01.12.2020 · IWW-Abrufnummer 219229
Landgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 23.04.2020 – 2-30 S 5/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 2-30 S 5/18
32 C 525/18 (90) Amtsgericht Frankfurt am Main
Laut Protokoll verkündet am: 23.04.2020
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
1. ……,
Beklagte zu 2) und Berufungsklägerin zu 1)
2. …….,
Beklagte zu 3) und Berufungsklägerin zu 2)
Prozessbevollmächtigte zu 1: Rechtsanw. ….,
Prozessbevollmächtigte zu 2: Rechtsanw. ……
………,
Kläger und Berufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanw. …………
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ….
die Richterin ……..
den Richter am Landgericht ……….
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten zu 2) und 3) wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19.07.2018 ‒ Az. 32 C 525/18 (90) - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
a) einen Betrag i.H.v. 718,30 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2017 zu zahlen,
b) ab August 2017 jeweils zum Monatsersten bis zum Tod des Klägers und solange der Kläger aus seinem Versicherungsvertrag für die Berufs- und Dienstunfähigkeitsversicherung bei der ….. zur Prämienzahlung verpflichtet ist, längstens jedoch bis 1. August 2045, einen Betrag i.H.v. 17,82 € zu zahlen.
Die Beklagte zu 3) wird zusätzlich verurteilt, an den Kläger weitere Zinsen aus 718,30 € i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2017 bis 17.08.2017 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) verpflichtet sind, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Ausschluss von minder Belastbarkeit, Bewegungsstörungen und Schmerzsyndrom an der Wirbelsäule einschließlich zugehöriger Bänder, Bandscheiben, Muskeln und Nerven (z.B. Lähmungen, Gefühlsstörungen) aus der Berufs und Dienstunfähigkeit bei der …….. entsteht.
Die Beklagten zu 2) und 3) werden weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten i.H.v. 492,54 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der 1. Instanz tragen die Gerichtskosten der Kläger zu 40%, die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 58%. Die Beklagten zu 2) und 3) tragen als Gesamtschuldner 58% der außergerichtlichen Kosten des Klägers in der 1. Instanz. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) in voller Höhe und 13% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) in der 1. Instanz. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten der 1. Instanz selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.575,16 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache hat die Berufung in geringem Umfang Erfolg.
Zutreffend hat das Amtsgericht dem Grunde nach einen Anspruch des Klägers ge-gen die Beklagte zu 2) auf Schadensersatz aus den §§ 63, 61 VVG angenommen. Die Beklagte zu 2), die hierbei durch den vormaligen Beklagten zu 1), …… (im folgenden weiterhin „Beklagter zu 1“), vertreten wurde, war gegenüber dem Kläger als Versicherungsvermittlerin gemäß § 59 VVG tätig. Daher hatte sie - soweit nach der Schwierigkeit die angebotene Versicherung zu beurteilen oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass bestand - den Kläger als Versicherungsnehmer nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungssaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat an-zugeben, § 61 Abs. 1 Abs. 1 VVG in der Fassung vom 01.01.2008.
Bei einem Versicherungswechsel hat der Vermittler den Versicherungsnehmer über die Folgen des Wechsels, insbesondere über die damit möglicherweise verbundenen Nachteile zu informieren. Das kann unter Umständen dazu führen, dass der Vermittler seinem Kunden von einem Wechsel abraten muss. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, muss ein Versicherungsmakler über sämtliche Folgen des Wechsels aufklären. Er muss seinem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung verschaffen (OLG Karlsruhe vom 15.09.2011 ‒ 12 U 56/11 ‒ r + s 2015, 49). Diese Grundsätze gelten nicht nur für einen Versicherungsmakler, der vom Versicherungsnehmer beauftragt wird und der die Interessen des Versicherungsnehmers deshalb in besonderer Weise berücksichtigen muss. Auch ein Versicherungsvertreter, der im Vergleich zum Versicherungsmakler nur eine eingeschränkte Produktberatung schuldet und grundsätzlich nicht seine eigene Marktposition schwächen muss, hat den Versicherungsnehmer gleichwohl über diejenigen Punkte aufzuklären, die für den Abschluss des konkreten Vertrages üblicherweise von wesentlicher Bedeutung sind. Bei einem beabsichtigten Versichererwechsel sind die Anforderungen an eine sachgerechte Aufklärung und Beratung besonders hoch, da der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen will (OLG Saarbrücken vom 26.04.2017 ‒ 5 U 36/16 ‒ r + s 2018, 110).
Diese Pflicht hat die Beklagte zu 2) bei der Beratung des Klägers verletzt, wobei ihr insofern das Verhalten und das Verschulden des Beklagten zu 1) nach § 278 BG zugerechnet wird.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte zu 1) den Kläger für die Beklagte zu 2) anlässlich einer Immobilienfinanzierung beraten hat und dass bei diesen Gesprächen auch als ein Aspekt die finanzielle Absicherung des Klägers gegen Berufsunfähigkeit angesprochen wurde. Ebenfalls unstreitig ist, dass der Beklagte zu 1) für den Kläger ein Schreiben vorbereitete, mit dem der Kläger seine bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung bei der ………. kündigen konnte. Streitig zwischen den Parteien ist dagegen, ob dieses Schreiben auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers vorbereitet wurde oder ob der Beklagte zu 1 unaufgefordert und von sich aus tätig wurde und dem Kläger den Entwurf des Schreibens zusammen mit weiteren Dokumenten übergab. Die Aufklärung dieser streitigen Frage kann ebenso dahinstehen wie der genaue Inhalt der Gespräche zum Versicherungsschutz gegen Berufsunfähigkeit, der zwischen den Parteien ebenso streitig ist. Es kommt insbesondere auch nicht darauf an, ob der Beklagte zu 1) dem Kläger einen Versicherungswechsel, also die Kündigung des bestehenden Versicherungsvertrages bei der ………. im Zusammenhang mit dem Abschluss des neuen Versicherungsvertrages bei der Beklagten zu 3), empfohlen hat. Denn bereits die Vorbereitung des Kündigungsschreibens durch den Beklagten zu 1) löst die oben dargestellten Beratungspflichten aus. Dies gilt ohne weiteres, wenn der Versicherungsvermittler ein Kündigungsschreiben von sich aus entwirft und damit den Versichererwechsel selbst einleitet. Aber auch wenn der Versicherungsnehmer mit dem Wunsch zur Kündigung eines bestehenden Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung an den Versicherungsvermittler herantritt, löst dieser Wunsch die Beratungspflicht des Versicherungsvermittlers aus, der daraufhin die Vor- und Nachteile des Versichererwechsels darstellen muss.
Diese Pflicht hat die Beklagte zu 2), vertreten durch den Beklagten zu 1), verletzt. Der Beklagte zu 1) hat den Kläger nicht darüber aufgeklärt, dass die zum Zeitpunkt der Gespräche bestehende Versicherung bei der …………….. eine Dienstunfähigkeitsklausel enthielt, die in der neu abzuschließenden Versicherung bei der Beklagten zu 3) nicht enthalten war, so dass es bei der Kündigung der bestehenden Versicherung zu einer Verschlechterung des Versicherungsschutzes kommen würde. Die Beklagte zu 3) behauptet zwar, dass der Beklagte zu 1) dem Kläger auch einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede verschafft habe. Der Beklagte zu 1) habe im Rahmen seiner Pflichten den Kläger umfassend informiert und geäußert, dass in der streitgegenständlichen Versicherung keine Dienstunfähigkeitsversicherung umfasst sei, da es sich schlicht um eine Berufsunfähigkeitsversicherung handele. Dem Beweisangebot der Beklagten zu 3) auf Vernehmung des Beklagten zu 1) als Zeugen, die nunmehr möglich wäre, da er nicht Partei des Berufungsverfahrens ist, war aber nicht nachzukommen. Denn der Beklagte zu 1) hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung vor dem Amtsgericht ausgeführt, dass der Vergleich der Versicherungen kein Thema bei der Beratung gewesen sei, und auch die Beklagte zu 2) hat vorgetragen, dass die ursprüngliche Versicherung nie Gegenstand der Gespräche gewesen sei und deshalb kein Anlass bestanden habe, die Leistungen der beiden Versicherung zu vergleichen. Danach handelt es sich bei dem von der Beklagten zu 3) unter Beweis gestellten Vortrag um Behauptungen ins Blaue hinein, zu deren Überprüfung kein Beweis erhoben werden muss.
