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28.11.2017 · IWW-Abrufnummer 197906

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 17.11.2016 – 7 Sa 967/13


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.11.2013 in Sachen12 Ca 9982/12 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 511,21 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten um die richtige Berechnung der Vergütung für einen dem Kläger im Sommer 2012 gewährten Erholungsurlaub nach Maßgabe des zum 01.01.2012 in Kraft getretenen Rahmentarifvertrages für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 28.06.2011.



Der am 1973 geborene Kläger steht seit dem 24.07.1995 bei der Beklagten in einem Vollzeitarbeitsverhältnis als Kraftwerksreiniger. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand im Jahre 2012 der seit dem 01.01.2012 in Kraft befindliche Rahmentarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 28.06.2011 (im Folgenden "RTV") Anwendung.



§ 15 RTV regelt u. a. Folgendes:

"2. Urlaubslohn 2.1 Während des Urlaubs erhält der/die Beschäftigte den durchschnittlichen Lohn der letzten zwölf Monate für seine/ihre aktuelle regelmäßige Arbeitszeit; unberücksichtigt bleiben dabei unverschuldete Fehltage, wie z. B. Krankheitstage außerhalb des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraumes, Kurzarbeitszeiten, usw. Bei der Berechnung des Lohnes bleiben außer Ansatz: Einmalvergütungen, Aufwendungsersatz, wie z. B. Gratifikationen, Fahrtkosten und Auslösung." § 3 RTV enthält zur Arbeitszeit folgende Bestimmungen: "1. Allgemeine Regelungen 1.1 Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 39 Stunden. Die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit, ausschließlich der Ruhepausen, beträgt 8 Stunden. ... 3. Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit 3.1 Mehrarbeit (Überstunden) ist die Arbeitszeit, die über die regelmäßige wöchentliche oder werktägliche Arbeitszeit gemäß Nr. 1 hinaus geleistet wird."



Der Kläger leistete im Zeitraum 2011/2012 ebenso wie die meisten anderen bei der Beklagten beschäftigten Kraftwerksreiniger nahezu jeden Monat Überstunden in unterschiedlichem Umfang.



Die Beklagte gewährte dem Kläger von Montag, dem 16.07.2012 bis Dienstag, dem 21.08.2012 einschließlich Erholungsurlaub. In den Zeitraum von Montag, dem 16.07.2012 bis Dienstag, dem 31.07.2012 fielen 12 Urlaubstage, in den August fielen 15 Urlaubstage. Die Beklagte rechnete für den in den Monat Juli 2012 fallenden Teil des Erholungsurlaubs 94 Arbeitsstunden ab, für den in den Monat August fallenden Teil 117 Stunden. Sie legte dabei die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden zugrunde. Dabei verteilte sie die tarifliche Wochenarbeitszeit gedanklich auf die Tage Montag bis Donnerstag zu je 8 Stunden und Freitag zu 7 Stunden. So erklärt sich die Berechnung für die 12 Urlaubstage im Monat Juli 2012 mit 2 x 39 Stunden plus 2 x 8 Stunden (Montag/Dienstag). Für die 15 Urlaubstage im August ergaben sich 3 x 39 Stunden = 117 Stunden.



Aus dem "durchschnittlichen Lohn der letzten 12 Monate" errechnete die Beklagte für die Urlaubsstunden im Monat Juli 2012 einen Stundenlohn von12,42 €, für die Urlaubsstunden im Monat August 2012 einen Stundenlohn von 12.33 €. Der allgemeine tarifliche Stundenlohn des Klägers betrug zu diesem Zeitpunkt 11,22 €. Vergütungsbestandteile, die der Kläger im Referenzzeitraum für von ihm geleistete Überstunden erhalten hatte, berücksichtigte sie dabei nicht.



