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30.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208577

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 19.03.2019 – 16 U 57/18

Weicht ein Radfahrer wegen eines entgegenkommenden PKW von dem befestigten Radweg auf den unbefestigten Seitenstreifen aus und stürzt er beim Wiederauffahren auf den Radweg, ist der Unfall der Betriebsgefahr des PKW zuzurechnen.


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urt. v. 19.03.2019


Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 2 sowie die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hanau vom 20. Februar 2018, Az. 1 O 363/17, werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 12.436,55 € festgesetzt (Berufung der Beklagten zu 2: 6.138,27 €; Anschlussberufung des Klägers: 6.298,28 €).

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls auf Zahlung von Schmerzensgeld, Schadensersatz, Feststellung der künftigen Ersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Bei dem Verkehrsunfall, der sich am 22. Juni 2016 ereignete, befuhr der Kläger mit seinem Fahrrad einen ca. 2 m breiten Radweg. Die Beklagte zu 1 kam ihm mit einem bei der Beklagten zu 2 versicherten Marke1 Typ1 entgegen. Die beiden Verkehrsteilnehmer fuhren ohne Berührung aneinander vorbei. Unmittelbar danach stürzte der Kläger vom Fahrrad und zog sich Verletzungen zu. Der Unfallhergang im Übrigen ist streitig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 141 bis 142 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers und der Beklagten zu 1 sowie nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen und der Klage gegen die Beklagte zu 2 unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers überwiegend stattgegeben. Zum Grund der Haftung hat es die Auffassung vertreten, dass sich der Unfall bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeugs ereignet habe.

Der Unfall habe sich im nahen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Passiervorgang der Fahrzeuge ereignet. Das Gericht sei davon überzeugt, dass der Sturz des Klägers auf einer wegen des herannahenden PKW als notwendig erachteten - möglicherweise nicht zwingend nötigen - Ausweichbewegung beruhe. Der Kläger habe den Hergang plausibel so geschildert, dass er wegen der auf den Radweg herannahenden Beklagten nach rechts auf den unbefestigten Seitenstreifen ausgewichen und beim Wiederhochfahren auf den geteerten Radweg gestürzt sei. Das sei ohne weiteres in Einklang zu bringen mit der Schilderung der Beklagten zu 1, dass sie schon ein ganzes Stück weiter gefahren sei, als sie das scheppernde Geräusch und im Rückspiegel den auf dem Radweg liegenden Kläger wahrgenommen habe.

Weil der Radweg 2 bis 2,5 m breit und ein Marke1 Typ1 rund 1,75 m breit sei, sei offensichtlich, dass sich die schiere Masse und Größe des Kfz auf den Geschehensablauf ausgewirkt habe. Insoweit habe sich die typische Betriebsgefahr des Kfz realisiert. Bei dem Betrieb eines Kfz geschehen sei ein Unfall auch dann, wenn er unmittelbar durch das Verhalten des Verletzten ausgelöst werde, dieses aber in zurechenbarer Weise durch das Kfz des Inanspruchgenommenen (mit-) veranlasst worden sei.

Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs Marke1 Typ1 gerate nicht wegen höherer Gefahr oder schweren Mitverschuldens des Klägers in Wegfall. Die Einzelheiten des Unfallhergangs seien streitig. Die Darstellung des Unfallhergangs durch die unfallbeteiligten Personen habe keine Klärung des genauen Ablaufs ergeben.

Ein betriebsgefahrerhöhendes Verschulden der Beklagten zu 1 stehe ebenfalls nicht fest. Der Kläger sei für ein Verschulden der Beklagten zu 1 beweisfällig geblieben.

Der Anspruch des Klägers sei um 50 % zu kürzen, weil den Kläger ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe. Der Kläger hätte, anstatt dem Kfz auszuweichen, sein Rad anhalten und den Typ1 passieren lassen können. Jedenfalls hätte er nach dem Ausweichen ganz vorsichtig wieder auf die Fahrbahn des Radwegs auffahren, ggfls. dazu auch absteigen und das Rad auf den Radweg zurück schieben müssen. Die Abwägung des Fahrfehlers mit der Betriebsgefahr des Fahrzeugs führe zu einer hälftigen Haftungsverteilung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 143 bis 148 d.A. verwiesen.

