01.03.2021 · IWW-Abrufnummer 220838
Finanzgericht Münster: Beschluss vom 17.12.2020 – 9 V 3073/20 E
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:
1
Streitig ist, ob die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2016 bis 2018 von der Vollziehung auszusetzen sind. In der Sache ist geht es um die Frage, ob der Antragsgegner Gehaltszahlungen zu Recht als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ‒ EStG ‒ (vGA) behandelt hat.
2
Die Antragstellerin ist alleinige Geschäftsführerin, alleinige Gesellschafterin und einzige Mitarbeiterin der im Jahr 2015 gegründeten A (A). Gegenstand des Unternehmens der A ist die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen ...
3
Ein Geschäftsführeranstellungsvertrag zwischen der A und der Antragstellerin wurde erst mit Datum vom 14.03.2018 mit Wirkung ab dem 01.04.2018 geschlossen. In dem Geschäftsführeranstellungsvertrag heißt es unter § 3 „Bezüge“:
4
„Der Geschäftsführer erhält eine monatliche, im voraus gezahlte Bruttovergütung von 900 Euro zum Ende eines Kalendermonats. Sondervergütungen wie Prämien bei Mehrleistung werden ausbezahlt.“
5
In den Jahren 2016 bis 2018 leistete die A Gehaltszahlungen in folgender Höhe an die Antragstellerin:
6
2016
2017
2018
Januar
500,00 €
2.800,00 €
3.000,00 €
Februar
950,00 €
500,00 €
1.400,00 €
März
1.100,00 €
950,00 €
1.500,00 €
April
950,00 €
700,00 €
900,00 €
Mai
900,00 €
950,00 €
900,00 €
Juni
1.270,00 €
700,00 €
900,00 €
Juli
900,00 €
1.300,00 €
900,00 €
August
1.000,00 €
800,00 €
900,00 €
September
850,00 €
900,00 €
900,00 €
Oktober
1.000,00 €
1.300,00 €
900,00 €
November
800,00 €
1.000,00 €
900,00 €
Dezember
1.350,00 €
1.000,00 €
2.700,00 €
Summe
11.570,00 €
12.900,00 €
15.800,00 €
7
Die vorgenannten Gehaltszahlungen machte die A in den Gewinn- und Verlustrechnungen der Streitjahre 2016 bis 2018 als Betriebsausgaben geltend. Die Antragstellerin erklärte die Gehaltszahlungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in ihren Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 2016 bis 2018.
8
Im Rahmen einer im Juni 2020 bei der Antragstellerin durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) vertrat die Prüferin im Bp-Bericht vom 17.06.2020 unter Tz. 2.1 die Auffassung, dass die Gehaltszahlungen im Zeitraum Januar 2016 bis einschließlich März 2018 vGA darstellten. Bis einschließlich März 2018 seien die Gehaltszahlungen ohne vertragliche Grundlage erfolgt, da es keinen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag gegeben habe. Somit habe es bis zum 01.04.2018 an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren, eindeutigen und im Voraus abgeschlossenen Vereinbarung gefehlt. Des Weiteren bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Lohnzahlungen, da dieser weder in gleichbleibender Höhe noch regelmäßig ausgezahlt worden seien. So variierten die monatlichen Gehaltszahlungen zwischen 500,00 € (Januar 2016 und Februar 2017) und 3.000 € (Januar 2018). Diese stark schwankenden Leistungen deuteten eher auf Gewinnausschüttungen als auf Gehaltszahlungen hin. Zudem habe die A keine Lohnsteuer einbehalten und an den Antragsgegner abgeführt, obwohl aufgrund der Höhe der ausgezahlten Gehälter Lohnsteuer angefallen wäre. Auch das für das Jahr 2018 gezahlte Weihnachtsgeld in Höhe von 900 € stelle eine vGA dar, da es für diese Zahlung keine eindeutige vertragliche Regelung gebe und eine genaue Berechnung nicht möglich sei. Insgesamt seien der Antragstellerin daher vGA in Höhe von 11.570,00 € (2016), 12.900,00 € (2017) und 6.800,00 € (2018) zugeflossen. Die vGA unterlägen der Abgeltungsbesteuerung, die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens komme nicht in Betracht, da der Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens spätestens zusammen mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung zu stellen sei. Dies gelte auch dann, wenn andere Einkünfte erst (nach Abgabe der Steuererklärung) im Rahmen einer Außenprüfung als vgA beurteilt würden.
