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12.04.2021 · IWW-Abrufnummer 221695

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 06.04.2021 – 12 U 333/20

1. In der Kaskoversicherung ist der Versicherungsfall "Unfall" erwiesen, wenn feststeht, dass die Schäden nach Art und Beschaffenheit nur auf einem Unfall im versicherten Zeitraum beruhen können. Dies gilt auch dann, wenn der Sachverhalt im Einzelnen nicht aufgeklärt werden kann und der Unfallhergang so, wie er vom Versicherungsnehmer geschildert wurde, zumindest im Detail nicht stattgefunden haben kann (Fortführung von OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. März 2006 - 12 U 292/05, juris Rn. 12).

2. Es liegt in der Regel keine grob fahrlässige oder vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vor, wenn der Versicherungsnehmer die Frage des Versicherers "Gibt es Zeugen, die den Unfall beobachtet haben?" dahingehend missversteht, dass damit nur außerhalb des versicherten Fahrzeugs befindliche Personen gemeint sind und den Beifahrer nicht als Zeugen des Unfalls benennt.


Oberlandesgericht Karlsruhe

Urteil vom 06.04.2021


In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:

wegen Forderung aus Vollkaskoversicherungsvertrag

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 12. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. xxx, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. xxx und den Richter am Landgericht Dr. xxx aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2021 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25.09.2020, Az. 8 O 351/19, wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe sind vorläufig vollstreckbar.
  4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung wegen eines vom Kläger behaupteten Unfallereignisses am 26.06.2017.

Der Kläger als Versicherungsnehmer unterhielt bei der Beklagten als Versicherer für einen Pkw Mercedes B-Klasse 180 CDI mit dem amtlichen Kennzeichen ... einen Kraftfahrzeugversicherungsvertrag mit Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung und einem vereinbarten Selbstbehalt von 500 €. Diesem liegen der Versicherungsschein vom 18.11.2016 nebst Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB Stand 01.05.2016) zugrunde. In den AKB ist auszugsweise geregelt:

"A.2.2.2 Welche Ereignisse sind in der Vollkasko versichert?

Versicherungsschutz besteht bei Beschädigung, Zerstörung, Totalschaden oder Verlust des Fahrzeugs einschließlich seiner mitversicherten Teile durch die nachfolgenden Ereignisse: ...

Unfall

A.2.2.2 Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. ...

A.2.2.2.5 Kein Versicherungsschutz besteht jedoch für Schäden
a) durch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nach A.2.9.1, ...

A.2.9 Was ist nicht versichert?

Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit

A.2.9.1 Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die Sie vorsätzlich herbeiführen.

Ermöglichen Sie einen Diebstahl grob fahrlässig oder führen Sie einen Schadenfall infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel grob fahrlässig herbei, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. In allen anderen Fällen verzichten wir Ihnen gegenüber auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadenfalls.

E.1 Welche Pflichten haben Sie im Schadenfall? ...

Aufklärungspflicht

E.1.1.3 Sie müssen alles tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs unserer Leistungspflicht erforderlich ist Sie müssen dabei insbesondere folgende Pflichten beachten:

- Sie dürfen den Unfallort nicht verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei vorgeschriebenen Wartezeiten zu beachten (Unfallflucht).

- Sie müssen unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses, zum Umfang des Schadens und zu unserer Leistungspflicht wahrheitsgemäß und vollständig beantworten. Wir können verlangen, dass Sie uns in Textform antworten. ...

E.2 Welche Folgen hat eine Verletzung dieser Pflichten?

Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung

E.2.1 Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

E.2.2 Abweichend von E.2.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen."

Der Sohn des Klägers, der Zeuge F. meldete am 26.06.2017 telefonisch einen Versicherungsfall, woraufhin die Beklagte ein Gutachten des Sachverständigen M. vom 03.07.2017 erstellen ließ. Dieses stellte Schäden am versicherten Fahrzeug u.a. an den rechten Türen und der Seitenwand hinten rechts sowie der Felge vorne rechts fest und errechnete Reparaturkosten in Höhe von 6.344,34 € netto.

