keine Nachwirkung entfaltet (BAG; 10. Dezember 2013 - 1 ABR 39/12 - Rn. 20; BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/09 - Rn. 20, 23 ff.).



(b) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei den in der Betriebsvereinbarung Nr. 5 geregelten Leistungen um solche, die dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 ("Betriebliche Lohngestaltung") unterfallen. Einerseits bleibt es den Arbeitgeberinnen danach unbenommen, den Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei vorzugeben, die Ausgestaltung, also der Verteilungs- und Leistungsplan, bedarf dagegen der Zustimmung des Betriebsrats. Grundsätzlich sind daher die Arbeitgeberinnen auch berechtigt, mitbestimmungsfrei über die vollständige Einstellung der Leistungen nach der Betriebsvereinbarung Nr. 5 zu entscheiden.



Der Betriebsrat kann sich vorliegend auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Leistungen nach der Betriebsvereinbarung Nr. 5 seien ein untrennbarer Bestandteil des Gesamtvergütungssystems. Es handelt sich vielmehr um eine gesondert geregelte Leistung, die gänzlich eingestellt werden soll, mit der Folge, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und damit auch die gesetzliche Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG entfällt.



Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die vorliegend interessierenden Beihilfeansprüche in einer gesonderten Betriebsvereinbarung geregelt sind. Die allgemeinen Anstellungsbedingungen ergeben sich für die Beschäftigten der Gewerkschaft X aus einer Konzernbetriebsvereinbarung (AAB), die zum 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist. Insoweit spricht gegen einen untrennbaren Zusammenhang auch der Umstand, dass die allgemeinen Arbeitsbedingungen mit dem Konzernbetriebsrat, die Leistungen bei Krankheits-, Geburts- und Todesfällen dagegen mit dem Betriebsrat vereinbart worden sind. Auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarungen fällt deutlich auseinander, da die Betriebsvereinbarung Nr. 5 bereits zum 1. März 2003, die allgemeinen Anstellungsbedingungen der AAB dagegen erst - in der dem Gericht vorliegenden Fassung - mit Wirkung zum 1. Januar 2006 in Kraft getreten sind.



Die konkrete Vergütungshöhe ergibt sich bei den Arbeitgeberinnen regelmäßig aus einer Verweisung des Arbeitsvertrags, in dem die Vergütungsgruppe enthalten ist, auf eine durch Betriebsvereinbarung geregelte Gehaltstabelle. Auch insoweit liegen unterschiedliche Betriebsvereinbarungen zugrunde, so dass ein untrennbarer Zusammenhang zur Betriebsvereinbarung Nr. 5 nicht ersichtlich ist. Der Regelungsinhalt der Betriebsvereinbarung Nr. 5 betrifft auch keine klassischen Vergütungsleistungen, sondern eine zweckgebundene Unterstützung in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen in entsprechender Anwendung der Beihilfeverordnung des Finanzministeriums Baden-Württemberg. Aus der Regelung verschiedener Vergütungsbestandteile in unterschiedlichen (Konzern-)Betriebsvereinbarungen, die unterschiedlichen Zwecken dienen, ergibt sich, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 5 keinen untrennbaren Bestandteil eines Gesamtvergütungssystems darstellt (vgl. auch LAG Baden-Württemberg 17. Mai 2017 - 4 Sa 1/17 - Rn. 63 zu einer Betriebsvereinbarung über Fahrtkostenerstattung).



(c) Da die Nachwirkung einer solchen teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung ausschließlich von dem Willen des Arbeitgebers abhängt, die dort geregelte Leistung auch zukünftig zu erbringen, ist es aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geboten, dass sich der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat oder den begünstigten Arbeitnehmern über seine Vorstellungen hinsichtlich der zusätzlichen Leistung festlegt. Der Arbeitgeber muss eindeutig erklären, ob und ggf. in welcher Höhe nach dem Ablauf der Kündigungsfrist für den bisherigen Leistungszweck Mittel zur Verfügung stehen (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/09 - Rn. 26).



Dies ist vorliegend geschehen. Die Arbeitgeberinnen haben in ihrer Kündigung vom 25. März 2015 ausdrücklich und klar darauf hingewiesen, dass sie keine weiteren Mittel für Leistungen nach der Betriebsvereinbarung Nr. 5 zur Verfügung stellen. Damit haben sie sich gegenüber dem Betriebsrat und den begünstigten Arbeitnehmern über ihre Vorstellungen hinsichtlich der zusätzlichen Leistung festgelegt.



