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15.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225184

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 12.08.2021 – 11 K 2430/18 G

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Düsseldorf, 11 K 2430/18 G

Tenor:

Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2016 vom 20.10.2017 und die Einspruchsentscheidung vom 25.07.2018 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 
1
Tatbestand

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Streitig ist, ob der Kläger künstlerisch (freiberuflich) oder gewerblich tätig ist.

3
Der Kläger ist Discjockey (DJ). Im Streitjahr 2016 spielte er unter der Firma „...“ Musik bei Hochzeiten, Geburtstagsfeiern sowie Firmenveranstaltungen; gelegentlich trat er in Clubs auf. Er erzielte einen durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelten Gewinn i.H.v. 45.148,65 €. Darin enthalten sind Einnahmen i.H.v. 1.222,69 € und Ausgaben i.H.v. 1.400,00 € aus der zweimaligen Bereitstellung eines Vertretungs-DJs. Im Jahr 2018 wurde für den Kläger der Künstlername „...“ in das Melderegister eingetragen. Er betreibt die Website „...“.

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Die vom Kläger mit den Veranstaltern geschlossenen Verträge enthielten u.a. die folgende Klausel: „Der Künstler unterliegt weder in der Programmgestaltung noch in der Darbietung Weisungen des Veranstalters oder des Auftraggebers. Stil und Art der Darbietung werden jedoch im Vorfeld abgesprochen und eingehalten.“

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Der Beklagte (das Finanzamt ‒ FA ‒) qualifizierte die Tätigkeit als gewerbliche und erließ am 20.10.2017 einen Gewerbesteuermessbescheid gegen den Kläger.

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Dieser legte Einspruch ein und vertrat die Auffassung, er sei künstlerisch tätig. Er spiele Lieder nicht lediglich ab und reihe sie aneinander, sondern verändere sie so, dass neue, eigene Musikstücke (z.B. Remixe oder Mashups) entstünden. Dies geschehe vorab zu Hause oder live vor Ort. Er lege andere Beats unter die Songs, variiere die Abspielgeschwindigkeit, verwende Spezialeffekte, spiele Samples (d.h. Teile einer Ton- oder Musikaufnahme) ein oder vermische mehrere Musikstücke. Bekannte Songs erhielten dadurch einen anderen, neuen Charakter. Samples und Beats könnten käuflich erworben, aber auch selbst produziert werden. So stelle er Beats mit der Software „Reason“ her. Für seine Arbeit stünden ihm zwei Schallplattenspieler, zwei CD-Player, ein Laptop mit DJ-Software („Traktor Scratch“) und ein digitales Mischpult zur Verfügung. Er besitze eine große Musiksammlung, habe umfangreiches Wissen über bestimmte Musik-Genres und verstehe sich als Vollblut-Musiker. Er übersandte einen USB-Stick mit Ausschnitten aus den Stücken „Atemlos“ (Helene Fischer), „Pretty Woman“ (Roy Orbison) und „Papa was a rollin‘ stone“ (The Temptations) im Original und als eigene Remixe.

