15.05.2018 · IWW-Abrufnummer 201213
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 21.03.2018 – 3 Sa 398/17
Ein Zeitraum von weniger als zwei Arbeitstagen zur Abgabe einer Stellungnahme im Rahmen einer Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist in der Regel unangemessen kurz. Das gilt umso mehr, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, dass sich der Arbeitnehmer regelmäßig anwaltlich vertreten lässt und der Arbeitnehmer zudem arbeitsunfähig krank ist.
In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 21.03.2018 durch die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als
Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 31.08.2017 - 4 Ca 814 a/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren im Wesentlichen über Wirksamkeit einer Versetzung vom 20./28.06.2016 (1), einer fristgemäßen Änderungskündigung vom 28.06.2016 (2) sowie einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Verdachtskündigung vom 12.08.2016, die auf mehrere Gründe gestützt ist (3).
Der Kläger ist am ....1954 geboren. Er war seit dem 16.07.2012 als Entwicklungsingenieur bei der Beklagten beschäftigt und im Wesentlichen mit der Entwicklung neuer und der Fortentwicklung bestehender Produkte befasst. Sein Bruttomonatsentgelt belief sich zuletzt auf durchschnittlich 4.481,66 Euro. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Anstellungsvertrag vom 05.07.2012 (Bl. 7-12 d. A.) zugrunde. Gemäß § 2 Abs. 1
Satz 2 des Vertrags koordiniert der Kläger "als Verbindung zwischen hausinterner Produktentwicklung/Produktion und dem internationalen Vertrieb in Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung kundenspezifische innovative Anforderungen und Lösungen (Poolmanagement)". Nach Abs. 2 von § 2 ist die Beklagte berechtigt, dem Kläger "auch andere zumutbare Tätigkeiten zu übertragen oder ihn auf einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen". Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 gilt nach einjähriger Betriebszugehörigkeit eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende als vereinbart.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie mit etwa 50 Arbeitnehmern. Sie produziert Druck- und Funketiketten (RFID-Etiketten) und vertreibt diese.
Das Arbeitsverhältnis ist massiv belastet. Abgesehen von mehreren allgemeinen Rechtsstreiten stritten die Parteien bereits über zwei weitere Kündigungen. Am 30.09.2013 hatte der Kläger zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl eingeladen. Am selben Tag, nur wenige Stunden später, erhielt der Kläger eine fristgerechte Kündigung zum 31.12.2013 und wurde sofort freigestellt. Gegen diese Kündigung wandte er sich erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage (Arbeitsgericht Neumünster 2 Ca 1258 d/13 Urteil vom 24.04.2014 und Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 2 Sa 169/14 Urteil vom 10.03.2015).
Mit Schreiben vom 19.12.2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger erneut, diesmal zum 31.03.2015, dieses Mal aus betrieblichen Gründen. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang vorgebracht, es sei bereits im September 2013 der Entschluss gefasst worden, den Bereich Forschung und Entwicklung stillzulegen. Auch gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger in zweiter Instanz erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 6 Sa 415/15 - Urteil vom 09.03.2016), u.a. weil die Beklagte schon die unternehmerische Entscheidung über die Streichung des Bereichs Forschung und Entwicklung nicht substantiiert dargelegt hatte.
Die Beklagte führte im Anschluss daran mit dem Kläger diverse Gespräche über einen anderen Einsatz. Sie wies ihm am 20.06.2016 mündlich mit sofortiger Wirkung eine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern zu. Gearbeitet werden sollte vom Home-Office aus. Unter dem 21.06.2016 übergab die Beklagte dem Kläger einen Laptop der Marke HP Probook mit 4 GB RAM, 500 GB Festplatte (Übergabeschein Bl. 166/167 d. A.). Die Seriennummer ist in diesem Übergabeschein nicht vermerkt. Der Kläger wurde am 22.06.2016 arbeitsunfähig krank.
