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25.08.2020 · IWW-Abrufnummer 217540

Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 09.04.2020 – 1 Ss (OWi) 4/20

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Celle

Beschluss

508 Js 10407/18 StA Bückeburg

In der Bußgeldsache gegen

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Genealstaatsanwaltschaft durch die Richterin am Oberlandesgericht xxx am 9. April 2020 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Stadthagen vom 18. November 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an dieselbe Abteilung für Bußgeldsachen des Amtsgerichts Stadthagen zurückverwiesen.
 
Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt. Zudem hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen ein Fahrverbot mit einer Dauer von einem Monat angeordnet.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr der Betroffene am 5. Juli 2018 um 16.27 Uhr mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen xxx im Bereich der Gemarkung Rodenberg die BAB 2 in Fahrtrichtung Dortmund. Bei km 255,372 führte er den PKW unter Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt und Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h mit einer nach Toleranzabzug festgestellten Geschwindigkeit von 173 km/h.

In der Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Betroffene seine Fahrereigenschaft nicht in Abrede gestellt habe und die Feststellungen auf den glaubhaften Bekundungen des Zeugen PHK xxx sowie dem Inhalt der verlesenen Urkunden und der Inaugenscheinnahme der zu den Akten gelangten Lichtbildern beruhen würden. Der Betroffene sei bei Inaugenscheinnahme der in Bezug genommenen Lichtbilder eindeutig als Fahrer zu identifizieren.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Stadthagen vom 18. November 2019 als unbegründet zu verwerfen.

Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge (zumindest vorläufig) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an dieselbe Abteilung der Vorinstanz (§ 79 Abs. 6 OWiG). Auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.

Das Urteil ist —auch eingedenk des Umstandes, dass an die Urteilsgründe in Bußgeldverfahren keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind- bereits deshalb aufzuheben, weil die Beweiswürdigung in Bezug auf die getroffenen Feststellungen lückenhaft ist; diese vermag daher dieselben nicht in einer für das Rechtsbeschwerdegericht rechtlich überprüfbaren Weise zu tragen.

So müssen die schriftlichen Urteilsgründe nicht nur die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, sondern neben anderem auch erkennen lassen, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Richter der Einlassung folgt oder diese für widerlegt ansieht (vgl. OLG Gelle, Beschluss vom 27. September 2019 -2 Ss Owi 260/19-; OLG Bamberg, Beschluss vom 9. Juli 2009 -3 Ss OWi 290/09- juris). Es bedarf einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe der wesentlichen Grundzüge der Einlassung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Februar 2017 -2 (10) SsBs 740/16-AK 265/16, DAR 2017, 395). Jedenfalls dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich der Betroffene in eine bestimmte Richtung verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung dieser Erklärung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat, stellt diese Säumnis einen sachlich rechtlichen Mangel des Urteils dar (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Oktober 2016 -1 Ss 55/06- juris).

Vorliegend lässt sich aus dem Urteil nicht entnehmen, ob sich der Betroffene in der Hauptverhandlung überhaupt geäußert oder von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Aus der Beweiswürdigung lässt sich lediglich erkennen, dass der Betroffene seine Fahrereigenschaft nicht in Abrede gestellt hat. Ob der Betroffene, und wenn ja in welcher Weise, sich zum Vorwurf eingelassen hat, bleibt letztlich offen. Folglich verhält sich das Urteil auch nicht dazu, ob der Tatrichter eine etwaige Einlassung, und ggf. in welchem Umfang, für widerlegt angesehen hat.

Das Urteil war daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben, §§ 353 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG und die Sache zur neuen Entscheidung —auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens- an das Amtsgericht zurückzuverweisen, § 79 Abs. 6 OWiG.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

Nach Auffassung des Senats ist das vom Verkehrsverstoß vom 5. Juli 2018 gefertigte Frontfoto nicht uneingeschränkt zur Identifizierung der Betroffenen geeignet. Die Kinnpartie wird durch das Lenkrad verdeckt, die Augenpartie einschließlich der Augenbrauen durch eine große Sonnenbrille. Das linke Ohr ist gar nicht, das rechte aufgrund der Verpixelung nur teilweise individualisierbar erkennbar. Der Haaransatz ist durch die aufgeklappte Sonnenblende nur zu erahnen.

Angesichts dessen wird der Tatrichter näher darlegen müssen, warum er, unabhängig von einer Bezugnahme, trotz der eingeschränkten Bildqualität den Betroffenen als Fahrer identifizieren kann (vgl. OLG Hamm NZV 2006, 162). Die — auf dem Foto erkennbaren — charakteristischen Merkmale der Betroffenen, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind in einem solchen Fall zu benennen und zu beschreiben (BGH NJW 1996, 142). Dies fehlt im angefochtenen Urteil.

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