Dagegen wendet sich die Beklagte zu 2 mit ihrer Berufung. Sie rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung und falsche Beweiswürdigung.

Im entscheidenden Detail sei der Schadenshergang nicht unstreitig. Es sei bestritten, dass der Kläger wegen der auf dem Radweg mit einem PKW herannahenden Beklagten zu 1 nach rechts auf den dort unbefestigten Seitenstreifen ins Grüne ausgewichen sei. Es stehe damit nicht fest, dass der PKW der Beklagten zu 1 ein Lenk- bzw. Ausweichmanöver des Radfahrers ausgelöst habe. Die Beklagte zu 1 habe anlässlich ihrer persönlichen Anhörung angegeben, dass die Parteien problemlos aneinander vorbei gefahren seien.

Zudem habe sich der Sturz nach dem Klägervortrag nicht bei dem Ausweichmanöver vom Radweg auf den Seitenstreifen, sondern beim Zurückfahren von der Wiese auf den Radweg ereignet. Sturzauslösend sei damit nicht ein etwaiges Ausweichmanöver vom Radweg auf den Seitenstreifen gewesen, sondern der Sturz sei auf einen eigenen Kausalverlauf zurückzuführen, den der Kläger selbst in Gang gesetzt habe, indem er nicht sorgfältig genug auf den Radweg aufgefahren sei. Das Fahrverhalten der Beklagten zu 1 habe den Kläger nicht veranlasst, irgendwann später an irgendeiner Stelle unvorsichtig zu versuchen, mit dem Rad vom Grünstreifen auf den Radweg zu gelangen.

Schließlich sei das Eigenverschulden des Klägers so hoch, dass dahinter selbst eine Mithaftung der Beklagten zu 2 vollständig zurücktrete.

Die Beklagte zu 2 beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hanau vom 20. Februar 2018, Az. 1 O 363/17, gegen die Beklagte zu 2 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt er,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und entsprechend den Anträgen aus der ersten Instanz wie folgt zu entscheiden:

a)

die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29. März 2017 zu zahlen;

b)

die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 436,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29. März 2017 zu zahlen;

c)

es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, sämtliche dem Kläger entstandenen und noch entstehenden immateriellen und materiellen Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 22. Juni 2016 zu erstatten, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen;

d)

die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte zu 2 beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Das Landgericht habe die Unfallbeteiligten informatorisch angehört. Die Beweiswürdigung sei nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht sei an die im Tatbestand als unstreitig angeführte Tatsache gebunden, dass der Kläger unmittelbar nach dem berührungslosen Vorbeifahren der Verkehrsteilnehmer gestützt sei. Er, der Kläger, habe sachdienliche Angaben zum Fahrverhalten der Beteiligten und zum zeitlichen und örtlichen Ablauf des Sturzes gemacht, während die Beklagte zu 1 keine ergiebigen Angaben gemacht habe.

Die Fahrweise der Beklagten zu 1 habe zur Entstehung des Unfalls beigetragen. Denn wenn der Kläger nicht auf den Grünstreifen hätte ausweichen müssen, hätte er von diesem später nicht wieder herunterfahren müssen.

Zu seiner Anschlussberufung moniert der Kläger, das Landgericht hätte auf eine 100 %-ige Haftung der Beklagten zu 2 erkennen müssen. Zum einen sei die Betriebsgefahr des von der Beklagten zu 1 gefahrenen PKW zu berücksichtigen. Das Landgericht habe dem Kläger aufgrund unterschiedlicher Sachverhaltsschilderungen auch kein verkehrswidriges Verhalten nachweisen können. Zum anderen seien die Angaben der Beklagten zu 1 in der informatorischen Anhörung unergiebig gewesen. Aufgrund dessen könne lediglich die Schilderung des Klägers zur Ermittlung des Sachverhalts herangezogen werden. Danach sei die Beklagte zu 1 zu schnell mitten auf dem Radweg gefahren.

Die Beklagte zu 2 verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Parteien vom 27. April 2018, 18. Mai 2018, 2. Juli 2018 und 13. Juli 2018 Bezug genommen.

II.

Sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung sind zulässig, haben aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Berufung der Beklagten zu 2

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2 einen Anspruch aus §§ 7, 11 StVG, Art. 34 GG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, auf Zahlung von Schadensersatz, auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten zu 2 und auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils in tenorierter Höhe.

a) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger trotz des Umstands, dass es sich um einen berührungslosen Unfall gehandelt hat, gemäß § 7 Abs. 1 StVG bei dem Betrieb des durch die Beklagte zu 1 gefahrenen, von der Stadt1 gehaltenen und bei der Beklagten zu 2 versicherten Fahrzeugs verletzt worden ist.

aa) Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass der Kläger wegen der auf dem Radweg in dem PKW herannahenden Beklagten zu 1 nach rechts auf den unbefestigten Seitenstreifen ausgewichen ist. Das Landgericht ist der insoweit in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Darstellung des Klägers gefolgt, die dieser bei seiner persönlichen Anhörung zu dem Geschehen gemacht hat. Dies ist auch unter Berücksichtigung der Angaben der Beklagten zu 1 in ihrer persönlichen Anhörung nicht zu beanstanden. Denn die Beklagte zu 1 hat nicht - wie in der Berufung vorgetragen - angegeben, dass beide Parteien problemlos aneinander vorbei gefahren seien. Vielmehr hat sie ausweislich des Protokolls über ihre Anhörung lediglich ihren Eindruck geschildert, dass der Kläger ganz problemlos auf dem Radweg bleibend hätte vorbeifahren können; sie konnte jedoch weder angeben, wieviel Zentimeter dem Kläger auf dem asphaltierten Radweg zum Passieren zur Verfügung standen, noch sich daran erinnern, ob der Kläger tatsächlich auf dem Radweg oder auf dem Seitenstreifen vorbeifuhr. Von daher waren ihre Angaben zur Frage des Ausweichens des Klägers auf den Seitenstreifen unergiebig, so dass das Landgericht seinen Feststellungen die nachvollziehbare Darstellung des Klägers zugrunde legen durfte. Zudem besteht aufgrund der Unergiebigkeit der Angaben kein Anlass, die Beklagte zu 1 in der Berufung zu einem Ausweichen des Klägers als Zeugin zu vernehmen.

bb) Der - berührungslose - Unfall ist auch bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 2 versicherten Kfz erfolgt.

(1) Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensereignis in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist. Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden (BGH, Urteil vom 22.11.2016, VI ZR 533/15, Rn. 11, juris). "Bei dem Betrieb" des betreffenden Kraftfahrzeugs geschehen ist ein Unfall auch dann, wenn er unmittelbar durch das Verhalten des Verletzen ausgelöst wird, dieses aber in zurechenbarer Weise durch das Kraftfahrzeug des Inanspruchgenommenen (mit-) veranlasst ist, d.h. das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat (BGH, Urteil vom 19.4.1988, VI ZR 96/87, Rn. 7; BGH, aaO., Rn. 14). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof angenommen, in zurechenbarer Weise durch ein Kraftfahrzeug (mit-) veranlasst sei ein Unfall bei seinem Herannahen an entgegenkommenden Fahrradverkehr, wenn der Verkehrsraum zu eng zu werden drohe und der Fahrradfahrer bei einem Ausweichmanöver stürze (BGH, Urteil vom 19.4.1988, aaO., Rn. 9).

(2) Allerdings ist der Kläger nicht bei dem Ausweichen auf den unbefestigten Seitenstreifen, sondern beim Wiederauffahren auf den befestigten Radweg nach Passieren des Fahrzeugs zu Fall gekommen. Zwar war zu diesem Zeitpunkt die eigentliche Gefahr - nämlich einer Kollision mit dem von der Beklagten zu 1 geführten Kfz - vorbei. Dessen ungeachtet geht der Senat davon aus, dass der Sturz noch der Betriebsgefahr des Fahrzeugs zuzurechnen ist. Der Ausweichvorgang an sich war durch die Fahrweise der Beklagten zu 1 (mit-) veranlasst, da sich der Kläger durch die Verengung des zur Verfügung stehenden Fahrraums dazu veranlasst sah, auf den Seitenstreifen auszuweichen. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Landgerichts erfolgte der Sturz unmittelbar nach dem Passieren des von der Beklagten zu 1 gefahrenen Fahrzeugs, so dass sich der Unfall noch im nahen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Entgegenkommen der Beklagten zu 1 ereignete. Zugleich stellt sich das Wiederauffahren des Klägers auf den befestigten Radweg als Teil des Ausweichmanövers dar, das zu Ende geführt werden sollte. Letztlich liegt ein insgesamt missglücktes Ausweichmanöver vor, das nach Auffassung des Senats der Betriebsgefahr des Fahrzeugs zuzurechnen ist.

