15.05.2018 · IWW-Abrufnummer 201171
Bundesgerichtshof: Urteil vom 11.04.2018 – 5 StR 595/17
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. April 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. August 2017 werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrem Rechtsmittel, das insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten wird, insbesondere die Beweiswürdigung im Hinblick auf den mit der Anklage erhobenen Vorwurf des Versuchs der Beteiligung am Mord.
2
Die Revisionen haben keinen Erfolg.
I.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts reiste der 39 Jahre alte Angeklagte, dessen Familie in Damaskus lebt und - ebenso wie die Führungsspitze des Assad-Regimes - der ismailitischen Religionsgemeinschaft angehört, als syrischer Flüchtling 2014 nach Deutschland ein. Während seines Aufenthalts in einer Flüchtlingsunterkunft fiel er wiederholt dadurch auf, dass er sich Geld von anderen Flüchtlingen "lieh" und es nicht oder unvollständig zurückzahlte, um seinen Lebensunterhalt aufzubessern. Auch zahlten Mitglieder der Familie seiner damaligen Verlobten an den Angeklagten und an einen seiner Bekannten Geldbeträge, ohne dass die hierfür von ihm versprochenen Gegenleistungen erbracht wurden. Weil ihre Familie deshalb den Glauben an seine Ehrlichkeit verloren hatte, löste seine Verlobte etwa Anfang Oktober 2016 die Verlobung mit dem Angeklagten auf. Sie blieben jedoch weiterhin in Kontakt, wobei er sich bemühte, ihre Gunst zurückzugewinnen. So stellte er ihr Ende Dezember 2016 in Aussicht, dass er nach Neujahr 2017 zu Geld kommen und ihr Geschenke machen werde.
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Zuvor hatte der Angeklagte am 18. Dezember 2016 zunächst in seinen frei zugänglichen Facebook-Account eine Grafik eingestellt, auf der in arabischer Sprache der Satz "Alles in meinem Inneren ist tot, mich macht nichts mehr traurig" abgebildet war. Am selben Tag nahm er über eine OnlineChatplattform Kontakt mit mehreren Adressaten auf, bei denen er davon ausging, dass sie islamistischen Terrororganisationen angehörten. Um den typischen Sprachgebrauch salafistischer Islamisten kennenzulernen und sich anzueignen, hatte er vorher islamistische Webseiten frequentiert. Eine seiner inhaltsgleichen Nachrichten sandte er an einen Al. , dessen Internetprofil ihn als Funktionär des "Islamischen Staates" (IS) auswies. Dem Angeklagten war nicht bekannt, dass Al. einige Wochen zuvor getötet worden war und die Zugangsdaten von dessen Chat-Account in die Hände des syrischen Oppositionellen Al-N. geraten waren. Dieser gab sich online als Al. aus und verfolgte die Absicht, möglichst viele IS-Anhänger ausfindig zu machen und an zuständige Behörden zu melden. Der Angeklagte stellte sich in seiner Nachricht als in Deutschland wohnender Chemieingenieur und Ansprechpartner einer Gruppe von "Mujaheddin" vor. Zu seinem Anliegen schrieb er: "Wir wollen auf dem Weg Gottes in den Ländern der Ungläubigen Dschihad machen und bitten euch um einen Gefallen."
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Unter dem Namen Al. s bekundete Al-N. grundsätzliches Interesse und erkundigte sich unter dem Vorwand, der IS müsse die Ernsthaftigkeit des Anliegens des Angeklagten überprüfen, nach dessen Identität. Am nächsten Tag erläuterte ihm der Angeklagte seinen angeblichen Tatplan: Er werde Autos derselben Marke wie Polizeifahrzeuge kaufen und sie entsprechend lackieren lassen. Sodann werde er sie mit 400 bis 500 kg (einer nicht näher bezeichneten Substanz) beladen und mit Gefolgsleuten auf Orte in Deutschland, Frankreich, Belgien und Holland verteilen. Jedes Auto koste 22.500 Euro, die acht Autos würden 180.000 Euro kosten. Als Mujaheddin könnten sie dieses Projekt nicht alleine durchführen und suchten nach einem Unterstützer. Er müsse als Chemiker an verschiedenen Orten einkaufen und sich deshalb sehr beeilen, da der Plan in zehn Tagen durchgeführt werden müsse.