Im Rahmen der darauf folgenden Korrespondenz füllte der Kläger bzw. dessen Sohn oder Repräsentant am 01.08.2017 eine Schadensanzeige der Beklagten aus und beantwortete diverse Nachfragen der Beklagten vom 30.08.2017, wobei er u.a. angab, dass es keine Zeugen gegeben habe, die den Unfall beobachtet hätten. Die Beklagte lehnte eine Regulierung des Schadens ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.06.2019 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung bis zum 05.07.2019 zur Zahlung von 5.844,34 € auf (6.344,34 € Schaden netto abzgl. 500 € Selbstbeteiligung).

Der Kläger hat vorgetragen, am 26.06.2017 gegen 0.30 Uhr sei sein Sohn mit dem Fahrzeug von Mühlheim am Main in Richtung Seligenstadt-Froschhausen unterwegs gewesen. Etwa 300 bis 500 m vor der Ortseinfahrt Seligenstadt-Froschhausen sei sein Sohn mit ca. 30 bis 40 km/h in einen Kreisverkehr eingefahren und habe dann die nächste Ausfahrt genommen. Von links sei ein Tier auf die Straße gesprungen, worüber sein Sohn sich erschreckt habe, sodass er das Fahrzeug nach der Ausfahrt aus dem Kreisverkehr unmittelbar nach rechts gegen die dortige Leitplanke gezogen habe. Die rechte Seite des Fahrzeugs sei mit der Leitplanke kollidiert.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.844,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit 07.02.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 571,44 € nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Ein Unfall wie vom Kläger beschrieben habe sich nicht ereignet, insbesondere nicht an dieser Stelle. Der Fahrer hätte den Unfall nach den von Klägerseite geschilderten Tatsachen ohne weiteres vermeiden können. Die Beklagte sei zudem wegen arglistiger Obliegenheitsverletzung leistungsfrei. Der angebliche Beifahrer - der Zeuge L. - hätte in der Schadensanzeige als Zeuge aufgeführt werden müssen. Hinsichtlich der Schadenshöhe sei ein Schaden an der Felge jedenfalls nicht in dieser Form ursächlich für eine Kollision mit einer Leitplanke.

Das Landgericht hat der Klage nach der persönlichen Anhörung des Klägers, der Vernehmung der Zeugen F. und L. sowie der Einholung eines mündlich erstatteten Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 5.575,62 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, an der Aktivlegitimation des Klägers bestünden keine Bedenken, er sei als Versicherungsnehmer Inhaber der Forderung. Es sei ein Versicherungsfall durch Unfall eingetreten. Hierfür sei es ausreichend, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststünde, dass sich die Schäden nach Art und Beschaffenheit nur auf einen Unfall im Sinne der AKB zurückführen ließen, selbst wenn der Unfall im Einzelnen nicht mehr aufklärbar sei. Dies gelte auch, wenn feststehe, dass sich der Unfall nicht wie vom Versicherungsnehmer geschildert ereignet haben könne. Das Vorliegen eines Unfallereignisses an der Leitplanke hinter der Ausfahrt des Kreisverkehrs in Richtung Seligenstadt-Froschhausen stehe fest. Zur Überzeugung des Gerichts habe sich der Unfall an dieser Stelle ereignet, wenn auch erhebliche Zweifel an dem Unfallhergang selbst verbleiben. Die Unfallschilderung des Klägers sei jedenfalls in den Details falsch, da sie weder mit der Schilderung des Zeugen L. noch den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. in seinem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten übereinstimme. Eine Kollision an der benannten Stelle mit der Leitplanke sei durchaus anzunehmen. Der Ablauf des Unfalls sei aber nicht nachvollziehbar, da nach den sachverständigen Feststellungen das Tier hätte überfahren werden müssen, ein plötzliches Ausweichen einen stumpferen Kontaktwinkel zur Leitplanke hätte erwarten lassen und auch die Kontaktdauer über rund 20 m ungewöhnlich lang erscheine. Der genaue Unfallhergang bedürfe aber keiner weiteren Aufklärung, da feststehe, dass sich der Unfall an ebenjener Stelle ereignet habe. Weder sei bewiesen, dass sich der Unfall an einer konkreten anderen Stelle ereignet habe, noch dass er sich überhaupt nicht an dieser Stelle ereignet haben könne. Die Schilderungen der Zeugen und die Feststellungen des Sachverständigen seien insoweit eindeutig und korrespondierten. Die Glaubhaftigkeit der Zeugenangaben leide auch nicht darunter, dass im Nebengeschehen Abweichungen bestünden.