9
Der Antragsgegner folgte den Feststellungen der Bp und erließ mit Datum vom 14.07.2020 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2016 bis 2018.
10
Hiergegen legte die Antragstellerin am 07.08.2020 Einsprüche ein, zugleich beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Zur Begründung trug sie vor, dass die Steuerfestsetzungen die A und sie selbst in den Ruin treiben würden. Der Gesetzgeber sichere jedem Steuerpflichtigen zur Wahrung seines Existenzminimums einen unversteuerten Grundfreibetrag zu, dieses Recht werde durch die Anwendung des § 32d EStG ausgehebelt, so dass ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vorliege.
11
Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 20.08.2020 ab.
12
Am 11.09.2020 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung ein.
13
Mit Einspruchsentscheidung vom 16.10.2020 wies der Antragsgegner den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurück.
14
Mit ihrem an das Finanzgericht gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 04.11.2020 verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie trägt ergänzend vor, dass die vom Beklagten durchgeführte Umqualifizierung der Gehaltseinkünfte in Kapitaleinkünfte zu einer Besteuerung des Existenzminimums führe und damit gegen Art. 1 und Art. 6 GG verstoße. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.09.1992 (BStBl. II 1993, 413). Zudem sei lediglich aufgrund eines Formfehlers eine vGA angenommen worden. Sie verweist insoweit auf das Rechtsbehelfsverfahren der A und die dort getätigten Ausführungen.
15
Die Antragstellerin beantragt,
16
die Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018 jeweils vom 14.07.2020 in voller Höhe von der Vollziehung auszusetzen.
17
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
18
den Antrag abzulehnen.
19
Er trägt vor, dass die Klägerin einen Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nicht rechtzeitig gleichzeitig mit Abgabe der Steuererklärung gestellt habe. Die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen sei keine tarifliche Steuer i.S. des § 32a Abs. 1 EStG. Folglich komme die Berücksichtigung des Grundfreibetrages nicht in Betracht, denn der Grundfreibetrag werde nur bei der tariflichen Einkommensteuer berücksichtigt. Die vGA hätten bislang nicht dem Kapitalertragsteuerabzug unterlegen, so dass die Einkommensteuer um die nach § 32d Abs. 1 EStG ermittelte Einkommensteuer zu erhöhen sei.
20
Der Senat hat die Gerichts- und Finanzamtsakten des Verfahrens (9 V 3080/20 K, G), in dem es um den Ansatz der vGA bei der A geht, beigezogen.
21
II.
22
Der Antrag hat keinen Erfolg.
23
1. Der Antrag ist zulässig.
24
Insbesondere hat die Antragstellerin die Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018 jeweils vom 14.07.2020 i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit ihren Einsprüchen angefochten und der Antragsgegner hat auch vor der Stellung des gerichtlichen AdV-Antrags einen beim ihm gestellten AdV-Antrag teilweise abgelehnt (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO).
25
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
26
Gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag den Verwaltungsakt aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
27
a) Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO liegen vor, wenn bei Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von entscheidungserheblichen Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, BFH, Beschluss vom 16.05.2019 ‒ XI B 13/19, BFH/NV 2019, 1043). Bei der notwendigen Abwägung im Einzelfall sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Die Aussetzung der Vollziehung setzt jedoch nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Gründe überwiegen. Vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso nicht auszuschließen ist wie der Misserfolg (BFH, Beschluss vom 23.08.2007 ‒ VI B 42/07, BStBl. II 2007, 799). Dagegen begründet eine vage Erfolgsaussicht noch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes (BFH, Beschluss vom 11.06.1968 ‒ VI B 94/67, BStBl. II 1968, 657). Im gerichtlichen Verfahren über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beschränkt sich der Prozessstoff wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Akten der Behörde oder andere präsente Beweismittel. Das Gericht muss den Sachverhalt in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht weiter aufklären (BFH, Beschluss vom 14.02.1989 ‒ IV B 33/88, BStBl. II 1989, 516).
28
Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018.
