01.10.2018 · IWW-Abrufnummer 204619
Landgericht Stade: Beschluss vom 04.07.2018 – 132 Qs 88/18
Die Beschwerde vom 21. Juni 2018 gegen den die Fahrerlaubnis entziehenden Beschluss des Amtsgerichts Tostedt vom 22. Mai 2018 (Aktenzeichen 2 Ds 112 Js 13902/18) wird auf Kosten des Beschwerdeführers, der auch seine notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren zu tragen hat, als unbegründet verworfen.
LG Stade
Beschluss vom 04.07.2018
132 Qs 112 Js 13902/18 (88/18)
Gründe
I.
Der
Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorläufige Entziehung seiner
Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme seines Führerscheins.
Die
Staatsanwaltschaft Stade erhob am 8. Mai 2018 Anklage gegen den
Beschwerdeführer. Ihm wird zur Last gelegt, am 16. Januar 2018 in
Hollenstedt vorsätzlich im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und
rücksichtslos an unübersichtlichen Stellen zu schnell gefahren zu sein
und an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn
eingehalten zu haben und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines
anderen Menschen und fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet zu
haben, sich im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer nicht mit
angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos
fortbewegt zu haben, um eine größtmögliche Geschwindigkeit zu erreichen
und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen und Sachen
von bedeutendem Wert gefährdet zu haben, und durch Fahrlässigkeit die
Körperverletzung einer anderen Person verursacht zu haben.
Mit dem angegriffenen Beschluss entzog das Amtsgericht Tostedt dem Beschuldigten vorläufig die Fahrerlaubnis.
Hiergegen
legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Dieser half das Amtsgericht
Tostedt mit Beschluss vom 22. Juni 2018 nicht ab und legte die Akten dem
Landgericht über die Staatsanwaltschaft zur Entscheidung vor.
II.
Das
Amtsgericht hat dem Beschwerdeführer zu Recht seine Fahrerlaubnis
entzogen und die Beschlagnahme seines Führerscheins angeordnet.
Einem
Beschuldigten kann bereits im Ermittlungsverfahren die Fahrerlaubnis
vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme
vorhanden sind, dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 111a
Abs. 1 Satz 1 StPO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Die
Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat, die im Zusammenhang mit
dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen wird, zieht die Entziehung der
Fahrerlaubnis nach sich, wenn sich aus der Tat ergibt, dass der
Beschuldigte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist (§ 69 Abs. 1
Satz 1 StGB). Handelt es sich um ein Vergehen der Gefährdung des
Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB, so stellt die Entziehung der
Fahrerlaubnis den Regelfall dar (§ 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB). So liegt es
hier.
Der dringende Tatverdacht ergibt sich
insbesondere aus den überzeugenden und schlüssigen Angaben der Zeugen S
und K sowie der Zeuginnen H und T. Der Zeuge S hat ausgesagt, dass der
Beschwerdeführer auf der M Straße zunächst einen Sprinter überholt habe.
Der Beschwerdeführer sei mit seinem Fahrzeug aber nicht zwischen dem
überholten Sprinter und seinem Fahrzeug eingeschert, sondern habe auch
ihn überholt. Die Fahrzeuge hätten sich bereits kurz vor einer Kurve
befunden. Als sich der Beschwerdeführer auf der Höhe seines Fahrzeugs
befunden habe, sei Gegenverkehr gekommen. Er habe eine Vollbremsung
eingeleitet und der Beschwerdeführer sei mit den entgegenkommenden
Fahrzeugen kollidiert. Die Zeugin H hat übereinstimmend bekundet, dass
sich die Fahrzeuge des Beschwerdeführers und des Zeugen S bereits kurz
vor einer Kurve befunden hätten, als der Beschwerdeführer den Zeugen S
überholt habe. Auch der Zeugen K und die Zeugin T haben angegeben, dass
der Beschwerdeführer das Fahrzeug des Zeugen S im Bereich einer Kurve
überholt habe.
Die Kammer hat bei der gebotenen vorläufigen Betrachtung keinerlei Anlass an der Richtigkeit der Angaben der Zeugen zu zweifeln.
In
Anbetracht dieser Umstände besteht derzeit eine hohe
Wahrscheinlichkeit, dass dem Verdacht entsprechende Feststellungen in
Bezug auf eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2,
Abs. 3 Nr. 1 StGB getroffen werden können, sodass die Entziehung der
Fahrerlaubnis gemäß § 111a Abs. 1 StPO erforderlich und im Übrigen auch
verhältnismäßig ist.
Nach vorläufiger Bewertung
hat der Beschwerdeführer allerdings den Tatbestand des verbotenen
Kraftfahrzeugrennens gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht verwirklicht.
Die Tathandlung muss von der Absicht getragen sein, eine „höchstmögliche
Geschwindigkeit“ zu erreichen (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 65. Aufl.
2018, § 315d, Rn. 16). Diese Tatbestandsvoraussetzung soll insbesondere
dem Erfordernis des Renncharakters gerecht werden. Hingegen sollen
bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen – auch wenn sie erheblich sind –
nicht von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB umfasst sein (vgl. BT-Drs. 18/12964,
S. 6; Burmann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht,
25. Aufl. 2018, § 315d, Rn. 9 – beck-online). Strafbar soll sein, wer
„objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt“ (vgl.
BT-Drs. 18/12936, S. 2). Nach Auffassung der Kammer dient der
Kraftfahrzeugverkehr und ein Überholvorgang regelmäßig dem „möglichst“
schnellen Vorankommen (vgl. auch Fischer, Strafgesetzbuch, 65. Aufl.
2018, § 315d, Rn. 18), sodass für die Verwirklichung des
Straftatbestandes des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zum bloßen zügigen
Überholen ein Fahren mit Renncharakter hinzukommen muss. Ein
Renncharakter ist gegeben, wenn der Fahrer sein Fahrzeug bis an die
technischen und physikalischen Grenzen ausfährt. Hierfür sieht die
Kammer nach vorläufiger Würdigung des Akteninhalts keine ausreichenden
Anhaltspunkte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.