23.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199030
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 28.11.2017 – 5 Sa 54/17
Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhen. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert. Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind.
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 09.03.2017 - 2 Ca 1361/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten.
Die 1959 geborene Klägerin nahm am 28.05.2014 bei der Beklagten eine Beschäftigung als Betreuungsassistentin mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Wochenstunden auf. Die Beklagte betreibt unter anderem ein Pflegeheim für schwerbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die Alternative W.. Die Alternative W. verfügt über insgesamt 46 Plätze, die auf 5 Wohngruppen verteilt sind. In der Alternativen W. sind rund 70 Mitarbeiter tätig, davon drei Betreuungsassistenten mit jeweils 30 Wochenstunden. Die Betreuungsassistenten haben die Aufgabe, den Anspruch der Pflegebedürftigen auf eine zusätzliche Betreuung und Aktivierung, die über die nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit notwendige Versorgung hinausgeht (§ 43b SGB XI), zu erfüllen. Hierzu gehört es, mit den Bewohnern zu malen, zu basteln, zu singen, spazieren zu gehen, ihnen bei der Nahrungsaufnahme zu helfen etc.
Im Jahr 2014 war die Klägerin an folgenden Tagen arbeitsunfähig:
Im Jahr 2015 war die Klägerin wie folgt arbeitsunfähig:
Am 29.04.2015 fand ein Betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 SGB IX statt. Die Klägerin verneinte einen Zusammenhang ihrer Erkrankungen mit der Tätigkeit in der Alternativen W. oder den Arbeitsbedingungen dort.
Am 29.05.2015 zeigten mehrere Mitarbeiter der Alternativen W. in einem gemeinsamen Brief ihre Überlastung an aufgrund von unbesetzten Stellen sowie krankheits- und urlaubsbedingten Personalausfällen.
Am 23.12.2015 führte die Beklagte mit der Klägerin wiederum ein Betriebliches Eingliederungsmanagement durch. Die Klägerin gab erneut an, keine Probleme bei der Arbeit zu haben, und verwies auf die mit dem Tod ihres Vaters verbundenen Belastungen und die daraus resultierende Krankheitsanfälligkeit.
Im Jahr 2016 kam es zu den nachstehenden Arbeitsunfähigkeiten:
Am 08.04.2016 ging bei der Beklagten erneut eine gemeinsame Überlastungsanzeige mehrerer Mitarbeiter der Alternativen W. ein.
Das monatliche Bruttogehalt der Klägerin betrug zuletzt € 1.528,12. Die Entgeltfortzahlungskosten beliefen sich im Jahr 2014 ab Beschäftigungsbeginn auf € 912,96, im Jahr 2015 auf € 4.875,85 und im Jahr 2016 bis einschließlich Juli auf € 2.858,-.
Mit Schreiben vom 10.08.2016 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte ordentliche, personenbedingte Kündigung der Klägerin. Sie teilte dem Betriebsrat die Sozialdaten der Klägerin (Name, Tätigkeit, Beschäftigungszeit, Lebensalter etc.) mit und gab die Fehlzeiten an. Sie legte ihm die Protokolle zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement vor und verwies auf die angefallenen Entgeltfortzahlungskosten und die Probleme der Heimbewohner bei einem ständigen Wechsel des Betreuungspersonals, insbesondere durch den Einsatz kurzfristiger Aushilfen. Des Weiteren erwähnte sie Meldungen von Beschäftigten aus der W., die sich durch Mehrarbeit aufgrund der immer wieder erforderlichen Kompensation des Ausfalls der Klägerin physisch und psychisch überlastet fühlten. Mit Beschluss vom 12.08.2016 widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung unter Hinweis auf das Lebensalter der Klägerin und die eingeschränkte Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 17.08.2016, der Klägerin am selben Tag zugegangen, aus personenbedingten Gründen zum 30.09.2016.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 25.08.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, da es keine personenbedingten Gründe gebe. Die Krankheiten seien ausgeheilt; eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, was die von der Schweigepflicht entbundene behandelnde Ärztin bestätigen könne. Die Entgeltfortzahlungskosten seien angesichts der Unternehmensgröße vergleichsweise geringfügig. Bei der Interessenabwägung habe die Beklagte dem Lebensalter der Klägerin kein hinreichendes Gewicht beigemessen. Zudem habe sich die Klägerin die Erkältungskrankheiten hauptsächlich am Arbeitsplatz zugezogen. Wenn sie erkältet gewesen sei, sei sie mit Rücksicht auf die Heimbewohner zu Hause geblieben, um diese nicht auch noch zu infizieren. Die Klägerin hat schließlich bestritten, dass die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört hat.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17.08.2016 nicht beendet wurde, und
2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Betreuungsassistentin weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei wirksam. Nachdem es bereits in der Vergangenheit erhebliche krankheitsbedingte Ausfallzeiten gegeben habe, sei davon auszugehen, dass sich daran auch zukünftig nichts ändern werde. Die Beklagte könne die umfangreichen Fehlzeiten der Klägerin nicht durch andere Mitarbeiter im Heim oder durch Ersatzkräfte überbrücken. Zudem sei eine personelle Kontinuität für die Betreuung der Heimbewohner äußerst wichtig, weil jede Veränderung im Tages- oder Wochenablauf bei ihnen zu Unruhe und mitunter zu aggressiven Reaktionen führe. Angesichts der gewährten Pflegesätze gebe es keine Spielräume, zusätzlich zu den genehmigten Stellen eine Personalreserve vorzuhalten.