29
Der Antragsgegner hat ‒ nach summarischer Prüfung ‒ dem Grunde und der Höhe nach zu Recht Einkünfte der Antragstellerin aus Kapitalvermögen in Form von vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Höhe von 11.570,00 € (2016), 12.900,00 € (2017) und 6.800,00 € (2018) der Besteuerung zugrunde gelegt und dabei den besonderen Steuersatz gem. § 32d Abs. 1 EStG angewendet.
30
aa) Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie an bergbautreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben. Zu den sonstigen Bezügen gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auch vGA.
31
Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt, § 8, § 11 Abs. 1 EStG (BFH, Urt. vom 19.06.2007 ‒ VIII R 54/05, BStBl. II 2007, 830; Schmidt/Levedag, EStG, § 20 Rdn. 37).
32
Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist i.d.R. anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (st. Rspr. BFH, Urt. vom 21.10.2014 ‒ VIII R 21/12, BStBl. II 2015 638 m.w.N.).
33
Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann nach ständiger BFH-Rechtsprechung eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (st. Rspr. BFH, Urt. vom 21.10.2014 ‒ VIII R 21/12, BStBl. II 2015 638 m.w.N.).
34
Eine Vereinbarung ist im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung dann klar und von vornherein vereinbart, wenn ein außenstehender Dritter zweifelsfrei erkennen kann, dass die Leistung der Gesellschaft auf Grund einer entgeltlichen Vereinbarung mit dem Gesellschafter erbracht wurde. Dazu ist der Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung nicht erforderlich (BFH, Urt. vom 24.01.1990 ‒ I R 157/86, BStBl. II 1990, 645).
35
Gehaltszahlungen aufgrund eines Anstellungsvertrags mit einem beherrschenden Gesellschafter sind aber steuerrechtlich nur zu berücksichtigen, wenn das Gehalt der Höhe nach zu Beginn des Arbeitsverhältnisses feststeht oder bei Änderungen während des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft vereinbart wird. Rückwirkende Gehaltsvereinbarungen oder Sonderzahlungen werden in der Regel nicht anerkannt (st. Rspr. BFH, Urt. vom 21.10.2014 ‒ VIII R 21/12, BStBl. II 2015 638; BFH, Urt. vom 10.03.1988 ‒ IV R 214/85, BStBl. II 1988, 877; BFH, Urt. vom 29.11.1988 ‒ VIII R 83/82, BStBl. II 1989, 281).
36
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall vGA vor. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Zahlungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind.
37
Es fehlt im Streitfall bis zum Abschluss des ab dem 01.04.2018 geltenden Geschäftsführeranstellungsvertrages an einer im Vorhinein getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Gehaltsvereinbarung. Zwar ist der Antragstellerin insoweit zuzustimmen, als dass eine Gehaltsvereinbarung nicht grundsätzlich oder gar generell der Schriftform bedarf. Für einen fremden Dritten ist jedoch im Streitfall wegen der der Höhe nach monatlich erheblich schwankenden Zahlungen nicht ‒ wie von der Rechtsprechung des BFH gefordert ‒ klar erkennbar, dass die Zahlungen an die Antragstellerin auf einer mündlichen Gehaltsvereinbarung beruhen. Die Antragstellerin hat auch nicht dargelegt, in welcher Höhe bzw. auf welcher Berechnungsbasis bzw. Bemessungsgrundlage (Prozentsätze, Zuschläge, Höchst- und Mindestbeträge) sie im Vorhinein ein monatliches Gehalt mit der A mündlich vereinbart hat. Die Berechnungsgrundlagen müssen jedoch so bestimmt sein, dass allein durch Rechenvorgänge die Höhe des Entgelts ermittelt werden kann, ohne dass es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafter-Versammlung bedarf (BFH, Urt. vom 17.12.1997 ‒ I R 70/97, BStBl. II 1998, 545).
38
Soweit die Antragstellerin im Verfahren 9 V 3080/20 K, G vorträgt, dass sie das Gehalt monatlich mit der A vor Zahlung vereinbart habe, so ist diese monatliche Neuvereinbarung eines Gehalts (unmittelbar) vor Zahlung nicht fremdüblich. Eine „von vornherein“ abgeschlossene Vereinbarung liegt nur vor, wenn diese vor Erbringen der geschuldeten Leistung und nicht erst vor Zahlung der Vergütung getroffen wird (sog. Nachzahlungsverbot: BFH, Urt. vom 11.12.1991 ‒ I R 49/90, BStBl. II 1992, 434).