Der Kläger hat die Auffassung vertreten, in die Durchschnittsberechnung zur Ermittlung des Urlaubslohnes habe auch die für Überstunden im Referenzzeitraum erzielte Vergütung mit einzufließen. Dies müsse schon deshalb gelten, weil die Überstunden regel- und planmäßig angefallen seien. Nach der Berechnung des Klägers hat die Beklagte ihm daher für die im Monat Juli 2012 angefallenen Urlaubstage 208,35 € brutto zu wenig gezahlt, für die Urlaubstage des Monats August weitere 302,86 € brutto. Unter der Voraussetzung, dass die im Referenzzeitraum angefallene Überstundenvergütung mit zu berücksichtigen ist, ist die Berechnung des Klägers rechnerisch unstreitig (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 17.11..2016).



Der Rechenweg des Klägers lautet dabei im Einzelnen wie folgt:



- Urlaubslohn für Juli 2012



Gesamtverdienst im Referenzzeitraum Juli 2011 bis Juni 2012 ohne Einmalzahlung (Urlaubsgeld), aber mit Überstundenvergütung:29.581,58 €.



Dies ergibt monatlich (: 12) 2.465,96 €, wöchentlich (: 4,32) 570,82 €,



und arbeitstäglich 114,16 €, wenn man eine 5-Tage-Woche zugrunde legt.



114,16 € geteilt durch die tarifliche Regelarbeitszeit von 7,8 Stunden ergibt einen Bruttourlaubsstundenlohn von 14,63 €.



Mit den 94 abgerechneten Urlaubsstunden multipliziert errechnet sich für Juli 2012 eine Gesamtsumme von1.375, 83 € und somit 208,35 € mehr, als die von der Beklagten abgerechneten 1.167,48 €.



- Urlaubslohn August 2012



Gesamtvergütung im Referenzzeitraum August 2011 bis Juli 2012 ohne Einmalzahlungen (Urlaubsgeld), aber mit Überstundenvergütung: 30.161,73 €.



Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst (: 12) beträgt demnach 2.513,47 €, der Wochenverdienst (: 4,32) 581,82 €, der Tagesverdienst bei Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche 116,36 €.



Teilt man den Tagesverdienst von 116,36 € durch die tarifliche Regelstundenzahl von 7,8 Stunden, ergibt sich ein Urlaubsstundenlohn für den Monat August in Höhe von 14,91 €.



Multipliziert mit 117 abgerechneten Urlaubsstunden hätte der Urlaubslohn insgesamt für August 2012 somit 1.745,47 € betragen müssen. Nach der Berechnung des Klägers ergibt sich somit abzüglich der von der Beklagten gezahlten 1.442,61 € für August 2012 ein Differenzbetrag in Höhe von 302,86 € brutto (zum Ganzen: Schriftsatz des Klägers vom 12.11.2013, Bl. 70 ff. d. A.).



Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 511,21 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, sie habe den Urlaubslohn für die im Juli und August 2012 gewährten Urlaubstage richtig berechnet. Überstundenvergütung sei dabei nicht zu berücksichtigen gewesen, weil nach der Systematik des Tarifvertrages (vgl. § 15 Ziffer 2.1 Satz 1 i.V.m. § 3 Ziffer 1.1 und Ziffer 3.1 RTV) der Urlaubslohn sich nur nach der Vergütung für die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Referenzzeitraum zu richten habe.



Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 14.11.2013 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 02.12.2013 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 11.12.2013 Berufung eingelegt und diese am 24.01.2014 begründet.



Der Kläger bekräftigt und vertieft seine Auffassung, dass die im Referenzzeitraum angefallene Überstundenvergütung in die Berechnung des Urlaubslohnes einzufließen habe. Es handele sich bei den Überstunden um regelmäßig anfallende und aufgrund vorheriger Schichteinteilung entsprechend planbare Arbeitszeit.



Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 14.11.2013, 12 Ca 9982/12, nach dem Schlussantrag des Klägers in erster Instanz zu entscheiden, nämlich:



Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 511,21 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Auch die Beklagte und Berufungsbeklagte wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Rechtsausführungen.



