23.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199007
Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 22.04.2015 – 4 Sa 87/14
In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
hat das Thüringer Landesarbeitsgericht auf die mündliche Verhandlung vom 22.04.2015 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Tautphäus als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Randhage und Reinz als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 28.02.2014 - Az.:3 Ca 1587/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers aus dem Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in der Metall- und Elektroindustrie (TVBZME) vom 22.05.2012, der auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung findet.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.11.2012 als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (IDZ) und dem DGB sowie der Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall- und Elektroindustrie (TVBZME) zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP) sowie dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (IDZ) einerseits und der Industriegewerkschaft Metall andererseits Anwendung.
Der Kläger wird von der Beklagten bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses als Leiharbeitnehmer bei der Fa. B A L GmbH (BLG) in B eingesetzt. Dort erhalten vergleichbare Arbeitnehmer einen Bruttostundenlohn in Höhe von 10,14 €. Die BLG ist ein Logistikdienstleister. Die BLG betreibt am Standort B in ihrem dortigen Logistikzentrum ausschließlich die Abwicklung von Ein- und Auslagerungsvorgängen im Lager, Leerguthandling und die Abwicklung der Produktionsversorgung für die A L B GmbH deren Betrieb sich in ca. einem Kilometer Entfernung vom Betrieb der BLG befindet. Im Betrieb der BLG kommt der mit der IG-Metall abgeschlossene Tarifvertrag über Entgelte vom 23.02.2012 zur Anwendung.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünden Branchenzuschläge nach dem TVBZME für die Monate Mai 2013 bis September 2013 in Höhe von insgesamt 1.118,53 € brutto zu.
Der Tarifvertrag sei anwendbar, da er in einem Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie eingesetzt sei. Hierunter falle nach § 1 Ziff. 2 TVBZME die Automobilindustrie und der Fahrzeugbau "sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetriebe und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe artverwandter Industrien". Die BLG sei ein Teil der Fa. A L B GmbH, da diese ohne Lager nicht produzieren könne. Zumindest handele es sich um einen Dienstleistungsbetrieb für die Automobilindustrie und den Fahrzeugbau. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Tarifvertrag sei auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar, da es sich bei der BLG um einen reinen Logistikdienstleister handele. § 1 TVBZME sei nur anwendbar, wenn es sich bei dem Dienstleisterbetrieb um einen Hilfs- oder Nebenbetrieb eines unter den Anwendungsbereich des Tarifvertrages fallenden Betriebes handele. Voraussetzung sei, dass Haupt- und Nebenbetriebe denselben Inhaber hätten und zum selben Unternehmen gehörten. Da dies nicht der Fall sei, sei der TVBZME nicht anwendbar. Im Übrigen sei das vergleichbare Entgelt eines Leiharbeitnehmers gem. § 2 Abs. 4 TVBZME auf 90% des Lohns eines Stammmitarbeiters beschränkt und betrage somit lediglich 9,13 € brutto.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien im Übrigen, der vom Arbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der gestellten Anträge und wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 157 f d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 28.02.2014 abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 14.03.2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit einem am 04.04.2014 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese nach - rechtzeitig beantragter - Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.06.2014 mit einem am 10.06.2014 beim Berufungsgericht eingegangen Schriftsatz begründet.
Hierin macht der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend, für die Anwendbarkeit des TVBZME genüge es, dass der Entleiherbetrieb Dienstleistungen für einen der erwähnten Wirtschaftszweige, d. h. vorliegend die Automobilindustrie und des Fahrzeugbaus erbringe. Nach dem Internetauftritt der BLG werde für den Standort B ausgeführt, dass diese an dem Standort für eine zu den Marktführern gehörenden Automobilindustrie gehörenden Herstellers von externer Fahrzeugbeleuchtung tätig sei. Hieraus ergebe sich, dass der Branchentarifvertrag anzuwenden sei. Zudem kämen bei der BLG A L GmbH und Co. KG die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie zur Anwendung. Wegen des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz im Einzelnen wird auf den Inhalt des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 05.06.2014 (Bl.179-181 d. A.) ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl Az.: 3 Ca 1587/13 vom 28.02.2014 wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.118,53 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 485,56 € seit dem 11.08.2013, aus 454,88 € seit dem 29.10.2013 und aus 178,09 € seit dem 07.11.2013 zu zahlen.