Der Beklagte zu 1) hat seine Pflicht fahrlässig und damit schuldhaft verletzt. Die Kammer vermag der Argumentation der Beklagten zu 2) nicht zu folgen, die vorträgt, die Frage einer Dienstunfähigkeitsversicherung sei deshalb nicht erörtert worden, weil die bereits bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung bei der ………. ebenfalls den Einschluss einer Dienstunfähigkeit nicht vorgesehen habe. Zwar ergibt sich aus dem Versicherungsschein selbst tatsächlich kein Hinweis darauf, dass auch die Dienstunfähigkeit mitversichert ist, denn der Begriff der Dienstunfähigkeit findet sich im Versicherungsschein nicht. Im Versicherungsschein heißt es aber, dass die Versicherung „aufgrund des Antrags und der dazugehörigen Erklärungen“ erfolge. Im Antrag wiederum heißt es unter „Sonstige Vereinbarungen“: „Dienstunfähigkeitsklausel gilt als vereinbart“. Selbst wenn dem Beklagten zu 1) in den Gesprächen mit dem Kläger der Antrag und die Dienstunfähigkeitsklausel nicht vorgelegen hätten, hätte er doch aufgrund der Angaben im Versicherungsschein nach dem Antrag bzw. den weiteren Erklärungen fragen müssen.
Die Haftung der Beklagten zu 3) folgt wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat aus § 6 Abs. 1 und Abs. 5 VVG. Die Beklagte zu 3) als Versicherer ist nach § 6 Abs. 1 VVG vor Abschluss des Versicherungsvertrages zur Beratung verpflichtet gewesen. Diese Beratungspflicht tritt neben die Beratungspflicht des Versicherungsvermittlers (Filthuth in BeckOK VVG, 6. Edition, Stand 28.02.2019, § 6 Rn. 2). Soweit Beratungspflichten sowohl den Versicherungsvermittler als auch den Versicherer treffen, müssen sie nur einmal erfüllt werden; der Versicherungsvermittler nimmt mit seiner Tätigkeit eine Pflicht des Versicherers wahr. Versicherungsvermittler haften dem Versicherungsnehmer, soweit sie gleichgerichtete Pflichten haben, als Gesamtschuldner (vgl. Filthuth, a.a.O. Rn. 3; Rudy in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 6 Rn. 1). Aus diesem Grund wird die Pflichtverletzung der Beklagten zu 2), die als Versicherungsvermittlerin gehandelt hat und für die der Beklagte zu 1) tätig war, der Beklagten zu 3) als Beratungspflichtverletzung zugerechnet. Auf die obigen Ausführungen kann verwiesen werden.
Die Haftung der Beklagten zu 3) ist auch nicht wegen § 6 Abs. 6 VVG ausgeschlossen. Die Absätze 1 bis 5 der Vorschrift unter anderem zur Beratungspflicht des Versicherers sowie zur Schadensersatzpflicht bei Verletzung dieser Pflicht sind danach nicht anzuwenden, wenn der Vertrag der Versicherung mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird. Grund für diese Ausnahme ist, dass es an einem typischen Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers fehlt (Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl. 2019, § 6 Rn. 41). Versicherungsmak-ler im Sinne des VVG ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein, § 59 Abs. 3 S. 1 VVG. Versicherungsmakler nehmen damit die Interessen des Versicherungsnehmers wahr und stehen grundsätzlich in seinem Lager (Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl. 2019, § 59 Rn. 7). Die Beklagte zu 2), handelnd durch den Beklagten zu 1), ist aber nicht als Versicherungsmaklerin in diesem Sinne tätig geworden. Vielmehr ist nach der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz unstreitig geworden, dass die Beklagte zu 2) im Versicherungsbereich lediglich Versicherungen der Beklagten zu 3) vermittelt. Die Beklagte zu 2) kann schon aus diesem Grund gar nicht die grundlegende gesetzliche Pflicht eines Versicherungsmaklers erfüllen, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zugrundezulegen (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 VVG).
Aufgrund der dargestellten Pflichtverletzungen sind die Beklagten zu 2) und 3) mithin zum Schadensersatz verpflichtet. Grundsätzlich kann der Kläger verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde (OLG Karlsruhe, VersR 2012, 856, Rn. 69). Wurde zusätzlich zum Abschluss einer neuen Versicherung ein alter Vertrag gekündigt, kann der Versicherungsnehmer bei fehlerhafter Beratung verlangen, so gestellt zu werden, als bestünde dieser alte Vertrag noch fort (OLG Karlsruhe a.a.O., Gansel/Huth, BeckOK VVG, § 61 Rn. 104).
Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist zu vermuten, dass sich der Kläger „aufklärungsrichtig“ verhalten und den Versicherungswechsel von der ………… zur Beklagten zu 3) nicht vollzogen hätte, wenn die Beklagte zu 2) ihn pflichtgemäß darüber aufgeklärt hätte, dass der neue Vertrag bei der Beklagten zu 3) für den Fall der bloßen Dienstunfähigkeit keinen Versicherungsschutz bot. Hiergegen kann auch nicht mit Erfolg vorgebracht werden, dass eine solche Klausel praktisch keine Bedeutung habe, da im Falle einer Dienstunfähigkeit immer auch Berufsunfähigkeit vorliege. Sinn einer Dienstunfähigkeitsklausel ist es gerade, die Dienstunfähigkeit in einem besonderen Beamtenberuf unter Berücksichtigung von dessen verschärften gesundheitlichen Anforderungen abzusichern (vgl. OLG Frankfurt vom 29.06.2001 ‒ 25 U 159/00 ‒ r + s 2002, 432; Gebert in Veit/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. Aufl. 2020, § 9 Rn. 62). Gerade bei einem Berufsfeuerwehrmann, an dessen Berufsausübung besondere körperliche Anforderungen gestellt sind, ist eine solche Konstellation nicht fernliegend. Die praktische Bedeutung der Klausel liegt darin, dass sich der Versicherer mit ihr der Entscheidung des Dienstherrn unterwirft, den Beamten wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen oder zu entlassen. Eine auf der Klausel beruhende Entscheidung begründet grundsätzlich die unwiderlegliche Vermutung, dass der wegen Dienstunfähigkeit pensionierte oder entlassene Beamte vollständig berufsunfähig ist (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. 2020, Kap. 5 Rn. 198).
Der Schadensersatzanspruch des Klägers umfasst zunächst die an die Beklagte zu 3) gezahlten Versicherungsprämien i.H.v. 400,00 €. Bei ordnungsgemäßer Beratung hätte der Kläger den Versicherungsvertrag mit der Beklagten zu 3) nicht abgeschlossen und wären deshalb die entsprechenden Versicherungsprämien auch nicht angefallen. Die Beklagte zu 3) meint, dass nicht sämtliche gezahlten Prämien in Abzug zu bringen seien, da für zwei Monate eine Doppelversicherung bei der Beklagten zu 3) und bei der neuen Versicherung bestanden habe, was den Schluss nahelege, dass der Kläger zunächst beide Versicherungen habe neben einander bestehen lassen wollen und sich erst dann zur Kündigung der Versicherung bei der Beklagten zu 3) entschieden habe. Damit dringt sie aber nicht durch. Der Beklagten zu 3) ist zwar darin zuzustimmen, dass es nicht ungewöhnlich ist, zwei Versicherungen nebeneinander zu haben. Allerdings zeigt das Verhalten des Klägers eher, dass es ihm darauf ankam, keine versicherungslose Zeit zu riskieren, so dass er mit der Kündigung der Versicherung bei der Beklagten zu 3) abgewartet hat, bis der neue Versicherungsvertrag bei der …. fix war. Hierfür spricht im Übrigen auch das Vorverhalten des Klägers, der ja auch die zu Beginn bestehende Versicherung bei der …….. gekündigt hat. Dies zeigt gerade, dass er nicht zwei Versicherungen nebeneinander bestehen lassen wollte.