Das Arbeitsgericht Rostock hat die Klage mit Urteil vom 09.03.2017 abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass angesichts der umfangreichen und in der Tendenz zunehmenden Fehlzeiten der Klägerin von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen sei. Zwar mögen die einzelnen Erkältungskrankheiten jeweils ausgeheilt sein. Die Klägerin sei jedoch für solche Krankheiten besonders anfällig, weshalb auch zukünftig erhebliche Ausfallzeiten zu erwarten seien. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihre Ärztin die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt habe. Die wirtschaftlichen und betrieblichen Belastungen durch die häufigen Kurzerkrankungen der Klägerin seien erheblich. Zum einen habe die Beklagte in rund zwei Jahren etwa € 8.600,- an Entgeltfortzahlungskosten aufbringen müssen. Zum anderen lasse sich ein Ausfall der Klägerin aufgrund der besonderen Aufgabenstellung im Heim praktisch nicht kompensieren. Bei der Interessenabwägung sei zugunsten der Klägerin die altersbedingt eingeschränkte Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Dennoch überwiege das Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da es nur um eine kurze Beschäftigungszeit gehe, die Krankheiten bereits von Beginn des Arbeitsverhältnisses an aufgetreten seien und ein Zusammenhang der Erkrankungen mit der Tätigkeit im Betrieb nicht ersichtlich sei. Darüber hinaus habe die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie sich zunächst auf ihr erstinstanzliches Vorbringen bezieht. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Kündigung als wirksam erachtet. Es gebe weder eine negative Gesundheitsprognose noch habe die Beklagte hinreichende betriebliche Interessen dargelegt. Ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 22.05.2017 habe sich ihr Gesundheitszustand seit Oktober 2016 deutlich stabilisiert. Der damals anhaltende postinfektiöse Reizhusten habe sich durch die initial regelmäßige Gabe eines Inhalationssprays gut zurückgebildet. Von einer chronischen Erkrankung sei nicht auszugehen. Die Klägerin hält die wirtschaftlichen Belastungen durch die Entgeltfortzahlungskosten in Anbetracht der Unternehmensgröße weiterhin für nicht erheblich und bestreitet, dass es nicht möglich sei, Aushilfen einzustellen und einzusetzen. Eine Kontinuität bei der Betreuung von Heimbewohnern spiele eher bei den Therapeuten und Heilerziehern eine Rolle, nicht aber bei den Betreuungsassistenten, denen nur die Freizeitgestaltung obliege. Soweit die Beklagte Überlastungsanzeigen aus der Alternativen W. vorgelegt habe, seien dort nicht die Fehlzeiten der Klägerin angesprochen. Zudem habe die Beklagte den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt. Sie habe sich gegenüber dem Betriebsrat pauschal auf Beschwerden von Mitarbeitern wegen Mehrarbeit berufen, ohne anzugeben, um wie viele Stunden und Mitarbeiter es überhaupt gehe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 09.03.2017 - 2 Ca 1361/16 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17.08.2016 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Der Klägerin sei es auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen, die negative Prognose zu erschüttern und darzulegen, dass sie zukünftig in der Lage sein werde, ihre Arbeitsaufgaben kontinuierlich zu erfüllen. Sie habe nicht einmal während des Laufs der Kündigungsfrist ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt. Die Bewohner des Heims seien auf ein konstantes, gleichförmiges Umfeld und auf gleichförmige, wiederkehrende Arbeitsabläufe angewiesen. Das gelte auch für die Betreuungsassistenten. Die Beklagte habe den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Der Betriebsrat kenne die Verhältnisse in der Alternativen W. aus eigener Anschauung, sodass er ohne weiteres nachvollziehen könne, welche Folgen mit häufigen kurzfristigen krankheitsbedingten Ausfällen verbunden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit der zutreffenden Begründung abgewiesen. Das Berufungsgericht nimmt Bezug auf die Ausführung der Vorinstanz.
