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23.09.2021 · IWW-Abrufnummer 224827

Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 26.05.2021 – 3 K 199/20

Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.




Behandlung von Avalprovisionen als Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a Einkommensteuergesetz; Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb eines Tankstellenbetreibers

In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Proz.-Bev.:
...
gegen
Finanzamt ...
- Beklagter -
wegen
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und Gewerbesteuermessbetrag 2014 bis 2016
hat der 3. Senat des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern ohne mündliche Verhandlung am
26. Mai 2021
durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt € 1.500,00.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Behandlung von Avalprovisionen als Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a Einkommensteuergesetz -EStG-.

1.

Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2014 bis 2016 eine Tankstelle und erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Tankstelle hatte er von der A gepachtet und mit ihr einen Tankstellenpachtvertrag abgeschlossen. Der Kläger hatte sich darin unter anderem verpflichtet, eine Sicherheit zu stellen. In der "Ergänzung Nr. 32 zum Tankstellen-Verwalter-Vertrag" vom ...2013 heißt es:

    "Verwalter stellt ... zur Sicherung aller Forderungen aus der Geschäftsverbindung und der Beistellung des Agenturbestandes eine von ... anerkannte Sicherheit.

    In die Geschäftsverbindung fallen auch öffentlich-rechtliche Ansprüche Dritter, insbesondere Ansprüche gemäß kommunalen Abgabenrechts, für die ... bei Nichtzahlung des Verwalters als Zweitschuldner in Anspruch genommen werden kann.
    Form der Sicherheit    Höhe der Sicherheit (in EUR)
    Bankbürgschaft    45.000"

Zur Erfüllung dieser Verpflichtung schloss der Kläger am ...2013 mit der B-Bank einen "Kreditvertrag für Avalkredite". Darin heißt es:

    "1. Die Bank stellt dem Kreditnehmer einen Avalkredit zur Verfügung in Höhe von 45.000 EUR.

    2. Bis zur Höhe dieses Betrages wird die Bank im Auftrag und für Rechnung des Kreditnehmers gegenüber bzw. bei verschiedenen Gläubigern Bürgschaft leisten

    für (Zweck, Grundgeschäft) Bankbürgschaft als Sicherheitsleistung für ..."

Der Kläger verpflichtete sich, für die Bereitstellung des Avals monatlich eine Provision und Kontoführungsgebühren zu zahlen. Die entsprechenden Avalzinsen bzw. Avalprovisionen bilanzierte der Kläger unter Konto 2038, und zwar für 2014 € 2.026,54, für 2015 € 1.824,00 und für 2016 € 1.824,00. Außerdem bilanzierte er unter Konto 2010 Zinsaufwendungen für kurzfristige Verbindlichkeiten.

Für die Streitjahre reichte der Kläger Feststellungserklärungen ein. Der Beklagte stellte die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb für die Streitjahre gesondert fest und folgte dabei inhaltlich den Erklärungen des Klägers. Das geschah für 2014 durch Bescheid vom 07.06.2016, für 2015 durch Bescheid vom 24.11.2016 und für 2016 durch Bescheid vom 17.01.2018. Alle Bescheide ergingen nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung -AO- unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen der Veranlagung 2017 forderte der Beklagte den Kläger auf, eine Ermittlung der Unter- und Überentnahmen seit 2006 einzureichen. Der Kläger antwortete darauf mit Steuerberaterschreiben vom 27.09.2019. Er teilte insbesondere mit, dass sich seiner Auffassung nach ohnehin kein beschränkter Schuldzinsenabzug ergebe, denn die Avalprovisionen dienten der Absicherung des Warenbestandes, seien alternativ zu Barkautionen von der Mineralölgesellschaft vertraglich gefordert und seien keine Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG. Für die Einordnung als Schuldzinsen müsse die Einnahme von Bürgschaftsprovisionen beim nichtgewerblichen Steuerpflichtigen zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen, was jedoch nach der Rechtsprechung des BFH nicht zutreffe. Eine Warenbürgschaft - wie hier - diene nicht der Erlangung oder Sicherung eines Kredits; eine Kapitalüberlassung liege nicht vor.