7
Das FA wies den Einspruch mit Entscheidung vom 25.07.2018 als unbegründet zurück. Es führte aus, die Tätigkeit des Klägers erreiche nicht die nötige Gestaltungshöhe, um als künstlerische eingestuft zu werden. Dies zeigten zum einen die als Hörprobe übersandten Remixe, die den Originalsongs stark ähnelten. Die Veränderungen im Beat und Klang seien nicht so bedeutend, dass der Zuhörer von neuen Musikstücken ausgehen würde. Der Kläger habe keine Klangfolgen mit dominierender eigener Prägung erzeugt (Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs ‒ BFH ‒ vom 18.07.2005, V R 50/04). Zum anderen ergebe sich dies aus den äußeren Umständen der Darbietung. Der Kläger spiele Musik, die vom Auftraggeber gewünscht werde, die auf das Publikum zugeschnitten sei und zur Art der Veranstaltung (z.B. Hochzeit oder Betriebsfeier) passe. Seine Möglichkeiten zur freien schöpferischen Gestaltung seien dadurch begrenzt. Bei den privaten Veranstaltungen gehe es nicht darum, alle Aufmerksamkeit auf den DJ zu lenken, sondern den Veranstaltern und Gästen einen Rahmen zum Feiern und Tanzen zu bieten. Die Tätigkeit als DJ stelle ein unteilbares Konglomerat aus künstlerischen und technischen Leistungen dar, wobei der technische Teil überwiege und ihr das Gepräge gebe. Bei der Veränderung der Musikstücke mit Hilfe von DJ-Software und der Gestaltung von Übergängen zwischen den Liedern handele es sich schwerpunktmäßig um technische Arbeit; der künstlerische Anteil der Leistung trete dahinter zurück. Hinzu komme, dass der Kläger neben der Musikdarbietung Dienstleistungen ‒ wie die Planung und Besprechung der Veranstaltung mit dem Auftraggeber, die Anlieferung und den Auf- und Abbau der Technik sowie die Stellung eines Ersatz-DJs bei Verhinderung ‒ erbringe, die gewerblicher Natur und nicht von untergeordneter Bedeutung seien.

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Im Zusammenhang mit einem Antrag auf Änderung der Einspruchsentscheidung, den das FA ablehnte, reichte der Kläger einen weiteren USB-Stick mit eigener elektronischer Musik ein.

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Mit der Klage verfolgt er sein Begehren weiter und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Er ergänzt, der BFH habe in dem Urteil vom 18.07.2005 (V R 50/04) entschieden, die Erzeugung einer Klangfolge mit eigener Prägung liege auch dann vor, wenn ein DJ fremde oder eigene Tonträger unter laufender Veränderung der Abspielgeschwindigkeit (Scratchen) und Vermischung verschiedener Tonträger und Medien (Mixen) darbiete. Die vorgelegten Arbeitsproben zeigten, dass seine Tätigkeit sogar über diese vom BFH geforderte Gestaltungshöhe hinausgehe. Für eine Beurteilung als künstlerische Tätigkeit komme es im Übrigen weder auf Chartplatzierungen noch auf Verkaufszahlen oder einen Urheberrechtsschutz der Werke an.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2016 vom 20.10.2017 und die Einspruchsentscheidung vom 25.07.2018 aufzuheben.

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Das FA beantragt,

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              die Klage abzuweisen.

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Es entgegnet, die in dem BFH-Urteil vom 18.07.2005 (V R 50/04) enthaltenen Aussagen könnten nicht dahingehend verallgemeinert werden, dass alle DJs, die die Abspielgeschwindigkeit veränderten und Medien mixten, durch eigene künstlerische Leistung neue Musikstücke kreierten. Die Vorinstanz habe vielmehr einen ‒ anders gelagerten ‒ Einzelfall gewürdigt; der BFH habe diese Würdigung nicht beanstandet. Im Streitfall lägen die Merkmale des Kunstbegriffs der Rechtsprechung nicht vor. Die Tätigkeit des Klägers sei zwar eine technische Höchstleistung, aber nicht künstlerischer Ausdruck seiner individuellen Persönlichkeit, Erfahrungen und Erlebnisse. Für diese Einschätzung spreche auch, dass der Kläger die Urheber der Originalsongs nicht um Zustimmung zu seinen Bearbeitungen ersucht habe.

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Das FA hat die Steuerakten vorgelegt.

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Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

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Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA hat die Tätigkeit des Klägers zu Unrecht als gewerbliche qualifiziert.

19
1. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes i.V.m. § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist ein Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn sie u.a. nicht als Ausübung eines freien Berufs anzusehen ist. Zu den freiberuflichen Tätigkeiten gehört die selbständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).

