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12.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225153

Finanzgericht Köln: Urteil vom 29.04.2021 – 10 K 2648/20

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

1
Streitig ist die außerbilanzielle Hinzurechnung von Bewirtungsaufwendungen nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) bzw. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jeweils in den für die Streitjahre (2013 bis 2015) gültigen Fassungen.

2
Die Klägerin ist eine GmbH, die in den Streitjahren mehrere Spielhallen betrieb. Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Streitjahre vertrat die Prüferin die Auffassung, dass es sich bei den in den Spielhallen kostenlos gereichten Speisen und Getränken ‒ ein bis zwei Getränke, auf einem Tablett gereichte kleine Pizzaecken, kleingeschnittene Baguettes und Kuchenecken ‒ um Bewirtungsaufwendungen aus geschäftlichem Anlass handle. Diese seien nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG nicht zum Abzug zuzulassen, soweit sie den genannten Prozentsatz der Aufwendungen überstiegen. Dementsprechend wurden von der Prüferin 30 % der von der Klägerin verbuchten Aufwendungen für Speisen und Getränke außerhalb der Bilanz wie folgt hinzugerechnet:

3
2013  2014  2015

Aufwand lt. Buchf.  27.538 €  29.926 €  35.443 €
Hinzurechnung lt. BP  8.261 €  8.978 €  10.633 €

4
Den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend erließ der Beklagte entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Jahre 2013 bis 2015 jeweils vom 18.06.2019, auf die im Einzelnen verwiesen wird.

5
Im Rahmen des hiergegen geführten Einspruchsverfahrens trug die Klägerin vor, entgegen der Auffassung des Finanzamtes handle es sich bei den Aufwendungen für Speisen und Getränke nicht um Bewirtungsaufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG, sondern lediglich um Aufmerksamkeiten als übliche Geste der Höflichkeit im Sinne der Einkommensteuerrichtlinien (R4.10 (5-9) S. 9 Nr. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien -- EStR --), die nicht unter den Bewirtungskostenbegriff zu subsumieren seien. Der Spielgast werde im Rahmen seines Besuchs in einer Spielhalle vom Hallenpersonal empfangen. Im Rahmen dieses Begrüßungsgespräches werde ihm als Geste der Höflichkeit ein Wasser, ein Softdrink oder ein Kaffee oder Tee angeboten. Im Geschäftsleben seien solche Begrüßungsgetränke üblich, z.B. in Steuerkanzleien, in Rechtsanwaltskanzleien, in Modeboutiquen usw., in keinem dieser Fälle handle es sich um Bewirtungsaufwendungen.

6
Erst wenn der Spielgast über einen längeren Zeitraum - in der Regel mehrere Stunden -in der Spielhalle verweile, werde ihm ein weiteres Getränk angeboten. Auch dies stelle eine übliche Geste der Höflichkeit dar. Es sei in keinem Fall so, dass der Spielgast unbeschränkten Zugriff auf diese Getränke habe. Auch gebe es in den Spielhallen kein umfangreiches Sortiment von Speisen, sondern lediglich kleine Häppchen, die ohne Geschirr und Besteck auf einem Tablett gereicht würden. Hierbei handle es sich z.B. um eine Pizzaecke, ein klein geschnittenes Baguette oder eine Kuchenecke. Der Spielgast könne sich nicht eigenständig bedienen, sondern er bekomme ein Stück angereicht. Hier werde deutlich, dass nicht der Verzehr im Vordergrund stehe oder das Sattwerden des Gastes. Nehme man z.B. das Jahr 2015 als Grundlage, so ergebe sich, dass bei einem Aufwand von insgesamt 35.443 € bei insgesamt ca. 60 Spielautomaten und einer Öffnung von 365 Tagen im Jahr ein Wareneinsatz pro vorhandenem Spielgerät von 1,62 € pro Tag anfalle. Berücksichtige man, dass ein solches Spielgerät am Tag von mindestens drei Kunden bespielt werde, so ergebe sich ein Wareneinsatz von0,53 € pro Kunde und Tag. Hieraus ergebe sich ohne weiteres, dass es sich insoweit um Aufmerksamkeiten im Sinne der Einkommensteuerrichtlinien handle. Begrifflich fielen hierunter Kaffee, Tee, Erfrischungsgetränke, Gebäck, Butterbretzeln, kleine Auswahl an belegten Brötchen usw. Die Intention hierbei sei ganz eindeutig das Schaffen einer Wohlfühlatmosphäre und keinesfalls die Bewirtung eines Kunden.

