11.02.2021 · IWW-Abrufnummer 220488
Landessozialgericht Hamburg: Urteil vom 03.09.2020 – L 1 KR 125/19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landessozialgericht Hamburg
Tenor:
Streitig ist, ob der Kläger bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist.
Der am xxxxx 1961 geborene Kläger ist seit dem 1. Oktober 1990 als angestellter Arbeitnehmer wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze privat krankenversichert. Am 24. September 2013 erlitt er auf einer Geschäftsreise einen Schlaganfall, woraufhin er arbeitsunfähig wurde. Der Kläger erhielt aus diesem Grund Kranken(tage)geld von seiner privaten Krankenversicherung. Erstmals mit Wiedereingliederungsplan vom 20. März 2015 verordnete der behandelnde Arzt des Klägers für diesen die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach längerer Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. April 2015. Der Kläger war daraufhin, wie verordnet, drei Stunden täglich an fünf Tagen die Woche in seinem bisherigen Beruf als Schuhdesigner für seinen Arbeitgeber tätig. Die jeweils befristeten Wiedereingliederungspläne wurden auf den entsprechenden Vordrucken der Krankenkassen von dem Kläger, seinem behandelnden Arzt und seinem Arbeitgeber unterzeichnet. Die Zahlung von Kranken(tage)geld durch die private Krankenversicherung wurde eingestellt. Während der Wiedereingliederung erhielt der Kläger ab April 2015 ein Entgelt in Höhe von 2.440,00 EUR monatlich. Auf der Verdienstabrechnung wurde dieses zunächst als "Monatsentgelt AT" bezeichnet, später erfolgte eine Korrekturabrechnung, die die Zahlungen als "KG-Zuschuss" auswies. Der Kläger war unter diesen Bedingungen bis zum 4. Oktober 2016 bei seinem Arbeitgeber tätig.
Mit Bescheid vom 15. Januar 2016 wurde dem Kläger, rückwirkend ab dem 1. Januar 2014, eine unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung zuerkannt.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2016 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Feststellung der Versicherungspflicht bei der Beklagten. Seit der Wiedereingliederung unterschreite das Einkommen des Klägers die Jahresarbeitsentgeltgrenze. Somit sei wieder Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eingetreten. Da die Versicherungspflicht vor dem 55. Lebensjahr eingetreten sei, dürfte auch keine Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3a SGB V bestehen.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, Zeiten der Wiedereingliederung nach längerer Arbeitsunfähigkeit würden die einmal festgestellte Versicherungsfreiheit nicht berühren. Daher gelte die Beschäftigung des Klägers weiterhin als krankenversicherungsfrei.
Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 19. Februar 2016 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 30. März 2016 begründete er den Widerspruch damit, dass angesichts der Höhe des monatlich ausgezahlten Entgeltes von 2.440,00 EUR nicht von einem nur symbolischen Krankengeldzuschuss, wie er in den Verdienstabrechnungen bezeichnet wird, ausgegangen werden könne. Die Tätigkeit des Klägers müsse daher als entgeltlich und versicherungspflichtig angesehen werden. Der klassische Fall eines kurzweiligen Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze wegen Wiedereingliederung liege im Falle des Klägers nicht vor. Eine kurz- oder mittelfristige erhebliche Steigerung der Leistungsfähigkeit oder gar die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei nicht zu erwarten. Die tägliche Arbeitszeit des Klägers habe zu dem Zeitpunkt seit elf Monaten durchgehend nur 3 Stunden betragen. Bei einer stufenweisen Wiedereingliederung würde normalerweise die Arbeitszeit in Abständen von mehreren Wochen leicht angehoben. Es sei daher höchst unwahrscheinlich, dass der Kläger seine Arbeitsleistung abrupt auf Vollzeit werde steigern können. Dies belege auch das dem Widerspruchsschreiben beigefügte ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung von Herrn Dr. M. vom 29. Oktober 2015. Eine Unterschreitensprognose zur Jahresarbeitsentgeltgrenze müsse daher positiv ausfallen. Dem Kläger dürfe angesichts seines schicksalhaften Krankheitsverlaufs der Schutz