39
Ein fremder Dritter würde sich auch nicht auf eine monatliche Neuvereinbarung seines Gehaltes in Abhängigkeit von der Gewinnentwicklung des Unternehmens bzw. der vorhandenen Liquidität einlassen einlassen (s.a. BFH, Urt. vom 06.04.2005 ‒ I R 27/04, BFH/NV 2005, 1633). Vielmehr ist eine monatlich schwankende Auszahlung in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg bzw. der Liquidität der Gesellschaft typisch für Gewinnausschüttungen an Gesellschafter (vgl. BFH, Beschluss vom 23.10.2002 ‒ I B 122/01, BFH/NV 2003, 349).
40
Auch für das Weihnachtsgeld in Höhe von 900 € fehlt es an einer klaren, im Vorhinein geschlossenen Vereinbarung. Im Geschäftsführeranstellungsvertrag heißt es unter § 3 nur: „Sondervergütungen wie Prämien bei Mehrleistungen werden ausbezahlt.“ Auch insoweit ist eine Bemessungsgrundlage nicht ersichtlich. Es kann dahinstehen, ob im Streitfall ‒ wie vom Antragsgegner angenommen ‒ nur ein „Weihnachtsgeld“ in Höhe von 900 € oder (wegen der Auszahlung in Höhe von 2.700 € im Dezember 2018) in Höhe von 1.800 € als vGA zu berücksichtigen ist, da der Senat nur über die Frage der Aussetzung der Vollziehung der festgesetzten Steuer zu befinden hat (und im Übrigen auch in einem Hauptsacheverfahren an einer Verböserung gehindert wäre).
41
cc) Der Antragsgegner hat die Kapitaleinkünfte auch zu Recht mit einem linearen Einkommensteuersatz in Höhe von 25% besteuert.
42
Gem. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallen, 25 Prozent.
43
Die Antragstellerin rügt zu Unrecht, dass durch die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG zwingend das Existenzminimum besteuert werde.
44
Zwar scheidet im Streitfall ‒ wie der Antragsgegner zutreffend ausführt ‒ die Anwendung der tariflichen Besteuerung (unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG aus, da die Anwendung dieser Vorschrift gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 EStG einen spätestens mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung zu stellenden Antrag voraussetzt (BFH, Urt. vom 28.07.2015 ‒ VIII R 50/14, BStBl. II 2015, 894; BFH, Urt. vom 14.05.2019 ‒ VIII R 20/16, BStBl. II 2019, 586) und es an einem solchen nicht mehr nachholbaren Antrag im Streitfall fehlt.
45
Allerdings besteht ‒ was die Beteiligten offenbar verkennen ‒ nach wie vor die Möglichkeit für die Antragstellerin gem. § 32d Abs. 6 EStG, die sog. „Günstigerprüfung“ zu beantragen, wonach die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte abweichend von § 32d Abs. 1 EStG den Einkünften im Sinne des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt. Diese Regelung führt dazu, dass das Existenzminimum nicht besteuert wird. Anders als den Antrag auf Anwendung der tariflichen Besteuerung unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG kann der Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG bis zur formellen und materiellen Bestandskraft des Bescheides gestellt werden, d.h. so lange wie eine Änderung verfahrensrechtlich möglich ist (BFH, Urt. vom 12.05.2015 - VIII R 14/13, BStBl. II 2015, 806; Schmidt/Loschelder, EStG, § 32d Rdn. 22).
46
Da die Antragstellerin einen solchen Antrag in ihren Steuererklärungen und auch danach bislang noch nicht gestellt hat und die Anwendung der tariflichen Besteuerung von der Stellung dieses Antrags abhängig ist, führt diese Möglichkeit gleichwohl nicht dazu, dass im Streitfall Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide bestehen.
47
b) Die Vollziehung hätte für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.
48
Selbst bei Vorliegen einer unbilligen Härte kommt eine Aussetzung der Vollziehung jedoch nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen (Steuer-)Bescheides nicht ausgeschlossen werden können (BFH, Beschluss vom 02.11.2004 ‒ XI S 15/04, BFH/NV 2005, 490 und BFH, Beschluss vom 02.04.2009 ‒ II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146).
49
Eine Aussetzung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil im Streitfall nach den obigen Ausführungen unter Buchst. a) keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide bestehen. Die Antragstellerin hat ferner nicht das Vorliegen einer unbilligen Härte glaubhaft gemacht.