7
Der Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die unentgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken in einer Spielhalle keine Geste der Höflichkeit sei. Sie diene dazu, die Verweildauer in der Spielhalle zu verlängern und dadurch den Spieleinsatz, sprich Umsatz, zu erhöhen. Darüber hinaus übersteige das von der Klägerin beschriebene unentgeltliche Angebot an Speisen und Getränken das Maß, welches nach der Lebensanschauung erwartbar und daher als Höflichkeit einzustufen sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.11.2020 wies der Kläger unter Verweis auf den vorangegangenen Schriftverkehr die Einsprüche als unbegründet zurück.

8
In dem hiergegen geführten Klageverfahren wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die außerbilanzielle Zurechnung der Aufwendungen für Lebensmittel und Getränkeeinkauf in den Streitjahren. Unstreitig stellten die Aufwendungen für den Wareneinkauf Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG dar, da sie aufgrund betrieblicher Veranlassung verausgabt worden seien. Zu Unrecht gehe jedoch der Beklagte davon aus dass es sich hier nicht lediglich um Aufmerksamkeiten handle, sondern um Bewirtungsaufwendungen von Personen aus geschäftlichem Anlass, welche unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG fielen und somit nur zu 70 % steuerlich zu berücksichtigen seien.

9
In den von ihr geführten Spielhallen werde einem eintretenden Gast regelmäßig einmal ein Getränk angeboten. Nur in Ausnahmefällen, wenn ein Gast sich besonders lange in der Spielhalle aufhalte, werde ihm ein zweites Getränk angeboten. Bei den Getränken handle es sich um verschiedene Kaffeezubereitungen, Softdrinks und Wasser. Die Speisen würden in Abständen von 1 bis 2 Stunden in Häppchenform auf einem Tablett angereicht. Der Vergleich des gesamten Wareneinkaufs an Speisen mit der durchschnittlichen Gästezahl in der Spielhalle habe ergeben, dass das durchschnittliche Gewicht der dargereichten Speisen je Spielgast und Tag ca. 7 g betrage. Dies sei insofern von Bedeutung, als normale Brötchen ein Gewicht von ca. 30 g hätten. Die dargereichten Speisen und Getränke seien also weder dazu geeignet, den Hunger noch den Durst des Spielgastes zu befriedigen. Es handle sich um ein branchenübliches Vorgehen, das dem allgemeinen Betrieb der Spielhalle diene und eine Wohlfühlatmosphäre schaffen solle, in der der Gast sich gerne über längere Zeit aufhalte und die Automaten bespiele.

10
Über die Frage, ob eine Bewirtung oder lediglich eine Aufmerksamkeit vorliege, sei stets im Rahmen der Gesamtumstände zu entscheiden. So könne z.B. auch ein belegtes Brötchen bereits eine Bewirtung darstellen, während in einem anderen Fall ein Glas Champagner in einer hochpreisigen Boutique noch eine Aufmerksamkeit darstellen könne. Es komme somit nicht auf den Wert der dargereichten Speisen, sondern auf die jeweilige Verkehrsauffassung an. So habe das Finanzgericht (FG) Köln in seinem Urteil vom 06.09.2018 (13 K 939/13) dargelegt, dass es bei der Frage, ob Catering-Aufwendungen bei Filmproduktionen Bewirtungsaufwendungen seien, letztlich entscheidend sei, dass das Catering Mahlzeiten ersetze. Dies sei im Fall der Klägerin aufgrund der bereits dargelegten Mengenangaben eindeutig nicht der Fall. Auch die Art und Weise der Darreichungsform der Speisen verbiete es, die angebotenen Speisen als Bewirtung anzusehen, da Besteck, Geschirr und Abstellmöglichkeiten fehlten. Vielmehr stellten die Aufwendungen im Gesamtkontext nichts anderes dar als Espresso, Softgetränke, kleine Kuchen und Gebäck, welche üblicherweise in Boutiquen gereicht würden. Insbesondere erfüllten die Speisen nach ihrer Art und Menge den verkehrsanschaulichen Zweck einer Aufmerksamkeit. Es gehe nicht darum, Grundbedürfnisse des Spielgastes (Hunger und Durst) zu befriedigen, sondern dem Spielgast mit einer Aufmerksamkeit den Aufenthalt in der Spielhalle so angenehm wie möglich zu gestalten. Im Übrigen werde an dieser Stelle auf die gesamte Branche der Spielhallen verwiesen. In ganz Deutschland sei es in jeder Spielhalle üblich, dass solche Aufmerksamkeiten gereicht würden. Diese Aufmerksamkeiten würden deutschlandweit in keiner Spielhalle als Bewirtungsaufwand behandelt.