Daneben umfasst der Schaden des Klägers auch die Prämiendifferenz zwischen der billigeren alten Versicherung bei der …….. und der teureren neuen Versicherung bei der …... Bei ordnungsgemäßer Beratung hätte der Kläger den bestehenden Versicherungsvertrag nicht gekündigt und weiterhin die Prämien für diesen Versicherungsvertrag gezahlt. Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass ein Versicherungsnehmer, der bei einem Versicherungswechsel falsch beraten wurde, eine vergleichbare Versicherung abschließen darf und die Prämiendifferenz ersetzt verlangen kann (OLG Karlsruhe vom 15.09.2011 ‒ 12 U 56/11 ‒ Versicherungsrecht 2012, 856, Rn. 73; Gansel/Huth, BeckOK VVG, Stand 15.10.2019, § 63 Rn. 107). Diese Differenz betrug zunächst 31,83 €, was für 10 Monate (= 318,30 €) ausgeurteilt wurde und zusammen mit den Prämien, die an die Beklagte zu 3) gezahlt wurden, den Betrag von (400,- € + 318,30 €) 718,30 € ergibt.
Das Amtsgericht hat zur danach und zukünftig bestehenden Schadenshöhe eine Schätzung nach § 287 ZPO vorgenommen und die monatliche Prämiendifferenz gut begründet und nachvollziehbar auf 17,82 € geschätzt. Im Rahmen des § 287 ZPO kann das Gericht die Schadenshöhe schätzen, wobei in Kauf genommen wird, dass die richterliche Schätzung unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Bei besonderen Schwierigkeiten des Schadensnachweises ist ein Mindest-schaden zu schätzen, sofern wenigstens hierfür konkrete Anhaltspunkte bestehen (BGH vom 06.12.2012 ‒ VII ZR 84/10 ‒ NJW 2013, 525; vom 01.05.2013 ‒ VIII ZR 174/12 ‒ NJW 2013, 2584; Greger in Zöller, 32. Aufl. 2018, ZPO § 287 Rn. 2). Das Amtsgericht hat eine solche Schätzung vorgenommen und nachvollziehbar begründet und dabei zutreffend die Besonderheit berücksichtigt, dass sowohl bei der ursprünglichen Versicherung als auch bei der jetzigen Versicherung des Klägers nicht die reinen Tarifbeiträge verlangt werden, sondern diese jeweils um Anteile aus der Überschussbeteiligung reduziert werden. Diese Anteile aus der Überschussbeteiligung sind aber in beiden Fällen nicht garantiert. Es ist daher auch nicht abzusehen, wie hoch die zusätzliche Beitragsbelastung des Klägers bei der ….. in Zukunft ausfallen wird bzw. bei der ursprünglichen Versicherung ausgefallen wäre, was eine genaue Berechnung unmöglich macht. Das Amtsgericht hat bei seiner Schätzung für die „billigere“ Versicherung bei der ……………… auf den unverminderten Tarifbetrag i.H.v. 50,03 € abgestellt und auf diese Weise den höchsten Betrag zugrunde gelegt. Für die „teurere“ Versicherung bei der … hat es dagegen den re-duzierten monatlichen Beitrag i.H.v. 67,85 € herangezogen. Die Differenz zwischen den beiden Beträgen i.H.v. 17,82 € monatlich stellt den Mindestschaden des Klägers dar. Diese Verpflichtung zur monatlichen Zahlung besteht wie vom Amtsgericht ausgeurteilt grundsätzlich bis zum Tode des Klägers ‒ längstens jedoch bis zum 01.08.2045, dem Ende des Versicherungsvertrages bei der …...
Die Berufung hat allerdings insoweit Erfolg, als im Tenor des amtsgerichtlichen Urteils eine mögliche Beitragsfreistellung des Klägers bei der neuen Versicherung oder eine Kündigung des neuen Vertrags nicht berücksichtigt wurde. Denn in diesem Fall entstünde dem Kläger aus dem Versicherungswechsel kein Schaden wegen höherer Prämien. Die Ersatzpflicht sollte nach dem amtsgerichtlichen Urteil zwar bei Tod des Klägers vor dem Ende des Versicherungsvertrags entfallen, die genannten weiteren Gründe, die einen Schaden entfallen ließen, wurden jedoch nicht in den Tenor aufgenommen. Es war daher zusätzlich auszusprechen, dass der monatliche Zahlungsanspruch nur besteht, solange der Kläger Prämien für den Versicherungsvertrag bei der ….. zu leisten hat.
Keinen Erfolg hat die Berufung dagegen, soweit vorgebracht wird, dass der Kläger bei Abschluss der neuen Versicherung seine Schadensminderungspflicht im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB verletzt hat. Soweit das OLG Karlsruhe eine Schadensminderungspflicht des Versicherungsnehmers bei einem Schadensersatzanspruch wegen einer Falschberatung bei einem Versichererwechsel annimmt, bezieht sich diese Verpflichtung konkret auf den Abschluss einer der gekündigten Versicherung vergleichbaren Versicherung (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 70). Hintergrund dieser Schadensminderungspflicht ist nach der Begründung des OLG Karlsruhe, dass der Versicherungsnehmer von der zum Ersatz verpflichteten Versicherung nicht die in der gekündigten Versicherung vereinbarten Leistungen - zumal ohne Erbringung der hierfür geschuldeten Gegenleistung in Form der Versicherungsprämie ‒ verlangen kann. Aus diesem Grund ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, eine der gekündigten Versicherung gleichwertige Versicherung abzuschließen (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 73). Dieser Schadensminderungspflicht ist der Kläger aber bereits mit dem Abschluss der Versicherung bei der …… nachgekommen.
Ob der Kläger darüber hinaus im Rahmen der Schadensminderungspflicht verpflichtet ist, unter mehreren infrage kommenden Versicherungen die preiswerteste abzuschließen, wie die Beklagten meinen, hat das OLG Karlsruhe in dem oben zitierten Urteil nicht entschieden. Die Frage kann auch hier dahinstehen. Denn darlegungs- und beweisbelastet für eine Schadensminderungspflicht ist grundsätzlich der Schädiger. Die Beklagten haben jedoch nicht vorgetragen, dass es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages mit der ….. durch den Kläger andere günstigere Berufsunfähigkeitsversicherungen mit einer Dienstunfähigkeitsversicherung gegeben hat und wie hoch die Prämiendifferenz zu der Versicherung bei der ….. war. Ein bloßes Bestreiten des klägerischen Vorbringens, er habe nach anderen Versicherungen gesucht, aber lediglich die Versicherung bei der …. habe eine Dienstunfähigkeitsklausel enthalten, ist nicht ausreichend. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast des Klägers ohne weiteren Vortrag der Beklagten nicht besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung obliegt der nicht beweisbelasteten Partei eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast, wenn die an sich beweisbelastete Partei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht und deshalb die maßgeblichen Tatsachen im Einzelnen nicht kennt, während diese der Gegenpartei bekannt sind (vgl. BGH vom 11.07.1990 ‒ II ZR 159/89 ‒ NJW 1990, 3151). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Vielmehr ist die Frage, ob es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages bei der …. vergleichbare günstigere Verträge bei anderen Versicherungen gegeben hat, beiden Parteien gleichermaßen zugäng-lich, wobei die Beklagte zu 2 als Versicherungsvermittlerin und die Beklagte zu 3 als Versicherungsunternehmen sogar über höhere Sachkunde verfügen als der Kläger.