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a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH übt ein Steuerpflichtiger eine künstlerische Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus, wenn er eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus grundsätzlich eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreicht (BFH-Urteile vom 23.09.1998 XI R 71/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH ‒ BFH/NV ‒ 1999, 460, und vom 18.04.2007 XI R 21/06, Sammlung der Entscheidungen des BFH ‒ BFHE ‒ 218, 61, Bundessteuerblatt ‒ BStBl ‒ II 2007, 702). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht das Wesentliche der künstlerischen Betätigung in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (BVerfG-Entscheidungen vom 24.02.1971 1 BvR 435/68, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG ‒ BVerfGE ‒ 30, 173, 188, und vom 17.07.1984 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213).

21
b) Der BFH unterscheidet zwischen einer künstlerischen Betätigung, deren Arbeitsergebnisse keinen Gebrauchszweck haben (zweckfreie Kunst), und Gebrauchskunst.

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aa) Bei der zweckfreien Kunst kann auf die Feststellung einer ausreichenden künstlerischen Gestaltungshöhe verzichtet werden, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann und die Arbeiten ausschließlich auf das Hervorbringen einer ästhetischen Wirkung gerichtet sind (BFH-Beschlüsse vom 14.08.1980 IV R 9/77, BFHE 131, 365, BStBl II 1981, 21, und vom 11.02.2021 VIII B 30/20, BFH/NV 2021, 789, Rz 4). Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist ‒ jedenfalls im konventionellen Bereich ‒ vielfach entbehrlich (Kempermann, Finanz-Rundschau ‒ FR ‒ 1992, 250, 255). Indikatoren für eine künstlerische Tätigkeit können Besprechungen der Tätigkeit in der Presse als Ausdruck nachhaltiger Resonanz in Fachkreisen, die Marktgeltung oder der ökonomische Erfolg eines Künstlers sein (Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 18 EStG Rz 105).

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bb) Demgegenüber ist bei der zweckgebundenen Gebrauchskunst mit praktischem Nützlichkeitswert nach den Verhältnissen des Einzelfalls aufgrund besonderer Kriterien zu entscheiden, ob die Tätigkeit als eine künstlerische zu werten ist. Die Frage ist zu bejahen, wenn eigenschöpferische Leistungen, d.h. Leistungen, in denen sich eine individuelle Anschauungsweise und eine besondere Gestaltungskraft widerspiegeln, vorliegen und diese Leistungen eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen (BFH-Urteil vom 29.07.1981 I R 183/79, BStBl II 1982, 22, BFHE 134, 135). Eine künstlerische Tätigkeit ist jedoch nicht gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige an ins einzelne gehende Angaben und Weisungen seines Auftraggebers zu halten hat und ihm infolgedessen kein oder kein genügender Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung bleibt (BFH-Urteil vom 11.07.1991 IV R 102/90, BFHE 166, 36, BStBl II 1992, 413).

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c) Eine künstlerische Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann auch in einer bloß reproduzierenden Betätigung liegen. Daher sind z.B. auch Musiker, die Tanz- und Unterhaltungsmusik darbieten, künstlerisch tätig, wenn die Darbietungen einen bestimmten Qualitätsstandard erreichen. Ob dies der Fall ist, richtet sich u.a. nach den zutage getretenen Fähigkeiten der Musikschaffenden (vgl. BFH-Urteile vom 19.08.1982 IV R 64/79, BFHE 136, 474, BStBl II 1983, 7, und vom 27.08.2014 VIII R 16/11, BFHE 247, 499, BStBl II 2015, 996). Kennzeichnend für die künstlerische Qualität eines Musikinterpreten ist, dass er das aufzuführende Werk geistig und seelisch verarbeitet hat, um es in dem ihm eigenen Stil eigenschöpferisch aufführen zu können. Der BFH hat für das Instrumentalspiel die hochentwickelte manuelle Geschicklichkeit, die Tongebung, die rhythmische Genauigkeit, die Sauberkeit der Intonation sowie die Wendigkeit in der Umsetzung des musikalischen Textes als die wesentlichen Kennzeichen für künstlerische Fähigkeiten angesehen. Diese Elemente ‒ ergänzt um andere, wie Stilempfinden und musikalisches Gehör ‒ versetzen den Musiker in die Lage, seine höchstpersönliche Auffassung des jeweiligen Musikstücks zum Ausdruck zu bringen (BFH-Urteil vom 22.03.1990 IV R 145/88, BFHE 160, 253, BStBl II 1990, 643).

