11.12.2017 · IWW-Abrufnummer 198258
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 22.05.2017 – 3 Sa 496/16
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 29.09.2016, Az.: 3 Ca 943/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob sich die Klägerin mit Erfolg gegen die Zwangsvollstreckung aus einem vor dem Arbeitsgericht Mainz abgeschlossenen Vergleich wenden kann.
Die Parteien haben in zwei Vorprozessen um den Bestand des Arbeitsverhältnisses, um Vergütungsansprüche des Beklagten gegenüber der Klägerin sowie mehrere von der Klägerin dem Beklagten erteilte Abmahnungen gestritten.
Am 12.05.2016 haben die Parteien im Arbeitsrechtsstreit 3 Ca 2121/15 vor dem Arbeitsgericht Mainz folgenden Vergleich abgeschlossen:
Der zunächst widerruflich geschlossene Vergleich wurde mit Ablauf des 19.05.2016 bestandskräftig. Am 31.05.2016 kündigte der Beklagte - der Kläger der Ausgangsverfahren - das Arbeitsverhältnis seinerseits fristlos. Das Kündigungsschreiben, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 9 d. A. Bezug genommen wird, hat u. a. folgenden Wortlaut:
Der Beklagte hat die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich wegen der zu Ziffer 6 dort vereinbarten Abfindung eingeleitet und bei der X-bank am 22.06.2016 ein vorläufiges Zahlungsverbot erwirkt (Bl. 26 d. A.).
Die Klägerin hat vorgetragen,
der Vergleich sei im Gesamtzusammenhang zu sehen. Das Arbeitsverhältnis sei durch die arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.06.2016 beendet worden. Die Vereinbarung einer Abfindung in Ziffer 6 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleichs stehe in unmittelbarem Zusammenhang zu der Beendigung durch arbeitgeberseitige Kündigung nach Ziffer 1. Die Einigung im Vergleich habe der Einsicht entsprochen, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden sei. Die Formulierung "für den Verlust des Arbeitsplatzes...." habe den Zusammenhang der zwischen der Abfindungsvereinbarung und der Kündigung der Arbeitgeberin hergestellt.
Der Beklagte habe sodann die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht und schließlich auch ausgesprochen. Dabei habe er sich auf eigene Kündigungsgründe, seien sie gerechtfertigt oder nicht, berufen. Diese Kündigung habe somit nicht in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang mit dem abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich bestanden. Zu der fristlosen Kündigung des Beklagten habe die Klägerin keinerlei Anlass gegeben. Die Klägerin habe vielmehr die nach Ziffer 2 des Vergleichs abzurechnenden und an den Beklagten zu zahlenden Beträge nicht unmittelbar auszahlen können, weil sie verpflichtet gewesen sei, den Forderungsübergang an die Bundesagentur für Arbeit zu berücksichtigen. Der Beklagte habe sich über den Bezug von ALG I, insbesondere nach Höhe und Dauer, nicht geäußert. Die Anfrage bei der Bundesagentur für Arbeit sei durch diese unter dem Datum des 23.05.2016, bei dem Vertreter der Klägerin am 30.05.2016 eingegangen, beantwortet worden. Die Datev-Abrechnung sei unmittelbar eingeleitet worden. Die Nettozahlungen seien durch Überweisung am 01.06.2016 erfolgt. Diese seien auch der Höhe nach offenbar zutreffend, da der Beklagte die eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen allein auf die Abfindung konzentriere.
Die Klägerin hat beantragt:
Der Beklagte hat beantragt,
Der Beklagte hat vorgetragen, der in Ziffer 6 des Vergleichs vom 12.05.2016 vereinbarte Abfindungsanspruch sei nicht durch seine fristlose Eigenkündigung entfallen. Die Klägerin verhalte sich treuwidrig, da sie den Beklagten zu der von ihm ausgesprochenen Kündigung letztlich gezwungen habe.