Schließlich vermag das Vorbringen der Beklagten zu 3 nicht zu überzeugen, wonach ein schadensminderndes Mitverschulden des Klägers deshalb gegeben sei, weil er bei Übersendung der Versicherungsunterlagen durch die Beklagte zu 3 hät-te erkennen können, dass die neu abgeschlossene Versicherung keine Dienstunfähigkeitsklausel beinhaltet. Der Kläger durfte sich grundsätzlich darauf verlassen, dass ihn der Beklagte zu 1 zutreffend und pflichtgemäß beraten würde. Darauf durfte er vertrauen und musste nicht anhand der nachträglich übersandten Versicherungsunterlagen überprüfen, ob ihm der Beklagte zu 1 nicht etwas Falsches erzählt hatte (vgl. OLG München vom 22.06.2012 ‒ 25 U 3343/11 ‒ VersR 2012, 1292; OLG Brandenburg vom 23.04.2019 ‒ 6 U 95/17 ‒ zitiert nach Beck-online; Gansel/Huth in BeckOK VVG, Stand 15.10.2019, § 63 Rn. 110).
Der Anspruch von Zinsen auf den Betrag von 718,30 € i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2017 besteht unter dem Gesichtspunkt des Verzugs. Die Beklagte zu 2) und 3) schulden Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit (§§ 288, 291 BGB). Die Beklagte zu 3) schuldet dem Kläger weitere Zinsen aus 718,30 € i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2017 bis zum 17.08.2017. Diese Verpflichtung erfolgt unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, der aufgrund des vorgerichtlichen Schreibens vom 20.12.2016 bereits seit dem 04.01.2017 bestand (§§ 286, 288 ZPO).
Der Kläger hat daneben gegen die Beklagten zu 2) und 3) auch einen Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Ausschluss von Minderbelastbarkeiten, Bewegungsstörungen und Schmerzsyndrom der Wirbelsäule einschließlich zugehöriger Bänder, Bandscheiben, Muskeln und Nerven aus der Berufs- und Dienstunfähigkeitsversicherung bei der ….. entsteht. Auch dieser Feststellungsanspruch beruht auf dem Grundsatz, dass der Kläger so gestellt werden soll, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde. Dann hätte er nach der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens den Vertrag bei der ….. nicht gekündigt und hätte eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit Dienstunfähigkeitsklausel ohne eine Ausschlussklausel für bestimmte Leiden oder Erkrankungen. Eine solche Ausschlussklausel sieht aber die bei der …. abgeschlossene neue Berufs- und Dienstunfähigkeitsversicherung vor. Insoweit hat sich die Position des Klägers infolge der fehlerhaften Beratung durch den Beklagten zu 1 verschlechtert und ist ein entsprechender Schaden eingetreten.
Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Frage, ob eine Rückenproblematik bereits beim Abschluss der Gespräche zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) vorhanden war. Der Beklagten zu 2) wird nämlich keine eigenständige Pflichtverletzung in Bezug auf die Beratung zu einem möglichen Haftungsausschluss vorgeworfen. Es handelt sich vielmehr um eine Folge der Beratungspflichtverletzung bezogen auf die Dienstunfähigkeitsklausel.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Berufung war nur in einem verhältnismäßig geringfügigen Umfang erfolgreich war, nämlich indem die Schadensersatzpflicht im Hinblick auf die monatliche Beitragsdifferenz zwischen der ursprünglichen und der neuen Versicherung auch für den Fall ausgeschlossen wurde, dass der Kläger keine Beiträge für den neuen Versicherungsvertrag bei der …. zu leisten verpflichtet ist. Dies macht gemessen am Gesamtumfang der Verurtei-lung keinen großen Anteil aus, zumal nach den Gesamtumständen davon auszugehen ist, dass der Kläger den Dienstunfähigkeitsversicherungsvertrag behalten wird.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 GKG.
Landgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 2-30 S 5/18
32 C 525/18 (90) Amtsgericht Frankfurt am Main
Beschluss
In dem Rechtsstreit
1. …………………………..,
2. ………………………………,
Beklagte und Berufungsklägerinnen
3. ……………………………….,
Beklagter
Prozessbevollmächtigte zu 1: ……………………………..
Prozessbevollmächtigte zu 2: …………………………………
Prozessbevollmächtigte zu 3: …………………………………….
gegen
………………………………………….,
Kläger und Berufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanw. …………………………………………………………………………………..
hat die 30. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht …………….. als Vorsitzende,
den Richter am Landgericht ……………. und
die Richterin …………………… beschlossen:
1. Das am 23.04.2020 verkündete Urteil wird im Tenor wie folgt berichtigt:
Im letzten Absatz auf Seite 2 heißt es „Ausschluss von Minderbelastbarkeitem“ anstatt „Ausschluss von minder Belastbarkeit“ sowie „Schmerzsyndromen an der Wirbelsäule“ anstatt „Schmerzsyndrom an der Wirbelsäule“.
Der erste Satz der Kostenentscheidung lautet richtig: „Von den Kosten der 1. Instanz tragen die Gerichtskosten der Kläger zu 42 % und die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu 58 %.“
2. Der Streitwertbeschwerde des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung im Urteil vom 23.04.2020 wird nicht abgeholfen. Die Sache wird dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt.
Gründe:
1.) Die Berichtigung des Tenors des Urteils beruht auf § 319 Abs. 1 ZPO, da das Urteil insofern Schreibfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten enthielt. Die Kostenquote von 42 % zu 58 % entspricht der vom Amtsgericht ausgeurteilten Quote. Durch einen Schreibfehler bzw. Diktatfehler heißt es im Urteil 40 statt 42.
2.) An den Gründen der Streitwertfestsetzung ist festzuhalten. Das Beschwerdevorbringen bietet keinen Anlass für eine andere Bewertung.
Für den Antrag 1b) hält das Gericht trotz des Beschwerdevorbringens daran fest, dass sich der Streitwert nach § 9 ZPO richtet. Der Kläger macht eine wiederkehrende Leistung, nämlich die Zahlung von 31,83 € monatlich, geltend. Ein höherer Streitwert kann insoweit nicht damit begründet werden, dass § 9 ZPO auf die Klage gegen einen Dritten auf Befreiung von einer wiederkehrenden Leistung nicht anwendbar sei (Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 9 Rn. 3). Zwar hat der Bundesgerichtshof dies bei der Klage gegen einen Dritten auf Befreiung von einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entschieden (BGH vom 20.09.1974 ‒ IV ZR 113/74 ‒ NJW 1974, 2128). Diesem Beschluss lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem der Dritte eine vertragliche Zusage gegeben hat, die von dem Unterhaltspflichtigen geschuldeten Leistungen an seiner Stelle zu erbringen und ihn von der Belastung zu befreien. Im Gegensatz zu dieser Konstellation hat der Kläger gegen die Beklagten allerdings nicht nur einen Anspruch auf Befreiung, sondern unmittelbar auf Zahlung. Bei diesem Schadensersatzanspruch handelt es sich um einen eigenen Anspruch auf wiederkehrende Leistung; im Sinne des Schadensersatzanspruchs sind die Beklagten keine „Dritte“. Dementsprechend wird beispielsweise auch bei einer Regressklage wegen entgangenen Unterhalts eine Streitwertfestsetzung nach § 9 ZPO vorgenommen (OLG Düsseldorf vom 12.09.2002 ‒ 24 B 36/02 ‒ zitiert nach juris; Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 9 Rn. 4).
Entgegen dem klägerischen Vorbringen handelt es sich bei der Halbierung des Streitwerts nicht um eine nochmalige Reduzierung des ohnehin bereits auf 20 % reduzierten Streitwert einer Feststellungsklage. Vielmehr wurde in einem ersten Schritt vor der Reduzierung eine Anpassung des relevanten Streitwerts auf 50 % vorgenommen, weil nicht das Bestehen oder Nichtbestehen einer Versicherung insgesamt im Streit war, sondern ein Schaden nur bei einem Teil der denkbaren Versicherungsfälle eintreten kann.
Aktenzeichen: 2-30 S 5/18
32 C 525/18 (90) Amtsgericht Frankfurt am Main
Laut Protokoll verkündet am: 23.04.2020
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
1. ……,
Beklagte zu 2) und Berufungsklägerin zu 1)
2. …….,
Beklagte zu 3) und Berufungsklägerin zu 2)
Prozessbevollmächtigte zu 1: Rechtsanw. ….,
Prozessbevollmächtigte zu 2: Rechtsanw. ……
gegen
………,
Kläger und Berufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanw. …………
hat die 30. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main
die Richterin ……..
den Richter am Landgericht ……….