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d) Die Kriterien, nach denen im Einzelfall zu werten ist, ob der für eine „künstlerische Tätigkeit“ vorauszusetzende Qualitätsstandard erreicht ist, lassen sich allerdings nicht ‒ wie das FA annimmt ‒ nach den Grundsätzen des Urheberrechts ermitteln. Zwar kennt auch das Urheberrecht den Begriff der „geistigen Schöpfung“ (§ 2 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes); für die urheberrechtliche Schutzwürdigkeit solcher geistigen Schöpfungen werden jedoch keine hohen Anforderungen gestellt. So werden z.B. auch Adressbücher, Kataloge, Formulare, Gebrauchsanweisungen und Preislisten als Werke geschützt. Diese sog. „kleine Münze“ des Urheberrechts, die Entsprechungen auch auf musikalischem Gebiet hat, kann für die Grenzziehung zwischen künstlerischer Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und nichtkünstlerischer Betätigung nicht maßgebend sein (BFH-Urteil vom 19.08.1982 IV R 64/79, BFHE 136, 474, BStBl II 1983, 7, unter 3.).

26
e) Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine künstlerische als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so ist zu unterscheiden, ob es sich um trennbare Tätigkeiten handelt oder nicht. Sind die verschiedenen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung ohne Schwierigkeiten zu trennen, so können sie getrennt beurteilt werden, und zwar auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Sind allerdings bei einer Tätigkeit die verschiedenen Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das künstlerische oder das gewerbliche Element vorherrscht. Schuldet ein Steuerpflichtiger gegenüber seinem Auftraggeber einen einheitlichen Erfolg, so ist auch die zur Durchführung des Auftrags erforderliche Tätigkeit regelmäßig als einheitliche zu beurteilen (BFH-Urteile vom 30.03.1994 I R 54/93, BFHE 175, 40, BStBl II 1994, 864; vom 15.10.1998 IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465, und vom 22.01.2009 VIII B 153/07, BFH/NV 2009, 758).

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2. Nach diesen Maßstäben ist die Tätigkeit des Klägers unter Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls als künstlerische zu beurteilen.

28
a) Die Tätigkeit des Klägers erschöpft sich nicht im Abspielen von Tonträgern und damit Hörbarmachen von Liedern anderer Interpreten. Er verwendet vielmehr Plattenteller, Mischpult, CD-Player und Computer als „Instrumente“, um durch das Mischen und Bearbeiten von Musikstücken sowie Hinzufügen von Tönen und Geräuschen neue Musik darzubieten. Die Arbeit eines DJs hat sich in den letzten Jahren aufgrund der technischen Entwicklung verändert. Heute genügt es nicht mehr, passende Songs aneinanderzureihen und das Publikum durch eine gelungene Liederwahl, geschickte Übergänge und kreative Moderation zu unterhalten. Ein moderner DJ ‒ wie der Kläger ‒ nutzt vielmehr Songs, Samples, z.T. selbst hergestellte Beats und Effekte, um sie zu kombinieren und so ein neues Klangerlebnis zu erzeugen. Er bringt zwar ‒ wie ein Instrumentenspieler ‒ überwiegend Musikstücke anderer Urheber zu Gehör, verleiht ihnen aber durch Vermischung und Bearbeitung einen neuen Charakter. Er führt sie damit in dem ihm eigenen Stil auf und vollbringt eine eigenschöpferische Leistung (gleicher Ansicht: Grams, FR 1999, 747, 750; Finanzgericht ‒ FG ‒ Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.08.2004 5 K 5512/03, Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 153, zum Umsatzsteuergesetz ‒ UStG ‒; vgl. auch Sächsisches FG, Urteil vom 06.06.2016 5 K 1811/12, juris, zum UStG; anderer Ansicht: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.01.2019 L 1 KR 105/17, juris; Sozialgericht Lübeck, Urteil vom 02.10.2008 S 14 KR 1066/07, juris, jeweils zum Künstlersozialversicherungsgesetz; nur ausnahmsweise künstlerisch: Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 18 EStG Rz 600 „Discjockey“; Moritz/Baumgartner in Bordewin/Brandt, EStG, § 18 Rz 252 „Discjockey (DJ)“).