11
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG sei auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auszulegen. Die Abzugsbeschränkungen in dieser Vorschrift stellten eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips dar, welches wiederum letztlich aus dem Grundgesetz abgeleitet sei. Eine solche Durchbrechung bedürfe regelmäßig einer besonderen Berechtigung und unterliege nicht umsonst der strengen Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Diese besondere Berechtigung sei im Fall der Bewirtungsaufwendungen der sogenannte Bezug zur Lebensführung der Steuerpflichtigen. Man spreche auch von privat mitveranlassten Erwerbsaufwendungen. Die Norm beziehe sich insbesondere auf die Bewirtung von Geschäftsfreunden und solchen Personen, die Geschäftsfreunde werden sollten. Sie unterstelle das Vorhandensein einer auch persönlichen Beziehung zwischen Bewirtendem und Bewirtung und setze darauf pauschalierend durch Hinzurechnung eines festen Betrages i.H.v. 30 % auf. Die persönliche Beziehung könne mehr oder weniger stark ausgeprägt sein, sie drücke sich jedoch zumeist ‒ wenn auch nicht zwingend ‒ dadurch aus, dass die bewirtende Person selbst oftmals an der Bewirtung teilnehme. Diese persönliche Beziehung, die die Anwendung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG überhaupt erst rechtfertige, sei im Fall der Klägerin jedoch klar zu verneinen. Es sei nicht nur so, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin überhaupt nicht in den Spielhallen anwesend seien, vor allen Dingen sei es so, dass die eigene Lebensführung schon ganz offensichtlich nicht berührt sein könne. Auch dass die angebotenen Speisen und Getränke dazu dienten, die Verweildauer in der Spielhalle zu verlängern und dadurch den Spieleinsatz zu erhöhen, spreche nicht gegen die Subsumierung der Speisen und Getränke unter den Begriff der Aufmerksamkeit. Denn auch ein Glas Champagner, ein Espresso oder ein Kaltgetränk in einer Boutique werde aus genau diesen Motiven angeboten. Auch der Boutique-Betreiber verfolge das Ziel, die Verweildauer und damit den Umsatz zu erhöhen. Insbesondere hätten die Kunden der Klägerin nicht die Möglichkeit, sich durch die Annahme des Angebots satt zu essen. Dies werde dadurch gewährleistet, dass die Mitarbeiterin mit einem auf die Anzahl der Spielgäste ausgerichteten Angebot auf dem Tablet durch den Raum gehe und darauf achte, dass jeder Kunde sich bedienen, nicht aber ein Kunde sich mehrfach bedienen könne. Auch stehe das Getränkeangebot in keinem Zusammenhang mit dem Speisenangebot. Zutreffend sei, dass die angebotenen Speisen und Getränke ‒ wie im Übrigen nahezu alle Aufwendungen der Klägerin ‒ mit dem Ziel getätigt würden, dass sich die Kunden möglichst lange in den Spielhallen aufhielten. Inwieweit ein solches Ziel jedoch gegen eine Aufmerksamkeit und für eine Bewirtung spreche, erschließe sich ihr, der Klägerin, nicht.

12
Die Klägerin beantragt,

13
unter Änderung der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2013, 2014 und 2015, jeweils vom 18.06.2019, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.11.2020 die außerbilanzielle Zurechnung der Aufwendungen für Lebensmittel und Getränkeeinkauf nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG rückgängig zu machen.

14
Der Beklagte beantragt,

15
die Klage abzuweisen.

16
Er macht geltend, Bewirtung im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG sei jede unentgeltliche Überlassung oder Verschaffung von Speisen, Getränken oder sonstigen Genussmitteln zum sofortigen Verzehr. Es komme nicht darauf an, ob die Beköstigung der bewirteten Personen im Vordergrund stehe oder die Bewirtung aus Sicht der Bewirtenden auch bzw. in erster Linie der Werbung oder der Repräsentation diene. Auch das Servieren kleinerer Gerichte (z.B. belegte Brötchen, Suppen, Häppchen u.ä.) seien nach der Zweckbestimmung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG als Bewirtung anzusehen. Im vorliegenden Fall könnten die dargebotenen Speisen und Getränke daher nicht als Aufmerksamkeiten oder Annehmlichkeiten bewertet werden. Nach der bisherigen Rechtsprechung seien hierunter nur übliche Gesten der Höflichkeit zu subsumieren. Nach den Ausführungen des FG Köln im Urteil vom 06.09.2018 (Az. 13 K 939/13) sei auch das Servieren kleiner Gerichte nach der Zweckbestimmung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG als Bewirtung anzusehen (z.B. belegte Brötchen, Suppen, Häppchen u.ä.).