3. Die Kosten werden der Beklagten auferlegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend. Sie vertritt die Auffassung, da die Begriffe "Reparatur-, Zubehör-, Montage- und Dienstleistungsbetriebe" lediglich Beispielsfälle für die Oberbegriffe ""Hilfs- und Nebenbetriebe" darstellten, müsste die BLG, um unter die tarifliche Regelung zu fallen, auch die von der Rechtssprechung entwickelten Voraussetzungen eines Hilfs- oder Nebenbetriebs erfüllen, was nicht der Fall sei. Ein Nebenbetrieb setze die Identität des Inhabers mit dem Hauptbetrieb voraus, die vorliegend nicht gegeben sei. Vielmehr erfülle die BLG als eigenständiges Logistikunternehmen auch einen selbständigen Betriebszweck, habe eigene Arbeitnehmer und setze eigene Betriebsmittel ein. Zwar sei bei der BLG A GmbH & Co. KG nach Verhandlungen mit der IG-Metall ein Haustarif abgeschlossen worden, dieser lehne sich aber nur an die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie an. Die Entgelte im Kundenbetrieb BLG lägen ca. 15% unterhalb des Entgeltniveaus des Flächentarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie. Der Branchenzuschlag nach dem TVBZME solle den besonderen Gegebenheiten einer Tätigkeit in der Metall- und Elektroindustrie Rechnung tragen, diese wichen jedoch von den Gegebenheiten in einem Logistikunternehmen ab. Im Übrigen sei der Branchenzuschlag bzw. der Gesamtstundenlohn des Leiharbeitnehmers faktisch auf einen Betrag in Höhe von 90% des Lohns eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers beschränkt. Vorliegend ergebe sich aus dem Wortlaut und dem Sinn von § 2 Abs. 4 S. 2 TVBZME, das die Tarifvertragsparteien generell den Gegenwert einer durchschnittlichen Leitungszulage der Branche in den Vergleichsstundenlohn einrechneten. Sie hätten nämlich nicht auf eine konkrete Leistungszulage des vergleichbaren Arbeitnehmers im Kundenbetrieb abgestellt, sondern auf eine "durchschnittliche Leistungszulage der Branche". Das Äquivalent einer solchen branchenüblichen Leistungszulage habe bei der Festlegung des Vergleichsentgelts im Kundenbetrieb unberücksichtigt bleiben sollen, so dass es nicht darauf ankomme, ob der Kundenbetrieb im konkreten Fall tatsächlich eine Leistungszulage gezahlt werde, die sich in dem Vergleichsstundenlohn widerspiegle. Der Kläger sei bei der Entleiherin als Staplerfahrer tätig. Die bei der BLG beschäftigten Staplerfahrer erhielten im streitgegenständlichen Zeitraum einen Stundenlohn in Höhe von 10,14 € brutto, so dass sich eine Deckelung bei 9,13 € brutto ergebe. Im Übrigen ergebe sich aus der tabellarischen Auflistung des Klägers keinesfalls eine nach Monaten gestaffelte Nachforderung, die im Übrigen nicht schlüssig vorgetragen worden sei. Wegen des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz im Einzelnen wird auf den Inhalt des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 04.07.2014 nebst Anlage (Bl. 200 - 214 d. A.) sowie ihres Schriftsatzes vom 12.02.2015 (Bl. 222 - 225 d. A.) ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner die Klage abweisenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, beim Einsatzbetrieb des Klägers handele es sich unstreitig um einen Logistikdienstleister für einen Betrieb der Automobilindustrie und des Fahrzeugbaus. Dieser damit nicht einer der im § 1 Nr. 2 TVBZME aufgeführten Branchen an. Der fachliche Geltungsbereich des Tarifvertrages stelle allein auf den Einsatzbetrieb ab, in dem es auf den "Kundenbetrieb" verweise. Nicht abgestellt werde dagegen auf das Unternehmen unter dem Konzern, Damit komme es nicht auf die Branchenzugehörigkeit der A L B GmbH an. Bei der BLG handele es sich auch nicht um einen zu den genannten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieb oder eine Zweigniederlassung oder eine betriebartverwandte Industrie, für die der Tarifvertrag anwendbar wäre. Voraussetzung eines Hilfs- und Nebenbetriebs sei, dass dieser von demselben Inhaber geführt würde. Hier würden Produktion und Logistik aber von zwei rechtlich selbständigen Gesellschaftern geführt. Angesichts dessen sei nicht davon auszugehen, dass beide Gesellschaften von demselben Unternehmen bzw. von derselben GmbH geleitet würden, so dass es am erforderlichen Zusammenhang und der faktischen Verflechtung für Haupt- und Nebenbetrieb fehle.
