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31.07.2019 · IWW-Abrufnummer 210243

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 25.06.2019 – 5 Sa 231/18

Ein Arbeitnehmer hat bei Lohnrückständen keinen Anspruch auf eine Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB , weil diese Regelung von der speziellen arbeitsrechtlichen Vorschrift des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG verdrängt wird (Anschluss an BAG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - 5 AZR 588/17 - und BAG, Urteil vom 25. September 2018 - 8 AZR 26/18 - ).


Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 29.10.2018 - 4 Ca 240/18 - teilweise abgeändert, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin nach § 288 Abs. 5 BGB eine Verzugspauschale in Höhe von € 440,- zu zahlen (Ziffer 3 des Tenors). Insoweit wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin zu 25 %, die Beklagte zu 75 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin in voller Höhe zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Zahlung der Verzugspauschale.



Die im Mai 1963 geborene Klägerin ist seit dem 01.09.1979 bei der Beklagten bzw. früheren Betriebsinhabern als Krankenschwester beschäftigt.



Erstinstanzlich haben die Parteien u. a. über Entgeltdifferenzen für die Monate Februar bis Dezember 2016 gestritten. Die Beklagte hat die Forderungen der Klägerin im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens größtenteils erfüllt. Den zuletzt noch streitigen Betrag in Höhe von insgesamt € 335,93 brutto hat das Arbeitsgericht der Klägerin nebst Zinsen durch Urteil zugesprochen ebenso wie eine Pauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB von 11 x € 40,- = € 440,-. Wegen der Verzugspauschale hat das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen. Die Entscheidung ist vor Bekanntwerden des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 25.09.2018, Aktenzeichen 8 AZR 26/18, ergangen.



Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung wendet sich Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung der Verzugspauschale. Zur Begründung bezieht sie sich auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, nach der die Pauschale von der speziellen Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG verdrängt werde. Im Übrigen habe die Klägerin keine Aufwendungen gehabt, die sie hätte geltend machen können.



Die Beklagte beantragt,



das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 29.10.2018, Aktenzeichen 4 Ca 240/18, abzuändern, soweit die Beklagte nach § 288 Abs. 5 BGB zur Zahlung von € 440,- verurteilt worden ist, und die Kostenentscheidung entsprechend anzupassen.



Die Klägerin beantragt,



die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



Sie ist der Ansicht, der Anspruch auf eine Verzugspauschale sei nicht durch § 12a ArbGG ausgeschlossen. § 288 BGB sehe keine Ausnahme für arbeitsrechtliche Ansprüche vor. Die Verzugspauschale solle den Arbeitgeber dazu anhalten, fällige Vergütungsansprüche rechtzeitig zu erfüllen.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.



Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Pauschale gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB in Höhe von insgesamt € 440,- wegen des Verzugs der Beklagten mit einem Teil des Arbeitsentgelts für die Monate Februar bis Dezember 2016.



Nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Die Pauschale ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist (§ 288 Abs. 5 Satz 3 BGB).



Dem Anspruch der Klägerin aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB steht § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen. Das Landesarbeitsgericht schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - 5 AZR 588/17 - Rn. 47 ff., juris = NZA 2019, 775; BAG, Urteil vom 25. September 2018 - 8 AZR 26/18 - Rn. 23 ff. = NZA 2019, 121; so auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. November 2018 - 2 Sa 86/18 - Rn. 50, juris).



In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands (§ 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Vorschrift schließt nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch unabhängig von seiner Anspruchsgrundlage, und damit grundsätzlich auch einen Anspruch auf Erstattung vor- bzw. außergerichtlicher Kosten aus. Auch wenn dieser Ausschluss nicht allumfassend ist, so erfasst er doch die bei typisierender Betrachtung letztlich wirtschaftlich bedeutsamen Kostenpositionen des eigenen Zeitverlustes der Partei und des Aufwands für die Zuziehung eines Rechtsanwalts (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - 5 AZR 588/17 - Rn. 48, juris = NZA 2019, 775).



Der Anspruch nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB betrifft gerade solche Rechtsverfolgungskosten. Hierzu gehören nach der Gesetzesbegründung insbesondere sog. Beitreibungskosten. Diese umfassen u. a. die Kosten, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen (BT-Drs. 18/1309 S. 19). Dieses Verständnis vom Gegenstand des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB ist unionsrechtskonform. Art. 6 der Richtlinie 2011/7/EU, deren Umsetzung die Neuregelung der Verzugspauschale dient (BT-Drs. 18/1309 S. 11), soll eine Entschädigung für die dem Gläubiger entstandenen Beitreibungskosten gewährleisten, wenn Verzugszinsen nach dieser Richtlinie zu zahlen sind (EuGH, Urteil vom 13. September 2018 - C-287/17 - Rn. 18, juris = IWRZ 2018, 271). Wenn aber § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG die Erstattungsfähigkeit der kausal bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens entstandenen, bei typisierender Betrachtung wirtschaftlich bedeutsamen Kostenpositionen des eigenen Zeitverlustes der Partei und des Aufwands für die Zuziehung eines Rechtsanwalts ausschließt, betrifft er notwendig auch die Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB, die genau diese Kosten pauschaliert. Dass § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG nur einzelne Kostenpositionen (Zeitversäumnis, Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten) betrifft, dagegen aber z. B. nicht die Erstattung von der Partei entstandenen Porto- oder Reisekosten ausschließt und § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auch solche Aufwendungen nachweisunabhängig abgelten soll, steht dem nicht entgegen. Maßgebend ist vielmehr, dass beide Vorschriften im Wege einer generalisierenden Betrachtung dieselben Kosten erfassen, die typischerweise für die Rechtsverfolgung entstehen. Dies sind ausgehend vom Betrag von 40,00 Euro nicht in erster Linie Porto- und Reisekosten zum Anwalt vor Ort, sondern Rechtsberaterkosten und vor allem eigener Zeitaufwand. Gerade diese Kostenpositionen sind aber nach § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht ersatzfähig (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - 5 AZR 588/17 - Rn. 49, juris = NZA 2019, 775).



Darüber hinaus ist § 288 BGB in der seit dem 29. Juli 2014 geltenden Fassung auf ein Schuldverhältnis nur anzuwenden, wenn das Schuldverhältnis entweder nach dem 28. Juli 2014 entstanden ist oder wenn bei vorher entstandenen Dauerschuldverhältnissen die Gegenleistung nach dem 30. Juni 2016 erbracht wird (Art. 229 § 34 EGBGB).



Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtsfrage ist bereits letztinstanzlich geklärt.

Vorschriften§ 288 Abs. 5 BGB, § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 12a ArbGG, § 288 BGB, § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB, § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB, Art. 6 der Richtlinie 2011/7/EU, Art. 229 § 34 EGBGB, § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO

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