Sie tritt ferner der Behauptung des Klägers entgegen, dass er in der Zeit vom 16.07.2012 bis 21.08.2012 sogar insgesamt 3.561,02 € brutto verdient hätte, wenn er keinen Urlaub gehabt, sondern gearbeitet hätte. Sie räumt aber ein, dass der Kläger in diesem Zeitraum aufgrund der damaligen Beschäftigungssituation voraussichtlich an einem Samstag und einem Sonntag zusätzlich zum Einsatz gekommen und hierdurch einen zusätzlichen Verdienst in Höhe von 285,28 € brutto erzielt hätte.



Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Klägers sowie seiner weiteren Schriftsätze vom 08.04.2014, 03.08. und 20.08.2015 sowie 10.02. und 05.07.2016 sowie auf die Berufungserwiderungsschrift der Beklagten und deren weitere Schriftsätze vom 25.08.2015 und 29.03.2016 wird ergänzend Bezug genommen. Bezug genommen wird ferner auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vor dem Berufungsgericht vom 27.08.2015 und 17.11.2016.



Entscheidungsgründe



I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.11.2013 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchstabe a) ArbGG statthaft; denn sie ist in dem angegriffenen arbeitsgerichtlichen Urteil ausdrücklich zugelassen worden. Die Berufung wurde auch formell ordnungsgemäß und innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.



II. Die Berufung des Klägers musste nach Überzeugung des Berufungsgerichts auch Erfolg haben. Der Kläger kann von der Beklagten für die ihm gewährten 12 Urlaubstage im Monate Juli 2012 eine um 208,35 € brutto höhere Urlaubsvergütung verlangen, als von der Beklagten bezahlt wurde. Für die im Monat August 2012 genommenen 15 Urlaubstage kann der Kläger, wie von ihm eingeklagt, weitere 302,86 € brutto beanspruchen.



1. Bei der Frage nach der korrekten Urlaubsvergütung eines im Stundenlohn beschäftigen Arbeitnehmers, der unter den Geltungsbereich des seit dem 01.01.2012 in Kraft befindlichen Rahmentarifvertrags für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung fällt, ist zunächst zwischen dem Zeitfaktor und dem Geldfaktor zu unterscheiden:



a. Zunächst ist festzulegen, wieviel Arbeitsstunden pro gewährtem Urlaubstag zu vergüten sind. Dies versteht das Berufungsgericht unter dem Zeitfaktor. (Vgl. LAG Köln, 11 Sa 174/13, vom 09.10.2013, unter II.1). Der Zeitfaktor bemisst sich grundsätzlich nach dem Lohnausfallprinzip. Die Tarifvertragsparteien sind aber grundsätzlich frei, auch eine andere ihnen als angemessen erscheinende Berechnungsmethode festzulegen. So können sie anstatt einer Berechnung nach dem konkreten Lohnausfall auch auf einen vor der Urlaubsgewährung liegenden Referenzzeitraum abstellen (BAG vom 03.12.2002, 9 AZR 535/01, NZA 2003, 1219 ff.). Es steht den Tarifvertragsparteien auch frei, den Referenzzeitraum abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG etwa auf zwölf Kalendermonate auszudehnen (BAG a.a.O.). Sichergestellt sein muss durch die vorgeschriebene Berechnungsmethode lediglich, dass der Arbeitnehmer während des Urlaubs mindestens dasjenige Entgelt erhält, das er bei Fortführung der Arbeit ohne urlaubsbedingte Freistellung hätte erwarten können (BAG vom 21.09.2010, 9 AZR 510/09, NZA 2011, 805 ff.; BAG vom 15.12.2009, 9 AZR 887/08, AP Nr. 66 zu § 11 BUrlG).



b. Hinsichtlich der Bestimmung des so verstandenen Zeitfaktors besteht zwischen den Parteien des Rechtsstreits in Wirklichkeit kein Streit.