Die Beklagte sei nicht aufgrund von Obliegenheitsverletzung des Klägers oder eines Repräsentanten leistungsfrei. Zwar habe der Zeuge F. in objektiver Hinsicht seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, indem er zum einen den Unfallort ohne die Wartezeit einzuhalten verlassen habe und zum anderen unrichtige Angaben in der Schadensanzeige bzw. den Nachfragen getätigt habe. Soweit es die Falschangaben betreffe, habe der Zeuge jedoch lediglich einfach fahrlässig gehandelt; bzgl. der Unfallflucht habe sich diese nicht kausal ausgewirkt.

Der unfallkausale, von der Beklagten zu ersetzende Schaden belaufe sich auf 6.075,62 € abzüglich des Selbstbehalts. Der auf die Felge entfallende Teil sei als abgrenzbarer, nicht unfallkausaler Teilschaden in Abzug zu bringen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, soweit sie verurteilt wurde und verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Die Beklagte trägt vor, das Landgericht habe in seinem Urteil nicht begründet, wie es zu der Annahme gekommen sei, dass eine Kollision an der benannten Stelle mit der Leitplanke stattgefunden habe. Zwar habe der Sachverständige in der Tat bei seiner Ortsbesichtigung irgendwelche Spuren an der Leitplanke festgestellt. Ob diese allerdings vom Klägerfahrzeug stammten, wisse er nicht und könne es auch nicht beurteilen. Der Sachverständige habe gerade nicht festgestellt, dass die Schäden am Klägerfahrzeug an der vorgegebenen Örtlichkeit (und auf die angegebene Weise) entstanden seien. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei unvollständig und fehlerhaft. Gerade die Widersprüche der Zeugen zum Rahmengeschehen würden dafür sprechen, dass die geschilderten Sachverhalte nicht erlebnisbegründet seien. Das Landgericht habe nicht positiv begründet, wieso es die Beteiligten für glaubwürdig erachte. Unter Zugrundelegung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sei ein für die Beklagte als Kaskoversicherer eintrittspflichtiger Versicherungsfall nicht nachgewiesen. Der Begriff des Versicherungsfalls könne nicht darauf beschränkt werden, ob an irgendeinem Gegenstand ein Schaden vorhanden sei, vielmehr sind die Darstellung und der Nachweis eines "Ereignisses", also eines bestimmten Hergangs, notwendig. Der Versicherungsnehmer müsse in einem Prozess ein Schadenereignis nach Zeit, Örtlichkeit und Ablauf darstellen. Dieses Schadenereignis bestimme den Streitgegenstand des Verfahrens und müsse, wenn es im Prozess bestritten werde, vom Versicherungsnehmer nachgewiesen werden. Im Übrigen bestehe auch Leistungsfreiheit der Beklagten wegen einer arglistigen Obliegenheitsverletzung in Form der Falschangaben, da Zeugen des Geschehens von Klägerseite in der Schadensanzeige nicht angegeben worden seien. Nachdem nicht alle vom Kläger im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Schäden aus dem behaupteten Ereignis stammen könnten, sei die Klage auch wegen des nicht hinreichend dargelegten und bewiesenen Schadensumfangs abzuweisen.

Die Beklagte beantragt:

In teilweiser Abänderung des Urteils 8 O 351/19, LG Karlsruhe vom 25.09.2020 wird die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit der Senat keine abweichenden Feststellungen getroffen hat, auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag für den PKW Mercedes B-Klasse 180 CDI mit dem amtlichen Kennzeichen ..., der auch eine Vollkaskoversicherung umfasst, ein Anspruch auf Zahlung von 5.575,62 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zusteht. Die Berufung zeigt weder eine Rechtsverletzung auf, auf der die angefochtene Entscheidung beruht, noch Tatsachen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen.

1. Hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung des Schadens aus dem behaupteten Versicherungsfall kann auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts verwiesen werden. Einwendungen gegen die Aktivlegitimation, die von der Beklagten erstinstanzlich angezweifelt wurde, werden mit der Berufung nicht wiederholt.