der Sozialversicherung in Form der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorenthalten werden, auch wenn er zuvor jahrelang wegen Überschreitens der Entgeltgrenze versicherungsfrei gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Wiedereingliederung diene dem Einstieg in das Erwerbsleben und habe daher keinen Einfluss auf den Versicherungsstatus versicherungsfreier Arbeitnehmer. Sie verwies dabei auf das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Kranken-, Unfall-, und Rentenversicherungsträger sowie der BA vom 21. November 1988, Rundschreiben Nr. 88b, Tit. A.II.2. Buchst. h. Sie führte weiter aus, auf die Dauer der Wiedereingliederung komme es nicht an. Dass der Kläger dauerhaft nicht mehr als 3 Stunden täglich an fünf Tagen der Woche arbeiten könne, würde ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis führen. Der behandelnde Facharzt habe die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben verordnet und damit bestätigt, dass die medizinischen Voraussetzungen hierfür erfüllt seien.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 27. Oktober 2016 Klage am Sozialgericht Hamburg erhoben. Der Kläger hat ausgeführt, dass nur die unentgeltliche Tätigkeit für einen Arbeitgeber im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung kein leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis begründe. Der Kläger jedoch habe von seinem Arbeitgeber auch während der Wiedereingliederung laufend Arbeitsentgelt bezogen. Es sei dabei unerheblich, dass das an den Kläger gezahlte Entgelt als "KG-Zuschuss" bezeichnet wurde. Die Höhe des Entgeltes während der Wiedereingliederung zeige, dass der Kläger eine brauchbare Arbeitsleistung erbracht habe. Die Feststellung der vollen Erwerbsminderung stünde der Begründung der geltend gemachten Krankenversicherungspflicht auch nicht entgegen. Hieraus folge lediglich Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung. Zudem sei nach Beendigung der geltend gemachten Pflichtmitgliedschaft aufgrund abhängiger Beschäftigung bei dem Kläger die obligatorische Anschlussversicherung eingetreten.
Mit Beschluss vom 1. August 2017 hat das Sozialgericht das Verfahren bis zum Ausgang des zu der Zeit ebenfalls anhängigen Arbeitsrechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Hamburg mit dem Aktenzeichen 17 Ca 543/16 ausgesetzt. Darin stritt der Kläger unter anderem über den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses bei seinem bisherigen Arbeitgeber, der Belmondo GmbH. Am 1. Oktober 2018 hat der Kläger vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg den Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber vergleichsweise beendigt. Danach wurde das Arbeitsverhältnis am 31. Oktober 2016 beendet. Die Beteiligten haben sich zudem darauf geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum 31. Oktober 2016 ordnungsgemäß abgerechnet wurde und die sich für den Kläger ergebenden Nettobeträge gezahlt wurden. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 75.000,00 EUR.
Das Sozialgericht hat am 19. August 2019 über die Klage mündlich verhandelt und mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2016 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung lägen hier nicht vor. Das ab April 2015 erhaltene und unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegende Teilarbeitsentgelt im Rahmen der Wiedereingliederung habe nicht zum Wiedereintritt der Versicherungspflicht bei dem, zuvor wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfreien und privat krankenversicherten, Kläger geführt. Trotz dem der Kläger bis zum 31. Oktober 2016 angestellter Arbeitnehmer gewesen sei, und das seit April 2015 an ihn gezahlte monatliche Entgelt von EUR 2.440,00 die im Jahr 2015 geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze von EUR 54.900,00 unterschritten hätte, hätten diese Umstände nicht zum Wiedereintritt der Versicherungspflicht geführt. Auch nach der Gesetzesbegründung zum Gesundheits-Reformgesetz - GRG (BT-Drs. 11/2237, S. 192) führe die Teilarbeit in der Wiedereingliederung nicht dazu, dass bisher während ihrer Vollarbeit aus Gründen