(3) Das Arbeitsgericht geht im angegriffenen Beschluss zutreffend davon aus, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 5 auch nicht aufgrund einer Vereinbarung der Betriebspartner nachwirkt.



(a) Die Vereinbarung der Nachwirkung einer freiwilligen Betriebsvereinbarung ist zulässig (BAG 28. April 1998 - 1 ABR 43/97 - Rn. 38 ff.; Fitting 28. Aufl. § 77 BetrVG Rn. 187; GK/Kreutz 10. Aufl. § 77 BetrVG Rn. 447; ErfK/Kania 17. Aufl. § 77 BetrVG Rn. 106; a.A. Jacobs NZA 2000, 69 ff.). Wenn es den Betriebspartnern gestattet ist, freiwillige Betriebsvereinbarungen mit zwingender normativer Wirkung zu schaffen, ist diesem Recht grundsätzlich auch die Befugnis zu entnehmen, den Normen eine eingeschränkte Nachwirkung beizulegen und damit die Rechtslage zu übernehmen, die durch das Gesetz im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung ausdrücklich vorgesehen wird (BAG 28. April 1998 - 1 ABR 43/97 - Rn. 43). Welche Bedeutung eine in die Betriebsvereinbarung aufgenommene Vereinbarung über Nachwirkung zukommt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (vgl. BAG 21. August 2001 - 3 ABR 44/00 - Rn. 47; LAG Baden-Württemberg 17. Mai 2017 - 4 Sa 1/17 - Rn. 67). Dabei ist im Zweifel vom gesetzlichen Regelfall auszugehen (BAG 21. August 2001 - 3 ABR 44/00 - Rn. 47; ErfK/Kania 17. Aufl. § 77 BetrVG Rn. 106). Soll eine gesetzlich nicht vorgesehene Nachwirkung vereinbart werden, so muss dies unmissverständlich erklärt werden (BAG 21. August 2001 - 3 ABR 44/00 - Rn. 48). Dies ist in der Rechtsprechung beispielsweise in einem Fall angenommen worden, in dem die Betriebspartner in einer Betriebsvereinbarung Regelungen über die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung bei Arbeitsunfähigkeit getroffen hatten, in der es abschließend lautet: "Die Nachwirkung dieser Betriebsvereinbarung wird ausdrücklich vereinbart." (BAG 19. Februar 2008 - 1 ABR 84/06 - Rn. 2, 20).



(b) Ausgehend hiervon ergibt sich vorliegend nicht im Wege der Auslegung, dass die Betriebspartner über § 77 Abs. 6 BetrVG hinaus eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung Nr. 5 vereinbaren wollten.



Betriebsvereinbarung sind wegen ihres normativen Charakters nach den für Tarifverträge und Gesetze geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 14. Dezember 2010 - 3 AZR 939/08 - Rn. 18; vgl. BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 826/13 - Rn. 18).



In Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt sich aus der Regelung der Betriebspartner in der Betriebsvereinbarung Nr. 5 gerade nicht unmissverständlich, dass eine über die gesetzliche Regelung hinausgehende Nachwirkung auch insoweit konstitutiv begründet werden sollte, als die Regelungen nicht der zwingenden Mitbestimmung unterliegen.



(aa) Jedenfalls in der vorliegenden Konstellation schließt sich die erkennende Kammer der Auffassung an, dass eine von der gesetzlichen Grundkonzeption des Betriebsverfassungsgesetzes abweichende vereinbarte Nachwirkung für freiwillige Betriebsvereinbarungen von den Betriebspartnern klar und eindeutig getroffen werden muss und in Zweifelsfällen von einer deklaratorischen Nachzeichnung der gesetzlichen Regelung des § 77 Abs. 6 BetrVG auszugehen ist. Jedenfalls im Falle einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung ergibt sich - evtl. anders als bei einer eindeutig insgesamt freiwilligen Betriebsvereinbarung - nicht bereits aus dem Umstand selbst, dass die Betriebspartner eine Nachwirkungsvereinbarung aufgenommen haben, dass diese über die gesetzliche Regelung des § 77 Abs. 6 BetrVG hinausgehen soll. Bei einer eindeutig auch nach den Vorstellungen der Betriebspartner freiwilligen Betriebsvereinbarung, erscheint eine Regelung über deren Nachwirkung nur sinnvoll, wenn hierdurch abweichend vom Gesetz eine Nachwirkung durch Vereinbarung konstitutiv begründet werden soll. Vorliegend, im Falle einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, ist dagegen nicht ausgeschlossen, dass die gesetzliche Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG eingreift. Vielmehr ist diese gegeben, wenn die Arbeitgeberseite die Leistungen nicht vollständig einstellt, sondern eine Änderung der Verteilungsgrundsätze anstrebt. Vor diesem Hintergrund bedarf es gerade in Fällen teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die Betriebspartner nicht lediglich die gesetzliche Regelung nachzeichnen, sondern konstitutiv eine davon abweichende Regelung treffen wollten.