2. Der Kläger hat den ihm obliegenden Nachweis geführt, dass die Voraussetzungen der Eintrittspflicht der Beklagten nach dem Versicherungsvertrag vorliegen, die in A.2.2.2 der AKB als versichertes Ereignis in der Vollkaskoversicherung einen Unfall des Fahrzeugs, d.h. ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis erfordert.

a) Aufgrund des Beschädigungsbildes am versicherten Fahrzeug und unter Berücksichtigung der von den Parteien nicht in Zweifel gezogenen Angaben des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. bei seiner Gutachtenerstattung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht steht fest, dass der Schaden mit kastenförmigem Abdruckprofil durch ein von außen kommendes Ereignis entstanden ist, welches plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug eingewirkt hat; es handelt sich um typische Beschädigungen, wie sie sicher auf den streifenden Kontakt mit einer Leitplanke zurückzuführen sind. Selbst wenn - was weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich ist - der Kontakt mit der Leitplanke auf ein willentliches Verhalten des Zeugen F. zurückzuführen wäre, würde dies nichts an der Voraussetzung eines "plötzlichen" Ereignisses ändern, da der Begriff der "Plötzlichkeit" insoweit rein objektiv zu verstehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1981 - IVa ZR 58/80, juris Rn. 19; Koch in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., Band 12, AKB 2015, A.2. Rn. 294 f.; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Juni 1997 - IV ZR 245/96, juris Rn. 10).

b) Die Einwendungen der Beklagten zum Unfallhergang und Unfallort führen nicht zu der Annahme, dass der Kläger ein einstandspflichtiges Unfallereignis nicht nachgewiesen hätte.

aa) (1) Zwar ist zweifelhaft, ob die Schilderung des Unfallhergangs durch den Kläger unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugen F. und L. vollständig mit den Erkenntnissen des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. in Einklang zu bringen ist.

Während der Zeuge F. angegeben hat, ein Tier sei in einer Entfernung von etwa einem Meter kurz nach dem Kreisverkehr von links gekommen und er habe sich erschrocken und nach rechts gelenkt, so dass er ca. 2 bis 3 Sekunden an der Leitplanke entlanggefahren und dann wieder auf die Straße gekommen sei, hat der Sachverständige diese Schilderung bei der angenommenen Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h und festgestellten Antragungen an der Leitplanke über eine Gesamtstrecke von etwa 22 m als "wenig nachvollziehbar" bezeichnet. Es habe ein äußerst flacher Kontaktwinkel vorgelegen, wohingegen bei einem abrupten Ausweichen von links nach rechts ein stumpferer Kontaktwinkel aus technischer Sicht zu erwarten wäre. Es sei bei Zuordnung der Spuren an der Leitplanke während der Gesamtkontaktphase zu Abweichbewegungen nach links und dann wiederum zur Annäherung zu dieser Leitplanke gekommen. Bei einem vorkollisionären Abstand des Tieres von etwa einem Meter wäre eine Abwehrmaßnahme nicht wirksam gewesen und das klägerische Fahrzeug hätte das Tier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überrollt. Aus technischer Sicht sei der Kollisionswinkel nur bei einer Kollision noch direkt am Ende des Kreisverkehrs, also während der Ausfahrt nachvollziehbar, da andernfalls aufgrund des bogenförmigen Verlaufs der Leitplanke mehrfach bewusst gegen die Leitplanke gelenkt worden sein müsste.

Die überzeugende Analyse des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. lässt sich daher nur bedingt mit einer wörtlich verstandenen Schilderung des Klägers und seines Sohnes in Einklang bringen. Auch der Zeuge L. hat behauptet, das von links kommende Objekt, welches ein Tier sein könne, habe einen Abstand von nur etwa einem Meter gehabt und die Kollision sei "beim Rausfahren" aus dem Kreisverkehr passiert und habe vielleicht 2 bis 3 Sekunden gedauert. Demgegenüber geht der Sachverständige von einem Abstand des Tieres von mindestens 12 bis 14 m beim erstmaligen Erkennen aus.

Widersprüchlich sind zudem die divergierenden Angaben der Zeugen F. und L. zu dem Verhalten nach dem Unfallereignis. Der Zeuge F. hat angegeben, er habe etwa 10 oder 20 m nach der Unfallstelle angehalten, sei zusammen mit dem Zeugen L. ausgestiegen und habe gesehen, dass an der Leitplanke nichts passiert sei. Demgegenüber war der Zeuge L. sicher, dass man nach dem Unfallereignis nicht stehen geblieben sei, sondern erst 200 bis 300 m vor Seligenstadt-Froschhausen angehalten und sich den Schaden am Fahrzeug angeschaut habe. An die Unfallstelle sei man erst zu einem späteren Zeitpunkt zurückgekehrt, um Bilder für den Versicherer zu machen.