der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfreie Beschäftigte durch die Erzielung eines unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegenden Teilarbeitsentgelts versicherungspflichtig würden. Die ursprünglich bestehende Versicherungsfreiheit würde somit durch das in der Wiedereingliederung erzielte Entgelt unberührt bleiben. Der Kläger hätte ab April 2015 ein Entgelt im Rahmen der Wiedereingliederung und nicht aufgrund eines abgeänderten Arbeitsvertrages erhalten. Die Wiedereingliederung sei fortlaufend von dem behandelnden Arzt des Klägers verordnet worden und wären jeweils von dem Arzt, dem Kläger und seinem damaligen Arbeitgeber unterzeichnet worden. Die Wiedereingliederung sei somit von allen Beteiligten vereinbart gewesen und der Kläger sei auch ausschließlich im ärztlich verordneten Umfang in seinem bisherigen Beruf als Schuhdesigner tätig gewesen. Es wären daher keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Annahme einer Wiedereingliederungsmaßnahme sprechen könnten. Der Vortrag des Klägers, vorliegend habe kein klassischer Fall der Wiedereingliederung vorgelegen, da diese über einen längeren Zeitraum lief und die Belastung nicht stufenweise angehoben wurde, ändere daran nichts, da die maßgebliche Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) lediglich Empfehlungen beschreibe und die Kriterien nicht über den Bestand einer Wiedereingliederungsmaßnahme als solche entscheide. Gleiches gelte für die vorgesehene stufenweise Anhebung der Arbeitsbelastung. Der behandelnde Arzt des Klägers habe zudem diesem in regelmäßigen Abständen die Wiedereingliederung verordnet und die aus seiner Sicht gebotene Arbeitsbelastung entsprechend festgelegt. Er habe zu keinem Zeitpunkt den Abbruch der Wiedereingliederungsmaßnahme verordnet, noch ist ersichtlich, dass der Kläger selbst die Wiedereingliederung habe abbrechen wollen, wozu er berechtigt gewesen wäre. Nach dem Vortrag des Klägers hätten die Beteiligten vielmehr fortlaufen die Wiedereingliederung vereinbart. Ergänzend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass sich auch aus der Gewährung einer Erwerbsminderungsrente kein Anspruch des Klägers auf Feststellung der Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ergebe. Der Kläger sei seit dem 1. Oktober 1990 durchgängig privat krankenversichert gewesen und erfülle die gesetzlichen Vorversicherungszeiten daher nicht.
Gegen das ihm am 20. September 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Oktober 2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung betont der Kläger erneut, dass er entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Beklagten in einem versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Der Kläger ist der Ansicht, dass die stufenweise Wiederaufnahme der Vollarbeit mit einem Entgelt unterhalb der Jahresentgeltgrenze zur Versicherungspflicht führe. Die Auslegung des Sozialgerichts, dass das Gegenteil der Fall sei, bedürfe einer gesetzlichen Regelung, die aber so nicht existiere. Eine dahingehend einschränkende Auslegung der Versicherungspflicht würde die Wortlautgrenze der §§ 5 und 6 SGB V unzulässiger Weise überschreiten.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts vom 19. August 2019 und des Bescheides der Beklagten vom 12. Februar 2016 in Form des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2016 festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten krankenversichert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils sowie ihrer Argumentation aus den Bescheiden und innerhalb des Verfahrens in der ersten Instanz und macht diese zum Gegenstand ihrer Berufungserwiderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2020 und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2016 in Form des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Angesichts der vom Sozialgericht im hier angegriffenen Urteil vom 19. August 2019 dargelegten Entscheidungsgründe bleibt kein Raum für die von dem Kläger begehrte Rechtsfolge. Das erkennende Gericht verweist gemäß § 153 Abs.2 SGG - auch zur Vermeidung von Wiederholungen - auf die zutreffenden Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung.