Auch nach dem BMF-Schreiben vom 02.11.2018 (BStBl I 2018, 1207) handle es sich nicht um Schuldzinsen; denn Bürgschaften und die dafür gezahlten Entgelte seien dort nicht genannt.

Demgegenüber vertrat der Beklagte die Auffassung, dass es sich bei den Avalprovisionen um Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG handle.

Mit Steuerberaterschreiben vom 07.11.2019 und vom 11.11.2019 legte der Kläger eine Berechnung der Unter- und Überentnahmen für die Jahre 2006 bis 2016 vor. Er teilte die folgenden Zahlen mit:

Am 26.11.2016 ergingen für die Jahre 2014 bis 2016 geänderte Feststellungsbescheide, mit denen die Einkünfte um nach Auffassung des Beklagten nicht abziehbare Schuldzinsen erhöht wurden. Gleichzeitig ergingen für diese Jahre geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag. Der Beklagte berechnete die Erhöhung wie folgt:

für 2014:
Zinsaufwendungen für kurzfr. Verbindlichkeiten (Konto 2010)    € 1.579,03
Avalzinsen (Konto 2038)    € 2.026,54
Zwischensumme    € 3.605,57
abzgl. Freibetrag    ./. € 2.050,00
berücksichtigte Schuldzinsen somit    € 1.555,57
begrenzt durch 6 % der Überentnahme in Höhe von € 25.681,30 = € 1.540,88    € 1.540,88

für 2015:
Zinsaufwendungen für kurzfr. Verbindlichkeiten (Konto 2010)    € 1.521,33
Avalzinsen (Konto 2038)    € 1.824,00
Zwischensumme    € 3.345,33
abzgl. Freibetrag    ./. € 2.050,00
berücksichtigte Schuldzinsen somit    € 1.295,33
begrenzt durch 6 % der Überentnahme in Höhe von € 26.563,45 = € 1.593,81    € 1.295,33

für 2016:
Zinsaufwendungen für kurzfr. Verbindlichkeiten (Konto 2010)    € 1.691,08
Avalzinsen (Konto 2038)    € 1.824,00
Zwischensumme    € 2.515,08
abzgl. Freibetrag    ./. € 2.050,00
berücksichtigte Schuldzinsen somit    € 465,08
begrenzt durch 6 % der Überentnahme in Höhe von € 16.542,88 = € 992,57    € 465,08

2.

Der Kläger legte mit Steuerberaterschreiben vom 06.12.2019 Einspruch ein. Er vertrat weiter die Auffassung, dass es sich bei den Avalprovisionen nicht um Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a S. 4 EStG handle. Somit seien die ursprünglichen Bescheide nicht zu ändern gewesen, da die weiteren Zinsen - ohne Berücksichtigung der Avalprovisionen - niedriger seien als der Freibetrag.

Der Beklagte verband die Einsprüche gegen die Feststellungsbescheide mit Einspruchsentscheidung vom 05.05.2020 zur gemeinsamen Entscheidung und wies sie als unbegründet zurück. Dagegen hat der Beklagte über die Einsprüche gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag noch nicht entschieden.

Zur Begründung der Einspruchsentscheidung wurde ausgeführt: Der Schuldzinsenabzug sei zu Recht um die nicht abzugsfähigen Schuldzinsen gekürzt worden; denn die Aval-/Bürgschaftsprovisionen seien als Schuldzinsen einzuordnen.

Seit der Einführung des § 4 Abs. 4a EStG sei der Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen. Zunächst sei zu klären, ob es sich bei dem Kredit um eine betriebliche oder um eine private Schuld handle. Sodann sei zu prüfen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG abziehbar seien.

Vorliegend seien die Avalzinsen der Erwerbssphäre zuzuordnen, da sie ausschließlich durch die Absicherung des Warenbestandes veranlasst seien. Unzutreffend sei die Auffassung des Klägers, dass es sich nur um zinsähnliche Aufwendungen, aber nicht um Zinsen handle. Der Avalkredit (Bürgschaftskredit) sei ein Kredit im Sinne der §§ 13 bis 18 KWG. Die Avalprovision werde für die Übernahme einer Bürgschaft gezahlt. Sie habe wegen ihrer finanzierungsbezogenen Sicherungsfunktion wirtschaftlich Zinscharakter und gehöre somit dem Grunde nach zu den Geldbeschaffungskosten.