Mit Schreiben vom 28.06.2016 versetzte die Beklagte den Kläger nach Beteiligung des Betriebsrates (vom 24.05.2016, Bl. 129 d. A.) in den Vertriebsaußendienst in Mecklenburg-Vorpommern. Daneben sprach sie unter demselben Datum eine Änderungskündigung zum 30.09.2016 aus, nachdem sie den Betriebsrat am 17.06.2016 entsprechend unterrichtet hatte (Bl. 143 - 146 d. A.). Das Änderungsangebot hat der Kläger nicht angenommen.
Am 25.07.2016 oder 26.07.2016 meldete die Firewall der Beklagten, dass über den dem Kläger zur Verfügung gestellten Laptop größere Datenmengen, insgesamt 8 GB, vom Server der Beklagten heruntergeladen wurden, unter anderem Handbücher, Betriebsvereinbarungen Marketingplanungen etc. (Bl. 87/88 d. A.). Unstreitig standen diese Daten dem Kläger zur Verfügung - ob er sie für seine Arbeitsaufgaben benötigte, ist zwischen den Parteien streitig. Dem Systemadministrator der Beklagten, Herrn R., fiel die Meldung am 29.07.2016 auf. Er sperrte daraufhin dem Kläger zu diesem Zeitpunkt aus Sicherheitsgründen den Zugang.
Am 01.08.2016 wurde der immer noch arbeitsunfähige Kläger mit dem Hinweis auf "Systemprobleme" um Herausgabe des Laptops gebeten (Bl.168 d. A.). Der Kläger kam dem, entgegen ausdrücklicher Anweisung, erst am 03.08.2016 per Postversand nach. Der Laptop ging bei der Beklagten am 04.08.2016 ein. Ob er beschädigt war, ist zwischen den Parteien streitig (Fotoserie Bl. 174-185 d. A.).
Die Beklagte stellte bei der Inaugenscheinnahme des Laptops fest, dass die Festplattennummer des übersandten Laptops nicht derjenigen entsprach, die der Laptop hätte haben sollen. Die übersandte Festplatte trug die Nr. TF050... . Die Seriennummer des Geräts lautete CNU35... . Vom Kläger zurückgesandt wurde Hardware mit der Seriennummer CNU40... sowie eine Festplatte mit der Nr. Z376C... (Bl. 90, 294 d. A.).
Ein Inventarscan ergab, dass mit diesem Laptop größere Mengen Daten heruntergeladen worden waren. Die Beklagte erstattete daraufhin noch am selben Tag Strafanzeige gegen den Kläger unter allen möglichen Gesichtspunkten. Daneben äußerte sie den Verdacht, der Kläger habe die Festplatten ausgetauscht und ihre Daten missbraucht. Ferner hatte sie den Verdacht, der Kläger habe durch das Herunterladen der Dateien während der Arbeitsunfähigkeit eine Pflichtverletzung begangen und die (richtige) Hardware unterschlagen, da nicht zurückgegeben.
Mit Schreiben vom 04.08.2016 forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf eine beabsichtigte außerordentliche Verdachtskündigung auf, zu dem Verdacht Stellung zu nehmen bis zum 08.08.2016 (Bl. 192-193 d. A.). Wann dieses Schreiben zuging, ist zwischen den Parteien streitig. Der arbeitsunfähige Kläger hielt sich jedenfalls zu der Zeit in Berlin auf und äußerte sich nicht. Mit Schreiben vom 08.08.2016 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung an (Bl. 53-59 d. A.). Am 12.08.2016 sprach die Beklagte eine fristlose Kündigung aus. Das Kündigungsschreiben wurde am selben Tag in den sich in der Haustür des Klägers befindlichen Briefschlitz geschoben (Bl. 87; 299 d.
A.). Ob es dem Kläger an diesem Tag zuging, ist zwischen den Parteien streitig; der Kläger behauptet einen Zugang erst am 13.08.2016.