Nach Ablauf der Widerrufsfrist habe der Beklagtenvertreter eine Zahlungs- und Abrechnungsforderung zum 27.05.2016 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt. Jedenfalls die Abrechnung und Auszahlung der eindeutigen weder auf das Arbeitsamt noch auf die Krankenkasse übergegangenen Gehälter des Beklagten für November und Dezember 2015 sei der Klägerin innerhalb der Frist von 7 Tagen ohne weiteres möglich gewesen. Die Klägerin habe lediglich durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Mail vom 25.05.2016 mitteilen lassen, sie könne derzeit noch nicht abrechnen und auszahlen, unter anderem deshalb, weil die Abrechnung "durch ein zentrales Rechenzentrum" vorgenommen werde. Auf die Erinnerung vom 25.05.2016 hätten weder die Klägerin noch ihr Prozessbevollmächtigter reagiert. Nachdem der Beklagte inzwischen von seinem Arzt keine weitere Krankschreibung mehr habe erhalten können, er andererseits aber aufgrund des Wortlauts von Ziffer 5 des Vergleichs nicht habe damit rechnen können, von der Klägerin für Juni 2016 wieder Gehalt zu erhalten - jedenfalls nicht ohne Rechtsstreit - habe er sich gezwungen gesehen, sein Arbeitsverhältnis am 31.05.2016 fristlos zu kündigen.
Im Übrigen sei sein Abrechnungsanspruch nicht erfüllt, da die Klägerin nur Probeabrechnungen vorgelegt habe.
Die Klägerin hat im Verlauf des erstinstanzlichen Rechtszugs die als "Probeabrechnung" erteilten Abrechnungen nochmals ohne den Zusatz "Probe-" vorgelegt.
Das Arbeitsgericht Mainz hat daraufhin durch Urteil vom 29.09.2016 die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vor dem Arbeitsgericht vom 12.05.2016 - 3 Ca 2121/15 - für unzulässig erklärt, den Beklagten verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs vom 12.05.2016 - 3 Ca 2121/15 - an die Klägerin herauszugeben und die Zwangsvollstreckung aus diesem Vergleich vorläufig bis zur Rechtskraft des Urteils eingestellt. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 104 - 113 d. A. Bezug genommen.
Gegen das ihm am 07.11.2016 zugestellte Urteil hat der Beklagte durch am 29.11.2016 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 08.02.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 03.01.2017 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 09.02.2017 einschließlich verlängert worden war.
Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, vorliegend sei er aus allein von der Klägerin zu vertretenden Gründen gezwungen gewesen, eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund zu erklären. Das folge bereits aus den im erstinstanzlichen Rechtszug ausführlich dargelegten Einzelumständen. Nachdem er - der Beklagte - keine weitere Krankschreibung mehr habe erhalten können, er aber wegen der Formulierung in Ziffer 5 des Vergleichs habe davon ausgehen müssen, dass er für den Monat Juni 2016 kein Gehalt seitens der Klägerin erhalten werde, sei er gezwungen gewesen, sein Arbeitsverhältnis zum 31.05.2016 fristlos zu kündigen. Die Klägerin habe keinerlei Zahlungen auf die seit November 2015 aufgelaufenen Gehaltsrückstände geleistet. Auch habe sie weder Zahlungen angekündigt noch abgerechnet. Hinzu komme, dass die Klägerin dem Beklagten über den Zeitraum von 7 Monaten auch den vertraglich zugesagten Dienstwagen vorenthalten habe. Folglich habe der Beklagte nicht mehr auf die Vertragstreue der Klägerin vertrauen und nicht mehr daran glauben dürfen, diese werde ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich doch noch erfüllen. Verstärkt sei das treuwidrige Verhalten der Klägerin auch dadurch zum Ausdruck gekommen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Rücksendung der Empfangsbescheinigung, mit der die für die Zwangsvollstreckung erforderliche Zustellung habe nachgewiesen werden sollen, verzögert und damit auch die Zwangsvollstreckung verhindert habe. Vorliegend habe sich nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber vor und nach Abschluss des Prozessvergleichs treuwidrig verhalten. Es könne nicht sein, dass der Arbeitgeber für sein treuwidriges Verhalten mit Einsparung der Abfindung auch noch belohnt werde. Dies sei auch mit dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB unvereinbar. Wesentliche Veränderungen der Verhältnisse begründeten dann kein Recht auf Anpassung des Vertrages im Wege der Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirkliche, das eine Partei zu tragen habe. Die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers wegen gravierenden Fehlverhaltens des Arbeitgebers falle aber allein in die Risikosphäre des Arbeitgebers. Ihm müsse daher vorliegend die Zahlung der Abfindung trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor der in einem Vergleich vereinbarten Zeit zugemutet werden.