(bb) Der Wortlaut der betreffenden Regelung selbst ist insoweit nicht eindeutig. Die Reglung zur Nachwirkung im Falle der Kündigung lautet: "Für diesen Fall gilt die Nachwirkung bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung". Zwar weist der Betriebsrat zutreffend darauf hin, dass eine Differenzierung der Nachwirkung zwischen freiwilligem und nicht freiwilligem Teil der Betriebsvereinbarung nicht ausdrücklich vorgenommen worden ist. Hieraus ergibt sich jedoch kein eindeutiger Hinweis darauf, dass eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung gewollt war. Die Formulierung, dass die Nachwirkung im Falle einer Kündigung der Betriebsvereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung "gilt", spricht eher für eine deklaratorische Verweisung auf § 77 Abs. 6 BetrVG. Das Wort "gilt" spricht dafür, dass die Betriebsparteien nicht selbst eine weitergehende Nachwirkung schaffen, also vereinbaren wollten, sondern sie an eine bereits bestehende gesetzliche Nachwirkung anknüpfen wollten (vgl. LAG Baden-Württemberg 17. Mai 2017 - 4 Sa 1/17 - Rn. 79).



(cc) Ein Hinweis auf eine mögliche Abweichung von der gesetzlichen Nachwirkungskonzeption könnte sich vorliegend allerdings daraus ergeben, dass sowohl die Nachwirkungsregelung selbst als auch die unmittelbar davor geregelte Kündigungsfrist vom Gesetzeswortlaut abweichen. So haben die Betriebspartner abweichend von der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 77 Abs. 5 BetrVG von drei Monaten vorliegend eine Frist von drei Monaten zum Schluss des Kalendervierteljahres vereinbart. Auch soll die Nachwirkung vorliegend nicht entsprechend § 77 Abs. 6 BetrVG weiter gelten, "bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt" worden ist, sondern bis zum "Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung" (keine besondere Bedeutung misst dieser Formulierung zu: ErfK/Kania 17. Aufl. § 77 Rn. 106). Diese Abweichungen vom Gesetzestext sprechen jedoch nicht unmissverständlich für eine gewillkürte Nachwirkung.



(dd) Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen in der Betriebsvereinbarung Nr. 5 ergibt sich kein Hinweis auf eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Bestimmung. So lautet es in der Betriebsvereinbarung einleitend, es werde "auf der Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes in seiner jeweils gültigen Fassung folgende Betriebsvereinbarung geschlossen". Auch diese Formulierung spricht eher dafür, dass die Betriebspartner die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes, soweit solche vorhanden sind, nachzeichnen und nicht ändern wollten (vgl. LAG Baden-Württemberg 17. Mai 2017 - 4 Sa 1/17 - Rn. 78). Allerdings ist zugunsten des Betriebsrats auch zu berücksichtigen, dass eine Abweichung von der gesetzlichen Nachwirkungsregelung auf der Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes, jedenfalls nach dem Verständnis des BAG und zahlreicher Stimmen in Literatur, ebenfalls möglich wäre.



(ee) Auch der Grundsatz, dass im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug gebührt, die zu einem sachgerechten zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis zur Regelung führt, ist vorliegend nicht geeignet, eine von der gesetzlichen Nachwirkungsregelung abweichende Auslegung zu rechtfertigen.