Der Kläger hat stets die Ansicht vertreten, die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt, die Versetzung sowie die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung rechtswidrig. Die Versetzung sei rechtswidrig, da die Arbeitsplätze nicht vergleichbar und deshalb vom Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht gedeckt seien. Die Existenz einer unternehmerischen Entscheidung und die tatsächliche Schließung der Abteilung im Jahr 2013 werde weiterhin bestritten, so dass auch die Änderungskündigung unwirksam sei. Die Entwicklungsabteilung sei lediglich in "Kompetenzzentrum Labor" umbenannt worden. Die Beklagte sei mit diesem Kündigungsgrund zudem präkludiert. Die unternehmerische Entscheidung aus dem Jahr 2013 war bereits Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses zum Az. 6 Sa 415/15 (Bl. 304-314 d. A.) in dem das Landesarbeitsgericht rechtskräftig festgestellt habe, dass diese unternehmerische Entscheidung als Kündigungsgrund nicht tauge.
Die fristlose Kündigung vom 12.08.2016 sei rechtswidrig. Er, der Kläger, sei zwar arbeitsunfähig gewesen, was aber nicht heiße, dass er sich auf die angedachte neue Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter nicht habe vorbereiten dürfen. Er habe nur die zur Verfügung gestellten Daten heruntergeladen, um in Ruhe offline prüfen zu können, was er bräuchte. Die Offline-Arbeit sei wegen häufiger Störungen in der Datenverbindung auch erforderlich gewesen. Der Zugriff auf die Daten sei ihm, das ist unstreitig, nicht untersagt worden. Das Herunterladen habe auch bereits am 26.07. aufgefallen sein müssen, so dass die 2-Wochen-Frist zum Ausspruch der fristlosen Kündigung nicht eingehalten sei. Wiederholungsgefahr habe daneben zu keinem Zeitpunkt bestanden. Die Beklagte habe den Zugang des Klägers gesperrt und damit Entsprechendes direkt unterbunden. Den Vorwurf des Austauschens der Festplatte habe er lange nicht verstanden. Er habe erst später festgestellt, dass er versehentlich den falschen Laptop an die Beklagte zurückgesandt habe. Das habe die Beklagte ohne Weiteres durch Abgleich der Seriennummern feststellen können. Er sei vor Ausspruch der Verdachtskündigung auch nicht ordnungsgemäß angehört worden, da er zum Zeitpunkt der Anhörung arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Jedenfalls aber sei die gewählte Frist von drei Tagen zur Anhörung zu kurz. Daneben hat der Kläger gerügt, die Betriebsratsanhörungen seien fehlerhaft.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Die Beklagte war stets der Ansicht, alle ihre gegen den Kläger unternommenen rechtlichen Schritte seien rechtmäßig.
Die Versetzung sei von ihrem Direktionsrecht gedeckt. Die angebotene Tätigkeit im Außendienst sei aufgrund der Verstärkung des Vertriebs verbunden mit Neukundenakquise ein vergleichbarer Arbeitsplatz, wovon auch der Kläger im vorangegangenen Prozess beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (6 Sa 415/15 vom 09.03.2016, Bl. 103-113 R d. A.) im Rahmen der Sozialauswahl ausgegangen sei. Aufgrund der Versetzungsklausel habe die Beklagte freien Handlungsspielraum. Der Vertriebsaußendienst entspreche dem Berufsbild eines Entwicklungsingenieurs (Bl. 78/79, 265 d. A.).
