Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

15.02.2022 · IWW-Abrufnummer 227547

Finanzgericht Münster: Urteil vom 27.01.2022 – 1 K 224/21 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Münster


Tatbestand

2
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Kosten für eine Auslandsreise.

3
Die Klägerin war im Streitjahr 2019 als Lehrerin für die Fächer Religion, Geschichte und Erdkunde am B-Gymnasium in O tätig. Hierbei handelt es sich um ein katholisches Privatgymnasium in Trägerschaft des Bistums N. Die Klägerin nahm vom 18. bis zum 26.10.2019 an einer vom Schulträger organisierten Studienfahrt nach Israel teil. Die ausschließlich für Religionslehrer/innen veranstaltete Reise umfasste das folgende Programm:

4
Freitag, 18.10 
Hinflug

Samstag, 19.10
Besuch der Hirtenfelder bei Bet Sahur
Gottesdienst Betlehem
Besuch im Caritas-Babyhospital

Sonntag, 20.10.
Umzug nach Jerusalem
Fahrt auf den Ölberg
Gottesdienst bei den Benediktinerinnen
Abgang: Dominus Flevit- Maria Magdalena - Garten Gethsemane - Kirche der Nationen
Altstadt: St. Anna - Via Dolorosa hin zur Grabeskirche

Montag, 21.10.
Gang durch die Altstadt: christliches und armenisches Viertel
Dormitio - Davidsgrab - Abendmahlsaal - St. Peter in Galicantu
Tempelberg - Klagemauer - Jüdisches Viertel

Dienstag, 22.10.
Massada - En Gedi - Qumran - Totes Meer

Mittwoch, 23.10.
Yad Vashem
Fahrt nach Galiläa: Georgskloster- Jericho - Tabgha, Yardenit - Tiberias - Ankunft in Tabgha

Donnerstag, 24.10.
See Genezareth: Tabgha - Kapernaum - Berg der Seligpreisungen
Gottesdienst auf dem Berg der Seligpreisungen
Bootsfahrt auf dem See
Kibbuz Nof Kinossar

Freitag, 25.10.
Haifa - Akko - Nazareth - Kana
Abschlussgottesdienst in Kana

Samstag, 26.10.
Rückflug

5
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Programm / die Dokumentation der Reise (Bl. 22-27 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

6
Die Klägerin machte die Aufwendungen für die Reise in Höhe von 1.741 € (1.285 € Reisekosten und 456 € Mehraufwendungen für Verpflegung) in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2019 neben weiteren unstreitigen Aufwendungen als Werbungskosten geltend. Der Beklagte erließ einen Einkommensteuerbescheid für 2019, in dem er diese Aufwendungen nicht anerkannte, da sich die Reise nicht von einer allgemein-touristischen Reise unterscheide und nicht festgestellt werden könne, in welcher Weise sie konkret für den Unterricht erforderlich gewesen sei.

7
Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Einspruchs verwies die Klägerin auf § 57 Abs. 3 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NW), wonach Lehrer/innen zur Fortbildung verpflichtet seien. Unter Berücksichtigung ihrer Fächerkombination stelle die Reise eine sehr gute Fortbildungsmöglichkeit dar, mit der sie die Qualität ihres Unterrichts noch weiter habe optimieren können. Dem Konzept der Studienreise sei zu entnehmen, dass die Inhalte weit über eine touristische Reise hinaus gingen und auch thematisch mit den Aufgaben und Zielen sowohl des Kernlehrplans für Gymnasien in Nordrhein-Westfalen als auch des schulinternen Lehrplans des B-Gymnasiums übereinstimmten. Beide Pläne wurden der Einspruchsbegründung beigefügt.

8
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Israelreise der Klägerin habe kein unmittelbarer beruflicher Anlass, wie etwa das Halten eines Vortrages auf einem Kongress, die Durchführung eines Forschungsauftrags oder das Aufsuchen eines Geschäftspartners, zugrunde gelegen. Zwar weise der Aufenthalt in Israel aufgrund des homogenen Teilnehmerkreises der Lehrer und die Verwendung der auf der Reise gewonnenen Kenntnisse im Rahmen der Lehrtätigkeit im Fachbereich katholische Religion Elemente beruflicher Veranlassung auf. Demgegenüber habe das Programm im Wesentlichen historische Orte, Museen und Ausgrabungen mit touristischem Hintergrund und damit auch allgemein interessierende Veranstaltungen enthalten. Die Begleitung durch die Reiseführer habe dem entsprochen, was auch bei allgemein-touristischen Reisen auf hohem Niveau von Reiseführern geleistet werde. Demzufolge sei keine nahezu berufliche Veranlassung anzunehmen.