Der Auslegung des Urteils des Bundesfinanzhofes -BFH- vom 01.10.2002, IX R 72/99, durch den Kläger sei nicht zu folgen. Aus diesem Urteil ergebe sich vielmehr, dass maßgebliches Kriterium die Zweckbestimmung der Aufwendung sei, ein Darlehen zu erlangen oder zu sichern. Die Kosten (im dort entschiedenen Fall die Kosten einer Grundschuldbestellung) seien dann als Geldbeschaffungskosten abzugsfähig, wenn das Darlehen, für welches die Grundschuldbestellung erfolge, zur Einkünfteerzielung genutzt werde.

Der Kläger lege auch das BMF-Schreiben vom 02.11.2018 falsch aus; dort werde der Zinsbegriff tatsächlich weit ausgelegt.

Der Schuldzinsbegriff erfordere keineswegs eine echte Kapitalüberlassung. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 19.01.1978, IV R 153/72) unterscheide sich der Avalkredit insofern nicht von einem Effektivkredit, als er ebenfalls eine sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Leistung des Kreditinstituts sei.

3.

Die Klage des Klägers ist am 08.06.2020 bei Gericht eingegangen. Der Kläger erstrebt den vollständigen Wegfall der mit den Bescheiden vom 26.11.2018 vorgenommenen Gewinnerhöhung.

Der Kläger hält daran fest, dass es sich bei den Avalprovisionen nicht um Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a S. 4 EStG handle. Avalprovisionen seien nur dann unter den erweiterten ertragsteuerlichen Schuldzinsenbegriff zu subsumieren, wenn sie als Nebenkosten der Darlehensaufnahme bzw. als Geldbeschaffungskosten auf ein Darlehen entstehen. Ein solches Darlehen bestehe hier jedoch nicht.

Auch handelsrechtlich sei kein zinsähnlicher Aufwand gegeben. Das Kreditwesengesetz -KWG- sei für die Qualifizierung von Krediten nicht einschlägig.

Im Übrigen verweist der Kläger auf sein in der Einspruchsentscheidung wiedergegebenes Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 26.11.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.05.2020 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt seine in der Einspruchsentscheidung vertretene Auffassung. Dass der Kläger mit der Aufnahme des Avalkredits einer Vorgabe der Mineralölgesellschaft entsprochen habe, sei unerheblich. Ebenso sei unerheblich, dass der Kläger die gestellte Sicherheit nicht entnehmen könne. Es komme nicht auf die Entnahme der Sicherheit, sondern auf die Überentnahme insgesamt an. Auch ohne die "tatsächliche" Überlassung von Kapital habe der Kläger bereits Überentnahmen getätigt, weshalb der Abzug von Schuldzinsen zu begrenzen sei.

Selbst wenn nicht im eigentlichen Sinne Kapital "überlassen" worden sei, sei es zumindest "bereitgehalten" worden, um es gegebenenfalls einsetzen zu können. Den dafür gezahlten Provisionen sei wegen ihrer finanzierungsbezogenen Sicherungsfunktion wirtschaftlich Zinscharakter zuzusprechen.

Es handle sich um Avalprovisionen zur Sicherung des Umlaufvermögens. Hierzu hätte der Kläger - anstelle des Avalkredits - auch ein Darlehen aufnehmen können und müssen. Da die dafür anfallenden Zinsen als Schuldzinsen einzuordnen wären, könne für die Avalprovisionen nichts anderes gelten.

Dem Gericht liegen eine Bilanz-, Gewinn- und Verlustrechnungsakte, eine Feststellungsakte und eine Rechtsbehelfsakte vor.
Entscheidungsgründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, die Beteiligten haben ihre Zustimmung hierzu erteilt, § 90 II Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Begriff der "Schuldzinsen" ist grundsätzlich weit auszulegen (unten 1) und umfasst unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes auch die hier vorliegenden Avalzinsen (unten 2). Der angefochtene Bescheid erscheint daher als rechtmäßig (unten 3).

1.

Schuldzinsen sind nach Maßgabe des § 4 Abs. 4 a S. 2 bis 4 EStG nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind (§ 4 Abs. 4a S. 1 EStG).