50
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
1
Streitig ist, ob die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2016 bis 2018 von der Vollziehung auszusetzen sind. In der Sache ist geht es um die Frage, ob der Antragsgegner Gehaltszahlungen zu Recht als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ‒ EStG ‒ (vGA) behandelt hat.
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Die Antragstellerin ist alleinige Geschäftsführerin, alleinige Gesellschafterin und einzige Mitarbeiterin der im Jahr 2015 gegründeten A (A). Gegenstand des Unternehmens der A ist die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen ...
3
Ein Geschäftsführeranstellungsvertrag zwischen der A und der Antragstellerin wurde erst mit Datum vom 14.03.2018 mit Wirkung ab dem 01.04.2018 geschlossen. In dem Geschäftsführeranstellungsvertrag heißt es unter § 3 „Bezüge“:
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„Der Geschäftsführer erhält eine monatliche, im voraus gezahlte Bruttovergütung von 900 Euro zum Ende eines Kalendermonats. Sondervergütungen wie Prämien bei Mehrleistung werden ausbezahlt.“
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In den Jahren 2016 bis 2018 leistete die A Gehaltszahlungen in folgender Höhe an die Antragstellerin:
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2016
2017
2018
Januar
500,00 €
2.800,00 €
3.000,00 €
Februar
950,00 €
500,00 €
1.400,00 €
März
1.100,00 €
950,00 €
1.500,00 €
April
950,00 €
700,00 €
900,00 €
Mai
900,00 €
950,00 €
900,00 €
Juni
1.270,00 €
700,00 €
900,00 €
Juli
900,00 €
1.300,00 €
900,00 €
August
1.000,00 €
800,00 €
900,00 €
September
850,00 €
900,00 €
900,00 €
Oktober
1.000,00 €
1.300,00 €
900,00 €
November
800,00 €
1.000,00 €
900,00 €
Dezember
1.350,00 €
1.000,00 €
2.700,00 €
Summe
11.570,00 €
12.900,00 €
15.800,00 €
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Die vorgenannten Gehaltszahlungen machte die A in den Gewinn- und Verlustrechnungen der Streitjahre 2016 bis 2018 als Betriebsausgaben geltend. Die Antragstellerin erklärte die Gehaltszahlungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in ihren Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 2016 bis 2018.
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Im Rahmen einer im Juni 2020 bei der Antragstellerin durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) vertrat die Prüferin im Bp-Bericht vom 17.06.2020 unter Tz. 2.1 die Auffassung, dass die Gehaltszahlungen im Zeitraum Januar 2016 bis einschließlich März 2018 vGA darstellten. Bis einschließlich März 2018 seien die Gehaltszahlungen ohne vertragliche Grundlage erfolgt, da es keinen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag gegeben habe. Somit habe es bis zum 01.04.2018 an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren, eindeutigen und im Voraus abgeschlossenen Vereinbarung gefehlt. Des Weiteren bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Lohnzahlungen, da dieser weder in gleichbleibender Höhe noch regelmäßig ausgezahlt worden seien. So variierten die monatlichen Gehaltszahlungen zwischen 500,00 € (Januar 2016 und Februar 2017) und 3.000 € (Januar 2018). Diese stark schwankenden Leistungen deuteten eher auf Gewinnausschüttungen als auf Gehaltszahlungen hin. Zudem habe die A keine Lohnsteuer einbehalten und an den Antragsgegner abgeführt, obwohl aufgrund der Höhe der ausgezahlten Gehälter Lohnsteuer angefallen wäre. Auch das für das Jahr 2018 gezahlte Weihnachtsgeld in Höhe von 900 € stelle eine vGA dar, da es für diese Zahlung keine eindeutige vertragliche Regelung gebe und eine genaue Berechnung nicht möglich sei. Insgesamt seien der Antragstellerin daher vGA in Höhe von 11.570,00 € (2016), 12.900,00 € (2017) und 6.800,00 € (2018) zugeflossen. Die vGA unterlägen der Abgeltungsbesteuerung, die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens komme nicht in Betracht, da der Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens spätestens zusammen mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung zu stellen sei. Dies gelte auch dann, wenn andere Einkünfte erst (nach Abgabe der Steuererklärung) im Rahmen einer Außenprüfung als vgA beurteilt würden.