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass - wie oben dargelegt - das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" weit auszulegen ist. Die weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz - erlaubterweise - eine Gefahrenquelle eröffnet wird, und will daher alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen (BGH, Urteil vom 22.11.2016, aaO., Rn. 13; Urteil vom 19.4.1988, aaO., Rn. 8). Ein Schadensablauf ist aber auch dann von einem Fahrzeug (mit-) veranlasst, wenn sich der Unfallgegner zu einem Ausweichmanöver veranlasst sieht und bei Beendigung dieses Manövers im nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu Fall kommt.

b) Die Haftung der Beklagten zu 2 entfällt nicht wegen eines überwiegenden mitwirkenden Verschuldens des Klägers (§§ 9 StVG, 254 BGB). Selbst wenn man mit dem Landgericht von einem Mitverschulden des Klägers ausgeht (dazu gleich), trägt die Beklagte zu 2 keine Gesichtspunkte vor, die es rechtfertigen würden, eine Haftung der Beklagten zu 2 aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr vollständig zurücktreten zu lassen.

2. Anschlussberufung des Klägers

Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche, die über die zuerkannte Quote von 50 % hinausgehen.

In die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile nach §§ 9 StVG, 254 BGB ist - wie durch das Landgericht geschehen - auf Seiten der Beklagten die Betriebsgefahr des Fahrzeugs einzustellen. Darüber hinaus steht ein die Betriebsgefahr erhöhendes verkehrswidriges Verhalten der Beklagten zu 1 nicht fest. Der Kläger ist zwar der Auffassung, dass aufgrund der unergiebigen Angaben der Beklagten zu 1 in der mündlichen Verhandlung allein von seiner Sachverhaltsschilderung auszugehen sei und danach feststehe, dass die Beklagte zu 1 mit dem Kraftfahrzeug relativ schnell mitten auf dem Fahrradweg gefahren sei. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Unergiebig sind die Angaben der Beklagten zu 1 allein betreffend die Frage des Ausweichmanövers des Klägers. Im Übrigen stehen sich - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - die Angaben der Parteien unvereinbar gegenüber, so dass der Klägers für ein Verschulden der Beklagten zu 1 beweisfällig geblieben ist.

Auf Seiten des Klägers ist zwar keine Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Kläger eine Mitverursachung des Unfalls zur Last gelegt hat. Der Kläger hatte zum einen die Möglichkeit, sein Fahrrad anzuhalten und die Beklagte zu 1 passieren zu lassen. Zum anderen stellt das Wiederauffahren von einem unbefestigten Seitenstreifen auf einen befestigten Radweg nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts eine bekannte Gefahr dar, zumal es auch nach den Angaben des Klägers die Tage zuvor geregnet hatte und der Seitenstreifen nach der in der Akte befindlichen Unfallanzeige matschig war. Die Beklagte zu 1 hat zudem im Rahmen ihrer Anhörung unwidersprochen berichtet, dass später auch ein Mountainbiker auf den Grünstreifen neben dem Fahrradweg habe ausweichen müssen und beim Versuch, wieder auf den Radweg aufzufahren, ins Schlingern geraten sei. Von daher hat der Kläger beim Wiederauffahren auf den Radweg nicht die gebotene Sorgfalt walten lassen. Dies rechtfertigt es auch nach Auffassung des Senats, eine hälftige Mitverursachung des Klägers anzunehmen und die geltend gemachten Ansprüche entsprechend zu kürzen.

Nach alledem haben weder die Berufung noch die Anschlussberufung Erfolg.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 1, 713 ZPO, § 26 Ziff. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

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