30.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199251
Landesarbeitsgericht Sachsen: Urteil vom 30.11.2016 – 8 Sa 401/16
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht -Kammer 8 -durch die Richterin am Arbeitsgericht ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richterinnen Frau ... und Frau ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2016
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 22.06.2016 - Az. 10 Ca 748/16 -
a b g e ä n d e r t
wie folgt:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Stufenzuordnung des Klägers.
Wegen des unstreitigen Tatbestands, des streitigen Sachvortrags der Parteien einschließlich der geäußerten Rechtsansichten sowie der Anträge im erstinstanzlichen Verfahren wird Bezug genommen auf das angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 22.06.2016, welches das Vorbringen der Parteien vollständig und richtig beurkundet hat (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Das Arbeitsgericht Dresden hat in dem am 07.07.2016 zugestellten Urteil vom 22.06.2016 den Beklagten zur Zahlung verurteilt und angenommen, dass die Stufenlaufzeit mit der Zuordnung des Beschäftigten zu einer Stufe seiner Entgeltgruppe nach seiner Einstellung bei gesetzeskonformer Auslegung des § 16 Abs. 3 Satz 1 TV-L nicht neu zu laufen beginnt, wenn er zuvor befristet bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war und keine schädliche Unterbrechung i. S. d. Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L vorliegt. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 05.12.2016 - C-514/12 - und dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG sei die Klage begründet. Hiergegen richtet sich die am 29.07.2016 eingegangene und mit am 22.08.2016 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung des Beklagten.
Mit der Berufung trägt der Beklagte vor, dass § 16 Abs. 3 TV-L eine Anrechnung von Restlaufzeiten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 21.02.2013 nicht vorsehe. Nach § 16 Abs. 2 TV-L knüpfe die Stufenlaufzeit nur an die zurückgelegten Zeiten beim aktuellen Arbeitgeber an. Restlaufzeiten und bei anderen Arbeitgebern zurückgelegte Zeiten sollten nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur bis zur Stufe 3 berücksichtigt werden. § 16 Abs. 2 und 3 TV-L verstoße auch nicht gegen den europarechtlichen Schutz der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach der AEUV. Vorliegend sei schon kein grenzüberschreitender Bezug ersichtlich. Darüber hinaus bestehe auch nicht die Gefahr von mittelbarer Diskriminierung, weil die unterschiedliche Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung bei der Einstellung in § 16 Abs. 2 TV-L nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfe, sondern daran, ob die Berufserfahrung bei demselben oder bei einem anderen Arbeitgeber erworben wurde. Jedenfalls aber wäre eine ggf. vorhandene Ungleichbehandlung durch unionsrechtlich legitime Ziele sowie zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigt, und zwar einmal durch das Ziel, den Arbeitnehmern einen Anreiz zur Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber zu geben. Zum anderen solle die in den Strukturen des bisherigen Arbeitgebers erworbene einschlägige Berufserfahrung honoriert werden, denn die vollständige Anrechnung von bei demselben Arbeitgeber erworbener einschlägiger Berufserfahrung habe für die betroffenen Arbeitnehmer besitzstandswahrende Bedeutung. Diese Rechtfertigungsgründe würden im Übrigen auch einen etwaigen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen. Insofern liege die Regelung des § 16 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L auch im Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Zu beachten sei zudem, dass § 16 Abs. 2 und 3 TV-L zwar die Betriebstreue honorieren wollten, der § 16 Abs. 3 TV-L aber insbesondere über § 17 Abs. 2 TV-L auch die Leistung der Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 22.06.2016 - 10 Ca 748/16 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er gibt insbesondere zu bedenken, dass eine Privilegierung der wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht nur nötig, sondern von den Tarifvertragsparteien über § 40 Nr. 5 TV-L auch gewollt sei. Anderenfalls sei es für wissenschaftliche Mitarbeiter, deren regelmäßige Arbeitgeberwechsel systemimmanent seien, unmöglich, in die höhere Stufe 4 zu gelangen. Nichts anderes ergebe sich aus den Durchführungshinweisen des Freistaates ... vom 16.08.2014, die nicht unberücksichtigt bleiben dürften, weil über den Freistaat ... letztlich die Finanzierung des Arbeitsverhältnisses des Klägers erfolge. Für die Berücksichtigung des europarechtlichen Anspruchs der Arbeitnehmerfreizügigkeit bedürfe es keines grenzüberschreitenden Bezugs, denn die Freizügigkeit müsse auch innerhalb der einzelnen Staaten gewährleistet sein. Zudem erfolge vorliegend durch das System des § 16 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L bei ihrer wörtlichen Anwendung eine Ungleichbehandlung zu Lasten der befristet Beschäftigten, weil bei jeder neuen Befristungsperiode eine neue Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 TV-L erfolge. Der öffentliche Arbeitgeber könne damit über die Dauer der Befristung den Stufenaufstieg willkürlich hinauszögern, und es komme zu zufälligen Ergebnissen, je nach dem, wie oft für einen bestimmten Zeitraum neu befristet oder verlängert werde.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze, das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung sowie den Inhalt der Akte im Übrigen Bezug genommen, der sämtlich Gegenstand der Erörterung durch die Kammer war.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet.