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2020
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten zu 2) und 3) wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19.07.2018 ‒ Az. 32 C 525/18 (90) - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
a) einen Betrag i.H.v. 718,30 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2017 zu zahlen,
b) ab August 2017 jeweils zum Monatsersten bis zum Tod des Klägers und solange der Kläger aus seinem Versicherungsvertrag für die Berufs- und Dienstunfähigkeitsversicherung bei der ….. zur Prämienzahlung verpflichtet ist, längstens jedoch bis 1. August 2045, einen Betrag i.H.v. 17,82 € zu zahlen.
Die Beklagte zu 3) wird zusätzlich verurteilt, an den Kläger weitere Zinsen aus 718,30 € i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2017 bis 17.08.2017 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) verpflichtet sind, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Ausschluss von minder Belastbarkeit, Bewegungsstörungen und Schmerzsyndrom an der Wirbelsäule einschließlich zugehöriger Bänder, Bandscheiben, Muskeln und Nerven (z.B. Lähmungen, Gefühlsstörungen) aus der Berufs und Dienstunfähigkeit bei der …….. entsteht.
Die Beklagten zu 2) und 3) werden weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten i.H.v. 492,54 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der 1. Instanz tragen die Gerichtskosten der Kläger zu 40%, die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 58%. Die Beklagten zu 2) und 3) tragen als Gesamtschuldner 58% der außergerichtlichen Kosten des Klägers in der 1. Instanz. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) in voller Höhe und 13% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) in der 1. Instanz. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten der 1. Instanz selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.575,16 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache hat die Berufung in geringem Umfang Erfolg.
Zutreffend hat das Amtsgericht dem Grunde nach einen Anspruch des Klägers ge-gen die Beklagte zu 2) auf Schadensersatz aus den §§ 63, 61 VVG angenommen. Die Beklagte zu 2), die hierbei durch den vormaligen Beklagten zu 1), …… (im folgenden weiterhin „Beklagter zu 1“), vertreten wurde, war gegenüber dem Kläger als Versicherungsvermittlerin gemäß § 59 VVG tätig. Daher hatte sie - soweit nach der Schwierigkeit die angebotene Versicherung zu beurteilen oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass bestand - den Kläger als Versicherungsnehmer nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungssaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat an-zugeben, § 61 Abs. 1 Abs. 1 VVG in der Fassung vom 01.01.2008.
Bei einem Versicherungswechsel hat der Vermittler den Versicherungsnehmer über die Folgen des Wechsels, insbesondere über die damit möglicherweise verbundenen Nachteile zu informieren. Das kann unter Umständen dazu führen, dass der Vermittler seinem Kunden von einem Wechsel abraten muss. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, muss ein Versicherungsmakler über sämtliche Folgen des Wechsels aufklären. Er muss seinem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung verschaffen (OLG Karlsruhe vom 15.09.2011 ‒ 12 U 56/11 ‒ r + s 2015, 49). Diese Grundsätze gelten nicht nur für einen Versicherungsmakler, der vom Versicherungsnehmer beauftragt wird und der die Interessen des Versicherungsnehmers deshalb in besonderer Weise berücksichtigen muss. Auch ein Versicherungsvertreter, der im Vergleich zum Versicherungsmakler nur eine eingeschränkte Produktberatung schuldet und grundsätzlich nicht seine eigene Marktposition schwächen muss, hat den Versicherungsnehmer gleichwohl über diejenigen Punkte aufzuklären, die für den Abschluss des konkreten Vertrages üblicherweise von wesentlicher Bedeutung sind. Bei einem beabsichtigten Versichererwechsel sind die Anforderungen an eine sachgerechte Aufklärung und Beratung besonders hoch, da der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen will (OLG Saarbrücken vom 26.04.2017 ‒ 5 U 36/16 ‒ r + s 2018, 110).
Diese Pflicht hat die Beklagte zu 2) bei der Beratung des Klägers verletzt, wobei ihr insofern das Verhalten und das Verschulden des Beklagten zu 1) nach § 278 BG zugerechnet wird.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte zu 1) den Kläger für die Beklagte zu 2) anlässlich einer Immobilienfinanzierung beraten hat und dass bei diesen Gesprächen auch als ein Aspekt die finanzielle Absicherung des Klägers gegen Berufsunfähigkeit angesprochen wurde. Ebenfalls unstreitig ist, dass der Beklagte zu 1) für den Kläger ein Schreiben vorbereitete, mit dem der Kläger seine bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung bei der ………. kündigen konnte. Streitig zwischen den Parteien ist dagegen, ob dieses Schreiben auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers vorbereitet wurde oder ob der Beklagte zu 1 unaufgefordert und von sich aus tätig wurde und dem Kläger den Entwurf des Schreibens zusammen mit weiteren Dokumenten übergab. Die Aufklärung dieser streitigen Frage kann ebenso dahinstehen wie der genaue Inhalt der Gespräche zum Versicherungsschutz gegen Berufsunfähigkeit, der zwischen den Parteien ebenso streitig ist. Es kommt insbesondere auch nicht darauf an, ob der Beklagte zu 1) dem Kläger einen Versicherungswechsel, also die Kündigung des bestehenden Versicherungsvertrages bei der ………. im Zusammenhang mit dem Abschluss des neuen Versicherungsvertrages bei der Beklagten zu 3), empfohlen hat. Denn bereits die Vorbereitung des Kündigungsschreibens durch den Beklagten zu 1) löst die oben dargestellten Beratungspflichten aus. Dies gilt ohne weiteres, wenn der Versicherungsvermittler ein Kündigungsschreiben von sich aus entwirft und damit den Versichererwechsel selbst einleitet. Aber auch wenn der Versicherungsnehmer mit dem Wunsch zur Kündigung eines bestehenden Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung an den Versicherungsvermittler herantritt, löst dieser Wunsch die Beratungspflicht des Versicherungsvermittlers aus, der daraufhin die Vor- und Nachteile des Versichererwechsels darstellen muss.
Diese Pflicht hat die Beklagte zu 2), vertreten durch den Beklagten zu 1), verletzt. Der Beklagte zu 1) hat den Kläger nicht darüber aufgeklärt, dass die zum Zeitpunkt der Gespräche bestehende Versicherung bei der …………….. eine Dienstunfähigkeitsklausel enthielt, die in der neu abzuschließenden Versicherung bei der Beklagten zu 3) nicht enthalten war, so dass es bei der Kündigung der bestehenden Versicherung zu einer Verschlechterung des Versicherungsschutzes kommen würde. Die Beklagte zu 3) behauptet zwar, dass der Beklagte zu 1) dem Kläger auch einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede verschafft habe. Der Beklagte zu 1) habe im Rahmen seiner Pflichten den Kläger umfassend informiert und geäußert, dass in der streitgegenständlichen Versicherung keine Dienstunfähigkeitsversicherung umfasst sei, da es sich schlicht um eine Berufsunfähigkeitsversicherung handele. Dem Beweisangebot der Beklagten zu 3) auf Vernehmung des Beklagten zu 1) als Zeugen, die nunmehr möglich wäre, da er nicht Partei des Berufungsverfahrens ist, war aber nicht nachzukommen. Denn der Beklagte zu 1) hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung vor dem Amtsgericht ausgeführt, dass der Vergleich der Versicherungen kein Thema bei der Beratung gewesen sei, und auch die Beklagte zu 2) hat vorgetragen, dass die ursprüngliche Versicherung nie Gegenstand der Gespräche gewesen sei und deshalb kein Anlass bestanden habe, die Leistungen der beiden Versicherung zu vergleichen. Danach handelt es sich bei dem von der Beklagten zu 3) unter Beweis gestellten Vortrag um Behauptungen ins Blaue hinein, zu deren Überprüfung kein Beweis erhoben werden muss.
Der Beklagte zu 1) hat seine Pflicht fahrlässig und damit schuldhaft verletzt. Die Kammer vermag der Argumentation der Beklagten zu 2) nicht zu folgen, die vorträgt, die Frage einer Dienstunfähigkeitsversicherung sei deshalb nicht erörtert worden, weil die bereits bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung bei der ………. ebenfalls den Einschluss einer Dienstunfähigkeit nicht vorgesehen habe. Zwar ergibt sich aus dem Versicherungsschein selbst tatsächlich kein Hinweis darauf, dass auch die Dienstunfähigkeit mitversichert ist, denn der Begriff der Dienstunfähigkeit findet sich im Versicherungsschein nicht. Im Versicherungsschein heißt es aber, dass die Versicherung „aufgrund des Antrags und der dazugehörigen Erklärungen“ erfolge. Im Antrag wiederum heißt es unter „Sonstige Vereinbarungen“: „Dienstunfähigkeitsklausel gilt als vereinbart“. Selbst wenn dem Beklagten zu 1) in den Gesprächen mit dem Kläger der Antrag und die Dienstunfähigkeitsklausel nicht vorgelegen hätten, hätte er doch aufgrund der Angaben im Versicherungsschein nach dem Antrag bzw. den weiteren Erklärungen fragen müssen.
Die Haftung der Beklagten zu 3) folgt wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat aus § 6 Abs. 1 und Abs. 5 VVG. Die Beklagte zu 3) als Versicherer ist nach § 6 Abs. 1 VVG vor Abschluss des Versicherungsvertrages zur Beratung verpflichtet gewesen. Diese Beratungspflicht tritt neben die Beratungspflicht des Versicherungsvermittlers (Filthuth in BeckOK VVG, 6. Edition, Stand 28.02.2019, § 6 Rn. 2). Soweit Beratungspflichten sowohl den Versicherungsvermittler als auch den Versicherer treffen, müssen sie nur einmal erfüllt werden; der Versicherungsvermittler nimmt mit seiner Tätigkeit eine Pflicht des Versicherers wahr. Versicherungsvermittler haften dem Versicherungsnehmer, soweit sie gleichgerichtete Pflichten haben, als Gesamtschuldner (vgl. Filthuth, a.a.O. Rn. 3; Rudy in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 6 Rn. 1). Aus diesem Grund wird die Pflichtverletzung der Beklagten zu 2), die als Versicherungsvermittlerin gehandelt hat und für die der Beklagte zu 1) tätig war, der Beklagten zu 3) als Beratungspflichtverletzung zugerechnet. Auf die obigen Ausführungen kann verwiesen werden.
Die Haftung der Beklagten zu 3) ist auch nicht wegen § 6 Abs. 6 VVG ausgeschlossen. Die Absätze 1 bis 5 der Vorschrift unter anderem zur Beratungspflicht des Versicherers sowie zur Schadensersatzpflicht bei Verletzung dieser Pflicht sind danach nicht anzuwenden, wenn der Vertrag der Versicherung mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird. Grund für diese Ausnahme ist, dass es an einem typischen Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers fehlt (Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl. 2019, § 6 Rn. 41). Versicherungsmak-ler im Sinne des VVG ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein, § 59 Abs. 3 S. 1 VVG. Versicherungsmakler nehmen damit die Interessen des Versicherungsnehmers wahr und stehen grundsätzlich in seinem Lager (Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl. 2019, § 59 Rn. 7). Die Beklagte zu 2), handelnd durch den Beklagten zu 1), ist aber nicht als Versicherungsmaklerin in diesem Sinne tätig geworden. Vielmehr ist nach der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz unstreitig geworden, dass die Beklagte zu 2) im Versicherungsbereich lediglich Versicherungen der Beklagten zu 3) vermittelt. Die Beklagte zu 2) kann schon aus diesem Grund gar nicht die grundlegende gesetzliche Pflicht eines Versicherungsmaklers erfüllen, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zugrundezulegen (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 VVG).
Aufgrund der dargestellten Pflichtverletzungen sind die Beklagten zu 2) und 3) mithin zum Schadensersatz verpflichtet. Grundsätzlich kann der Kläger verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde (OLG Karlsruhe, VersR 2012, 856, Rn. 69). Wurde zusätzlich zum Abschluss einer neuen Versicherung ein alter Vertrag gekündigt, kann der Versicherungsnehmer bei fehlerhafter Beratung verlangen, so gestellt zu werden, als bestünde dieser alte Vertrag noch fort (OLG Karlsruhe a.a.O., Gansel/Huth, BeckOK VVG, § 61 Rn. 104).
Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist zu vermuten, dass sich der Kläger „aufklärungsrichtig“ verhalten und den Versicherungswechsel von der ………… zur Beklagten zu 3) nicht vollzogen hätte, wenn die Beklagte zu 2) ihn pflichtgemäß darüber aufgeklärt hätte, dass der neue Vertrag bei der Beklagten zu 3) für den Fall der bloßen Dienstunfähigkeit keinen Versicherungsschutz bot. Hiergegen kann auch nicht mit Erfolg vorgebracht werden, dass eine solche Klausel praktisch keine Bedeutung habe, da im Falle einer Dienstunfähigkeit immer auch Berufsunfähigkeit vorliege. Sinn einer Dienstunfähigkeitsklausel ist es gerade, die Dienstunfähigkeit in einem besonderen Beamtenberuf unter Berücksichtigung von dessen verschärften gesundheitlichen Anforderungen abzusichern (vgl. OLG Frankfurt vom 29.06.2001 ‒ 25 U 159/00 ‒ r + s 2002, 432; Gebert in Veit/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. Aufl. 2020, § 9 Rn. 62). Gerade bei einem Berufsfeuerwehrmann, an dessen Berufsausübung besondere körperliche Anforderungen gestellt sind, ist eine solche Konstellation nicht fernliegend. Die praktische Bedeutung der Klausel liegt darin, dass sich der Versicherer mit ihr der Entscheidung des Dienstherrn unterwirft, den Beamten wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen oder zu entlassen. Eine auf der Klausel beruhende Entscheidung begründet grundsätzlich die unwiderlegliche Vermutung, dass der wegen Dienstunfähigkeit pensionierte oder entlassene Beamte vollständig berufsunfähig ist (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. 2020, Kap. 5 Rn. 198).
Der Schadensersatzanspruch des Klägers umfasst zunächst die an die Beklagte zu 3) gezahlten Versicherungsprämien i.H.v. 400,00 €. Bei ordnungsgemäßer Beratung hätte der Kläger den Versicherungsvertrag mit der Beklagten zu 3) nicht abgeschlossen und wären deshalb die entsprechenden Versicherungsprämien auch nicht angefallen. Die Beklagte zu 3) meint, dass nicht sämtliche gezahlten Prämien in Abzug zu bringen seien, da für zwei Monate eine Doppelversicherung bei der Beklagten zu 3) und bei der neuen Versicherung bestanden habe, was den Schluss nahelege, dass der Kläger zunächst beide Versicherungen habe neben einander bestehen lassen wollen und sich erst dann zur Kündigung der Versicherung bei der Beklagten zu 3) entschieden habe. Damit dringt sie aber nicht durch. Der Beklagten zu 3) ist zwar darin zuzustimmen, dass es nicht ungewöhnlich ist, zwei Versicherungen nebeneinander zu haben. Allerdings zeigt das Verhalten des Klägers eher, dass es ihm darauf ankam, keine versicherungslose Zeit zu riskieren, so dass er mit der Kündigung der Versicherung bei der Beklagten zu 3) abgewartet hat, bis der neue Versicherungsvertrag bei der …. fix war. Hierfür spricht im Übrigen auch das Vorverhalten des Klägers, der ja auch die zu Beginn bestehende Versicherung bei der …….. gekündigt hat. Dies zeigt gerade, dass er nicht zwei Versicherungen nebeneinander bestehen lassen wollte.