Hinzu kommt, dass die Angaben im Rahmen der vorgerichtlichen Schadensschilderung durch den Kläger bzw. seinen Sohn und der Zeugen bei ihrer Vernehmung durch das Landgericht auch in Nebenaspekten widersprüchlich sind, etwa soweit es den konkreten Tagesablauf vor dem Unfall betrifft.

(2) Dennoch hat sich das Landgericht die Überzeugung gebildet, dass sich der Unfall an der vom Kläger behaupteten Stelle ereignet hat. Konkrete Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung, die eine neue Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebieten würde, bestehen nicht. Dies gilt auch für den konkreten Zeitpunkt des behaupteten Unfallereignisses, den das Landgericht ebenfalls nicht in Frage gestellt hat.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass hinsichtlich des genauen Unfallhergangs bereits nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Widersprüche zwischen der Unfallschilderung durch die Zeugen und den Erkenntnissen des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. zu der Annahme führen, dass die Angaben der Zeugen auch hinsichtlich Ort und Zeit des Unfallereignisses nicht glaubhaft sind. Vielmehr ist nachvollziehbar, dass die genauen Einzelheiten des Unfallablaufs und insbesondere die Entfernung zu dem von den Zeugen nur ansatzweise gesehenen Tier aufgrund des plötzlichen Unfallereignisses nicht in jedem Detail richtig wahrgenommen und ggf. zuverlässig erinnert werden können. Gerade der geschilderte Abstand von lediglich einem Meter zu dem Tier ist zwar nicht plausibel. Es ist aber nachvollziehbar, dass das Tier den Zeugen jedenfalls sehr nah vorkam und auch eine tatsächliche Entfernung des Tieres - wie vom Sachverständigen unterstellt - von 12 bis 14 m der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen und ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit nicht entgegensteht.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Kläger und die Zeugen im Streitfall unzutreffende Angaben zu Ort und Zeit des Unfallereignisses gemacht haben sollten. Dass eine Beschädigung am versicherten Fahrzeug erfolgt ist, die nur mit einer Streifkollision an einer Leitplanke erklärt werden kann, liegt auf der Hand. Die Schilderung einer unzutreffenden Örtlichkeit oder einer falschen Unfallzeit hätte für den Kläger keinen Vorteil, wohingegen sich bezüglich der zweifelhaften Detailangaben zum Unfallereignis selbst und den sich widersprechenden Darstellungen der Zeugen zum Verhalten nach dem Unfallereignis plausible Erklärungen finden lassen, warum eine aus Sicht des Klägers bzw. seines Sohnes günstigere Darstellung gewählt wurde. Insgesamt bestehen damit keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Annahme des Landgerichts, dass die Angaben der Zeugen bzgl. Ort und Zeit des Unfallereignisses glaubhaft sind und der Kläger das Unfallgeschehen insoweit nachgewiesen hat.

bb) Unabhängig von diesen tatsächlichen Erwägungen gilt ohnehin, dass der Versicherungsnehmer bei der Kaskoversicherung zwar darlegen und beweisen muss, dass ein "Unfall" im Sinne der Versicherungsbedingungen stattgefunden hat. Gelingt dem Versicherungsnehmer dieser Nachweis, trifft den Versicherer die Beweislast in vollem Umfang, dass der Versicherungsnehmer oder einer seiner Repräsentanten den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat, weil die Unfreiwilligkeit des Schadensereignisses nicht zum Begriff des Unfalls gehört (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 11. Dezember 2020 - 5 U 8/20, juris Rn. 22; Senat, Urteil vom 24. Juni 2015 - 12 U 421/14, juris Rn. 22 f.; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. Februar 2013 - 4 U 16/12, juris Rn. 34; Senat, Urteil vom 16. März 2006 - 12 U 292/05, juris Rn. 14; OLG Köln, Urteil vom 15. Juni 2004 - 9 U 164/03, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 25. Juni 1997 - IV ZR 245/96, juris Rn. 10; jeweils m.w.N.).

