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22.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221288

Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 05.01.2021 – 4 U 1586/20

1.

Auch wenn an eine Invaliditätsbescheinigung in der privaten Unfallversicherung keine hohen Anforderungen zu stellen sind, genügt es nicht, wenn sie nur die Invalidität als solche bescheinigt aber keine Feststellung enthält, ob das Unfallereignis hierfür (mit-)ursächlich gewesen ist.
2.

Die Belehrung über die vertragliche Ausschlussfrist für die Vorlage dieser Bescheinigung kann auch auf dem Schadensantragsformular erfolgen, es ist nicht erforderlich, dass der Hinweis bei dem Versicherungsnehmer verbleibt.
3.

Die Berufung auf eine verspätete Vorlage einer Invaliditätsbescheinigung ist nicht allein deswegen als treuwidrig anzusehen, weil der Versicherer nach Fristablauf in die Prüfung seiner Einstandspflicht eingetreten war.




In dem Rechtsstreit
M...... R......, ...
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt T...... S......, ...
gegen
XXX Allgemeine Versicherung AG...
vertreten durch den Vorsitzenden
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte K...... Versicherungsrecht, ...
wegen Forderung
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S......,
Richterin am Oberlandesgericht R...... und
Richterin am Oberlandesgericht W......
ohne mündliche Verhandlung am 05.01.2021
beschlossen:
Tenor:

    1.

    Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
    2.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
    3.

    Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
    4.

    Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Hinweisbeschluss des Senates vom 02.11.2020 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichtes Dresden (Az: 8 O 2766/19) wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2017 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 EUR zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

1.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen.

Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senates vom 02.11.2020 Bezug genommen. Die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 18.12.2020 rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Entgegen der Auffassung des Klägers genügt der Hinweis auf die Ausschlussfrist auf dem Schadensformular den Anforderungen des § 186 VVG. Es ist nicht erforderlich, dass der Hinweis auf dem Anschreiben, das beim Versicherungsnehmer verbleibt, aufgenommen wird. Für die Belehrungspflicht nach § 28 Abs. 4 VVG hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 09.01.2013 - IV ZR 197/11 - juris) die Belehrung in einem Schadenmeldungsfragebogen für ausreichend gehalten. Für § 186 VVG kann nichts anderes gelten, auch wenn der Fragebogen ausgefüllt an den Versicherer gesandt wird und nicht beim Versicherungsnehmer verbleibt. Der Zweck der Hinweispflicht ist, den Versicherungsnehmer auf die laufenden Fristen für die Geltendmachung seines Anspruches und die Folgen der Fristversäumnis hinzuweisen. Dieser Zweck wird erfüllt, wenn die Information auf dem Schadensmeldebogen aufgebracht ist.

Einer besonderen Hervorhebung des Hinweises bedarf es nicht. Der Gesetzeswortlaut von § 186 VVG erfordert weder eine drucktechnische Hervorhebung noch eine "gesonderte" Mitteilung wie § 28 Abs. 4 VVG. Vielmehr soll nach dem Willen des Gesetzgebers die neu eingefügte Vorschrift dem Versicherer bei Anzeige eines Versicherungsfalles eine Informationsobliegenheit treffen, den Versicherungsnehmer auf spezielle Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen hinzuweisen (vgl. BT-Drucks. 16/3945, Seite 109). Unabhängig davon liegt eine ausreichende Hervorhebung vor. Der Hinweis ist im letzten Absatz des zweiseitigen Formulars unmittelbar vor der Unterschriftenzeile platziert, die Überschrift sowie die Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis sind in Fettdruck gehalten, die maßgeblichen Fristen durch Unterstreichung hervorgehoben.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass sich die Beklagte nach ihren AVB nur im Falle einer groben Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers auf die Ausschlussfrist berufen könne und sie darauf auch nicht hingewiesen habe. Die Einhaltung der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung ist eine Anspruchsvoraussetzung (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 - IV ZR 73/18 und Urteil vom 07.03.2007 - IV ZR 137/06 - juris; vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.02.2018 - 12 U 111/17 - juris). Der Anspruch entsteht nicht, wenn die Invalidität nicht ärztlich binnen der Frist festgestellt wird, auf ein Verschulden kommt es nicht an. Die Frist dient dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führt selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden trifft (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2007 - IV ZR 137/06 - juris).

Daran ändern auch die Regelungen in Ziff. 7.6 und Ziff. 8 der AVB der Beklagten nichts. Denn die AVB der Beklagten bestimmen in Ziff. 2.2.1 als "Voraussetzungen für die Leistung", dass die Invalidität innerhalb von 15 Monaten von einem Arzt schriftlich festgestellt werden muss. Ziff. 7 der AVB regelt andere Obliegenheiten. In Ziff. 7.6 wird die ärztliche Invaliditätsfeststellung nicht als Obliegenheit formuliert, sondern nur darauf hingewiesen, dass die Anspruchsmeldungen schriftlich an den Kundendienst in Dortmund zu richten sind. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, wann eine fristgemäße "Anspruchserhaltung" vorliegt. Soweit Ziff. 8 auf die "Obliegenheiten aus Ziff. 7" verweist, betrifft dies schon dem Wortlaut nach nicht die "Anspruchsvoraussetzungen" aus Ziff. 2.2.1. Aus dem Regelungszusammenhang wird ein durchschnittlicher, verständiger Versicherungsnehmer nicht entnehmen, dass die fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung nicht mehr eine Anspruchsvoraussetzung sein soll, sondern eine Obliegenheit, bei deren Verstoß es auf den Grad des Verschuldens ankommen soll.

Wie bereits im Beschluss vom 02.11.2020 ausgeführt, ist die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf nicht treuwidrig. Die Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 04.05.2017, "schnell helfen zu wollen" begründet ebenso wenig wie der Umstand, dass die Beklagte ein Gutachten zur Überprüfung der Invalidität eingeholt hat, einen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Beklagte auf die Einhaltung der Frist auch dann verzichten will, wenn das Ergebnis für den Versicherungsnehmer negativ ist. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger darauf vertraut haben will. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte bei ihrer Leistungsablehnung vom 19.06.2017 von einer Wiederholung des in § 186 VVG genannten Hinweises abgesehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2019 - IV ZR 73/18 - juris). Die Frist war bereits abgelaufen.

Das unfallchirurgische Gutachten der Frau Dr. G...... vom 22.05.2017 stellt keine ärztliche Feststellung der Invalidität im Sinne von Ziff. 2.2.1 der AVB dar. Die Erklärung muss in der Sache bestätigen, dass innerhalb der Frist ein bestimmter, die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigender gesundheitlicher Dauerschaden eingetreten ist, der auf den Unfall ursächlich zurückzuführen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.02.2018 - 12 U 111/17 - juris). Die Unfallbedingtheit der Invalidität wird jedoch von der Gutachterin verneint.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Der Gegenstandswert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

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