17
Auch die von der Klägerin angestellte Berechnung eines durchschnittlichen Gewichtes der angebotenen Speisen sei nicht aussagekräftig, da die Speisen zu bestimmten Zeiten angeboten würden. Damit habe nur ein Teil der Kunden die Möglichkeit das Angebot in Anspruch zu nehmen. Auch dies spreche dafür, dass hier keine Annehmlichkeiten vorlägen, sondern eine Bewirtung. Das Vorhandensein von Besteck und Geschirr habe für die rechtliche Beurteilung keine Bedeutung. Auch von einem branchenüblichen Vorgehen könne vorliegend nicht ausgegangen werden, da in einigen Bundesländern die unentgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken verboten sei. Auch der Auslegung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG nach Sinn und Zweck der Vorschrift könne nicht gefolgt werden. Nach der Gesetzesbegründung werde mit der vorgesehenen Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs dem Umstand Rechnung getragen, dass durch die Bewirtung die Lebensführung der daran teilnehmenden Personen berührt sei. Auf persönliche Beziehungen oder die Teilnahme des Unternehmers sei für die vorzunehmende Kürzung nicht abzustellen. Zweck der Abzugsbeschränkung sei, Aufwendungen, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten typisierend einen konkreten Bezug zur Lebensführung hätten, nicht in vollem Umfang zum Abzug als Betriebsausgabe zuzulassen. Der Klägerin sei dahingehend zuzustimmen, dass ein Glas Cola für sich genommen eine Aufmerksamkeit darstelle, i. V. m. einem Speiseangebot jedoch den Bewirtungskosten zuzurechnen sei. Bei dem Speisenangebot handele es sich nicht mehr um Aufmerksamkeiten. Es würden nicht nur z.B. Erdnüsse und Kekse angeboten, sondern auch warme Speisen. Dieses Angebot sei insgesamt geeignet, die Kunden zu bewirten. Welchen Umfang diese Bewirtung letztlich beim einzelnen Kunden habe, könne für die gesamte Beurteilung nicht ausschlaggebend sein. Unabhängig davon sei jedoch bereits die Art der von der Klägerin erworbenen Speisen und Getränke regelmäßig dazu bestimmt und geeignet, eine Bewirtung durchzuführen. Durch eine individuelle Bearbeitung dieser Speisen könne dieser Charakter nicht verloren gehen. Vielmehr sei insbesondere darauf abzustellen, welchen Zweck die erworbenen Speisen und Getränke hätten. Ziel sei es, dass sich die Kunden möglichst lange in den Spielhallen aufhielten. Dies werde erreicht, indem ein entsprechendes Angebot an Speisen und Getränken zur Verfügung stehe.

18
Ergänzend wird auf die durch das Gericht beigezogenen Steuerakten, die im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

19
Entscheidungsgründe:

20
Die Klage ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte 30 % der Aufwendungen der Klägerin für die unentgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken an ihre Gäste nach § 8 Abs. 1 KStG bzw. § 7 Satz 1 GewStG i.V.m § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG außerbilanziell hinzugerechnet.

21
1.

22
Zwar handelt es sich bei den Aufwendungen der Klägerin für die ihren Kunden angebotenen Speisen und Getränke in voller Höhe um Betriebsausgaben nach § 8 Abs. 1 KStG bzw. § 7 Satz 1 GewStG i.V.m § 4 Abs. 4 EStG. Dies ergibt sich bereits aus der Rechtsform der Klägerin, da Kapitalgesellschaften über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen (s. z. B. Urteile des Bundesfinanzhof -- BFH -- vom 27.7.2016 I R 8/15, BStBl. II 2017, 214; I R 12/15, BStBl. II 2017, 217, jeweils m. w. N.). Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG dürfen jedoch Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG ‒ trotz ihrer Eigenschaft als Betriebsausgaben ‒ den Gewinn nicht mindern, soweit sie 70 % der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.