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Der Antragsgegner folgte den Feststellungen der Bp und erließ mit Datum vom 14.07.2020 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2016 bis 2018.
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Hiergegen legte die Antragstellerin am 07.08.2020 Einsprüche ein, zugleich beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Zur Begründung trug sie vor, dass die Steuerfestsetzungen die A und sie selbst in den Ruin treiben würden. Der Gesetzgeber sichere jedem Steuerpflichtigen zur Wahrung seines Existenzminimums einen unversteuerten Grundfreibetrag zu, dieses Recht werde durch die Anwendung des § 32d EStG ausgehebelt, so dass ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vorliege.
11
Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 20.08.2020 ab.
12
Am 11.09.2020 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung ein.
13
Mit Einspruchsentscheidung vom 16.10.2020 wies der Antragsgegner den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurück.
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Mit ihrem an das Finanzgericht gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 04.11.2020 verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie trägt ergänzend vor, dass die vom Beklagten durchgeführte Umqualifizierung der Gehaltseinkünfte in Kapitaleinkünfte zu einer Besteuerung des Existenzminimums führe und damit gegen Art. 1 und Art. 6 GG verstoße. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.09.1992 (BStBl. II 1993, 413). Zudem sei lediglich aufgrund eines Formfehlers eine vGA angenommen worden. Sie verweist insoweit auf das Rechtsbehelfsverfahren der A und die dort getätigten Ausführungen.
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Die Antragstellerin beantragt,
16
die Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018 jeweils vom 14.07.2020 in voller Höhe von der Vollziehung auszusetzen.
17
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
18
den Antrag abzulehnen.
19
Er trägt vor, dass die Klägerin einen Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nicht rechtzeitig gleichzeitig mit Abgabe der Steuererklärung gestellt habe. Die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen sei keine tarifliche Steuer i.S. des § 32a Abs. 1 EStG. Folglich komme die Berücksichtigung des Grundfreibetrages nicht in Betracht, denn der Grundfreibetrag werde nur bei der tariflichen Einkommensteuer berücksichtigt. Die vGA hätten bislang nicht dem Kapitalertragsteuerabzug unterlegen, so dass die Einkommensteuer um die nach § 32d Abs. 1 EStG ermittelte Einkommensteuer zu erhöhen sei.
20
Der Senat hat die Gerichts- und Finanzamtsakten des Verfahrens (9 V 3080/20 K, G), in dem es um den Ansatz der vGA bei der A geht, beigezogen.
21
II.
22
Der Antrag hat keinen Erfolg.
23
1. Der Antrag ist zulässig.
24
Insbesondere hat die Antragstellerin die Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018 jeweils vom 14.07.2020 i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit ihren Einsprüchen angefochten und der Antragsgegner hat auch vor der Stellung des gerichtlichen AdV-Antrags einen beim ihm gestellten AdV-Antrag teilweise abgelehnt (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO).
25
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
26
Gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag den Verwaltungsakt aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
27
a) Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO liegen vor, wenn bei Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von entscheidungserheblichen Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, BFH, Beschluss vom 16.05.2019 ‒ XI B 13/19, BFH/NV 2019, 1043). Bei der notwendigen Abwägung im Einzelfall sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Die Aussetzung der Vollziehung setzt jedoch nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Gründe überwiegen. Vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso nicht auszuschließen ist wie der Misserfolg (BFH, Beschluss vom 23.08.2007 ‒ VI B 42/07, BStBl. II 2007, 799). Dagegen begründet eine vage Erfolgsaussicht noch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes (BFH, Beschluss vom 11.06.1968 ‒ VI B 94/67, BStBl. II 1968, 657). Im gerichtlichen Verfahren über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beschränkt sich der Prozessstoff wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Akten der Behörde oder andere präsente Beweismittel. Das Gericht muss den Sachverhalt in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht weiter aufklären (BFH, Beschluss vom 14.02.1989 ‒ IV B 33/88, BStBl. II 1989, 516).
28
Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018.
29
Der Antragsgegner hat ‒ nach summarischer Prüfung ‒ dem Grunde und der Höhe nach zu Recht Einkünfte der Antragstellerin aus Kapitalvermögen in Form von vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Höhe von 11.570,00 € (2016), 12.900,00 € (2017) und 6.800,00 € (2018) der Besteuerung zugrunde gelegt und dabei den besonderen Steuersatz gem. § 32d Abs. 1 EStG angewendet.