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Zum Zeitpunkt dieser Mitteilung - und auch später - hatte der Angeklagte keine der von ihm behaupteten konkreten Tatvorbereitungen getroffen oder in Auftrag gegeben. Er hatte auch keine Absicht, den von ihm übermittelten Tatplan auszuführen. Stattdessen wollte er das Geld zumindest größtenteils für eigene Belange verbrauchen. Da seine Familie sich im Machtbereich des Assad-Regimes in Damaskus aufhielt, wähnte er sie sicher vor möglichen Rachemaßnahmen des IS.
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Während der folgenden zwölf Tage stand der Angeklagte mehrmals mit dem als Al. auftretenden Al-N. in Kontakt und unterbreitete ihm weitere Einzelheiten des angeblichen Tatplans. So bat er im Namen einer angeblichen Mittäterin um Erlaubnis, dass sie zum Erwerb des Sprengstoffs ihre Verschleierung ablegen dürfe. In einer Vielzahl von Nachrichten an den Account Al. s drängte er mit zunehmendem Zeitablauf immer nachdrücklicher auf die Zahlung des ihm in Aussicht gestellten Geldes für seine angeblich seit drei Monaten geplante "dschihadistische Aktion", als deren Ergebnis er über 1.000 Opfer in Aussicht stellte. Auf Verlangen Al-N. s übermittelte er ihm unter anderem seine Mobiltelefonnummer sowie Fotos seiner Krankenkassenkarte und seines Aufenthaltstitels zur Verfügung, um zu beweisen, dass er eine reale Person sei und sich in Deutschland aufhalte.
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Al-N. kündigte dem Angeklagten an, ihn an einen für finanzielle Fragen zuständigen Funktionär des IS weiterzuleiten, dessen Messenger-Account er ebenfalls betrieb. In dieser Rolle sagte er ihm bei einem Videotelefonat grundsätzlich die Zahlung des erbetenen Geldes zu. Um ihn weiter hinzuhalten, schlug er dem Angeklagten ein persönliches Treffen in Deutschland zur Geldübergabe vor, bei dessen Organisation er in der Folgezeit wiederholt Verzögerungen und Schwierigkeiten vortäuschte. Währenddessen wendete sich Al-N. an einen in Jordanien befindlichen syrischen Oppositionspolitiker mit Kontakten zu Diplomatenkreisen. Ihm stellte er seine Kenntnisse über den Angeklagten zwecks Übergabe an deutsche Behörden zur Verfügung. Am 31. Dezember 2016 wurde der Angeklagte daraufhin festgenommen.
II.
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Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
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1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält - eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928; vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; vom 24. März 2015 - 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179, und vom 2. November 2017 - 3 StR 360/17 mwN) - rechtlicher Nachprüfung stand.
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a) Angesichts des Geständnisses des - im Übrigen in der Hauptverhandlung schweigenden - Angeklagten in seinem letzten Wort ("Ich wollte die betrügen und dann untertauchen") sowie der von der Strafkammer weiter aufgeführten Beweismittel auch zur inneren Tatseite begegnet es keinen durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht die insoweit ebenfalls geständige Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren lediglich zusammengefasst und an mehreren Stellen des Urteils wiedergegeben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1999 - 3 StR 231/99, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Einlassung 1; für den Fall eines Freispruchs Urteile vom 1. April 1992 - 2 StR 614/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 8, und vom 20. Februar 2013 - 1 StR 320/12, NZWiSt 2013, 230, 231). Soweit der Generalbundesanwalt die Mitteilung des genauen Wortlauts der Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren vermisst, wird dies von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die sachlich-rechtliche Überprüfung eines Urteils nicht gefordert. Hiervon abzuweichen besteht kein Anlass.
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b) Die Strafkammer ist der Einlassung des Angeklagten auch nicht kritiklos gefolgt. Vielmehr hat sie ausführlich dargelegt, dass die Ermittlungen keine Hinweise auf tatsächlich geplante Anschläge ergeben haben. Auch hat sie die anfängliche Behauptung des Angeklagten, er habe das Geld zur Finanzierung einer Operation seines kranken Vaters in Syrien benötigt, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise unter anderem aufgrund der Aussage seiner früheren Verlobten als widerlegt angesehen, er habe ihr Geschenke versprochen und angekündigt, nach Neujahr zu Geld zu kommen.