Kann der Sachverhalt im Einzelnen nicht aufgeklärt werden, steht jedoch fest, dass die Schäden nach Art und Beschaffenheit nur auf einem Unfall im versicherten Zeitraum beruhen können, so reicht diese Feststellung allerdings aus, um die Einstandspflicht des Versicherers zu begründen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 11. Dezember 2020 - 5 U 8/20, juris Rn. 22; Senat, Urteil vom 16. März 2006 - 12 U 292/05, juris Rn. 12). Dies gilt letztlich auch dann, wenn sich der Versicherungsfall so, wie er geschildert wurde, nicht ereignet haben kann. Die Klage ist dagegen abzuweisen, wenn feststeht, dass der behauptete Unfall, aus dem Ansprüche gegen den Versicherer hergeleitet werden, an der angegebenen Unfallstelle und unter den angegebenen Bedingungen nicht stattgefunden haben kann, sondern nur anderswo und unter anderen Bedingungen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 17. November 2016 - 7 U 34/16, juris Rn. 22; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. Februar 2013 - 4 U 16/12, juris Rn. 33; Senat, Urteil vom 16. März 2006 - 12 U 292/05, juris Rn. 12; OLG Köln, Urteil vom 15. Juni 2004 - 9 U 164/03, juris Rn. 12; Klimke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., AKB 2015 A.2.2.2 Rn. 10).

Es gelten bei der Kaskoversicherung damit nicht die Regeln zum vorgetäuschten Unfall im Haftpflichtprozess (vgl. auch OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. Februar 2013 - 4 U 16/12, juris Rn. 33), nach denen zunächst der Geschädigte den äußeren Tatbestand der Rechtsgutsverletzung zu beweisen hat (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 13. Dezember 1977 - VI ZR 206/75, BGHZ 71, 339, juris Rn. 27) und er damit auch nachweisen muss, dass der Schadenshergang in der nach Ort und Zeit beschriebenen Weise stattgefunden hat (vgl. OLG Köln, Urteil vom 22. Juni 2017 - I-8 U 19/16, juris Rn. 43; OLG Saarbrücken, Urteil vom 18. Oktober 2011 - 4 U 462/10, juris Rn. 24). Hierauf beziehen sich jedoch die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise der Beklagten in der Berufungsbegründung.

cc) (1) Nach den für die Kaskoversicherung geltenden Grundsätzen ist unter den oben dargestellten Voraussetzungen der Versicherungsfall "Unfall" dagegen auch dann erwiesen, wenn der Unfallhergang, so wie er vom Versicherungsnehmer geschildert wurde, zumindest im Detail nicht stattgefunden haben kann. Zwar muss der Schaden einem konkret dargestellten Unfall wenigstens in etwa zugeordnet werden können (Klimke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., AKB 2015 A.2.2.2 Rn. 10). Die ihm zumutbare zeitliche und örtliche Individualisierung hat der Kläger indes mit der Behauptung eines Unfallereignisses am 26.06.2017 gegen 0.30 Uhr an einem Kreisverkehr in der Nähe von Seligenstadt-Froschhausen vorgenommen und es kann nach den Erkenntnissen aus dem mündlich erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. nicht festgestellt werden, dass der Unfall nicht an der vom Kläger angegebenen Unfallstelle und nicht - zumindest im Wesentlichen - unter den von ihm angegebenen Bedingungen stattgefunden haben kann, sondern nur an anderer Stelle und unter anderen Bedingungen (vgl. zu diesem Maßstab OLG Stuttgart, Urteil vom 17. November 2016 - 7 U 34/16, juris Rn. 22 f.; Senat, Urteil vom 16. März 2006 - 12 U 292/05, juris Rn. 12). Der Sachverständige hat Fremdantragungen an der Leitplanke festgestellt, die höhen- und lagemäßig dem klägerischen Fahrzeug zugeordnet werden können und deutlich gemacht, dass der Kontakt an der Leitplanke an der vom Kläger behaupteten Örtlichkeit vorgelegen haben kann (AS I, 126 f.). Das klägerische Fahrzeug verfügt über ein kastenförmiges Abdruckprofil, welches sich diesem Leitplankenprofil im Bereich des Kreisverkehrs zuordnen lässt.

(2) Anhaltspunkte, die nicht nur auf einen im Detail anderen Unfallhergang, sondern auch auf eine andere Unfallörtlichkeit oder einen anderen Zeitpunkt des Unfallereignisses schließen lassen, sind - wie bereits dargelegt - weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Mit dem Bestreiten einer Kollision an der vom Kläger benannten Örtlichkeit bringt die Beklagte angesichts des Umstands, dass der Schaden offensichtlich durch ein Unfallereignis im Sinne der Versicherungsbedingungen entstanden ist, zum Ausdruck, dass sie eine willentlich herbeigeführte Kollision bzw. einen vorgetäuschten Unfall zumindest für möglich hält.