aa. Die Beklagte hat für die von ihr vom 16.07. bis 21.08.2012 gewährten Urlaubstage auf die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden (§ 3 Ziffer 1.1 RTV) abgestellt. Sie hat für exakt drei Arbeitswochen, die sie dem Kläger im Monat August 2012 Urlaub gewährt hat, 117 Arbeitsstunden angesetzt, also 3 x 39 Stunden. Für die 12 im Monat Juli 2012 gewährten Urlaubstage hat die Beklagte 94 Arbeitsstunden angesetzt. Auch dies entspricht der tariflichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden mit der Besonderheit, dass die Beklagte bei der Verteilung der 39-stündigen Wochenarbeitszeit auf die einzelnen Wochentage jeweils für Montag bis Donnerstag 8 Stunden und für Freitag 7 Stunden angesetzt hat (an sich 12 x 7,8 = 93,6).



bb. Der Wortlaut von § 15 Ziffer 2.1 Satz 1 RTV legt es nach Auffassung des Berufungsgerichts auch nahe, für den Zeitfaktor auf die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit abzustellen. § 15 Ziffer 2.1 Satz 1 erster Halbsatz zweiter Teil bestimmt nämlich, dass der Urlaubslohn "für seine/ihre aktuelle regelmäßige Arbeitszeit" zu zahlen ist. Es liegt nahe und entspricht dem systematischen Aufbau eines Regelwerks, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der "regelmäßigen Arbeitszeit" in § 15 Ziffer 2.1 Satz 1 genau so verstanden haben, wie sie ihn in § 3 Ziffer 1.1 Satz 1 definiert haben. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien unter dem Begriff der "regelmäßigen Arbeitszeit" in § 15 Ziffer 2.1 Satz 1 etwas anderes verstanden haben, als zuvor in § 3 Ziffer 1.1 Satz 1 definiert, sind nicht erkennbar.



cc. Die Hinzufügung des Adjektivs "aktuelle" hat an dieser Stelle für den vorliegenden Rechtsstreit keine den Streit entscheidende Bedeutung.



aaa. Nach der nachvollziehbaren Darstellung der Beklagten sollte das Adjektiv "aktuelle" dem Umstand Rechnung tragen, dass es gerade in der Gebäudereinigerbranche überdurchschnittlich häufig vorkommt, dass sich das arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeitvolumen im Laufe eines Arbeitsverhältnisses dem Umfang nach ändert. Mitarbeiter/-innen der Gebäudereinigerbranche wechseln häufiger von Teilzeitbeschäftigungen in Vollzeitbeschäftigungen und umgekehrt, und das Volumen im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung ändert sich ebenfalls häufiger als in anderen Branchen. Durch die Hinzufügung des Adjektivs "aktuelle" sollte somit lediglich sichergestellt werden, dass sich der Zeitfaktor beim Urlaubsentgelt stets nach dem Vertragsumfang richtet, der im Zeitpunkt der Urlaubsgewährung gegeben ist. bbb. Der Kläger war aber während der hier interessierenden Urlaubszeit im Juli/August 2012 ebenso wie während der gesamten vorangegangenen 12-monatigen Referenzeiträume stets vollzeitbeschäftigt.



dd. Der Kläger hat sich die Berechnung des Zeitfaktors durch die Beklagte bei der Ermittlung seiner Differenzforderung zu Eigen gemacht. Der Kläger hat die Anzahl der für den streitigen Anspruchszeitraum anzusetzenden Urlaubsstunden unverändert aus den Abrechnungen der Beklagten übernommen. Auch der Kläger setzt für den Teilurlaub im Monat Juli 2012 94 Stunden an und für den Urlaub im August 2012 117 Stunden.



ee. Es kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits somit auch dahingestellt bleiben, ob für die Urlaubsvergütung eines Vollzeitmitarbeiters auch dann auf die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 3 Ziffer 1.1 Satz 1 RTV abzustellen wäre, wenn die Arbeitsvertragsparteien arbeitsvertraglich wirksam eine von § 3 Ziffer 1.1 RTV abweichende Arbeitszeit vereinbart hätten.