Die Berufung ist begründet, denn die Klage ihrerseits ist unbegründet. Dem Kläger steht die Differenzvergütung für den Zeitraum Oktober 2014 bis Dezember 2015 in Höhe von 6.069,78 € brutto nicht zu, denn er hat ab Oktober 2014 noch nicht Anspruch auf Vergütung nach der Stufe 4 der Entgeltgruppe 13. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet nach dem Arbeitsvertrag vom 16.05.2014 der TV-L Anwendung. § 16 Abs. 2 TV-L i. d. F. d. § 40 Nr. 5 TV-L für Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen lautet wie folgt:
"1. § 16 Abs. 2 gilt in folgender Fassung:
(2) Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus dem vorherigen Arbeitsverhältnis. Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2 bzw. - bei Einstellung nach dem 31.01.2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren - in Stufe 3. Werden Beschäftigte in den Entgeltgruppen 13 bis 15 eingestellt, gilt ergänzend: Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung an anderen Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen werden grundsätzlich anerkannt."
§ 16 Abs. 3 TV-L lautet:
"Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):
- Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,
- Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,
- Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,
- Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und
- Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5
bei den Entgeltgruppen 2 bis 8."
Wie das Arbeitsgericht Dresden richtig festgestellt hat, folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich auch das Landesarbeitsgericht anschließt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (BAG vom 06.07.2006 - 2 AZR 587/05 - NZA 2007, 167; BAG vom 29.08.2001 - 4 AZR 337/00 - DB 2002, 538). Das Bundesarbeitsgericht hat in beiden Entscheidungen hierzu ausgeführt: "Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermitteln werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt" (so ebenfalls BAG vom 05.10.1999 - 4 AZR 578/98 - AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15). Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht ebenfalls zu Recht festgestellt, dass die Auslegung so zu erfolgen hat, dass die Tarifnormen weder gegen verfassungs- noch europarechtliche höherrangige Normen verstoßen. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 S. 1 TV-L für eine Vergütung in der EG 13 Stufe 4 ab dem 01.10.2014 sind nicht erfüllt. Diesen Anspruch erwirbt der Kläger erst nach drei beim Beklagten zurückgelegten Jahren in Stufe 3. Diese drei Jahre waren unter Berücksichtigung der Einstellung zum 01.06.2014 nicht bereits im Oktober 2014 zurückgelegt.
Das Landesarbeitsgericht vermag nicht der Auffassung des Klägers und des Arbeitsgerichts zu folgen, dass die vor der Einstellung bereits erworbene Berufserfahrung nicht nur vollständig bei der Stufenzuordnung sondern auch bei der Stufenlaufzeit zu berücksichtigen ist. Der Kläger ist bei seiner Einstellung aufgrund bereits erworbener Berufserfahrung zutreffend der Stufe 3 zugeordnet worden. Die restliche erworbene und nicht "verwertete" Zeit der Berufserfahrung kann nicht bei der Stufenlaufzeit berücksichtigt werden.
Wie dies bereits das Arbeitsgericht richtig festgestellt hat, kann § 16 Abs. 2 TV-L in der Fassung des § 40 Nr. 5 Ziff. 1 TV-L nach seinem Wortlaut den Anspruch des Klägers nicht rechtfertigen. Satz 4 des § 40 Nr. 5 Ziff. 1 TV-L ist eine Ergänzung zu Satz 1, der die Zuordnung bei Einstellung regelt (BAG v. 27.03.2014 - 6 AZR 571/12 - BAGE 148, 1), gehört also zu § 16 Abs. 2 TV-L. Satz 4 gilt nach Wortlaut und Stellung in der Regelung des § 40 Nr. 5 Ziff. 1 TV-L nicht auch für die Stufenlaufzeit.