Die ordentliche Kündigung vom 17.08.2016 zum 30.09.2016 ist wirksam. Sie ist durch Gründe in der Person der Klägerin bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden.
1.
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).
Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, um eine Kündigung zu rechtfertigen, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 29, juris = NJW 2016, 588; BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 16, juris = NJW 2015, 1979; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07. März 2017 - 2 Sa 158/16 - Rn. 41, juris = NZA-RR 2017, 347; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. August 2016 - 5 Sa 77/16 - Rn. 30, juris = AuA 2017, 178).
Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt. Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten. Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 17, juris = NJW 2015, 1979; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07. März 2017 - 2 Sa 158/16 - Rn. 42 f., juris = NZA-RR 2017, 347).
Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhen. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert. Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (z. B. eine Operation) ergriffen wurden (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 20, juris = NJW 2015, 1979).
Die Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist anhand der zum Zeitpunkt des Zugangs gegebenen objektiven Verhältnisse zu beurteilen (BAG, Urteil vom 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26, juris = ZTR 2016, 418; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, juris = NJW 2015, 1403).
Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass zum Kündigungszeitpunkt aufgrund der aufgetretenen Fehlzeiten weitere Erkrankungen im bisherigen Umfang zu befürchten waren und damit eine negative Gesundheitsprognose gerechtfertigt war. Die Klägerin war im Durchschnitt rund 6 Kalendertage pro Monat krank, also etwa zu 20 % eines Monats abwesend. Die Fehlzeiten in den Kalenderjahren 2015 und 2016 gehen weit über sechs Wochen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG) hinaus.
Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass und weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Sie hat zwar die jeweiligen Krankheitsursachen angegeben, aber nicht vorgetragen, aus welchem Grund ein erneutes Auftreten dieser Krankheitsbilder nicht zu erwarten war. Die im Berufungsverfahren nachgereichte Bescheinigung der Hausärztin aus Mai 2017 enthält hierzu keine Angaben. Die ärztliche Bescheinigung bezieht sich weder auf den Kündigungszeitpunkt noch enthält sie eine konkrete Einschätzung der gesundheitlichen Entwicklung bei Fortsetzung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit. Dass die Klägerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr erhalten hat, lässt nicht auf eine störungsfreie Fortsetzung der Arbeit als Betreuungsassistentin schließen. Der mit dieser Tätigkeit zwangsläufig verbundene direkte Kontakt zu anderen Menschen birgt ein höheres Risiko, andere und sich selbst zu infizieren. Dieses erhöhte Infektionsrisiko hat sich bei der Klägerin verwirklicht, wie sich aus der Diagnoseliste entnehmen lässt. Danach litt die Klägerin immer wieder an Infektionen, insbesondere der Atemwege. Die einzelne Infektion mag ausgeheilt sein. Das ändert aber nichts an der erhöhten Anfälligkeit für diese Krankheit, die auch zukünftig bei einer Weiterbeschäftigung als Betreuungsassistentin erhebliche Fehlzeiten befürchten lässt. Soweit die Klägerin an Migräne leidet, gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Besserung des Gesundheitszustandes. Die Anpassungsstörungen (F43.2G) im Juni/Juli 2015, die auf den Tod des Vaters zurückgehen, sind nur einmal aufgetreten. Zugunsten der Klägerin können die damit zusammenhängenden Arbeitsunfähigkeitstage außer Betracht bleiben. Die sonstigen Fehlzeiten genügen jedoch, um eine Negativprognose zu begründen.