Ergänzend wird zu dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz noch darauf hingewiesen, dass das von dem Kläger ab dem 1. April 2015 erhaltene Entgelt von EUR 2.440,- nicht als Entgelt im Rahmen des Arbeitsvertrages, sondern als Entgelt im Rahmen der Wiedereingliederungsmaßnahme verstanden wird. Die maßgebliche Unterscheidung für diesen Fall liegt hier in der Einordnung der Beschäftigung des Klägers bei seinem bisherigen Arbeitgeber als Rehabilitationsmaßnahme im Rahmen einer fortlaufenden Wiedereingliederung und nicht im Rahmen seines (bisherigen) Arbeitsverhältnisses. Dies beruht darauf, dass die Wiedereingliederung als Rechtsverhältnis eigener Art unabhängig von dem Arbeitsverhältnis zu betrachten ist. Das wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ruhende Arbeitsverhältnis steht dabei parallel zum Wiedereingliederungsverhältnis (vgl. BeckOK SozR/Wendtland, 57. Ed. 1.6.2020, SGB V § 74 Rn. 3). Die gegenseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses (einerseits Pflicht zur Arbeitsleistung, andererseits Pflicht zur Zahlung eines Entgeltes als Gegenleistung) gelten im Rahmen der Wiedereingliederung nicht. Gegenstand der tatsächlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers ist dann keine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Bei der Wiedereingliederung bleibt der maßgebliche Aspekt die Rehabilitation des Arbeitnehmers mit dem Ziel der Erlangung einer Arbeitsfähigkeit auf dem vorherigen Niveau. Das im Rahmen der Wiedereingliederung erhaltene Entgelt kann nicht dem (ruhenden) Arbeitsverhältnis, sondern nur der Wiedereingliederungsmaßnahme zugeordnet werden und ist daher kein Arbeitsentgelt im klassischen Sinne.
Auch dass die Wiedereingliederungsmaßnahme, die der Kläger durchlaufen hat, im Ergebnis erfolglos geblieben ist, ändert nichts daran, dass die Tätigkeit des Klägers für seinen bisherigen Arbeitgeber fortlaufend im Rahmen der Wiedereingliederungsmaßnahme stattgefunden hat. Dass sich die Arbeitszeit im gesamten Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. Oktober 2016 von einer Beschäftigung des Klägers an fünf Tagen in der Woche für drei Stunden täglich nicht gesteigert hat, ändert nichts an der Einordnung der Wiedereingliederung als solche. Wie auch schon das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, haben der Kläger, sein Arbeitgeber und der behandelnde Arzt des Klägers die fortlaufend vom Kläger eingereichten Wiedereingliederungspläne unterschrieben. Es bestand damit Einigkeit darüber, dass die Wiedereingliederungsmaßnahme weiter fortbestehen sollte. Zwar sind die gesetzlichen Regelungen zur Wiedereingliederung auch nach der vom Sozialgericht im Urteil zitierten Gesetzesbegründung grundsätzlich darauf ausgerichtet, dass die volle Erwerbstätigkeit des Arbeitsunfähigen wiederhergestellt wird und daher in der Regel nur eine kurzzeitige Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze erfolgt. Dennoch ist es in diesem Fall ohne Unterbrechung oder erneute anderweitige Absprache zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber bei einer Wiedereingliederungsmaßnahme geblieben.
Der Gesetzgeber hat durch seine Ausgestaltung der Voraussetzungen in §§ 5 und 6 SGB V festgelegt, unter welchen Umständen eine Versicherungspflicht eintreten soll. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass seine Auffassung, wonach bei einer verhältnismäßig langen und erfolglos beendeten Wiedereingliederung, die damit insgesamt nicht zu einer Steigerung der Erwerbsfähigkeit führt, für den Eintritt der Versicherungspflicht bei vorheriger Versicherungsfreiheit keine gesetzliche Regelung getroffen wurde, durchaus beachtenswert ist. Der Gesetzgeber ist dabei offenbar von einer nur kurzzeitigen Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze ausgegangen, die keinen Einfluss auf den Versichertenstatus haben sollte. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt sich ein Wiedereintritt der Versicherungspflicht bei entgeltlicher Wiedereingliederung aufgrund der Überschreitung einer etwaigen Höchstdauer der Wiedereingliederungsmaßnahme der Gesetzesbegründung jedenfalls nicht entnehmen. Bei einer langfristigen Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze und gleichzeitiger vorheriger Versicherungsfreiheit gibt es damit im Rahmen einer Wiedereingliederung keine Möglichkeit, gesetzlich krankenversichert zu werden, auch wenn der Verdienst im Rahmen der Wiedereingliederung weiterhin beständig unter der festgelegten Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt und es keine Steigerung der Arbeitsfähigkeit gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Die Revision wird gemäß § 160 Abs.1, 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, da sich aus der Entscheidung des BSG vom 21. März 2007 (B 11a AL 31/06 R, Rn. 33ff) für die vorliegende Konstellation keine abschließende Sichtweise ergibt.