23
Um solche Bewirtungsaufwendungen aus geschäftlichem Anlass handelt es sich bei den von der Klägerin getätigten Aufwendungen für die an ihre Gäste unentgeltlich abgegebenen Speisen und Getränke. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen keine Aufmerksamkeiten vor, die die Verwaltung nach ihren eigenen Richtlinien (R 4.10 (5) Einkommensteuer-Hinweise -- EStH -- 2018) aus dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausnimmt.

24
a) Eine „Bewirtung“ im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH jede unentgeltliche Überlassung von Speisen, Getränken oder sonstigen Genussmitteln zum sofortigen Verzehr (vgl. BFH-Urteil vom 3.2.1993 I R 57/92, BFH/NV 1993, 530; BFH-Beschluss vom 6.6.2013, I B 53/12, BFH/NV 2013, 1561; BFH-Urteile vom 18.9.2007, I R 75/06, BStBl. II 2008, 116, und vom 7.9.2011, I R 12/11, BStBl II 2012, 194). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Beköstigung der bewirteten Person im Vordergrund steht oder die Bewirtung (aus der Sicht des Bewirtenden) auch bzw. in erster Linie der Werbung oder der Repräsentation dient. Insbesondere scheidet die Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht bereits dann aus, wenn die Verköstigung in einen anderen betrieblichen Vorgang eingebunden und diesem gegenüber untergeordnet ist (BFH-Urteile in BStBl II 2008, 116; in BStBl II 2012, 194; vom 17.7.2013, X R 37/10, BFH/NV 2014, 347, und vom 26.4.2018, X R 24/17, BStBl II 2018, 750).

25
Die Abzugsbeschränkung umfasst alle Bewirtungen "aus geschäftlichem Anlass". Dieser Begriff ist gesetzlich nicht definiert. Wie sich aus der systematischen Stellung des Absatzes 5 --der sich auf Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) bezieht-- und aus der unterschiedlichen Wortwahl ergibt, ist der Begriff nicht mit demjenigen der "Veranlassung durch den Betrieb" i.S. des § 4 Abs. 4 EStG identisch. Der Begriff umfasst die Bewirtung insbesondere von solchen Personen, zu denen Geschäftsbeziehungen bestehen oder angebahnt werden sollen; er schließt nur die Bewirtung eigener Arbeitnehmer aus (BFH-Urteile in BStBl II 2008, 116; vom 19.6.2008, VI R 33/07, BStBl II 2009, 11; BStBl II 2012, 194).

26
b) Dies zugrunde gelegt handelt es sich bei den von der Klägerin dargereichten Speisen und Getränken um eine „Bewirtung“ im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG. Im Streitfall wurden den Kunden der Klägerin anlässlich ihres Aufenthalts in einer der Spielhallen unstreitig Speisen und Getränke zum sofortigen Verzehr unentgeltlich überlassen. Das allein reicht für die Annahme einer Bewirtung aus.

27
Da es nicht darauf ankommt, ob die Beköstigung der bewirteten Person im Vordergrund steht oder die Bewirtung (aus der Sicht des Bewirtenden) auch bzw. in erster Linie der Werbung oder der Repräsentation dient, kann es an dieser Stelle dahinstehen, ob die von der Klägerin dargereichten Speisen und Getränke tatsächlich die Verweildauer der Gäste zu beeinflussen geeignet sind oder ob es der Klägerin lediglich darum geht, durch das Angebot an Speisen und Getränken eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen.

28
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den von der Klägerin ihren Kunden angebotenen Speisen und Getränken auch nicht um bloße Aufmerksamkeiten, die die Finanzverwaltung aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausnimmt (R 4.10 Abs. 5 Satz 9 Nr. 1 EStH 2018; vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2012, 194). Keine Bewirtung ist hiernach die Gewährung von Aufmerksamkeiten in geringem Umfang (wie Kaffee, Tee, Gebäck), z. B. anlässlich betrieblicher Besprechungen, wenn es sich hierbei um eine übliche Geste der Höflichkeit handelt, unabhängig von der Höhe der Aufwendungen.