Die §§ 16, 17 TV-L bilden einen in sich geschlossenen Regelungskomplex für die Stufenzuordnung und die Stufenlaufzeit. Ausgangspunkt ist eine erfahrungsbezogene Stufenzuordnung und - über § 17 Abs. 2 TV-L - ein erfahrungs- und leistungsbezogener Stufenaufstieg. § 16 Abs. 2 TV-L hat den Zweck, einen Arbeitgeberwechsel innerhalb des öffentlichen Dienstes, aber auch aus der Privatwirtschaft in den öffentlichen Dienst zu erleichtern, indem Vorbeschäftigungszeiten anerkannt werden. Bei Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Sinne von § 40 TV-L gilt dies in besonderem Maße. Sie sind im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte darauf angewiesen, dass nachteilige Folgen beim Arbeitgeberwechsel vermieden werden, damit die Personalgewinnung nicht von vornherein aussichtslos ist. In diesem Bereich ist besondere Mobilität erwünscht und auch erforderlich (BAG v. 27.03.2014 a. a. O.). Ein weiterer Zweck des § 16 Abs. 2 TV-L besteht darin, bereits erworbene Berufserfahrung bei der Einstellung zu honorieren, weil sie dem Arbeitgeber Einarbeitungszeit erspart und ein höheres Leistungsvermögen des Arbeitnehmers erwarten lässt. Deshalb haben die Tarifvertragsparteien für Beschäftigte an Hochschulen geregelt, dass bei Einstellung in den Entgeltgruppen 13 bis 15 und im Fall einer Vorbeschäftigung bei den dort genannten Arbeitgebern grundsätzlich nach § 16 Abs. 2 TV-L i. d. F. des § 40 Nr. 5 TV-L eine einschlägige Berufserfahrung im Sinne von § 16 Abs. 2 TV-L anzunehmen ist. Eine Zusammenrechnung der Berufserfahrungszeiten bei der Stufenzuordnung, wie sie in § 44 Nr. 2a Ziff. 1 TV-L für Lehrkräfte ausdrücklich angeordnet ist, sieht § 16 Abs. 2 i. d. F. des § 40 Nr. 5 TV-L nicht vor (BAG v. 21.02.2013 - 6 AZR 524/11 - NZA 2013, 625).
§ 40 Nr. 5 TV-L regelt allerdings nur für § 16 Abs. 2 TV-L die Stufenzuordnung, nicht auch gleichzeitig die Stufenlaufzeit für die Entgeltgruppen 13 bis 15. Hinsichtlich der Stufenlaufzeit haben die Tarifvertragsparteien für die Mitarbeiter an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen keine gesonderte Regelung getroffen.
Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 21.02.2013 (6 AZR 524/11) erkannt, dass § 16 Abs. 3 TV-L nach dem Gebot der gesetzeskonformen Auslegung dahingehend zu verstehen ist, als dass die Stufenlaufzeit mit der Zuordnung des Beschäftigten zu einer Stufe seiner Entgeltgruppe nach seiner Einstellung nicht neu zu laufen beginnt, wenn er zuvor bereits befristet bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war und keine schädliche Unterbrechung i. S. d. Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 3 TV-L vorliegt. Hintergrund ist die Feststellung des BAG, dass § 16 Abs. 3 TV-L ansonsten gegen das Benachteiligungsverbot befristet Beschäftigter nach § 4 Abs. 2 S. 3 TzBfG verstoßen würde. Damit handelte es sich bei dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt um einen anderen, als den hier streitgegenständlichen.
Vorliegend begehrt der Kläger nicht die Berücksichtigung von beim Beklagten in befristeten Arbeitsverhältnissen erworbener Berufserfahrung bei der Stufenlaufzeit, sondern die Berücksichtigung von sog. Restlaufzeiten, die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt wurden, nicht nur bei der Stufenzuordnung, sondern auch bei der Stufenlaufzeit.
§ 16 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L sind aber für den vorliegenden Sachverhalt weder aufgrund verfassungs- noch europarechtlicher Regelungen über den Wortlaut hinaus auszulegen - und zwar auch nicht unter besonderer Berücksichtigung des Schutzbedürfnisses wissenschaftlicher Mitarbeiter. Die einschlägige Berufserfahrung des Klägers bei der TU Dresden kann nicht als Restlaufzeit bei der Stufenlaufzeit nach § 16 Abs. 3 TV-L angerechnet werden. Anders als § 16 Abs. 2 TV-L ist im Absatz 3 zur Stufenlaufzeit diese Anrechnung von Berufserfahrung, die bei anderen Arbeitgebern gesammelt wurde, nicht vorgesehen. In Absatz 3 heißt es: "Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe ... nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber...". Damit sind die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten Stufenlaufzeiten nicht erfasst.