Urteil vom 03.09.2020
Az.: L 1 KR 125/19
Tenor:
- Die Berufung wird zurückgewiesen.
- Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am xxxxx 1961 geborene Kläger ist seit dem 1. Oktober 1990 als angestellter Arbeitnehmer wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze privat krankenversichert. Am 24. September 2013 erlitt er auf einer Geschäftsreise einen Schlaganfall, woraufhin er arbeitsunfähig wurde. Der Kläger erhielt aus diesem Grund Kranken(tage)geld von seiner privaten Krankenversicherung. Erstmals mit Wiedereingliederungsplan vom 20. März 2015 verordnete der behandelnde Arzt des Klägers für diesen die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach längerer Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. April 2015. Der Kläger war daraufhin, wie verordnet, drei Stunden täglich an fünf Tagen die Woche in seinem bisherigen Beruf als Schuhdesigner für seinen Arbeitgeber tätig. Die jeweils befristeten Wiedereingliederungspläne wurden auf den entsprechenden Vordrucken der Krankenkassen von dem Kläger, seinem behandelnden Arzt und seinem Arbeitgeber unterzeichnet. Die Zahlung von Kranken(tage)geld durch die private Krankenversicherung wurde eingestellt. Während der Wiedereingliederung erhielt der Kläger ab April 2015 ein Entgelt in Höhe von 2.440,00 EUR monatlich. Auf der Verdienstabrechnung wurde dieses zunächst als "Monatsentgelt AT" bezeichnet, später erfolgte eine Korrekturabrechnung, die die Zahlungen als "KG-Zuschuss" auswies. Der Kläger war unter diesen Bedingungen bis zum 4. Oktober 2016 bei seinem Arbeitgeber tätig.
Mit Bescheid vom 15. Januar 2016 wurde dem Kläger, rückwirkend ab dem 1. Januar 2014, eine unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung zuerkannt.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2016 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Feststellung der Versicherungspflicht bei der Beklagten. Seit der Wiedereingliederung unterschreite das Einkommen des Klägers die Jahresarbeitsentgeltgrenze. Somit sei wieder Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eingetreten. Da die Versicherungspflicht vor dem 55. Lebensjahr eingetreten sei, dürfte auch keine Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3a SGB V bestehen.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, Zeiten der Wiedereingliederung nach längerer Arbeitsunfähigkeit würden die einmal festgestellte Versicherungsfreiheit nicht berühren. Daher gelte die Beschäftigung des Klägers weiterhin als krankenversicherungsfrei.
Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 19. Februar 2016 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 30. März 2016 begründete er den Widerspruch damit, dass angesichts der Höhe des monatlich ausgezahlten Entgeltes von 2.440,00 EUR nicht von einem nur symbolischen Krankengeldzuschuss, wie er in den Verdienstabrechnungen bezeichnet wird, ausgegangen werden könne. Die Tätigkeit des Klägers müsse daher als entgeltlich und versicherungspflichtig angesehen werden. Der klassische Fall eines kurzweiligen Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze wegen Wiedereingliederung liege im Falle des Klägers nicht vor. Eine kurz- oder mittelfristige erhebliche Steigerung der Leistungsfähigkeit oder gar die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei nicht zu erwarten. Die tägliche Arbeitszeit des Klägers habe zu dem Zeitpunkt seit elf Monaten durchgehend nur 3 Stunden betragen. Bei einer stufenweisen Wiedereingliederung würde normalerweise die Arbeitszeit in Abständen von mehreren Wochen leicht angehoben. Es sei daher höchst unwahrscheinlich, dass der Kläger seine Arbeitsleistung abrupt auf Vollzeit werde steigern können. Dies belege auch das dem Widerspruchsschreiben beigefügte ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung von Herrn Dr. M. vom 29. Oktober 2015. Eine Unterschreitensprognose zur Jahresarbeitsentgeltgrenze müsse daher positiv ausfallen. Dem Kläger dürfe angesichts seines schicksalhaften Krankheitsverlaufs der Schutz der Sozialversicherung in Form der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorenthalten werden, auch wenn er zuvor jahrelang wegen Überschreitens der Entgeltgrenze