29
Auch bei einer solchen Gewährung von Aufmerksamkeiten handelt es sich um eine unentgeltliche Überlassung von Speisen, Getränken oder sonstigen Genussmitteln zum sofortigen Verzehr, die damit grundsätzlich den Bewirtungskostenbegriff erfüllt. Zu Recht geht die Klägerin selbst ‒ unter Verweis auf das Urteil des FG Köln-Urteil vom 6.9.2018, 13 K 939/13 (EFG 2019, 55) ‒ davon aus, dass die von der Verwaltung aus Vereinfachungsgründen vorgenommene Klassifizierung von Bewirtungsaufwendungen als Aufmerksamkeiten nur dann in Betracht kommt, wenn den Speisen und Getränken objektiv kein eigenständiges Gewicht neben der Veranstaltung in der sie ausgegeben werden, zukommt, wie dies bei den in den Verwaltungsanweisungen exemplarisch erwähnten betrieblichen Besprechungen der Fall ist, bei denen mit den angebotenen Speisen und Getränken kein eigener Zweck ‒ außer dem Gebot der Höflichkeit zu entsprechen - verfolgt wird.

30
Genau diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben, da dem Angebot der Klägerin bereits nach ihrem eigenen Vortrag ein eigenständiges Gewicht zukommt. Nach den Ausführungen der Klägerin dienen die Speisen und Getränke dazu, eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Sie will mit dem Angebot erreichen ‒ so ihr Vortrag im Klageverfahren ‒, dem Spielgast den Aufenthalt in der Spielhalle so angenehm wie möglich zu machen mit dem Ziel, dass sich die Kunden möglichst lange ‒ umsatzsteigernd ‒ in den Spielhallen aufhalten. Durch diese Intention unterscheidet sich das Angebot der Klägerin grundlegend von einem vergleichbaren Angebot anlässlich einer betrieblichen Besprechung, das - selbst wenn es einen vergleichbaren Umfang hat - nicht dazu gedacht ist, die Besprechung in die Länge zu ziehen, um dadurch eine Umsatzsteigerung zu bewirken.

31
Das Gericht sieht sich auch nicht in der Position, die Verwaltungsanweisung über ihren durch die Verwaltung so verstandenen Wortlaut hinaus auszudehnen, denn Verwaltungsanweisungen dürfen die Gerichte nicht nach eigenem Gutdünken auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (BFH-Urteile vom 24.10.2000, VI R 65/99, BStBl II 2001, 109; vom 29.11.2001, IV R 91/99  BStBl II 2002, 221; vom 1.7.2003, VIII R 80/00, BFH/NV 2004, 23, und vom 22.9.2011, III R 82/08, BStBl II 2012, 734). Auf dieser Grundlage ist die Entscheidung des Beklagten, die Anwendung der Ausnahmevorschrift im Streitfall abzulehnen, nicht zu beanstanden. Insbesondere ergibt sich aus dem Wortlaut der Richtlinie gerade nicht, dass hiervon Angebote erfasst werden sollen, die im Rahmen ‒ eher freizeitmäßiger ‒ Veranstaltungen, wie dem Besuch einer Spielhalle, dazu gedacht sind, den Gast zum Verweilen zu bewegen, um dadurch den Umsatz zu steigern. Dementsprechend sieht das Gericht keine Möglichkeit, die Ausnahmevorschrift auf Fälle anzuwenden, in denen etwa der aufgewendete Betrag je Gast oder das Gewicht der Speisen je Gast einen einer Aufmerksamkeit anlässlich einer Besprechung vergleichbaren Umfang einnimmt, wenn es an der grundlegenden Voraussetzung für die Annahme der Ausnahmevorschrift ‒ nämlich eines Speisen- und Getränkeangebots ohne eigenständiges Gewicht ‒ fehlt.

32
Schließlich sieht das Gericht in dieser Auslegung auch keinen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass der mit der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG verfolgte Zweck, Aufwendungen, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten typisierend einen konkreten Bezug zur Lebensführung haben, nicht in vollem Umfang zum Abzug als Betriebsausgabe zuzulassen (BTDrucks 11/2157, S. 139) eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips rechtfertigen (s. hierzu Loschelder in Schmidt, Kommentar zum EStG, 39. Aufl., § 4 Rz 521; BFH-Urteil in BStBl II 2012, 194). Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es daher nicht darauf an, ob ihr Geschäftsführer an der Beköstigung teilnimmt.

33
d) Ob die übrigen Voraussetzungen des Bewirtungskostenabzugs nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG (Belege und Aufzeichnungen) vorliegen, kann insoweit dahin stehen, als der Beklagte die Aufwendungen nur zu 30 % außerbilanziell hinzugerechnet hat und eine Verböserung im Hinblick auf fehlende Aufzeichnungen dem Gericht nicht möglich wäre.

34
e) Die Rückausnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG, wonach das Abzugsverbot nicht gilt, wenn die Bewirtung Gegenstand der mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen ist, ist ersichtlich nicht gegeben.

35
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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