Die vom Kläger begehrte Anrechnung von Restlaufzeiten im Rahmen des § 16 Abs. 3 TV-L ist nicht europarechtlich geboten. In Betracht käme hier allenfalls ein Verstoß der tariflichen Regelung gegen das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV, Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011. Danach soll gewährleistet werden, dass jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen abgeschafft wird. Verboten ist nach den bezeichneten Regelungen aber nicht nur die offensichtliche Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit, sondern auch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien, die de facto auf eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung hinauslaufen, also mittelbar diskriminieren (EuGH v. 05.12.2013 Az. C-514/12 "Zentralbetriebsrat", zitiert nach Juris). Als mittelbar diskriminierend sind daher auch Regelungen anzusehen, die zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten, aber im Wesentlichen Wanderarbeiter treffen. Anders verhält es sich nur dann, wenn mit dieser Maßnahme/Regelung eines der im Vertrag genannten legitimen Ziele verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Darüber hinaus muss in einem derartigen Fall die Anwendung der diskriminierenden Regelung geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zieles zu gewährleisten und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (EuGH v. 05.12.2013, C-514/12 Rn. 36).
Vorliegend kommt ein Verstoß der tariflichen Regelungen in § 16 Abs. 2 und 3 TV-L schon deshalb nicht in Betracht, weil es dem für die Anwendung der europarechtlichen Vorschriften maßgeblichen Auslandsbezug der tariflichen Normen fehlt (so auch Sächs. LAG v. 13.01.2016 - 2 Sa 260/15 - u. v. 25.05.2016 - 2 Sa 452/15 -; LAG Berlin-Brandenburg v. 08.10.2015 - 5 Sa 660/15 - ZTR 2016, 199; LAG Düsseldorf v. 22.01.2016 - 6 Sa 901/15 - ZTR 2016, 323). Die unterschiedliche Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung - auch bei anderen Arbeitgebern -bei der Stufenzuordnung einerseits und der Stufenlaufzeit bei ein und demselben Arbeitgeber andererseits knüpft nicht an die Staatsangehörigkeit an, sondern an einen möglichen Arbeitgeberwechsel. Unter Berücksichtigung der Argumentation des Klägers hinsichtlich der Befristungen im Hochschulbereich ist es für den inländischen wissenschaftlichen Mitarbeiter genauso schwer wie für einen ausländischen, die Stufenlaufzeiten zu absolvieren. Beide haben gleichermaßen dieselben Möglichkeiten, bei demselben Arbeitgeber mit ununterbrochener Tätigkeit und gleichen Leistungen eine höhere Stufe zu erreichen.
Jedenfalls aber - und insoweit schließt sich das Sächsische Landesarbeitsgericht den Auffassungen der Landesarbeitsgerichte Düsseldorf und Berlin-Brandenburg in den Urteilen vom 22.01.2016 und 08.10.2015 (a. a. O.) an - wäre eine Ungleichbehandlung nach den bereits dargestellten Vorgaben sachlich gerechtfertigt. Es stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, mit der Gewährung von Vorteilen die Bindung an einen bestimmten Arbeitgeber zu erreichen, jedenfalls gilt dies insbesondere für den öffentlichen Arbeitgeber. Es liegt im Allgemeininteresse, dass Aufgaben eines öffentlichen Arbeitgebers von Beschäftigten ausgeführt werden, die bereits länger mit den Verwaltungsabläufen und der spezifischen Organisation des Arbeitgebers vertraut und dort eingegliedert sind. Sowohl § 16 Abs. 2 TV-L als auch § 16 Abs. 3 TV-L sind geeignet, die mit ihnen verbundenen legitimen Ziele zu verwirklichen und gehen auch nicht darüber hinaus. Indem lediglich die Tätigkeit des Arbeitnehmers bei ein und demselben Arbeitgeber zur Höherstufung und damit besseren Bezahlung führt, wird die Betriebstreue gesichert. Zudem kann die nach § 17 Abs. 2 TV-L bei der Stufenlaufzeit zu berücksichtigende Leistung nur beim konkreten Arbeitgeber erbracht werden. Aus den gleichen Erwägungen heraus ist auch eine verfassungskonforme Auslegung unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht notwendig, denn jedenfalls wäre eine angenommene Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt.