Die künftig zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten. Zum einen sind - wie in den Jahren 2015 und 2016 - Entgeltfortzahlungskosten zu erwarten, die über einen Umfang von sechs Wochen hinausgehen. Zum anderen stören die Fehlzeiten der Klägerin die betrieblichen Abläufe erheblich. Die Pflegebedürftigen können nicht sich selbst überlassen werden. Sie haben einen Anspruch auf eine zusätzliche Betreuung und Aktivierung. Diesen Anspruch hat die Beklagte zu erfüllen, wobei sie nicht verpflichtet ist, eine Personalreserve vorzuhalten, um überdurchschnittliche Fehlzeiten aufzufangen. Ein Austausch des Betreuungspersonals ist im Interesse der Pflegebedürftigen grundsätzlich auf das unabdingbar notwendige Mindestmaß zu beschränken. Für eine fachgerechte und nachhaltige Betreuung sind Kenntnisse über den Pflegebedürftigen und seine Behinderung bzw. Behinderungen ebenso notwendig wie der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Das gilt auch für die Betreuungsassistenten, die bei der Freizeitgestaltung auf die Möglichkeiten, Bedürfnisse und Wünsche der Heimbewohner eingehen müssen, um diese entsprechend dem gesetzlichen Auftrag aktivieren zu können.
Die Abwägung der wechselseitigen Interessen führt nicht dazu, dass die Beklagte diese Beeinträchtigungen hinzunehmen hat. Das Arbeitsgericht hat die maßgeblichen Gesichtspunkte angesprochen und angemessen gewichtet. Angesichts des nur kurzzeitigen Arbeitsverhältnisses und der bereits von Anfang an aufgetretenen Störungen durch Fehlzeiten hat das Interesse der Klägerin an einem Erhalt ihrer Einkommensgrundlage zurückzutreten. Das höhere Lebensalter der Klägerin und die damit verbundenen Schwierigkeiten, eine neue Beschäftigung zu finden, überwiegen nicht das Interesse der Beklagten an einer kontinuierlichen und möglichst geregelten Betreuung der pflegebedürftigen Heimbewohner. Eine weniger belastende Maßnahme als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht nicht zur Verfügung, nachdem die Beklagte zweimal ein Betriebliches Eingliederungsmanagement mit der Klägerin durchgeführt hat, bei dem sich keine Möglichkeiten ergeben haben, die Fehlzeiten zu verringern.
2.
Die Beklagte hat den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt.
Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gemäß Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine Kündigung ist dabei nach Satz 3 nicht erst unwirksam, wenn eine Unterrichtung ganz unterblieben ist, sondern schon dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Der notwendige Inhalt der Unterrichtung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung. Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht im Interesse des Arbeitnehmers auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung soll dem Betriebsrat nicht die selbständige - objektive - Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern ggf. eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (BAG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 25, juris = NJW 2017, 684).
Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist deshalb grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat diejenigen Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet. Schildert er dem Betriebsrat bewusst einen solchen irreführenden Kündigungssachverhalt, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam (BAG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 26, juris = NJW 2017, 684).
Die Beklagte hat dem Betriebsrat mit Schreiben vom 10.08.2016 sämtliche Umstände mitgeteilt, die er benötigt, um die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich hierüber eine eigene Meinung bilden zu können. Die Sozialdaten der Klägerin sind vollständig aufgeführt, die Fehlzeiten und Entgeltfortzahlungskosten sind angegeben und es waren die Protokolle zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement beigefügt. Des Weiteren hat die Beklagte die betrieblichen Ablaufstörungen dargestellt. Soweit sie in diesem Zusammenhang Überlastungsanzeigen aus der Alternativen W´. mit konkretem Bezug zum Ausfall der Klägerin angesprochen hat, ist der Sachverhalt nicht unrichtig dargestellt. Die Klägerin ist zwar nicht die einzige Mitarbeiterin der W. mit Fehlzeiten. Dennoch ist sie eine Mitarbeiterin, deren Ausfall immer wieder von anderen Kräften zu kompensieren war, was zwar nicht allein, aber zumindest mitursächlich dazu beitrug, dass sich andere Mitarbeiterinnen überlastet fühlten. Das ist angesichts der erheblichen und immer wiederkehrenden Fehlzeiten der Klägerin, die nicht durch Mitarbeiter von außen aufgefangen wurden, nachvollziehbar. Die Beklagte hat dem Betriebsrat kein schiefes Bild zum Nachteil der Klägerin vermittelt, um ihn in die Irre zu führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.