"Schuldzinsen" im Sinne dieser Vorschrift sind alle laufenden und einmaligen Gegenleistungen in Geld oder Geldeswert für die zeitlich begrenzte Überlassung von Fremdkapital sowie alle übrigen Aufwendungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als Vergütung für die Überlassung von Kapital zur Nutzung angesehen werden können (BFH, Urt. vom 12.02.2014, IV R 22/10, BStBl II 2014, 621; Blümich-Wied, EStG, 154. EL § 4 Rn. 616; Schmidt-Loschelder, EStG, 39. Auflage § 4 Rn. 523 m. w. N.). Der Begriff ist grundsätzlich weit auszulegen. Unter ihn fallen außer Darlehenszinsen auch sonstige Finanzierungskosten, auch Kosten der Besicherung, wie Notargebühren für eine Grundschuld- oder Hypothekenbestellung (BFH, Urt. vom 01.10.2002, IX R 72/99, BStBl II 2003, 399), außerdem auch Gewinnanteile eines typisch stillen Gesellschafters (FG Köln, Urt. vom 21.08.2013, 14 K 3754/11, DStRE 2014, 776).

2.

Die Frage, ob auch Entgelte für eine Bürgschaft (Avalzinsen, Avalprovision) als "Schuldzinsen" einzuordnen sind, ist in der veröffentlichten Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht ausdrücklich entschieden worden. Die Frage ist zu bejahen.

Der Gesetzeswortlaut lässt eine solche Auslegung zu. "Schuldzinsen" können der Wortbedeutung nach alle Zinsen sind, die im Zusammenhang mit einer Schuld gezahlt werden, wenn auch nicht zwingend als Gegenleistung für die Überlassung von Kapital an den Gläubiger selbst. Dann werden auch die hier vereinbarten Avalzinsen erfasst: Der Kläger ist der Schuldner offener Forderungen des Tankstellenverpächters. Er muss diese Forderungen nicht sofort begleichen, hat aber dafür eine Bürgschaft zu stellen, für die er die Avalzinsen zahlt. Somit erfolgt die Zahlung im Zusammenhang mit einer Schuld, wenn auch mit einer Schuld gegenüber dem Verpächter.

Dieses - nach der Wortlautauslegung mögliche, aber nicht zwingende - Verständnis erscheint als zutreffend, wenn man den Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung berücksichtigt:

Die Regelung zur Abziehbarkeit von Schuldzinsen (§ 4 Abs. 4a EStG) konkretisiert, wann Schuldzinsen "betrieblich veranlasst" und somit als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Das ist nach der Auffassung des Gesetzgebers (BT-Drucksache 14/265 S. 170) dann nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige seinem Betrieb liquide Mittel entnimmt, obwohl sie dort nicht vorhanden sind, und im zeitlichen Zusammenhang damit Betriebsausgaben fremdfinanziert. Dann sind - im Ergebnis - die privaten Entnahmen durch Kreditaufnahme finanziert, und die entsprechenden Schuldzinsen sind nicht betrieblich, sondern privat veranlasst. Die Vorschrift fingiert somit, dass die Fremdfinanzierung von Überentnahmen nicht betrieblich veranlasst ist (Kirchhof-Bode, EStG, 19. Auflage § 4 Rn. 186; Schmidt-Loschelder a. a. O. Rn. 522).

Diesem Gesetzeszweck entspricht grundsätzlich die oben dargestellte weite Auslegung des Schuldzinsenbegriffs, nach der grundsätzlich alle Kosten einer Fremdfinanzierung erfasst werden. Demnach sind auch Entgelte für eine Bürgschaft als "Schuldzinsen" einzuordnen, denn die Bürgschaft dient der Fremdfinanzierung des Umlaufvermögens. Sie ist - worauf der Beklagte zutreffend hinweist - wirtschaftlich mit der Aufnahme eines Darlehens vergleichbar: Der Kläger hätte ein Darlehen aufnehmen und damit die Forderungen des Verpächters sofort begleichen können. Wenn der Verpächter ihm diese Möglichkeit nicht eingeräumt, sondern stattdessen auf einer Sicherheit bestanden haben sollte, ändert das nichts an der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit der beiden Vorgänge. Damit liegt diejenige Gestaltung vor, die der Gesetzgeber typisierend erfassen wollte: Der Kläger hat seinem Betrieb nicht vorhandene liquide Mittel entnommen, anstatt mit diesen Mitteln die Forderungen des Verpächters zu begleichen und damit die Avalzinsen zu vermeiden. Die Avalzinsen erscheinen damit als privat veranlasst.