30
aa) Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie an bergbautreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben. Zu den sonstigen Bezügen gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auch vGA.
31
Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt, § 8, § 11 Abs. 1 EStG (BFH, Urt. vom 19.06.2007 ‒ VIII R 54/05, BStBl. II 2007, 830; Schmidt/Levedag, EStG, § 20 Rdn. 37).
32
Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist i.d.R. anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (st. Rspr. BFH, Urt. vom 21.10.2014 ‒ VIII R 21/12, BStBl. II 2015 638 m.w.N.).
33
Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann nach ständiger BFH-Rechtsprechung eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (st. Rspr. BFH, Urt. vom 21.10.2014 ‒ VIII R 21/12, BStBl. II 2015 638 m.w.N.).
34
Eine Vereinbarung ist im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung dann klar und von vornherein vereinbart, wenn ein außenstehender Dritter zweifelsfrei erkennen kann, dass die Leistung der Gesellschaft auf Grund einer entgeltlichen Vereinbarung mit dem Gesellschafter erbracht wurde. Dazu ist der Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung nicht erforderlich (BFH, Urt. vom 24.01.1990 ‒ I R 157/86, BStBl. II 1990, 645).
35
Gehaltszahlungen aufgrund eines Anstellungsvertrags mit einem beherrschenden Gesellschafter sind aber steuerrechtlich nur zu berücksichtigen, wenn das Gehalt der Höhe nach zu Beginn des Arbeitsverhältnisses feststeht oder bei Änderungen während des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft vereinbart wird. Rückwirkende Gehaltsvereinbarungen oder Sonderzahlungen werden in der Regel nicht anerkannt (st. Rspr. BFH, Urt. vom 21.10.2014 ‒ VIII R 21/12, BStBl. II 2015 638; BFH, Urt. vom 10.03.1988 ‒ IV R 214/85, BStBl. II 1988, 877; BFH, Urt. vom 29.11.1988 ‒ VIII R 83/82, BStBl. II 1989, 281).
36
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall vGA vor. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Zahlungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind.
37
Es fehlt im Streitfall bis zum Abschluss des ab dem 01.04.2018 geltenden Geschäftsführeranstellungsvertrages an einer im Vorhinein getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Gehaltsvereinbarung. Zwar ist der Antragstellerin insoweit zuzustimmen, als dass eine Gehaltsvereinbarung nicht grundsätzlich oder gar generell der Schriftform bedarf. Für einen fremden Dritten ist jedoch im Streitfall wegen der der Höhe nach monatlich erheblich schwankenden Zahlungen nicht ‒ wie von der Rechtsprechung des BFH gefordert ‒ klar erkennbar, dass die Zahlungen an die Antragstellerin auf einer mündlichen Gehaltsvereinbarung beruhen. Die Antragstellerin hat auch nicht dargelegt, in welcher Höhe bzw. auf welcher Berechnungsbasis bzw. Bemessungsgrundlage (Prozentsätze, Zuschläge, Höchst- und Mindestbeträge) sie im Vorhinein ein monatliches Gehalt mit der A mündlich vereinbart hat. Die Berechnungsgrundlagen müssen jedoch so bestimmt sein, dass allein durch Rechenvorgänge die Höhe des Entgelts ermittelt werden kann, ohne dass es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafter-Versammlung bedarf (BFH, Urt. vom 17.12.1997 ‒ I R 70/97, BStBl. II 1998, 545).
38
Soweit die Antragstellerin im Verfahren 9 V 3080/20 K, G vorträgt, dass sie das Gehalt monatlich mit der A vor Zahlung vereinbart habe, so ist diese monatliche Neuvereinbarung eines Gehalts (unmittelbar) vor Zahlung nicht fremdüblich. Eine „von vornherein“ abgeschlossene Vereinbarung liegt nur vor, wenn diese vor Erbringen der geschuldeten Leistung und nicht erst vor Zahlung der Vergütung getroffen wird (sog. Nachzahlungsverbot: BFH, Urt. vom 11.12.1991 ‒ I R 49/90, BStBl. II 1992, 434).