versicherungsfrei gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Wiedereingliederung diene dem Einstieg in das Erwerbsleben und habe daher keinen Einfluss auf den Versicherungsstatus versicherungsfreier Arbeitnehmer. Sie verwies dabei auf das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Kranken-, Unfall-, und Rentenversicherungsträger sowie der BA vom 21. November 1988, Rundschreiben Nr. 88b, Tit. A.II.2. Buchst. h. Sie führte weiter aus, auf die Dauer der Wiedereingliederung komme es nicht an. Dass der Kläger dauerhaft nicht mehr als 3 Stunden täglich an fünf Tagen der Woche arbeiten könne, würde ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis führen. Der behandelnde Facharzt habe die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben verordnet und damit bestätigt, dass die medizinischen Voraussetzungen hierfür erfüllt seien.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 27. Oktober 2016 Klage am Sozialgericht Hamburg erhoben. Der Kläger hat ausgeführt, dass nur die unentgeltliche Tätigkeit für einen Arbeitgeber im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung kein leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis begründe. Der Kläger jedoch habe von seinem Arbeitgeber auch während der Wiedereingliederung laufend Arbeitsentgelt bezogen. Es sei dabei unerheblich, dass das an den Kläger gezahlte Entgelt als "KG-Zuschuss" bezeichnet wurde. Die Höhe des Entgeltes während der Wiedereingliederung zeige, dass der Kläger eine brauchbare Arbeitsleistung erbracht habe. Die Feststellung der vollen Erwerbsminderung stünde der Begründung der geltend gemachten Krankenversicherungspflicht auch nicht entgegen. Hieraus folge lediglich Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung. Zudem sei nach Beendigung der geltend gemachten Pflichtmitgliedschaft aufgrund abhängiger Beschäftigung bei dem Kläger die obligatorische Anschlussversicherung eingetreten.
Mit Beschluss vom 1. August 2017 hat das Sozialgericht das Verfahren bis zum Ausgang des zu der Zeit ebenfalls anhängigen Arbeitsrechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Hamburg mit dem Aktenzeichen 17 Ca 543/16 ausgesetzt. Darin stritt der Kläger unter anderem über den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses bei seinem bisherigen Arbeitgeber, der Belmondo GmbH. Am 1. Oktober 2018 hat der Kläger vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg den Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber vergleichsweise beendigt. Danach wurde das Arbeitsverhältnis am 31. Oktober 2016 beendet. Die Beteiligten haben sich zudem darauf geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum 31. Oktober 2016 ordnungsgemäß abgerechnet wurde und die sich für den Kläger ergebenden Nettobeträge gezahlt wurden. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 75.000,00 EUR.
Das Sozialgericht hat am 19. August 2019 über die Klage mündlich verhandelt und mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2016 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung lägen hier nicht vor. Das ab April 2015 erhaltene und unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegende Teilarbeitsentgelt im Rahmen der Wiedereingliederung habe nicht zum Wiedereintritt der Versicherungspflicht bei dem, zuvor wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfreien und privat krankenversicherten, Kläger geführt. Trotz dem der Kläger bis zum 31. Oktober 2016 angestellter Arbeitnehmer gewesen sei, und das seit April 2015 an ihn gezahlte monatliche Entgelt von EUR 2.440,00 die im Jahr 2015 geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze von EUR 54.900,00 unterschritten hätte, hätten diese Umstände nicht zum Wiedereintritt der Versicherungspflicht geführt. Auch nach der Gesetzesbegründung zum Gesundheits-Reformgesetz - GRG (BT-Drs. 11/2237, S. 192) führe die Teilarbeit in der Wiedereingliederung nicht dazu, dass bisher während ihrer Vollarbeit aus Gründen der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfreie Beschäftigte durch die Erzielung eines unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegenden Teilarbeitsentgelts versicherungspflichtig würden. Die ursprünglich bestehende