Maßgeblich ist, dass Avalzinsen bei wirtschaftlicher Betrachtung den als Gegenleistung für ein Darlehen gezahlten Zinsen vergleichbar sind. Dagegen kommt es nicht auf die vom Kläger thematisierte Frage an, ob die Einnahme von Bürgschaftsprovisionen zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt. Auch die Frage, ob solche Geschäfte nur Kreditinstituten gestattet sind und der Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bedürfen, gibt für die einkommensteuerrechtliche Bewertung nach Auffassung des Senats nicht den Ausschlag.

Sind Avalzinsen wirtschaftlich mit Darlehenszinsen vergleichbar, so reicht das aus, um die Abziehbarkeit der Zinsen zu beschränken. Auf die konkrete Verwendung der durch den Kredit erlangten Mittel kommt es nicht an. Wenn der Kläger ein betriebliches Darlehen aufgenommen hätte, könnte er die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG auf die Darlehenszinsen nicht durch die Darlegung vermeiden, dass er das Darlehen tatsächlich für betriebliche Zwecke verwendet habe. Das ist nicht maßgeblich; denn wenn Überentnahmen getätigt werden und gleichzeitig ein betrieblicher Kredit aufgenommen wird, dann fingiert das Gesetz - wie dargelegt - den Zusammenhang zwischen beiden. Diese Überlegung gilt ebenso für Avalzinsen.

3.

Die angefochtenen Bescheide erweisen sich damit als rechtmäßig.

In den Streitjahren sind Überentnahmen getätigt worden. Das gilt - entgegen der zuletzt vom Kläger geäußerten Auffassung - auch für das Jahr 2014. Bei der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG ist eine periodenübergreifende Betrachtung geboten: Nicht abziehbare Schuldzinsen sind auch dann hinzuzurechnen, wenn zwar im Veranlagungszeitraum keine Überentnahme vorliegt, sich aber ein Saldo aufgrund von Überentnahmen der Vorjahre ergibt (BFH, Urt. vom 17.08.2010, VIII R 72/07, BStBl II 2010, 1041 [BFH 17.08.2010 - VIII R 42/07]; Urt. vom 14.03.2018, X R 17/16, BStBl II 2018, 744). Im Streitfall ergibt sich durch Saldierung insgesamt eine Überentnahme für alle Streitjahre. Rechnet man für die Jahre 2006 bis 2016 den Gewinn und die Einlagen zusammen, und zieht man davon die Entnahmen ab (§ 4 Abs. 4a S. 2 EStG), dann ergeben sich saldiert Überentnahmen von € 16.542,88. Ein negativer Saldo hat auch bereits zu Beginn der Streitjahre vorgelegen.

Bei der deshalb gebotenen Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG ist - wie in der Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt wird - eine zweistufige Prüfung geboten: Zunächst ist festzustellen, ob der betreffende Kredit eine betriebliche oder private Schuld ist. Dann ist zu prüfen, in welchem Umfang betrieblich veranlasste Schuldzinsen abziehbar sind (BFH, Urt. vom 21.09.2005, X R 46/04, BStBl II 2006, 125).

Vorliegend handelt es sich bei den Avalzinsen um eine betriebliche Schuld. Da der Kläger in den Streitjahren Überentnahmen getätigt hat, sind die Zinsen, soweit sie den Freibetrag übersteigen, nicht abziehbar. Die Abzugsbeschränkung gilt auch für Zinsaufwand zur Finanzierung des Umlaufvermögens. Das ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, der nur die Finanzierung des Anlagevermögens ausnimmt (BFH, Urt. vom 30.08.2012, IV R 48/09, BFH/NV 2013, 187).

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat lässt die Revision zu, da die hier streitige Frage noch nicht entschieden worden ist und der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Der Streitwert ist nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- auf den Mindestbetrag von € 1.500 festzusetzen. Auf die Berechnung des Streitwertes durch den Beklagten (Streitakte Bl. 32) wird verwiesen.

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