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Dass der Kläger auf eine Ton- und Geräuschbibliothek zurückgreift, schadet nicht. Auch bei herkömmlichen Musikinstrumenten, wie etwa dem Akkordeon, werden hinterlegte Töne auf Knopfdruck abgespielt. Ob ein Musiker die Tasten einer traditionellen Klaviatur oder einer Computertastatur bedient, kann für die Einordnung als Kunst nicht ausschlaggebend sein, zumal die Grenzen bereits beim Keyboard verwischen. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Darbietungen des Klägers einen gewissen Qualitätsstandard erreichen. Dafür spricht bereits, dass der Kläger im Streitjahr 2016 in der Lage war, mit der Tätigkeit als DJ seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Nach seiner plausiblen Darstellung in der mündlichen Verhandlung erfolgte die Vergabe von Aufträgen aufgrund von Empfehlungen. Solche werden gewöhnlich nur dann ausgesprochen, wenn die Leistung des DJs ein hinreichendes Niveau erreicht. Wenn das FA vorbringt, die als Hörprobe übersandten Remixe der Stücke „Atemlos“, „Pretty Woman“ und „Papa was a rollin‘ stone“ ähnelten den Originaltiteln stark und könnten daher nicht als neue Musik betrachtet werden, überspannt es die Anforderungen an die eigenschöpferische Darbietung von Tanz- und Unterhaltungsmusik.

30
Für die Beurteilung als künstlerische Tätigkeit spielt es keine Rolle, auf welcher Art von Veranstaltung der Kläger auftritt. Denn es existiert kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass DJs auf Hochzeiten, Betriebsfeiern und Geburtstagen andere Musik spielen als in Clubs und Diskotheken. Derartiges hat der Kläger auch nicht vorgetragen. Nicht maßgebend ist zudem, ob und inwieweit er den Mittelpunkt des Geschehens bildet. Entscheidend ist vielmehr, dass er ‒ ähnlich einer Live-Band ‒ mit Hilfe von „Instrumenten“ Tanzmusik unterschiedlicher Genres aufführt. Wenn er sich im Vorfeld darüber Gedanken macht, welche Musik beim Publikum gut ankommen könnte, ist dies nicht ungewöhnlich. Auch begegnet es keinen Bedenken, dass er Musikwünsche entgegennimmt, die Stimmung der Veranstaltung einfängt und seine Darbietung sowohl vorbereitend als auch spontan an die Verhältnisse anpasst. Die Interaktion mit dem Publikum und das Improvisationstalent des Künstlers sind vielmehr wesentliche Merkmale eines erfolgreichen Live-Auftritts.

31
b) Bei der Planung und Besprechung der Veranstaltung mit dem Auftraggeber und der Anlieferung sowie dem Auf- und Abbau der Technik handelt es sich um bloße Vor- und Nachbereitungshandlungen einer insgesamt künstlerischen Tätigkeit. Der Kläger wird nicht dafür bezahlt, dass er eine Veranstaltung plant oder seine technischen Geräte zur Verfügung stellt, sondern dafür, dass er Musik spielt. Mit der musikalischen Unterhaltung des Publikums für einen Abend schuldet er einen einheitlichen Leistungserfolg, der einheitlich zu betrachten ist. Auch die zweimalige Bereitstellung eines Vertretungs-DJs führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht der Annahme einer künstlerischen Tätigkeit nicht entgegen (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG).

32
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

33
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

34
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.

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