So hat der Kläger - von der Beklagten teilweise bestätigt - angegeben, dass die Parteien die arbeitsvertragliche wöchentliche Arbeitszeit mit 40 Stunden vereinbart hätten. Hierauf muss jedoch nicht näher eingegangen werden; denn auch der Kläger hat, wie bereits ausgeführt, der Berechnung seiner Klageforderung den Zeitfaktor der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden, der Stundenberechnung der Beklagten folgend, zugrunde gelegt.



2. Der zweite die Höhe der Urlaubsvergütung bestimmende Faktor ist der sogenannte Geldfaktor. Der Geldfaktor bestimmt bei einem im Stundenlohn beschäftigten Mitarbeiter, welcher Geldwert den nach dem Zeitfaktor abzurechnenden Urlaubsstunden beizumessen ist. Das Berufungsgericht hält die Auffassung des Klägers für richtig, dass nach den tarifvertraglichen Vorgaben bei der Berechnung des Geldfaktors auch diejenige Vergütung zu berücksichtigten ist, die der Kläger im Referenzzeitraum für Überstunden erhalten hat.



a. Die Berechnung des Geldfaktors wird in § 15 Ziffer 2.1 Satz 1 RTV im Grundsatz wie folgt bestimmt:



b. Die in § 15 Ziffer 2.1 Satz 1 erster Halbsatz abschließenden Worte "für seine/ihre aktuelle regelmäßige Arbeitszeit" bestimmen dagegen nur, wie bereits ausgeführt, den für die Berechnung der Urlaubsvergütung maßgeblichen Zeitfaktor, also die Anzahl der der Abrechnung zugrunde zu legenden Urlaubsstunden. Sie gehören dagegen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mehr zur Definition des voranstehenden Geldfaktors. Zwar wären vom Wortlaut der Tarifvorschrift beide Lesarten möglich. Bezieht man aber die Formulierung "für seine/ihre aktuelle regelmäßige Arbeitszeit" auf den Geldfaktor, macht die Einfügung des Adjektivs "aktuelle" gerade in der Bedeutung, die die Beklagte ihr zumisst, keinen Sinn. Der Tarifvertrag bemisst den Geldfaktor nach einem in der Vergangenheit liegenden Referenzzeitraum. Ein Durchschnittslohn des Referenzzeitraums kann sich dann sinnvollerweise immer nur an den damaligen jeweils gültigen Verhältnissen orientieren, wie sie im Referenzzeitraum gegeben waren, nicht aber nach der "aktuellen" also im Urlaubszeitraum gegebenen Sachlage richten.



c. Es ist nicht erkennbar, warum zu einem 'Durchschnittslohn' eines vergangenen Zeitraumes nicht auch die in diesem Zeitraum bezogenen Überstundenvergütungen gehören sollen, es sei denn, diese würden, wie z.B. in § 11 Abs.1 S.1, letzter Halbsatz BUrlG geschehen, ausdrücklich ausgenommen.



aa. Welche Vergütungsbestandteile bzw. Geldleistungen bei der Berechnung des Durchschnittslohns unberücksichtigt bleiben sollen, haben die Tarifvertragsparteien in § 15 Ziffer 2.1 Satz 2 niedergelegt ("Bei der Berechnung des Lohnes bleiben außer Ansatz: ..."). Bei der dortigen Aufzählung von Lohnbestandteilen, die außer Ansatz zu bleiben haben, wird die Überstundenvergütung gerade nicht erwähnt. Sie lässt sich auch keinem der dort angegebenen Begriffe ("Einmalvergütungen, Aufwendungsersatz, wie z. B. Gratifikationen, Fahrtkosten und Auslösung") zuordnen. Dass die Tarifvertragsparteien ausdrücklich einen Katalog von Ausnahmen aufgestellt haben, die bei der Berechnung des Durchschnittslohns für die Urlaubsvergütung außer Ansatz bleiben sollen, dabei die Überstundenvergütung aber gerade nicht erwähnt haben, spricht gewichtig dafür, dass es nach ihrem Willen bei der Berechnung des Urlaubslohnes bei dem allgemeinen Grundsatz bleiben soll, dass zu einem Durchschnittslohn auch Überstundenvergütungen gehören.