Die Tarifvertragsparteien haben in Abs. 2 und Abs. 3 des § 16 TV-L bewusst danach differenziert, dass einerseits mit der eingeschränkten Anerkennung von Berufserfahrungen bei der Stufenzuordnung Arbeitnehmer gewonnen werden sollen, andererseits aber mit der Stufenlaufzeit die Betriebstreue honoriert werden soll. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen typisierender Betrachtungsweise berücksichtigen wollen, dass dem Arbeitgeber innerhalb seiner Strukturen erworbene Berufserfahrung schneller und zuverlässiger zugute kommt, als die bei anderen Arbeitgebern erworbene Erfahrung. Dabei ist nicht nur auf die reine fachliche Tätigkeit abzustellen, sondern auch auf die Kenntnis und Einbindung in organisatorische Strukturen und Handlungsweisen. Im Rahmen dieser Differenzierung ist der weite Ermessensspielraum der Tarifvertragsparteien bei der Verfolgung beschäftigungspolitischer Ziele zu berücksichtigen. Es stünde einem Eingriff in die Tarifautonomie nach Art. 9 GG gleich, wenn das Gericht die tarifliche Regelung der §§ 16, 40 Nr. 5 TV-L nicht nur entgegen des Wortlautes, sondern auch noch entgegen der ausdrücklichen Intention der Tarifvertragsparteien auslegen würde. Denn die Tarifvertragsparteien haben die wissenschaftlichen Mitarbeiter bewusst nur bei der Stufenzuordnung privilegiert, nicht aber auch bei der Stufenlaufzeit. Ausgeglichen bleibt diese Regelung schon aufgrund der Tatsache, dass die anderweitig erworbene Berufserfahrung nicht gänzlich unberücksichtigt bleibt, sondern eben bis zur Zuordnung zur Stufe 3 führen kann.
Das Erreichen der Stufe 4 auch für wissenschaftliche Mitarbeiter ist über § 16 Abs. 3 TV-L schon deswegen nicht ausgeschlossen, weil auch bei wissenschaftlichen Mitarbeitern eine Beschäftigungszeit von drei Jahren bei ein und demselben Arbeitgeber keine Ausnahme ist.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem vom Kläger gebildeten Beispiel der Ungleichbehandlung - je nach Befristungsmodell durch den Arbeitgeber. Es handelt sich dabei um ein rein theoretisches Beispiel, welches vorliegend nicht zur Entscheidung wegen einer behaupteten tatsächlichen Ungleichbehandlung ansteht. Hinsichtlich der Vornahme der Befristung erfolgt der Rechtsschutz zudem über das Teilzeit- und Befristungsgesetz.
Der Kläger kann sich darüber hinaus auch nicht auf die Durchführungshinweise des Freistaates ... zu § 16 TV-L vom 06.08.2014 berufen. Zum einen sind diese für den Beklagten nicht verbindlich. Zum anderen wird auch dort ausgeführt, dass ein tariflicher Anspruch auf Berücksichtigung der Restlaufzeiten beim Stufenaufstieg nicht besteht. Das Staatsministerium der Finanzen erhebt - lediglich - "keine Bedenken, wenn in allgemeiner Konsequenz des Urteils des BAG vom 21.02.2013 - Az. 6 AZR 524/11 - Restzeiten unter den nachfolgenden Maßgaben auf die Stufenlaufzeit des § 16 Abs. 3 TV-L angerechnet werden ...". Zwingend ist diese Vorgehensweise mithin nicht. Insbesondere begründet diese Duldung des Freistaates ... in seinem Zuständigkeitsbereich keinen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Danach hat die unterliegende Partei - hier der Kläger - die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die vorliegende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die Auslegung des § 16 TV-L, hier insbesondere auch im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte bezogen auf die in der Revision befindlichen Verfahren der Landesarbeitsgerichte Düsseldorf (Az. 6 AZR 202/16) und Berlin-Brandenburg (Az. 6 AZR 59/16). Zum anderen stellt sich vorliegend die zusätzliche Frage, ob die wissenschaftlichen Mitarbeiter wegen der in ihrem Bereich fast systemimmanent vorkommenden Befristungen eines besonderen Schutzes bedürfen und dies bei der Auslegung zu berücksichtigen ist.