9
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Reise ausschließlich ihrer beruflichen Sphäre zuzuordnen sei. Sie trägt ergänzend und vertiefend vor, dass die Reise konzeptionell an das Curriculum der katholischen Religionslehre für das Land Nordrhein-Westfalen angelehnt sei. Sie folge theologisch-inhaltlich der „theologischen Subjektwerdung“ nach Hermann Stenger und methodisch der CAJ-Methodik „Sehen, Urteilen und Handeln“. Hierbei handele es sich um Methoden, die ausschließlich im Bereich des Religionsunterrichts von großer Bedeutung seien. Durch die Veranschaulichung vor Ort sei es der Klägerin möglich, den Schülern die besondere religiöse Spiritualität der Orte zu vermitteln. Dies gelte insbesondere für die im Lehrplan vorgesehenen Thematiken „Jesus als Jude in seiner Zeit“ und „Bergpredigt“. Der Besuch der Gedenkstätte „Yad Vashem“ sei für die im Lehrplan vorgesehene Thematik „Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus“ von besonderer Bedeutung. Da sich das inhaltliche Konzept der Studienreise an den Lehrplänen des Landes und der Schule orientiere, sei ein unmittelbarer beruflicher Anlass anzunehmen. Die auf der Reise besuchten Orte, die auch eine touristische Relevanz haben, seien für das Bestehen der christlichen Religionen von herausragender Bedeutung. Ferner spreche der homogene Teilnehmerkreis von Religionslehrern für eine ausschließlich berufliche Veranlassung; Familienmitglieder hätten an der Reise nicht teilgenommen. Im Rahmen einer touristischen Reise wären vier Gottesdienstbesuche eher unüblich. Die Behauptung des Beklagten, dass die Reisebegleitung derjenigen von allgemein touristischen Reisen entspreche, erschließe sich nicht. Auch ein Teilnahmezwang sei nicht Voraussetzung für die Anerkennung als Werbungskosten. Zudem sei der Klägerin im Vorfeld der Reise ein auf den Unterricht abgestimmtes „Reisetagebuch“ übersandt worden, in das sie sämtliche Erkenntnisse, die für ihre Unterrichtsgestaltung von Belang waren, habe eintragen können. Das Tagebuch hat die Klägerin als Anlage eingereicht (Bl. 188-220 der Gerichtsakte). Hierbei handele es sich nicht um einen touristischen Reiseführer, sondern um ein Dokument mit einem konkreten pädagogischen und theologischen Hintergrund. Schließlich hätten die Reisetage aufgrund des Programms längere Erholungszeiten und Pausen enthalten, wenn der Schwerpunkt auf privaten Interessen beruht hätte.

10
Die Klägerin beantragt,

11
den Einkommensteuerbescheid für 2019 vom 29.5.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.1.2021 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.741 € berücksichtigt werden.

12
Der Beklagte beantragt,

13
die Klage abzuweisen.

14
Er bestreitet nicht, dass die Aufwendungen für die Israelreise angesichts der enormen religiösen und geschichtlichen Bedeutung der aufgesuchten Ziele für den Beruf der Klägerin förderlich seien. Allerdings handele es sich auch um eine Vielzahl von touristischen Zielen und Veranstaltungen. Gerade für gläubige Christen seien Studienreisen nach Israel, bei denen Gottesdienste besucht und regelmäßig Gebetsstunden abgehalten werden, in ihrer Urlaubszeit sehr beliebt. Eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung könne daher nicht angenommen werden.

15
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16.12.2021 und der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20.12.2021 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

16
Entscheidungsgründe

17
I. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, FGO).

18
II. Die zulässige Klage ist unbegründet.

19
Der Einkommensteuerbescheid vom 29.5.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.1.2021 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die beantragten Aufwendungen für die Israelreise zu Recht nicht als Werbungskosten berücksichtigt.

20
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Aufwendungen müssen durch die Einkünfteerzielung veranlasst sein. Eine solche Veranlassung ist dann gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes stehen. Demgegenüber dürfen ‒ mit Ausnahme von Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen - nach § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei der Einkommensermittlung nicht abgezogen werden. Hierzu gehören nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

21
Maßgeblich dafür, ob ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu einer Einkunftsart besteht, ist zum einen die ‒ wertende - Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Ergibt diese Prüfung, dass die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie als Werbungskosten grundsätzlich abzuziehen. Beruhen die Aufwendungen hingegen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf beruflichen Umständen, so sind sie nicht abziehbar (BFH-Beschluss vom 21.9.2009 GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672 m.w.N.).

22
Ob und inwieweit Aufwendungen für eine Reise in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen, hängt von den Gründen ab, aus denen der Steuerpflichtige die Reise oder verschiedene Teile einer Reise unternimmt. Die Gründe bilden das "auslösende Moment", das den Steuerpflichtigen bewogen hat, die Reisekosten zu tragen. Die Gründe des Steuerpflichtigen für eine bestimmte Reise sind anhand der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu ermitteln. Enthält eine Reise abgrenzbare berufliche und private Veranlassungsbeiträge, die jeweils nicht von völlig untergeordneter Bedeutung sind (z.B. einer beruflich veranlassten Reise wird ein Urlaub hinzugefügt), so ist der beruflich veranlasste Teil der Reisekosten zum Abzug zuzulassen, wobei dieser Anteil ggf. unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen ist. Greifen dagegen die - für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden - beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise) so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, fehlt es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so kommt ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht (BFH-Beschluss vom 21.9.2009 GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672).