Versicherungsfreiheit würde somit durch das in der Wiedereingliederung erzielte Entgelt unberührt bleiben. Der Kläger hätte ab April 2015 ein Entgelt im Rahmen der Wiedereingliederung und nicht aufgrund eines abgeänderten Arbeitsvertrages erhalten. Die Wiedereingliederung sei fortlaufend von dem behandelnden Arzt des Klägers verordnet worden und wären jeweils von dem Arzt, dem Kläger und seinem damaligen Arbeitgeber unterzeichnet worden. Die Wiedereingliederung sei somit von allen Beteiligten vereinbart gewesen und der Kläger sei auch ausschließlich im ärztlich verordneten Umfang in seinem bisherigen Beruf als Schuhdesigner tätig gewesen. Es wären daher keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Annahme einer Wiedereingliederungsmaßnahme sprechen könnten. Der Vortrag des Klägers, vorliegend habe kein klassischer Fall der Wiedereingliederung vorgelegen, da diese über einen längeren Zeitraum lief und die Belastung nicht stufenweise angehoben wurde, ändere daran nichts, da die maßgebliche Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) lediglich Empfehlungen beschreibe und die Kriterien nicht über den Bestand einer Wiedereingliederungsmaßnahme als solche entscheide. Gleiches gelte für die vorgesehene stufenweise Anhebung der Arbeitsbelastung. Der behandelnde Arzt des Klägers habe zudem diesem in regelmäßigen Abständen die Wiedereingliederung verordnet und die aus seiner Sicht gebotene Arbeitsbelastung entsprechend festgelegt. Er habe zu keinem Zeitpunkt den Abbruch der Wiedereingliederungsmaßnahme verordnet, noch ist ersichtlich, dass der Kläger selbst die Wiedereingliederung habe abbrechen wollen, wozu er berechtigt gewesen wäre. Nach dem Vortrag des Klägers hätten die Beteiligten vielmehr fortlaufen die Wiedereingliederung vereinbart. Ergänzend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass sich auch aus der Gewährung einer Erwerbsminderungsrente kein Anspruch des Klägers auf Feststellung der Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ergebe. Der Kläger sei seit dem 1. Oktober 1990 durchgängig privat krankenversichert gewesen und erfülle die gesetzlichen Vorversicherungszeiten daher nicht.
Gegen das ihm am 20. September 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Oktober 2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung betont der Kläger erneut, dass er entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Beklagten in einem versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Der Kläger ist der Ansicht, dass die stufenweise Wiederaufnahme der Vollarbeit mit einem Entgelt unterhalb der Jahresentgeltgrenze zur Versicherungspflicht führe. Die Auslegung des Sozialgerichts, dass das Gegenteil der Fall sei, bedürfe einer gesetzlichen Regelung, die aber so nicht existiere. Eine dahingehend einschränkende Auslegung der Versicherungspflicht würde die Wortlautgrenze der §§ 5 und 6 SGB V unzulässiger Weise überschreiten.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts vom 19. August 2019 und des Bescheides der Beklagten vom 12. Februar 2016 in Form des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2016 festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten krankenversichert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils sowie ihrer Argumentation aus den Bescheiden und innerhalb des Verfahrens in der ersten Instanz und macht diese zum Gegenstand ihrer Berufungserwiderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2020 und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Berichterstatter war im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 155 Abs.3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) befugt, den Rechtsstreit als Einzelrichter zu verhandeln und zu entscheiden.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2016 in Form des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Angesichts der vom Sozialgericht im hier angegriffenen Urteil vom 19. August 2019 dargelegten Entscheidungsgründe bleibt kein Raum für die von dem Kläger begehrte Rechtsfolge. Das erkennende Gericht verweist gemäß § 153 Abs.2 SGG - auch zur Vermeidung von Wiederholungen - auf die zutreffenden Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung.