39
Ein fremder Dritter würde sich auch nicht auf eine monatliche Neuvereinbarung seines Gehaltes in Abhängigkeit von der Gewinnentwicklung des Unternehmens bzw. der vorhandenen Liquidität einlassen einlassen (s.a. BFH, Urt. vom 06.04.2005 ‒ I R 27/04, BFH/NV 2005, 1633). Vielmehr ist eine monatlich schwankende Auszahlung in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg bzw. der Liquidität der Gesellschaft typisch für Gewinnausschüttungen an Gesellschafter (vgl. BFH, Beschluss vom 23.10.2002 ‒ I B 122/01, BFH/NV 2003, 349).
40
Auch für das Weihnachtsgeld in Höhe von 900 € fehlt es an einer klaren, im Vorhinein geschlossenen Vereinbarung. Im Geschäftsführeranstellungsvertrag heißt es unter § 3 nur: „Sondervergütungen wie Prämien bei Mehrleistungen werden ausbezahlt.“ Auch insoweit ist eine Bemessungsgrundlage nicht ersichtlich. Es kann dahinstehen, ob im Streitfall ‒ wie vom Antragsgegner angenommen ‒ nur ein „Weihnachtsgeld“ in Höhe von 900 € oder (wegen der Auszahlung in Höhe von 2.700 € im Dezember 2018) in Höhe von 1.800 € als vGA zu berücksichtigen ist, da der Senat nur über die Frage der Aussetzung der Vollziehung der festgesetzten Steuer zu befinden hat (und im Übrigen auch in einem Hauptsacheverfahren an einer Verböserung gehindert wäre).
41
cc) Der Antragsgegner hat die Kapitaleinkünfte auch zu Recht mit einem linearen Einkommensteuersatz in Höhe von 25% besteuert.
42
Gem. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallen, 25 Prozent.
43
Die Antragstellerin rügt zu Unrecht, dass durch die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG zwingend das Existenzminimum besteuert werde.
44
Zwar scheidet im Streitfall ‒ wie der Antragsgegner zutreffend ausführt ‒ die Anwendung der tariflichen Besteuerung (unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG aus, da die Anwendung dieser Vorschrift gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 EStG einen spätestens mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung zu stellenden Antrag voraussetzt (BFH, Urt. vom 28.07.2015 ‒ VIII R 50/14, BStBl. II 2015, 894; BFH, Urt. vom 14.05.2019 ‒ VIII R 20/16, BStBl. II 2019, 586) und es an einem solchen nicht mehr nachholbaren Antrag im Streitfall fehlt.
45
Allerdings besteht ‒ was die Beteiligten offenbar verkennen ‒ nach wie vor die Möglichkeit für die Antragstellerin gem. § 32d Abs. 6 EStG, die sog. „Günstigerprüfung“ zu beantragen, wonach die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte abweichend von § 32d Abs. 1 EStG den Einkünften im Sinne des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt. Diese Regelung führt dazu, dass das Existenzminimum nicht besteuert wird. Anders als den Antrag auf Anwendung der tariflichen Besteuerung unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG kann der Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG bis zur formellen und materiellen Bestandskraft des Bescheides gestellt werden, d.h. so lange wie eine Änderung verfahrensrechtlich möglich ist (BFH, Urt. vom 12.05.2015 - VIII R 14/13, BStBl. II 2015, 806; Schmidt/Loschelder, EStG, § 32d Rdn. 22).
46
Da die Antragstellerin einen solchen Antrag in ihren Steuererklärungen und auch danach bislang noch nicht gestellt hat und die Anwendung der tariflichen Besteuerung von der Stellung dieses Antrags abhängig ist, führt diese Möglichkeit gleichwohl nicht dazu, dass im Streitfall Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide bestehen.
47
b) Die Vollziehung hätte für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.
48
Selbst bei Vorliegen einer unbilligen Härte kommt eine Aussetzung der Vollziehung jedoch nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen (Steuer-)Bescheides nicht ausgeschlossen werden können (BFH, Beschluss vom 02.11.2004 ‒ XI S 15/04, BFH/NV 2005, 490 und BFH, Beschluss vom 02.04.2009 ‒ II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146).
49
Eine Aussetzung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil im Streitfall nach den obigen Ausführungen unter Buchst. a) keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide bestehen. Die Antragstellerin hat ferner nicht das Vorliegen einer unbilligen Härte glaubhaft gemacht.
50
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.