Hierbei handelt es sich jedoch um einen Einwand, den bei der Kaskoversicherung der Versicherer in vollem Umfang darzulegen und zu beweisen hat (vgl. Senat, Urteil vom 24. Juni 2015 - 12 U 421/14, juris Rn. 23; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. Februar 2013 - 4 U 16/12, juris Rn. 34; Senat, Urteil vom 16. März 2006 - 12 U 292/05, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 25. Juni 1997 - IV ZR 245/96, juris Rn. 10; jeweils m.w.N.). Dies zeigen auch die Regelungen in A.2.2.2.5 i.V.m. A.2.9.1 der AKB sowie § 81 Abs. 1 VVG zur vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls. Die aus diesen Regelungen resultierende Beweislast würde unzulässig umgangen, wenn allein Zweifel am Nachweis der Unfallörtlichkeit zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen würden (vgl. Koch in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., Band 12, AKB 2015, A.2 Rn. 327). Der Versicherer hätte es in der Hand, bei dem Verdacht eines vorgetäuschten bzw. vorsätzlich herbeigeführten Unfallereignisses nur durch das Bestreiten der Lage des Unfallorts und des Zeitpunkts des Unfalls die Beweislast auf den Versicherungsnehmer zu verschieben, obwohl - wie im Streitfall - ein vom Versicherungsvertrag umfasstes Unfallgeschehen zweifelsfrei vorliegt. Die Grauzone der ungeklärten Fälle liegt jedoch letztlich im Risikobereich des dafür bezahlten Versicherers (Senat, Urteil vom 24. Juni 2015 - 12 U 421/14, juris Rn. 23 m.w.N.), etwaige Zweifel an der Unfreiwilligkeit des Unfallgeschehens gehen zu Lasten des Versicherers (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. Februar 2013 - 4 U 16/12, juris Rn. 34).

(3) Der Streitfall unterscheidet sich damit von einer Fallkonstellation, bei der feststeht, dass der Unfall an der vom Versicherungsnehmer angegebenen Örtlichkeit nicht passiert sein kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2005 - 20 U 228/03, juris Rn. 12). Der Senat folgt nicht der vom Oberlandesgericht Brandenburg vertretenen Auffassung, wonach die Lage der Unfallstelle zu den vom Versicherungsnehmer darzulegenden und nachzuweisenden Umständen gehört (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Mai 2009 - 12 U 215/08, juris Rn. 3; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 12 U 114/06, juris Rn. 3; vgl. auch Stadler in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, AKB 2015, A.2 Rn. 375; Scheu, jurisPR-VersR 9/2018 Anm. 4).

c) Den ihr obliegenden Nachweis, dass der Kläger oder einer seiner Repräsentanten den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben, hat die Beklagte nicht geführt. Es fehlt bereits an hinreichenden Anhaltspunkten hierfür. Allein der Umstand, dass - wie die Beklagte meint - der Unfall hätte vermieden werden können, ändert nichts an der Einstandspflicht der Beklagten. Der Zweck der Kaskoversicherung liegt gerade in dem Schutz vor den wirtschaftlichen Folgen eigenen Fehlverhaltens (Koch in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., Band 12, AKB 2015, A.2 Rn. 282).

3. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte auch nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers oder eines Repräsentanten gemäß E.1 und E.2 der AKB bzw. § 28 Abs. 2 und 3 VVG ganz oder teilweise leistungsfrei ist.

a) Hinsichtlich der Obliegenheit nach E.1.1.3 der AKB, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei vorgeschriebenen Wartezeiten zu beachten, hat das Landgericht zwar eine bedingt vorsätzliche Verletzung dieser Obliegenheit angenommen, weil es die Aussage des Zeugen L. für glaubhaft erachtet hat, dass nach dem Unfallereignis nicht unmittelbar angehalten und die Leitplanke in Augenschein genommen wurde. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf das Schreiben der Beklagten vom 21.06.2018 (Anlage K 5) aber die Ursächlichkeit der Obliegenheitsverletzung für die Feststellung des Versicherungsfalls sowie der Leistungspflicht der Beklagten verneint. Dem ist die Beklagte mit der Berufung nicht entgegengetreten, insbesondere hat sie keine Anhaltpunkte vorgebracht, die insoweit auf eine arglistige Verletzung der Obliegenheit schließen lassen könnten.