Jedenfalls sei aber die entsprechende Änderungskündigung durch dringende betriebliche Gründe sozial gerechtfertigt. Die Abteilung Forschung und Entwicklung sei auf Grund unternehmerischer Entscheidung zum 30.09.2013 entfallen; die Aufgaben des Klägers seien hierdurch weggefallen (Bl. 282-284 d. A.). Sie habe sich auch darauf beschränkt, dem Kläger nur solche Änderungen vorzuschlagen, die dieser billigerweise habe hinnehmen müssen. Die Sozialauswahl (im Einzelnen: Bl. 285 d. A.) sei nicht zu beanstanden. Mit Schriftsatz vom 01.06.2017 hat die Beklagte erstmals vorgebracht, es habe am 17.05.2016 ein Teammeeting gegeben, auf dem die ursprüngliche unternehmerische Entscheidung zum Wegfall der Abteilung Forschung und Entwicklung aus dem Jahr 2013 bestätigt worden sei. Das stelle rechtlich eine neue unternehmerische Entscheidung dar, denn die Beklagte habe mit dem neuen Geschäftsführer Dr. Sp. dort entschieden, dass die Forschungs- und Entwicklungsabteilung geschlossen bleibe, was zum Wegfall der überwiegenden Tätigkeit des Klägers geführt habe.
Die Beklagte hat weiter behauptet, die fristlose Verdachtskündigung sei gerechtfertigt. Wichtiger Grund, der ein Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist unmöglich machte, sei der Verdacht, dass der Kläger die Festplatte ausgetauscht, die Daten missbraucht und die richtige Hardware nicht zurückgegeben (unterschlagen) habe. Die heruntergeladenen Daten habe der Kläger für seine Arbeit nicht benötigt und sich der "richtigen" Festplatte bemächtigt. Der Kläger habe sich zu dem Anhörungsschreiben vom 04.08.2016 nicht geäußert. Der Kläger habe die Herausgabe verzögert und den falschen Laptop herausgegeben. Ein forensisches Gutachten habe daneben ergeben, dass der Kläger auch in der Zeit, in der er den Laptop der Beklagten noch gar nicht "gefunden" habe, tatsächlich genutzt habe, nämlich am 06.08., 11.08. und 12.11.2016.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.08.2017 der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen dieses der Beklagten am 11.09.2017 zugestellte Urteil hat sie am 04.09.2017 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung innerhalb der Frist am 11.12.2017 begründet wurde.
Die Beklagte wiederholt im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie beantragt,
Der Kläger beantragt,
Er hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie Protokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung ist in Bezug auf das ausgeurteilte Zwischenzeugnis unzulässig, da hierzu entgegen § 66 ArbGG keinerlei Berufungsbegründung vorliegt.
B. Im Übrigen ist die Berufung zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist insoweit auch begründet worden.
C. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Mit ausreichender und zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht allen Anträgen des Klägers stattgegeben. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Urteilsbegründung verwiesen (§ 69 Abs. II ArbGG). Lediglich ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
1. Die Versetzung ist rechtswidrig. Sie ist weder durch das Direktionsrecht noch durch die Versetzungsklausel gedeckt.
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Versetzungsklausel überhaupt der Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegt, weil sie inhaltlich lediglich die Vorgaben des § 106 GewO enthält (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 24.02.2016 - 2 Sa 51/15 -, juris; Hessisches LAG v. 24.06.2014 - 8 Sa 1216/13, juris).
b) Die Beklagte hat dem Kläger eine gänzlich andere Tätigkeit zugewiesen als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit eines Entwicklungsingenieurs. Die Vertriebstätigkeit ist auf Akquisition von Kunden und Erhalt des Kundenstamms gerichtet (vgl. Stellenbeschreibung), während ein Entwicklungsingenieur die Produkte der Beklagten innovativ fortentwickelt.
c) Die nach § 2 Ziff. 2 des Arbeitsvertrags erfolgte Versetzung entspricht auch bereits deshalb nicht mehr billigem Ermessen gemäß § 106 GewO i.V.m. § 315 BGB, weil mit ihr eine nachhaltige Änderung der Vergütung (erfolgsabhängige Vergütung anstelle eines Festgehalts) einhergeht. Zudem ist die zugewiesene Tätigkeit im Außendienst (Vertriebstätigkeit) nicht zumutbar. Zumutbar sind nur solche Tätigkeiten, die auch gleichwertig sind. An dieser Voraussetzung fehlt es schon deshalb, weil es zumindest während der ersten drei Monate (Festgehalt) zu einer Gehaltskürzung kommt und der Kläger nicht mehr direkt der Geschäftsleitung unterstellt ist.
d) Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger in dem Vorprozess die dort rechtshängige Kündigung mit dem Argument der fehlerhaften Sozialauswahl angegriffen hat. Dem in Bezug genommenen Schriftsatz des Klägers vom 05.08.2015 (3 Ca 18 b/15) kann nicht entnommen werden, dass sich der Kläger mit allen Mitarbeitern des Außendienstes vergleichbar erachtete, sondern nur mit dem Mitarbeiter F. (Vertriebsleiter). Ungeachtet dessen kommt es vorliegend auf die objektive Zumutbarkeit/Vergleichbarkeit der Versetzung und nicht das taktische Prozessverhalten des Klägers im Vorprozess an.
2. Die Änderungskündigung ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne der §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG.
a) Die Beklagte begründet die Änderungskündigung mit einem Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers nach unternehmerischer Entscheidung zur Schließung der Entwicklungsabteilung per 30.09.2013; seit dem 01.10.2013 werde der Bereich Forschung und Entwicklung nicht mehr fortgeführt.
b) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Unternehmerentscheidung von September 2013 berufen, die Abteilung Forschung und Entwicklung stillzulegen. Diese Unternehmerentscheidung bzw. dieser Kündigungsgrund war bereits Gegenstand der Kündigung vom 19.12.2014 (6 Sa 415/15). Mit einer Wiederholung dieser Gründe zur Stützung einer späteren Kündigung ist die Beklagte ausgeschlossen, sofern materiell-rechtlich die Sozialwidrigkeit der vorherigen Kündigung durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde (BAG v. 20.12.2012 - 2 AZR 867/11 -, juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 13.06.2016 - 3 Sa 24/16 -, juris). Dies ist hier der Fall. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der neue Geschäftsführer der Beklagten auf einem Teammeeting im Mai 2016 eine "neue, ergänzende" Unternehmerentscheidung dahingehend getroffen hat, dass es bei der Stilllegung der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bleibt. Hierbei handelt es sich ersichtlich nicht um eine Unternehmerentscheidung, die auf eine Änderung der innerbetrieblichen Strukturen gerichtet ist und somit zum Wegfall des klägerischen Arbeitsplatzes führt. Das Gegenteil ist der Fall: es soll danach bei der bereits 2013 beschlossenen Schließung bleiben. Dieser Kündigungsgrund kann aber nicht mehr zur sozialen Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung vom 28.06.2016 herangezogen werden (unzulässige Wiederholungskündigung).
c) Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß im Sinne des § 102 BetrVG war.
3. Für die fristlose Kündigung vom 12.08.2016 lag kein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vor, der zum Ausspruch einer Verdachtskündigung berechtigte (Unterschlagung eines Laptops bzw. widerrechtlicher Austausch einer Festplatte und Verdacht eines geschehenen oder bevorstehenden Datenmissbrauchs). Die Beklagte hat den Kläger nicht ordnungsgemäß angehört.
a) Voraussetzung für die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ist ein dringender, auf objektive Tatsachen gestützter Verdacht, der so beschaffen sein muss, dass er einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen kann. Das heißt, es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat oder die Pflichtverletzung begangen hat (ständige Rechtsprechung, ErfKom. - MüllerGlöge/Niemann, § 626 BGB, Rz 173-178 m.w.N).
b) Die Verdachtskündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber mit der gebotenen Zügigkeit alles Zumutbare zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung unternimmt und sich sodann (immer noch) der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung aufdrängt. Hierzu zählt insbesondere auch die Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers, um diesem die Gelegenheit zu geben, etwaige Missverständnisse auszuräumen oder Rechtfertigungsgründe zu benennen. Die Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung (ErfKom. § 626 BGB, Rz. 178 c). Für sie besteht eine Regelfrist von einer Woche (ErfKom.- a.a.O, Rz. 178).