Insbesondere spricht der Umstand, dass es sich vorliegend um gewerkschaftliche Arbeitgeberinnen handelt, nicht eindeutig für eine gewillkürte Nachwirkung (vgl. dazu LAG Baden-Württemberg 17. Mai 2017 - 4 Sa 1/17 - Rn. 77). Eine Gewerkschaft auf Arbeitgeberseite kann faktisch mangels tariffähiger Tarifpartner auf der Gegenseite regelmäßig keinen Tarifvertrag schließen (vgl. BKS/Kocher/Berg 5. Aufl. § 2 TVG Rn. 74). Betriebsvereinbarungen können daher tarifversetzende Wirkung haben (vgl. BAG 28. April 1992 -1 ABR 68/91). Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, bei anderen Arbeitgebern hätte ein Tarifvertrag geschlossen werden können, der nach § 4 Abs. 5 TVG Nachwirkung gehabt hätte, und deswegen gebiete ein sachgerechtes und zweckorientiertes Verständnis der Nachwirkungsvereinbarung auch hier eine Auslegung dahingehend, dass die Betriebsvereinbarung nachwirke. Die besondere Situation bei gewerkschaftlichen Arbeitgebern führt nicht dazu, dass die Unterschiede zwischen Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen in Bezug auf eine mögliche Nachwirkung entfallen. Dabei ist auch zu beachten, dass grundsätzlich auch Gewerkschaftsbeschäftigte zum Zweck der tarifvertraglichen Regelung ihrer Arbeitsbedingungen einen Verband gründen können (vgl. BAG 17. Februar 1998 - 1 AZR 364/97).



Andererseits führt die Auffassung, es handele sich lediglich um eine § 77 Abs. 6 BetrVG nachzeichnende Regelung, zu einem praktisch brauchbaren Ergebnis. Im Falle der bloßen Kündigung wären auch die Verteilungsgrundsätze betroffen und eine Nachwirkung griffe schon nach der gesetzlichen Regelung ein. Im Falle einer eindeutigen Erklärung über die vollständige Einstellung sämtlicher Leistungen durch die Arbeitgeberinnen entfällt dagegen jedes Mitbestimmungsrecht und damit - nach der gesetzlichen Konzeption - auch die Nachwirkung.



(ff) Zusammenfassend geht die Kammer davon aus, dass vorliegend die Begründung einer über die gesetzliche Regelung des § 77 Abs. 6 BetrVG hinausgehenden Nachwirkung zwar vertretbar erscheint, die besseren Argumente jedoch für eine bloße deklaratorische Nachzeichnung der gesetzlichen Regelung streiten. Eindeutige Hinweise darauf, dass die Betriebspartner von der gesetzlichen Konzeption abweichen wollten, sind jedenfalls nicht ersichtlich. Damit wirkt die Betriebsvereinbarung nicht aufgrund einer Vereinbarung der Betriebspartner nach.



(4) Ausgehend davon, dass weder eine gesetzliche noch eine gewillkürte Nachwirkung eingreift, kann vorliegend dahinstehen, ob im Falle der bloßen Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung überhaupt ein Durchführungsanspruch besteht (offengelassen in BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/09 - Rn. 31).



b) Der Antrag des Betriebsrats, festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 5 über den 30. Juni 2015 und über den 30. September 2015 hinaus nachwirkt, hat keinen Erfolg. Der hilfsweise gestellte Antrag ist zur Entscheidung angefallen, weil der Betriebsrat mit dem Leistungsantrag auf Durchführung keinen Erfolg hat.



aa) Der Feststellungsantrag ist zulässig. Der Betriebsrat hat insbesondere das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Der Betriebsrat hat ein rechtliches Interesse daran, feststellen zu lassen, ob Betriebsvereinbarungen im Wege der Nachwirkung weitergelten (vgl. BAG 17. August 1999 - 3 ABR 55/98 - Rn. 30 ff.). Das Feststellungsinteresse entfällt auch nicht wegen des grundsätzlichen Vorrangs des Leistungsantrags. So war vorliegend nicht ausgeschlossen, dass der Durchführungsantrag Ziff. 1 mit der Begründung zurückgewiesen wird, dass im Nachwirkungszeitraum generell kein Durchführungsanspruch besteht. In diesem Fall hätte dennoch ein Interesse an der Feststellung bestanden, dass die Betriebsvereinbarung nachwirkt.



bb) Der Antrag auf Feststellung, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 5 nachwirkt, ist jedoch unbegründet. Im Ergebnis wirkt die Betriebsvereinbarung weder aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 77 Abs. 6 BetrVG noch aufgrund einer Vereinbarung nach.



III.



1. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.



2. Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gem. §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Dr. Pulz
Hehl
Kühnle

Verkündet am 20.07.2017

Vorschriften§ 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 77 Abs. 6 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, § 102 Abs. 6 BetrVG, § 87 Abs. 1 ArbGG, §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 1, 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 77 Abs. 5 BetrVG, § 4 Abs. 5 TVG, § 256 Abs. 1 ZPO, § 2 Abs. 2 GKG, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG

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