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c) Im Zusammenhang mit der Feststellung des Landgerichts, es sei kein Ereignis im Leben des Angeklagten zu verzeichnen, das eine radikale Abwendung insbesondere von der eigenen Familie erklärbar machen würde, lässt die Beweiswürdigung entgegen dem Revisionsvorbringen auch eine Auseinandersetzung mit der am 18. Dezember 2016 eingestellten Grafik nicht vermissen. Die Strafkammer hat sich darüber hinaus mit einem möglichen Hintergrund von Nachrichten einer nicht identifizierten Person namens "R. " auseinandergesetzt, die auf dem Mobiltelefon des Angeklagten nach seiner Festnahme eingingen und in denen ihm unter anderem angekündigt wurde, er werde es bereuen, wenn das Geld nicht da sei. Hierzu hat sie - rechtsfehlerfrei - ausgeführt, dass es angesichts der zahlreichen Personen, die von ihm in der Vergangenheit betrogen oder übervorteilt worden seien, ein naheliegendes Motiv für "R. " gäbe, den Angeklagten zu bedrohen, wenn dieser auch ihm Geld geschuldet hätte (UA S. 28).
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d) Auch gegen die vom Landgericht vorgenommene Gesamtschau der maßgeblichen Umstände insbesondere zur inneren Tatseite ist nichts zu erinnern. Seine daraus gezogenen Schlüsse sind als jedenfalls möglich revisionsrechtlich hinzunehmen.
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2. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen hat sich der Angeklagte nicht nach § 30 i.V.m. § 211 StGB strafbar gemacht.
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a) Eine versuchte Anstiftung des vermeintlichen IS-Kontaktmanns im Sinne von § 30 Abs. 1 StGB - etwa hinsichtlich einer mittäterschaftlichen Begehung von Terroranschlägen - würde voraussetzen, dass der Angeklagte auch hinsichtlich einer Vollendung dieser Taten zumindest mit Eventualvorsatz gehandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 101). Vorliegend wollte der Angeklagte, von dessen eigenem Verhalten die Verwirklichung des angeblichen Terrorplans abhing (vgl. zu diesem Aspekt Schünemann in LK, 12. Aufl., § 30 Rn. 21 f. und 63 mwN), dessen Durchführung hingegen gerade nicht.
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b) Es liegt auch kein Fall des § 30 Abs. 2 StGB vor.
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aa) Die bloße Kundgabe, ein Verbrechen begehen zu wollen, erfüllt den Tatbestand des § 30 Abs. 2 Var. 1 StGB nicht. Vielmehr muss die Erklärung darauf gerichtet sein, sich gegenüber dem Adressaten zu binden, sei es in Form der Annahme einer von diesem stammenden Aufforderung, sei es in Form eines aktiven Sicherbietens diesem gegenüber in der Erwartung, dass er dem Deliktsplan zustimmen werde. Diese beabsichtigte Selbstbindung macht es erforderlich, dass die Erklärung ernsthaft ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - StB 10/14, NStZ 2015, 455 mwN). Daran fehlt es hier.
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bb) Eine Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB setzt voraus, dass mindestens zwei Beteiligte tatsächlich zur Tatbegehung entschlossen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2017 - 3 StR 260/16, NJW 2017, 2134). Auch dies war nach den Feststellungen nicht der Fall.
III.
20
Da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund des Rechtsmittels des Angeklagten auch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat, ist seiner Revision ebenfalls der Erfolg zu versagen. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
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Das Landgericht hat die Tat zu Recht als versuchten Betrug zum Nachteil des IS gemäß § 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB gewertet. Es hat dabei den vom Vorsatz des Angeklagten erfassten Eintritt einer Schädigung des Vermögens der Terrororganisation als Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB angesehen und insoweit eine normative Einschränkung des Rechtsgüterschutzes abgelehnt. Diese Wertung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Vermögensbegriff (vgl. zuletzt BGH, Urteile vom 22. September 2016 - 2 StR 27/16, BGHSt 61, 263, 264, und vom 16. August 2017 - 2 StR 335/15 mwN). Allein der Gesetzeszweck des § 89c StGB, Geldzuflüsse an Terrororganisationen zu verhindern, gibt keinen Anlass, den Vermögensbegriff bei § 263 StGB einzuschränken. Abgesehen davon, dass § 89c StGB hier schon tatbestandlich nicht in Betracht kommt, hat sich der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Strafvorschrift entgegen dem Vorbringen der Staatsanwaltschaft mit der Frage der Reichweite des strafrechtlichen Vermögensschutzes nach § 263 StGB nicht befasst (vgl. BT-Drucks. 18/4087, S. 7). Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte allgemein kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen (vgl. BGH, Urteile vom 17. November 1955 - 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256 und vom 26. Oktober 1998 - 5 StR 746/97, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 42). Hieran hält der Senat fest.
Mutzbauer
Schneider
König
Berger
Mosbacher
Von Rechts wegen