Daneben umfasst der Schaden des Klägers auch die Prämiendifferenz zwischen der billigeren alten Versicherung bei der …….. und der teureren neuen Versicherung bei der …... Bei ordnungsgemäßer Beratung hätte der Kläger den bestehenden Versicherungsvertrag nicht gekündigt und weiterhin die Prämien für diesen Versicherungsvertrag gezahlt. Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass ein Versicherungsnehmer, der bei einem Versicherungswechsel falsch beraten wurde, eine vergleichbare Versicherung abschließen darf und die Prämiendifferenz ersetzt verlangen kann (OLG Karlsruhe vom 15.09.2011 ‒ 12 U 56/11 ‒ Versicherungsrecht 2012, 856, Rn. 73; Gansel/Huth, BeckOK VVG, Stand 15.10.2019, § 63 Rn. 107). Diese Differenz betrug zunächst 31,83 €, was für 10 Monate (= 318,30 €) ausgeurteilt wurde und zusammen mit den Prämien, die an die Beklagte zu 3) gezahlt wurden, den Betrag von (400,- € + 318,30 €) 718,30 € ergibt.
Das Amtsgericht hat zur danach und zukünftig bestehenden Schadenshöhe eine Schätzung nach § 287 ZPO vorgenommen und die monatliche Prämiendifferenz gut begründet und nachvollziehbar auf 17,82 € geschätzt. Im Rahmen des § 287 ZPO kann das Gericht die Schadenshöhe schätzen, wobei in Kauf genommen wird, dass die richterliche Schätzung unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Bei besonderen Schwierigkeiten des Schadensnachweises ist ein Mindest-schaden zu schätzen, sofern wenigstens hierfür konkrete Anhaltspunkte bestehen (BGH vom 06.12.2012 ‒ VII ZR 84/10 ‒ NJW 2013, 525; vom 01.05.2013 ‒ VIII ZR 174/12 ‒ NJW 2013, 2584; Greger in Zöller, 32. Aufl. 2018, ZPO § 287 Rn. 2). Das Amtsgericht hat eine solche Schätzung vorgenommen und nachvollziehbar begründet und dabei zutreffend die Besonderheit berücksichtigt, dass sowohl bei der ursprünglichen Versicherung als auch bei der jetzigen Versicherung des Klägers nicht die reinen Tarifbeiträge verlangt werden, sondern diese jeweils um Anteile aus der Überschussbeteiligung reduziert werden. Diese Anteile aus der Überschussbeteiligung sind aber in beiden Fällen nicht garantiert. Es ist daher auch nicht abzusehen, wie hoch die zusätzliche Beitragsbelastung des Klägers bei der ….. in Zukunft ausfallen wird bzw. bei der ursprünglichen Versicherung ausgefallen wäre, was eine genaue Berechnung unmöglich macht. Das Amtsgericht hat bei seiner Schätzung für die „billigere“ Versicherung bei der ……………… auf den unverminderten Tarifbetrag i.H.v. 50,03 € abgestellt und auf diese Weise den höchsten Betrag zugrunde gelegt. Für die „teurere“ Versicherung bei der … hat es dagegen den re-duzierten monatlichen Beitrag i.H.v. 67,85 € herangezogen. Die Differenz zwischen den beiden Beträgen i.H.v. 17,82 € monatlich stellt den Mindestschaden des Klägers dar. Diese Verpflichtung zur monatlichen Zahlung besteht wie vom Amtsgericht ausgeurteilt grundsätzlich bis zum Tode des Klägers ‒ längstens jedoch bis zum 01.08.2045, dem Ende des Versicherungsvertrages bei der …...
Die Berufung hat allerdings insoweit Erfolg, als im Tenor des amtsgerichtlichen Urteils eine mögliche Beitragsfreistellung des Klägers bei der neuen Versicherung oder eine Kündigung des neuen Vertrags nicht berücksichtigt wurde. Denn in diesem Fall entstünde dem Kläger aus dem Versicherungswechsel kein Schaden wegen höherer Prämien. Die Ersatzpflicht sollte nach dem amtsgerichtlichen Urteil zwar bei Tod des Klägers vor dem Ende des Versicherungsvertrags entfallen, die genannten weiteren Gründe, die einen Schaden entfallen ließen, wurden jedoch nicht in den Tenor aufgenommen. Es war daher zusätzlich auszusprechen, dass der monatliche Zahlungsanspruch nur besteht, solange der Kläger Prämien für den Versicherungsvertrag bei der ….. zu leisten hat.
Keinen Erfolg hat die Berufung dagegen, soweit vorgebracht wird, dass der Kläger bei Abschluss der neuen Versicherung seine Schadensminderungspflicht im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB verletzt hat. Soweit das OLG Karlsruhe eine Schadensminderungspflicht des Versicherungsnehmers bei einem Schadensersatzanspruch wegen einer Falschberatung bei einem Versichererwechsel annimmt, bezieht sich diese Verpflichtung konkret auf den Abschluss einer der gekündigten Versicherung vergleichbaren Versicherung (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 70). Hintergrund dieser Schadensminderungspflicht ist nach der Begründung des OLG Karlsruhe, dass der Versicherungsnehmer von der zum Ersatz verpflichteten Versicherung nicht die in der gekündigten Versicherung vereinbarten Leistungen - zumal ohne Erbringung der hierfür geschuldeten Gegenleistung in Form der Versicherungsprämie ‒ verlangen kann. Aus diesem Grund ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, eine der gekündigten Versicherung gleichwertige Versicherung abzuschließen (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 73). Dieser Schadensminderungspflicht ist der Kläger aber bereits mit dem Abschluss der Versicherung bei der …… nachgekommen.
Ob der Kläger darüber hinaus im Rahmen der Schadensminderungspflicht verpflichtet ist, unter mehreren infrage kommenden Versicherungen die preiswerteste abzuschließen, wie die Beklagten meinen, hat das OLG Karlsruhe in dem oben zitierten Urteil nicht entschieden. Die Frage kann auch hier dahinstehen. Denn darlegungs- und beweisbelastet für eine Schadensminderungspflicht ist grundsätzlich der Schädiger. Die Beklagten haben jedoch nicht vorgetragen, dass es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages mit der ….. durch den Kläger andere günstigere Berufsunfähigkeitsversicherungen mit einer Dienstunfähigkeitsversicherung gegeben hat und wie hoch die Prämiendifferenz zu der Versicherung bei der ….. war. Ein bloßes Bestreiten des klägerischen Vorbringens, er habe nach anderen Versicherungen gesucht, aber lediglich die Versicherung bei der …. habe eine Dienstunfähigkeitsklausel enthalten, ist nicht ausreichend. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast des Klägers ohne weiteren Vortrag der Beklagten nicht besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung obliegt der nicht beweisbelasteten Partei eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast, wenn die an sich beweisbelastete Partei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht und deshalb die maßgeblichen Tatsachen im Einzelnen nicht kennt, während diese der Gegenpartei bekannt sind (vgl. BGH vom 11.07.1990 ‒ II ZR 159/89 ‒ NJW 1990, 3151). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Vielmehr ist die Frage, ob es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages bei der …. vergleichbare günstigere Verträge bei anderen Versicherungen gegeben hat, beiden Parteien gleichermaßen zugäng-lich, wobei die Beklagte zu 2 als Versicherungsvermittlerin und die Beklagte zu 3 als Versicherungsunternehmen sogar über höhere Sachkunde verfügen als der Kläger.
Schließlich vermag das Vorbringen der Beklagten zu 3 nicht zu überzeugen, wonach ein schadensminderndes Mitverschulden des Klägers deshalb gegeben sei, weil er bei Übersendung der Versicherungsunterlagen durch die Beklagte zu 3 hät-te erkennen können, dass die neu abgeschlossene Versicherung keine Dienstunfähigkeitsklausel beinhaltet. Der Kläger durfte sich grundsätzlich darauf verlassen, dass ihn der Beklagte zu 1 zutreffend und pflichtgemäß beraten würde. Darauf durfte er vertrauen und musste nicht anhand der nachträglich übersandten Versicherungsunterlagen überprüfen, ob ihm der Beklagte zu 1 nicht etwas Falsches erzählt hatte (vgl. OLG München vom 22.06.2012 ‒ 25 U 3343/11 ‒ VersR 2012, 1292; OLG Brandenburg vom 23.04.2019 ‒ 6 U 95/17 ‒ zitiert nach Beck-online; Gansel/Huth in BeckOK VVG, Stand 15.10.2019, § 63 Rn. 110).