Zur weiteren Darstellung des Vorbingens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 08.02.2017 (Bl. 148 - 156 d. A.) Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
Die Klägerin beantragt,
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, der Beklagte habe im Zusammenhang mit dem Vergleichsabschluss erklärt, dass er voraussichtlich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt sei. Die Klägerin habe insoweit zum Ausdruck gebracht, dass, wenn er Vergütung erhalte, auch eine dementsprechende Arbeitsleistung im Innendienst - ohne Kundenkontakt - erbringen solle. Dies sei der Hintergrund der Erklärung in Ziffer 5 des Vergleichs. Der Beklagte habe erklärt, er sei auch nach Ablauf der letzten, der Klägerin zugegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich 11.05.2016, einen Tag vor dem Kammertermin erster Instanz im Ursprungsverfahren, weiterhin arbeitsunfähig und voraussichtlich auch bis zum Ende der Kündigungsfrist. Eine Freistellung sei nicht gewünscht und vereinbart worden. Weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe der Beklagte nach dieser Erklärung nicht mehr bei der Klägerin eingereicht.
Hinsichtlich der in Ziffer 2 des Vergleichs geregelten Arbeitsvergütung habe der Beklagte sich zu keiner Zeit dahingehend erklärt, in welchem Umfang er Leistungen der Bundesagentur für Arbeit oder der Krankenkasse bezogen habe. Unstrittig sei nur gewesen, dass er solche Leistungen erhalten habe. Nicht einmal nach Abschluss des Vergleichs sei eine dahingehende Auskunftserteilung des Beklagten erfolgt. Folglich sei die Klägerin zur Vermeidung von Nachteilen gezwungen gewesen, entsprechende Auskünfte bei der Bundesagentur für Arbeit und der zuständigen Krankenkasse einzuholen, um ordnungsgemäß abrechnen zu können. Nach Eingang der Antworten sei unverzüglich die entsprechende Abrechnung und auch die Auskehrung der sich daraus ergebenden Nettovergütungen erfolgt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich nicht nachkommen würde, seien nicht ersichtlich gewesen.
Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 14.03.2017 (Bl. 166 - 170 d. A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 22.05.2017.
Entscheidungsgründe
I.
Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die für Unzulässig-Erklärung der Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vor dem Arbeitsgericht Mainz vom 12.05.2016 - 3 Ca 2121/15 - sowie die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung dieses Vergleichs verlangen kann.
Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Prozessvergleich vorliegend unzulässig ist. Die durch den Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung und die durch deren Hinnahme durch die Klägerin bewirkte vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für die im Vergleich vereinbarte Abfindungszahlung geführt. Ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Zahlung der Abfindung besteht daher nicht mehr.
Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt.
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer voll inhaltlich an und nimmt darauf gem. § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich Bezug.
Das Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die ein abweichendes Ergebnis rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich - wenn auch aus der Sicht des Beklagten heraus verständlich - deutlich, dass der Beklagte mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, dem die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für das Eingreifen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage allein aus der Sphäre der Klägerin stammen, so dass einem Wegfall des Anspruchs auf Zahlung einer Abfindung keineswegs der allgemeine Rechtsgedanke des § 162 Abs. 1 BGB entgegen steht.
Entgegen der Auffassung des Beklagten war seine außerordentliche Kündigung zum 31.05.2016 rechtsunwirksam. Zwar hat die Klägerin aus nachvollziehbaren Gründen davon Abstand genommen, auf Feststellung zu klagen, dass die außerordentliche Kündigung des Beklagten unwirksam ist (vgl. BAG 20.03.1986 EzA § 256 ZPO Nr. 25). Damit ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Ablauf des 31.05.2016 beendet worden. Das ändert aber nichts daran, dass im Rahmen der Anwendung des § 313 BGB, die vorliegend deshalb geboten ist, weil nicht die Klägerin, sondern der Beklagte aus nach seiner Darstellung gegebenen Gründen im Verhalten der Klägerin das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des im gerichtlichen Vergleichs vereinbarten Zeitraums fristlos beendet hat, anzunehmen ist, dass ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben war. Für