bb. Dies gilt zur Überzeugung des Berufungsgerichts umso mehr, als die Tarifvertragsparteien eine eigenständige, auch von § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG abweichende Regelung des Urlaubslohns vorgenommen haben. In § 11 Abs.1 Satz 1 BurlG ist ausdrücklich aufgeführt, dass zu dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, nach dem sich das Urlaubsentgelt zu bemessen hat, der "zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsverdienst" nicht zählt. Eine entsprechende gesetzliche Regelung findet sich in § 4 Abs. 1 a) Satz 1 EFZG. Es muss unterstellt werden, dass den Tarifvertragsparteien der Regelungsinhalt von § 11 Abs.1 S.1, letzter Halbsatz BUrlG vor Augen gestanden hat und sie hiervon bewusst abweichen wollten.



d. Daraus folgt nach Auffassung des Berufungsgerichts, dass entgegen der Vorgehensweise der Beklagten bei der Berechnung des Geldwertes der abzurechnenden Urlaubsstunden die im Referenzzeitraum angefallene Urlaubsvergütung nicht herausgerechnet werden darf. Geschieht dies nicht, so erweist sich die Berechnung der Klageforderung als rechnerisch zutreffend, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausdrücklich eingeräumt hat.



3. Die Berechnung der Beklagten kann aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil sie schon auf der Grundlage ihres eigenen Sachvortrags gegen den allgemeinen urlaubsrechtlichen Grundsatz verstößt, dass während der Urlaubszeit mindestens das Entgelt sichergestellt sein muss, das der Arbeitnehmer bei Fortführung der Arbeit ohne urlaubsbedingte Freistellung normalerweise verdient hätte (BAG vom 15.12.2009, 9 AZR 887/08, AP Nr. 66 zu § 11 BUrlG; BAG vom 21.09.2010, 9 AZR 510/09, NZA 2011, 805 ff.).



Auf die entsprechende Auflage des Berufungsgerichts hin hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 25.08.2015 selbst eingeräumt, dass der Kläger nach der damaligen Beschäftigungssituation im Urlaubszeitraum 16.07. bis 21.08.2012 mutmaßlich zu einem Samstags- und einem Sonntagsdienst herangezogen worden wäre und somit einen zusätzlichen Verdienst in Höhe von 285,28 € brutto erzielt hätte. Zumindest dies hätte die Beklagte bei der Berechnung des Urlaubslohns für den streitigen Zeitraum zwingend berücksichtigen müssen. Nach der Behauptung des Klägers wäre der zu erwartende tatsächliche Mehrverdienst im Urlaubszeitraum sogar noch höher ausgefallen.



III. Die Kosten des Rechtsstreits fallen gemäß § 91 ZPO der Beklagten zur Last.



Nach Auffassung des Berufungsgerichts war vorliegend gemäß § 72Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision für die Beklagte zuzulassen.

Vorschriften§ 15 RTV, § 3 Ziffer 1.1 und Ziffer 3.1 RTV, § 64 Abs. 2 Buchstabe a) ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, § 3 Ziffer 1.1 RTV, § 15 Ziffer 2.1 Satz 1 RTV, § 3 Ziffer 1.1 Satz 1 RTV, § 11 Abs.1 S.1, letzter Halbsatz BUrlG, § 4 Abs. 1 a) Satz 1 EFZG, § 91 ZPO, § 72Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

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