b) Die Obliegenheit des Versicherungsnehmers nach E.1.1.3 der AKB, die Fragen des Versicherers zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten, ist - was auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen wird - dadurch verletzt worden, dass er bzw. sein Sohn als Repräsentant auf die Nachfrage der Beklagten vom 30.08.2017 angegeben hat, dass keine Zeugen den Unfall beobachtet hätten, obwohl auch der Zeuge L. als Beifahrer das Unfallgeschehen nach dem Vorbringen des Klägers mitbekommen hat.

Zu Recht ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass diese Obliegenheitsverletzung weder grob fahrlässig, noch vorsätzlich und erst Recht nicht arglistig erfolgt ist, so dass keine zumindest teilweise Leistungsfreiheit der Beklagten in Betracht kommt. Es ist auch für den Senat nachvollziehbar, dass ein Versicherungsnehmer die Frage "Gibt es Zeugen, die den Unfall beobachtet haben?" dahingehend missversteht, dass damit nur außerhalb des versicherten Fahrzeugs befindliche Personen gemeint sind, worauf auch die Wortwahl "beobachtet" hinweisen könnte. Bereits in der Schadensmeldung vom 01.08.2017 wurde angegeben, dass der Sohn des Klägers das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gefahren ist und der Bereich zu "Zeugen" wurde nicht ausgefüllt. Dennoch war auch der Sohn des Klägers im rechtlichen Sinn "Zeuge", so dass die Angabe "keine Zeugen" bei der Beantwortung der Nachfrage der Beklagten schon aus Sicht der Beklagten zumindest widersprüchlich war. Auch vor diesem Hintergrund und angesichts der für einen Laien missverständlichen Fragestellung begegnet es keinen Bedenken, die objektive Falschangabe zu den nicht vorhandenen Zeugen nur als einfach fahrlässige Obliegenheitsverletzung anzusehen, die nicht zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten nach E.2 der AKB bzw. § 28 Abs. 2 VVG führt.

4. Die vom Landgericht festgestellte Schadenshöhe von 6.075,62 €, die abzüglich des Selbstbehalts von 500 € den zugesprochenen Betrag von 5.575,62 € ergibt, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die von der Beklagten in der Berufungsbegründung zitierte Rechtsprechung betrifft Fälle, in denen der Geschädigte mit dem Unfallgeschehen nicht kompatible Vorschäden seines Fahrzeugs nicht angibt und damit insgesamt Zweifel an der geltend gemachten Schadenshöhe bestehen. Im Streitfall ist der Sachverständige Dipl.-Ing. K. zwar zu dem Schluss gekommen, dass die Beschädigung an der Felge nicht durch die Kollision mit der Leitplanke entstanden sein kann. Es handelt sich aber bei dem Schaden an der Felge um einen vom übrigen Schadensbild klar abgrenzbaren Schaden, der ohne weiteres aus der - von der Beklagten beauftragten - Kalkulation der Reparaturkosten des Sachverständigen Müller vom 03.07.2017 herausgerechnet werden kann, so dass sich statt des dort angegebenen Nettobetrags von 6.344,34 € der um 268,72 € gekürzte Betrag von 6.075,62 € errechnet. Es ist auch plausibel - wie das Landgericht zutreffend ausführt - dass eine solche Beschädigung an der Felge beim alltäglichen Fahren etwa bei Berührung eines Bordsteins leicht entstehen kann und vom Geschädigten nicht als Vorschaden wahrgenommen wird.

5. Dem Kläger stehen auch die vom Landgericht zugesprochenen Verzugszinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Rechtshängigkeitszinsen zu, nachdem sich die Beklagte spätestens mit der ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Leistung in ihrem Schreiben vom 21.06.2018 (Anlage K 5) gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug befand.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Soweit der Senat nicht der vom Oberlandesgericht Brandenburg vertretenen Auffassung folgt, wonach die Lage der Unfallstelle zu den vom Versicherungsnehmer darzulegenden und nachzuweisenden Umständen gehört, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an, da der Kläger diesen Nachweis geführt hat.

RechtsgebietVVGVorschriftenVVG § 28; VVG § 81

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