Der Anspruch von Zinsen auf den Betrag von 718,30 € i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2017 besteht unter dem Gesichtspunkt des Verzugs. Die Beklagte zu 2) und 3) schulden Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit (§§ 288, 291 BGB). Die Beklagte zu 3) schuldet dem Kläger weitere Zinsen aus 718,30 € i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2017 bis zum 17.08.2017. Diese Verpflichtung erfolgt unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, der aufgrund des vorgerichtlichen Schreibens vom 20.12.2016 bereits seit dem 04.01.2017 bestand (§§ 286, 288 ZPO).
Der Kläger hat daneben gegen die Beklagten zu 2) und 3) auch einen Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Ausschluss von Minderbelastbarkeiten, Bewegungsstörungen und Schmerzsyndrom der Wirbelsäule einschließlich zugehöriger Bänder, Bandscheiben, Muskeln und Nerven aus der Berufs- und Dienstunfähigkeitsversicherung bei der ….. entsteht. Auch dieser Feststellungsanspruch beruht auf dem Grundsatz, dass der Kläger so gestellt werden soll, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde. Dann hätte er nach der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens den Vertrag bei der ….. nicht gekündigt und hätte eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit Dienstunfähigkeitsklausel ohne eine Ausschlussklausel für bestimmte Leiden oder Erkrankungen. Eine solche Ausschlussklausel sieht aber die bei der …. abgeschlossene neue Berufs- und Dienstunfähigkeitsversicherung vor. Insoweit hat sich die Position des Klägers infolge der fehlerhaften Beratung durch den Beklagten zu 1 verschlechtert und ist ein entsprechender Schaden eingetreten.
Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Frage, ob eine Rückenproblematik bereits beim Abschluss der Gespräche zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) vorhanden war. Der Beklagten zu 2) wird nämlich keine eigenständige Pflichtverletzung in Bezug auf die Beratung zu einem möglichen Haftungsausschluss vorgeworfen. Es handelt sich vielmehr um eine Folge der Beratungspflichtverletzung bezogen auf die Dienstunfähigkeitsklausel.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Berufung war nur in einem verhältnismäßig geringfügigen Umfang erfolgreich war, nämlich indem die Schadensersatzpflicht im Hinblick auf die monatliche Beitragsdifferenz zwischen der ursprünglichen und der neuen Versicherung auch für den Fall ausgeschlossen wurde, dass der Kläger keine Beiträge für den neuen Versicherungsvertrag bei der …. zu leisten verpflichtet ist. Dies macht gemessen am Gesamtumfang der Verurtei-lung keinen großen Anteil aus, zumal nach den Gesamtumständen davon auszugehen ist, dass der Kläger den Dienstunfähigkeitsversicherungsvertrag behalten wird.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 GKG.
Landgericht Frankfurt am Main
30. Zivilkammer
Frankfurt am Main, 17.07.2020
Aktenzeichen: 2-30 S 5/18
32 C 525/18 (90) Amtsgericht Frankfurt am Main
Beschluss
In dem Rechtsstreit
1. …………………………..,
2. ………………………………,
Beklagte und Berufungsklägerinnen
3. ……………………………….,
Beklagter
Prozessbevollmächtigte zu 1: ……………………………..
Prozessbevollmächtigte zu 2: …………………………………
Prozessbevollmächtigte zu 3: …………………………………….
gegen
………………………………………….,
Kläger und Berufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanw. …………………………………………………………………………………..
hat die 30. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht …………….. als Vorsitzende,
den Richter am Landgericht ……………. und
die Richterin …………………… beschlossen:
1. Das am 23.04.2020 verkündete Urteil wird im Tenor wie folgt berichtigt:
Im letzten Absatz auf Seite 2 heißt es „Ausschluss von Minderbelastbarkeitem“ anstatt „Ausschluss von minder Belastbarkeit“ sowie „Schmerzsyndromen an der Wirbelsäule“ anstatt „Schmerzsyndrom an der Wirbelsäule“.
Der erste Satz der Kostenentscheidung lautet richtig: „Von den Kosten der 1. Instanz tragen die Gerichtskosten der Kläger zu 42 % und die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu 58 %.“
2. Der Streitwertbeschwerde des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung im Urteil vom 23.04.2020 wird nicht abgeholfen. Die Sache wird dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt.
Gründe:
1.) Die Berichtigung des Tenors des Urteils beruht auf § 319 Abs. 1 ZPO, da das Urteil insofern Schreibfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten enthielt. Die Kostenquote von 42 % zu 58 % entspricht der vom Amtsgericht ausgeurteilten Quote. Durch einen Schreibfehler bzw. Diktatfehler heißt es im Urteil 40 statt 42.
2.) An den Gründen der Streitwertfestsetzung ist festzuhalten. Das Beschwerdevorbringen bietet keinen Anlass für eine andere Bewertung.
Für den Antrag 1b) hält das Gericht trotz des Beschwerdevorbringens daran fest, dass sich der Streitwert nach § 9 ZPO richtet. Der Kläger macht eine wiederkehrende Leistung, nämlich die Zahlung von 31,83 € monatlich, geltend. Ein höherer Streitwert kann insoweit nicht damit begründet werden, dass § 9 ZPO auf die Klage gegen einen Dritten auf Befreiung von einer wiederkehrenden Leistung nicht anwendbar sei (Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 9 Rn. 3). Zwar hat der Bundesgerichtshof dies bei der Klage gegen einen Dritten auf Befreiung von einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entschieden (BGH vom 20.09.1974 ‒ IV ZR 113/74 ‒ NJW 1974, 2128). Diesem Beschluss lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem der Dritte eine vertragliche Zusage gegeben hat, die von dem Unterhaltspflichtigen geschuldeten Leistungen an seiner Stelle zu erbringen und ihn von der Belastung zu befreien. Im Gegensatz zu dieser Konstellation hat der Kläger gegen die Beklagten allerdings nicht nur einen Anspruch auf Befreiung, sondern unmittelbar auf Zahlung. Bei diesem Schadensersatzanspruch handelt es sich um einen eigenen Anspruch auf wiederkehrende Leistung; im Sinne des Schadensersatzanspruchs sind die Beklagten keine „Dritte“. Dementsprechend wird beispielsweise auch bei einer Regressklage wegen entgangenen Unterhalts eine Streitwertfestsetzung nach § 9 ZPO vorgenommen (OLG Düsseldorf vom 12.09.2002 ‒ 24 B 36/02 ‒ zitiert nach juris; Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 9 Rn. 4).
Für den Antrag 2 schließt sich die Kammer der Begründung in dem Beschluss der 23. Zivilkammer vom 03.08.2017 zur vorläufigen Streitwertfestsetzung an. Auszugehen ist von einer Jahresrente i.H.v. 7200,00 €, von der zunächst der 3,5 fache Jahresbetrag anzunehmen ist. Von diesem Betrag wird aber nur die Hälfte angesetzt, weil ein Schaden nicht in jedem möglichen Versicherungsfall eintreten kann, sondern nur in einem solchen, der zwar von der ursprünglichen Versicherung gedeckt war, nicht aber von der aufgrund der angegriffenen Beratung abgeschlossenen Versicherung, da diese keine Dienstunfähigkeitsklausel enthielt. Dies ergibt zunächst einen Streitwert von 12.600 €. Da sich der Kläger keiner Ansprüche aus einem konkreten Versicherungsfall berühmt, ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Feststellung mit 20 % dieses Betrages zu bemessen (vgl. BGH vom 13.12.2000 ‒ IV ZR 279/99 ‒ NJW-RR 2001, 316), so dass der Streitwert auf 2520 € festzusetzen war.
Entgegen dem klägerischen Vorbringen handelt es sich bei der Halbierung des Streitwerts nicht um eine nochmalige Reduzierung des ohnehin bereits auf 20 % reduzierten Streitwert einer Feststellungsklage. Vielmehr wurde in einem ersten Schritt vor der Reduzierung eine Anpassung des relevanten Streitwerts auf 50 % vorgenommen, weil nicht das Bestehen oder Nichtbestehen einer Versicherung insgesamt im Streit war, sondern ein Schaden nur bei einem Teil der denkbaren Versicherungsfälle eintreten kann.