Dieser Auffassung des Arbeitsgerichts schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Branchenzuschlägen nach dem TVBZME in Höhe der Klageforderung.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die BLG A L GmbH als Entleiherbetrieb nicht dem fachlichen Geltungsbereichs des § 1 Ziff. 2 TVBZME unterfällt. Nach § 1 Ziff. 2 des Tarifvertrags des TVBZME gilt der Tarifvertrag fachlich für die tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister e. V. (BAP) und des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (IDZ), die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Beschäftigte in einem Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie einsetzen, wobei die Betriebe, soweit sie nicht dem Handwerk zuzuordnen sind, der dort aufgeführten Wirtschaftszweige der NE-Metallgewinnung und -verarbeitung, Scheideanstalten, Gießereien, Ziehereien, Walzwerke und Stahlverformung, Schlossereien, Schweißereien, Schleifereien, Schmieden, Stahl-, Leichtmetallbau und Metallkonstruktion, Automobilindustrie und Fahrzeugbau, Luft- und Raumfahrtindustrie, Schiffbau, Elektrotechnik, Elektro- und Elektrotechnikindustrie, Hardwareproduktion, Feinmechanik und Optik, Uhren-Industrie, Eisen- Blech und Metallwaren, Musikinstrumente, Spiel- und Sportgeräte sowie die zu diesen Wirtschaftszweigengehörenden Reparatur-. Zubehör-, Montage-. Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetriebe und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe artverwandter Industrien als Kundenbetriebe der Metall- und Elektroindustrie gelten. Die BGL Logistik unterhält einen Logistikbetrieb, der nicht zu den in § 1 Ziff. 2 aufgeführten Wirtschaftszweigen gehört. Unerheblich ist insoweit, dass die BGL Logistik ihrerseits mit der IG-Metall einen Tarifvertrag geschlossen hat, weil der tariflich fachliche Geltungsbereich auf dem Wirtschaftszweig des Kundenbetriebs abstellt und nicht auf einen dort zur Anwendung kommenden Tarifvertrag (ebenso LAG Hamm - Urteil vom 06.08.2014 - 3 Sa 202/14).
Der Entleiherbetrieb fällt auch nicht als Dienstleistungsbetrieb für die A L B GmbH unter den fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nach § 1 Ziff. 2 S. 2 TVBZME erfasst der fachliche Geltungsbereich zwar auch die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetriebe und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe artverwandter Industrien. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wäre es danach zwar möglich, die BGL Logistik als Dienstleistungsbetrieb für A L GmbH anzusehen. Beim von ihr unterhaltenen Betrieb handelt sich aber nicht um einen Hilfs- oder Nebenbetrieb von deren Hauptbetrieb. Zwar definiert der Tarifvertrag selbst nicht, was unter einem Hilfs- oder Nebenbetrieb zu verstehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfordert der Charakter eines Hilfs- oder Nebenbetriebes aber, dass eine Identität zwischen dem Inhaber des Betriebes und dem Hauptbetrieb gegeben sein muss. Unternehmen, die selbständig betrieben werden, können mit einzelnen Betrieben nicht Hilfs- oder Nebenbetrieb eines anderen Unternehmens sein, weil das selbständige Unternehmen durch seinen eigenen Unternehmenszweck gekennzeichnet ist(vgl. BAG Urteil vom 25.04.1995 - 3 AZR 528/94- AP Nr.5 zu § 1TVG Tarifverträge Land- und Forstwirtschaft und vom 01.04.1987 - 4 AZR77/86- AP Nr.64 zu § 613a BGB, LAG Thüringen Urteil v. 23.10.2014 -3 Sa 86/14 sowie LAG Hamm a. a. O.). Soweit die tarifliche Regelung für Zweifelsfälle auf den im Kundenbetrieb angewandten Tarifvertrag abstellt, ist diese Regelung für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung, da sie einen Zweifelsfall voraussetzt, der vorliegend nicht gegeben ist.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.