c) Vorliegend ist bereits streitig, wann das Anhörungsschreiben vom 04.08.2016 in den Machtbereich des Klägers gelangt ist. Nach dem wiederholt wechselnden Vortrag der Beklagten in ihrem letzten Schriftsatz vom 09.03.2018 wollen die Geschäftsführer es am Donnerstagabend, den 04.08.2016 um 18:54 Uhr in die Postempfangseinrichtung des Klägers eingeworfen haben.
Die konkrete Einwurfuhrzeit kann dahingestellt bleiben. Zwischen behaupteter Übermittlung und Fristende (08.08.2016, 13:00 Uhr) lagen nach dem eigenen letzten Vorbringen der Beklagten nicht einmal zwei volle Arbeitstage (Freitag und Montag). Angesichts des Umstands, dass sich die Parteien bereits anderweitig in vertraglichen und auch gerichtlichen Auseinandersetzungen befanden, in welchen sich der Kläger stets anwaltlich vertreten ließ, ist die zur Stellungnahme gesetzte Frist bis Montagmittag, 08.08.2016, vorliegend in jeder Hinsicht unangemessen kurz. Dies gilt umso mehr, als dass die Beklagte das Anhörungsschreiben nicht zugleich dem Prozessbevollmächtigten des Klägers - ggf. auch per Fax - zusandte. Außerdem wusste sie, dass der Kläger arbeitsunfähig krank war. Sie musste somit damit rechnen, dass sich dieser gerade nicht durchgängig zu Hause aufhält. In einer ordnungsgemäßen Anhörung hätte aufgeklärt werden können, dass der Kläger der Beklagten - was mittlerweile unstreitig ist - den falschen Laptop zurückgesandt hatte.
d) Soweit die fristlose Kündigung auf den Verdacht gestützt wurde, der Kläger habe die heruntergeladenen Daten missbraucht bzw. beabsichtige es, sie zu missbrauchen, ist dieser Verdacht der Beklagten durch nichts belegt. Es handelt sich - bis heute - um eine reine Spekulation und Unterstellung. Der Annahme der Beklagten fehlt jegliche Tatsachengrundlage.
e) Die Beklagte stützt die fristlose Kündigung auch darauf, dass der Kläger sich hartnäckig geweigert habe, den Laptop zurückzugeben. Insoweit handelt es sich um eine Tatkündigung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger im bestehenden Arbeitsverhältnis während der Krankheit verpflichtet war, den als Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellten Laptop zurückzugeben. Unstreitig hat der Kläger sich gerade nicht geweigert, den Laptop zurückzugeben. Das belegt die Zusendung des - wenn auch zunächst falschen - Laptops. Im Übrigen ist der von der Beklagten zur Akte gereichten Mailkorrespondenz zum Thema "Rückgabe des Computers", die zwischen dem Kläger und dem IT-Projektmanagement der Beklagten am 01.08.2016 und am 02.08.2016 geführt wurde, ausdrücklich zu entnehmen, dass sich der Kläger zu keinem Zeitpunkt geweigert hat (Anlage B 22 - B 25, Bl. 169 bis 172 d.A.). Geringfügige Abweichungen bzgl. der zeitlichen Angaben sind ebenso wenig geeignet, eine fristlose oder auch fristgerechte Kündigung zu rechtfertigen, wie die Wahl einer anderen Übermittlungsart, als ein Arbeitgeber wünscht.
f) Da die ordnungsgemäße Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung auch Wirksamkeitsvoraussetzung für eine fristgerechte Kündigung ist, ist auch der zeitgleich auf die o.g. Verdachtsmomente gestützten hilfsweise ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung der Erfolg versagt.
4. Aus den genannten Gründen war die Berufung unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.
Verkündet am 21.03.2018