die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers gelten die gleichen Maßstäbe und Grundsätze, wie für die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers (BAG 12.03.2009 EzA § 242 BGB 2002 Kündigung Nr. 8). Die Kündigung muss also schriftlich erfolgen, ihr muss ein wichtiger Grund zu Grunde liegen, ihr hat in der Regel eine Abmahnung vorauszugehen, die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist anzuwenden und es hat eine umfassende Interessenabwägung stattzufinden. Für den wichtigen Grund ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 12.03.2009 a.a.O.). Zwar kann der Arbeitnehmer nach erfolgloser Abmahnung wegen Nichtzahlung des Entgelts fristlos kündigen, wenn der Arbeitgeber entweder zeitlich oder dem Betrag nach erheblich in Verzug kommt (BAG 17.01.2002 EzA § 626 BGB Nr. 20; 26.07.2007 EzA § 628 BGB 2002 Nr. 6). Auch verhältnismäßig geringe Lohnrückstände können dann einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 BGB darstellen, wenn der Arbeitgeber den Lohn willkürlich oder ohne nachvollziehbare Begründung verweigert (BAG 26.07.2001 EzA § 628 BGB Nr. 19). Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber offensichtlich nicht gegeben. Zwar ist der von der Klägerin in Vollzug des gerichtlichen Vergleichs geschuldete Betrag dem Betrag nach erheblich; die Klägerin ist aber bereits nicht in Verzug gekommen (§§ 284 ff. BGB), weil die aus der Sicht des Beklagten verspätete Abrechnung und Entgeltzahlung aufgrund fehlender Mitwirkung des Beklagten sich verzögert hat, was nach dem substantiiertem Vorbringen der Klägerin in beiden Rechtszügen, das der Kläger nicht substantiiert bestritten hat, als unstreitig anzusehen ist. Auch unabhängig davon ist der Zeitraum zwischen dem 19.05.2016, also der Rechtskraft des Vergleichs und dem 31.05.2016, dem Ausspruch der außerordentlichen Arbeitnehmerkündigung im Hinblick auf die erforderlichen Abrechnungen noch nicht als erheblich anzusehen. Nach dem Vorbringen des Beklagten liegt es vielmehr nahe, davon auszugehen, dass der tatsächliche Grund für die fristlose Eigenkündigung der Umstand gewesen ist, dass der Beklagte entgegen seiner Annahme vor Vergleichsschluss nicht durchgängig bis zum 30.06.2016 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erlangen konnte. Beide Parteien sind ausweislich des Vergleichstextes davon ausgegangen, dass der Beklagte durchgängig arbeitsunfähig bleiben würde. Damit haben sie keine Regelung für den sodann eingetretenen gegenteiligen Fall getroffen. Damit bestand aber auch für den Beklagten Veranlassung, nach überraschender Genesung bzw. Nicht-Erlangung weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eine Abrede mit der Klägerin zu treffen, inwieweit das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2016 vollzogen werden sollte. Eine ausdrückliche Arbeitspflicht haben die Parteien für diesen Fall ersichtlich nicht vereinbart; allerdings auch keine entsprechende Entgeltzahlungspflicht. Wenn der Beklagte aber aufgrund der tatsächlichen Entwicklung und der geführten Rechtsstreitigkeiten keine Arbeitsleistung mehr für die Klägerin erbringen wollte, war er nach dem vereinbarten Vergleich dazu weder verpflichtet, noch gezwungen. Es blieb ihm also unbenommen, einer anderweitigen Arbeitstätigkeit gegen entsprechende Entgeltzahlung nachzugehen. Inwieweit dem das gesetzliche Wettbewerbs-, Konkurrenzverbot während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (§ 60 HGB unmittelbar oder analog) entgegen stand, lässt sich nach dem Akteninhalt nicht beurteilen. Die insoweit maßgeblichen Umstände - keine Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit - liegen aber alleine in der Sphäre des Beklagten und sind nicht von der Klägerin zu vertreten. Soweit der Beklagte ergänzend darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin ihm über den Zeitraum von 7 Monaten auch den vertraglich zugesagten Dienstwagen vorenthalten habe, kommt diesem Umstand im hier maßgeblichen Zusammenhang keine Bedeutung zu. Denn die Parteien haben sich in Ziffer 3 des Vergleichs darauf verständigt, dass Einigkeit besteht, dass dem dortigen - Kläger für den Entzug des Dienstwagens eine Kompensation nicht zustehen soll. Damit ist ein Zusammenhang zu den hier maßgeblichen Umständen ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers wegen gravierenden Fehlverhaltens des Arbeitgebers vorliegt, die allein in die Risikosphäre des Arbeitgebers fällt. Demzufolge muss der Klägerin die Zahlung der Abfindung trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor der im Vergleich vereinbarten Zeit nicht zugemutet werden.
Nach alledem war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.