Ergänzend wird zu dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz noch darauf hingewiesen, dass das von dem Kläger ab dem 1. April 2015 erhaltene Entgelt von EUR 2.440,- nicht als Entgelt im Rahmen des Arbeitsvertrages, sondern als Entgelt im Rahmen der Wiedereingliederungsmaßnahme verstanden wird. Die maßgebliche Unterscheidung für diesen Fall liegt hier in der Einordnung der Beschäftigung des Klägers bei seinem bisherigen Arbeitgeber als Rehabilitationsmaßnahme im Rahmen einer fortlaufenden Wiedereingliederung und nicht im Rahmen seines (bisherigen) Arbeitsverhältnisses. Dies beruht darauf, dass die Wiedereingliederung als Rechtsverhältnis eigener Art unabhängig von dem Arbeitsverhältnis zu betrachten ist. Das wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ruhende Arbeitsverhältnis steht dabei parallel zum Wiedereingliederungsverhältnis (vgl. BeckOK SozR/Wendtland, 57. Ed. 1.6.2020, SGB V § 74 Rn. 3). Die gegenseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses (einerseits Pflicht zur Arbeitsleistung, andererseits Pflicht zur Zahlung eines Entgeltes als Gegenleistung) gelten im Rahmen der Wiedereingliederung nicht. Gegenstand der tatsächlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers ist dann keine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Bei der Wiedereingliederung bleibt der maßgebliche Aspekt die Rehabilitation des Arbeitnehmers mit dem Ziel der Erlangung einer Arbeitsfähigkeit auf dem vorherigen Niveau. Das im Rahmen der Wiedereingliederung erhaltene Entgelt kann nicht dem (ruhenden) Arbeitsverhältnis, sondern nur der Wiedereingliederungsmaßnahme zugeordnet werden und ist daher kein Arbeitsentgelt im klassischen Sinne.
Auch dass die Wiedereingliederungsmaßnahme, die der Kläger durchlaufen hat, im Ergebnis erfolglos geblieben ist, ändert nichts daran, dass die Tätigkeit des Klägers für seinen bisherigen Arbeitgeber fortlaufend im Rahmen der Wiedereingliederungsmaßnahme stattgefunden hat. Dass sich die Arbeitszeit im gesamten Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. Oktober 2016 von einer Beschäftigung des Klägers an fünf Tagen in der Woche für drei Stunden täglich nicht gesteigert hat, ändert nichts an der Einordnung der Wiedereingliederung als solche. Wie auch schon das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, haben der Kläger, sein Arbeitgeber und der behandelnde Arzt des Klägers die fortlaufend vom Kläger eingereichten Wiedereingliederungspläne unterschrieben. Es bestand damit Einigkeit darüber, dass die Wiedereingliederungsmaßnahme weiter fortbestehen sollte. Zwar sind die gesetzlichen Regelungen zur Wiedereingliederung auch nach der vom Sozialgericht im Urteil zitierten Gesetzesbegründung grundsätzlich darauf ausgerichtet, dass die volle Erwerbstätigkeit des Arbeitsunfähigen wiederhergestellt wird und daher in der Regel nur eine kurzzeitige Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze erfolgt. Dennoch ist es in diesem Fall ohne Unterbrechung oder erneute anderweitige Absprache zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber bei einer Wiedereingliederungsmaßnahme geblieben.
Der Gesetzgeber hat durch seine Ausgestaltung der Voraussetzungen in §§ 5 und 6 SGB V festgelegt, unter welchen Umständen eine Versicherungspflicht eintreten soll. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass seine Auffassung, wonach bei einer verhältnismäßig langen und erfolglos beendeten Wiedereingliederung, die damit insgesamt nicht zu einer Steigerung der Erwerbsfähigkeit führt, für den Eintritt der Versicherungspflicht bei vorheriger Versicherungsfreiheit keine gesetzliche Regelung getroffen wurde, durchaus beachtenswert ist. Der Gesetzgeber ist dabei offenbar von einer nur kurzzeitigen Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze ausgegangen, die keinen Einfluss auf den Versichertenstatus haben sollte. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt sich ein Wiedereintritt der Versicherungspflicht bei entgeltlicher Wiedereingliederung aufgrund der Überschreitung einer etwaigen Höchstdauer der Wiedereingliederungsmaßnahme der Gesetzesbegründung jedenfalls nicht entnehmen. Bei einer langfristigen Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze und gleichzeitiger vorheriger Versicherungsfreiheit gibt es damit im Rahmen einer Wiedereingliederung keine Möglichkeit, gesetzlich krankenversichert zu werden, auch wenn der Verdienst im Rahmen der Wiedereingliederung weiterhin beständig unter der festgelegten Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt und es keine Steigerung der Arbeitsfähigkeit gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Die Revision wird gemäß § 160 Abs.1, 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, da sich aus der Entscheidung des BSG vom 21. März 2007 (B 11a AL 31/06 R, Rn. 33ff) für die vorliegende Konstellation keine abschließende Sichtweise ergibt.