23
2. Die Kosten für die Israelreise der Klägerin sind sowohl beruflich (s. dazu unter a), als auch privat veranlasst (s. dazu unter b), ohne dass der berufliche oder der private Anteil als von völlig untergeordneter Bedeutung angesehen werden kann (s. dazu unter c). Eine Trennung der Kosten nach objektiven Kriterien ist nicht möglich (s. dazu unter d).

24
a) Die berufliche (Mit-)Veranlassung wurde von der Klägerin durch Vorlage der Dokumentation des Bischöflichen Generalvikariats N, die Programm und Konzept der Reise enthält, das von der Klägerin geführte Reisetagebuch und die Lehrpläne nachgewiesen. Dass die Reise für den Beruf der Klägerin förderlich war, wird auch vom Beklagten nicht bestritten.

25
b) Daneben war die Reise aber auch privat veranlasst.

26
aa) Dies ergibt sich zunächst aus dem Programm, das nahezu ausschließlich Ziele enthält, die von allgemein-touristischem und kulturellem Interesse sind und typischerweise von privaten Israel-Touristen besucht werden. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass während der achttägigen Reise insgesamt vier Gottesdienste stattfanden. Der Besuch von Gottesdiensten ist in erster Linie Ausdruck der höchstpersönlichen Religionsausübung und damit privat veranlasst.

27
bb) Dass die Reise auch privaten Interessen diente, ergibt sich ferner aus der von der Klägerin eingereichten Dokumentation, in der das inhaltliche Konzept wie folgt beschrieben wird (Bl. 23 der Gerichtsakte):

28
„Dieses Konzept einer Studienfahrt für Religionslehrer/innen nach Israel geht über den reinen Besuch historischer Stätten hinaus. Daraus ergibt sich auch theologisch-inhaltlich ein „Roter Faden" für diese Reise.“

29
Aus der Bezugnahme auf die historischen Stätten folgt, dass jedenfalls auch Orte von allgemeinem touristischem und kulturellem Interesse besucht wurden.

30
cc) Der Bezug zum persönlichen Glauben wird sehr deutlich an den in der Dokumentation angegebenen Zwecken des Reisetagebuchs (Bl. 24 der Gerichtsakte). Dieses „Israel-Journal“ hatte danach

31
„ … die Funktion als Ideenspeicher vor Ort nützlich zu sein um Unterrichtsideen, Bezüge zu biblischen Stellen, usw. in Erinnerung zu halten. Ebenso dient es aber auch als Möglichkeit spirituelle und auf den persönlichen Glauben bezogene Erfahrungen und Gedanken festzuhalten und sich so vor Ort und in der Nachbereitung mit ihnen beschäftigen zu können.“

32
dd) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber der Klägerin sich weder an den Kosten beteiligt noch eine Freistellung für die teilnehmenden Lehrkräfte vom Unterricht gewährt hat. Die komplette Reise fand innerhalb der nordrhein-westfälischen Herbstferien statt. Dass die Reise vom Bistum organisiert wurde und sich ausschließlich an Religionslehrer/innen als homogene Gruppe richtete, steht einer privaten(Mit-)Veranlassung nicht entgegen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29.11.2006 VI R 36/02, BFH/NV 2007, 681 zu einer von einer Schule für ihr Lehrerkollegium organisierten Studienfahrt).

33
c) Die beruflichen und die privaten Veranlassungsmomente der Reise sind beide derart gewichtig, dass nicht einer von beiden als von untergeordneter Bedeutung angesehen werden kann. Die besuchten Ziele wurden einerseits in einen unterrichtsbezogenen Kontext gestellt, haben aber andererseits sowohl allgemein-touristische als auch religiöse und geschichtliche Bedeutung. Daneben nahm auch die höchstpersönliche Religionsausübung durch den Besuch von Gottesdiensten und bei der Führung des Tagebuches einen bedeutenden Stellenwert der Reise ein.

34
d) Die einzelnen beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge sind nicht nach objektiven Kriterien trennbar. Sie greifen vielmehr derart ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist. Da kein Ziel bzw. kein Programmpunkt eindeutig ausschließlich dem beruflichen oder dem privaten Bereich zugeordnet werden kann, ist insbesondere eine Abgrenzung nach Zeitanteilen (anders als etwa bei einer Reise zu einem beruflichen Kongress, dem ein Urlaubsaufenthalt folgt) ausgeschlossen.

35
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr