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07.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228548

Amtsgericht Ludwigsburg: Urteil vom 05.11.2021 – 6 C 611/21

Kosten für Covid-Desinfektionsmaßnahmen am verunfallten Fahrzeug sind als unfallbedingte Aufwendungen einzustufen. Covid-Desinfektionsmaßnahmen nach Entgegennahme des Fahrzeugs durch die Reparaturwerkstatt und vor Abholung durch den Geschädigten sind Bestandteil der Reparatur. Sie unterfallen dem Werkstatt- und Prognoserisiko und sind ersatzfähig.


Amtsgericht Ludwigsburg

Urteil vom 05.11.2021


In dem Rechtsstreit
...
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
gegen
...
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte...

wegen Schadensersatzes aus Unfall

hat das Amtsgericht Ludwigsburg durch den ... am 05.11.2021 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2021 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von restlichen Reparaturkosten der ... GmbH in Höhe von 137,28 € freizustellen.
  2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, die Klägerin von restlichen Sachverständigenkosten des Ingenieurbüros ... in Höhe von 30,05 € freizustellen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 570,00 €, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.
  5. Die Berufung wird zugelassen.
Beschluss

Der Streitwert wird auf 167,33 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Freistellung von der Zahlung restlicher Reparatur- und Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.

Am 27.05.2020 kam es in Ludwigsburg zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Pkw SMART fortwo cabrio passion (Typ 451) der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ... durch das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug beschädigt wurde. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte dem Grunde nach vollumfänglich haftet. Zur Feststellung des Schadens und zur Ermittlung des Instandsetzungsaufwandes gab die Klägerin ein Sachverständigengutachten in Auftrag, welches das Kfz-Sachverständigenbüro ...unter dem 08.06.2020 erstattete (Anl. K 1, Bl. 9 ff. d. A.). In diesem Gutachten wurden die Reparaturkosten brutto auf 3.585,98 € taxiert (Bl. 9 Rückseite d. A.). Bei der Kalkulation der Reparaturkosten finden sich u.a. folgende Positionen (Arbeitspositionsnummer, Instandsetzungs-/Einzel-/Verbundarbeiten, KL, AW, Arbeitspreis netto; vgl. S. 6 Vorder- und Rückseite, Anlage K 1, Bl. 12 Vorder- und Rückseite d.A.):

"1000 Fahrzeug reinigen 1 3 39,45 €
1000 Probefahrt durchführen 1 3 39,45 €
1000 Corona Schutzmaßnahme 1 3 39,45 €."

Das Kfz-Sachverständigenbüro ... berechnete hierfür unter dem 08.06.2020 insgesamt 700,67 € (Rechnung vom 08.06.2020, Bl. 200 d.A.). Sodann beauftragte die Klägerin die ... GmbH mit der Instandsetzung ihres Fahrzeugs gemäß dem Sachverständigengutachten. Die Reparatur wurde am 16.07.2020 fertiggestellt und unter dem 17.07.2020 fakturiert (Rechnung Anl. K 2, Bl. 18 f. d. A.). Die ... GmbH bezifferte die Reparaturkosten auf insgesamt 3.411,43 € brutto (Bl. 19 Rückseite d. A.). Abgerechnet wurden unter anderem folgende Positionen (S. 1 und 2 der Rechnung, Anlage K 2, Bl. 18 Vorder- und Rückseite d.A.):

"00-8000 Fahrzeugwaesche durchführen 3 39,45 €
00-9151 Probefahrt durchführen 3 39,45 €
00-9024 Corona Schutzmaßnahme 3 39,45 €."

Während die Klägerin auf die Rechnungen des Kfz-Sachverständigenbüro ...vom 08.06.2020 und der ... GmbH keine Zahlungen leistet, erstattete die Beklagte auf das Regulierungsbegehren der Klägerin die Rechnungsbeträge mit Ausnahme von Teilbeträgen in Höhe von 30,05 € bzgl. der Sachverständigenkosten und von 137,28 € bzgl. der Werkstattrechnung. Die Beklagte verweigerte insofern die Freistellung der Klägerin von der Zahlung dieser restlichen Teilbeträge.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sämtliche Reparatur- und Sachverständigenkosten ersatzfähig und die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen nicht gerechtfertigt seien, weswegen die Klägerin von der Zahlung der restlichen Teilbeträge freizustellen sei. Sie verweist auf die einschlägige Rechtsprechung zum Werkstatt- und Prognoserisiko und weist darauf hin, dass sich die Indizwirkung für die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten bei konkreter Schadensabrechnung alleine daraus ergeben würde, dass die Reparaturarbeiten auf der Grundlage eines zuvor erstellten Sachverständigengutachtens durchgeführt worden seien, es mithin nicht auf die Frage ankomme, ob die Rechnung von der Klägerin bereits bezahlt wurde oder nicht. Die Klägerin trägt auch vor, dass die streitigen Kostenpositionen Fahrzeugreinigung, Probefahrt und Corona-Schutzmaßnahmen konkret angefallen seien. Das eventuelle Risiko der Ausweitung der Reparaturkosten liege allein in der Sphäre des Schädigers und mithin der Beklagten; eine Ausnahme vom Werkstatt- und Prognoserisiko sei nur dann gegeben, wenn der Klägerin bei der Auswahl des Sachverständigen und/oder der Werkstatt ein Verschulden nachgewiesen werden könne, was bestritten werde und wozu schon von Beklagtenseite nichts vorgetragen sei. Soweit die Beklagte die Ersatzfähigkeit der Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen bestreitet, verweist die Klägerin darauf, dass ein verständig und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage der geschädigten Klägerin diese Desinfektionskosten für zweckmäßig und erforderlich halten durfte. Auch hinsichtlich dieser Schadensposition gelte es, dass das Werkstatt- und Prognoserisiko auf Schädigerseite liege und nicht auf die Geschädigte abgewälzt werden könne. Sie legt dar, dass von der ... GmbH eine Desinfektion der nachfolgend benannten Kontaktflächen vorgenommen worden sei: Türgriffe inklusive Kofferraum/Heckklappe, Rahmen bzgl. der Bereiche, die beim Ein- und Aussteigen berührt werden, Sonnenblende, Innenspiegel, Schalter und Knöpfe auf der Mittelkonsole, Lenkrad und dort befindliche Schalter, Griffe für Handschuhfach, Haubenentriegelung und Lenkradverstellung, Sicherheitsgurte und Gurtschlösser/-peitschen. Diese Arbeiten würden auch den Technischen IFL-Mitteilungen entsprechen (Mitteilung Nr. 21/2020, Anlage K 4, Bl. 174 ff. d.A.). Ferner seien die in Rechnung gestellten Desinfektionskosten angemessen. Bzgl. der Probefahrt trägt die Klägerin vor, dass von deren Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ein verständig und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage der Geschädigten ausgehen konnte und die Probefahrt nach Beendigung der Reparatur auch durchgeführt worden sei. Zudem sei diese erforderlich und der hierfür angesetzte Betrag angemessen. Hinsichtlich der Fahrzeugreinigung trägt die Klägerin vor, dass die insoweit in Rechnung gestellten Kosten nicht in den allgemeinen Arbeitskosten enthalten seien. Die Fahrzeugwäsche sei erforderlich geworden, da es bei der unfallbedingten Reparatur zwangsläufig zu unvermeidbaren Verschmutzungen gekommen sei. Bezüglich der Sachverständigenkosten sei mit dem Sachverständigenbüro ... vereinbart worden, dass die Gebühren auf der Grundlage der Gebührentabelle des Sachverständigen zu kalkulieren sind. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Sachverständigenkosten auf der Grundlage der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze nicht zu beanstanden seien und den erforderlichen Geldbetrag darstellen würden. Von einer erkennbar erheblichen Überhöhung der Gebührenrechnung könne nicht ausgegangen werden.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass die Ersatzfähigkeit der folgenden restlichen Reparaturkosten Corona-Schutzmaßnahme, Fahrzeugreinigung und Probefahrt in Höhe von jeweils 39,45 € netto / 45,76 € brutto sowie der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 30,05 € nicht gegeben sei. Hinsichtlich der COVID-19-Desinfektionskosten trägt die Beklagte vor, dass es sich insoweit um betriebliche Arbeitsschutzmaßnahmen handele, die nicht auf die Kunden umgelegt werden können und nicht ersatzfähig seien. Zudem fehle es insofern an einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Klägerin und Werkstatt bzgl. der Desinfektionsmaßnahmen. Nach Auffassung der Beklagten sei insoweit auch das Werkstatt- und Prognoserisiko des Schädigers nicht einschlägig, da es für die Klägerin hinreichende Erkenntnisse gegeben habe, dass diese Position der Reparaturrechnung nicht geschuldet sei; Desinfektionsmaßnahmen würde nur den eigenen Verantwortungsbereich der Werkstatt und den des Geschädigten betreffen. Zudem könne das Werkstatt- und Prognoserisiko nur greifen, wenn die Reparaturrechnung vollständig von der Klägerin beglichen worden sei, was hier nicht der Fall sei. Ferner fehle es an der notwendigen Kausalität; Corona-Schutzmaßnahmen seien als "höhere Gewalt" einzuordnen und würden nur das jeweilige Lebens- und Betriebsrisiko des Einzelnen tangieren. Die Beklagte bestreitet zudem, dass eine Fahrzeugdesinfektion tatsächlich durchgeführt worden sei, ferner die Ortsüblichkeit und Angemessenheit der Desinfektionskosten. Hinsichtlich der Rechnungsposition Probefahrt legt die Beklagte dar, dass es sich insofern um eine Maßnahme der Ausgangskontrolle der Werkstatt handele und diese damit Teil der Ergebnis- und Eigenkontrolle sei; der vermeintliche Aufwand sei daher kalkulatorisch bereits in den allgemeinen Kosten enthalten. Auch sei die Durchführung einer Probefahrt nicht vom zwischen Klägerin und Werkstatt geschlossenen Vertrag umfasst. Des Weiteren bestreitet die Beklagte die Erforderlichkeit der Probefahrt, ferner die Ortsüblichkeit und Angemessenheit der Probefahrtkosten. Hinsichtlich der Rechnungsposition Fahrzeugreinigung bestreitet die Beklagte die Erforderlichkeit, da das Fahrzeug durch den Unfall nicht verschmutzt worden sei und die Reinigungskosten nicht schadensbedingt erforderlich seien. Die Reinigung der unfallbedingt zu bearbeitenden Teile sei in der Vorbereitungszeit für die Lackierungen enthalten. Eine reparaturbedingte Verschmutzung sei auszuschließen. Bezüglich der restlichen Sachverständigenkosten bestreitet die Beklagte, dass das Sachverständigenbüro beauftragt worden wäre, wenn der Aufwand von der Klägerin aus eigener Tasche hätte bezahlt werden müssen. Die Beklagte behauptet ferner ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gesamtpreis des Sachverständigen; die berechneten Positionen seien nicht markt- und branchenüblich. Die Beklagte ist zudem der Ansicht, dass sich die Klägerin mangels Bezahlung der Sachverständigenrechnung nicht auf deren Indizwirkung berufen könne.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen ... (S. 2 f. des Protokolls vom 15.10.2021, Bl. 202 f. d.A.). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist in Gänze begründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Ludwigsburg nach §§ 23, 71 GVG sachlich und nach § 32 ZPO beziehungsweise § 20 StVG auch örtlich zuständig.

II.

Die Klage ist zudem vollumfänglich begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 249 BGB i. V. m. § 115 VVG einen Anspruch auf Freistellung von restlichen Reparaturkosten der ... GmbH in Höhe von 137,28 €. Dieser Betrag setzt sich aus den Positionen Desinfektionskosten, Probefahrt und Fahrzeugreinigung in Höhe von jeweils 45,76 € brutto (39,56 € netto) zusammen.

a) Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 27.05.2020 entstandenen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig.

b) Der Freistellungsanspruch ist auch der Höhe nach vollständig begründet. Die Beklagte hat die Klägerin von restlichen Reparaturkosten der ... GmbH in Höhe von 137,28 € auf die Rechnung vom 17.07.2020 (Re Nr.: 884265, Anl. K 2 Bl. 18 f. d.A.) freizustellen, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

aa) Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Erforderlich sind dabei nur Aufwendungen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten dürfte (vgl. BGH NJW 1975, 160, 160 u. 162 [BGH 29.10.1974 - VI ZR 42/73] Rn. 18 bei juris; NJW 1970, 1454 [BGH 26.05.1970 - VI ZR 168/68]; 1974, 34 [BGH 06.11.1973 - VI ZR 27/73]; 2015, 1298 [BGH 09.12.2014 - VI ZR 138/14]; NJW-RR 2017, 918 [BGH 20.12.2016 - VI ZR 612/15]; Palandt, BGB, 80. Auflage 2021, § 249 Rn. 12 ff. m. w. N.). Dem Geschädigten sind allerdings im Rahmen dessen auch Mehrkosten zu ersetzen, die ohne seine Schuld durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt das sogenannte "Werkstatt- und Prognoserisiko", falls dem Geschädigten nicht ausnahmsweise hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft (allg. Meinung, vgl. nur BGH NJW 1992, 302, 304; OLG Naumburg, Urteil v. 07.11.2019, Az.: 3 U 7/18 Rn. 6 bei juris; LG Stuttgart, Urteil v. 21.07.2021, Az.: 13 S 25/21 Rn. 17 bei juris; OLG Hamm NZV 1995, 442, 443). Die Reparaturwerkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten im Sinne von § 278 BGB (allg. Meinung, vgl. nur BGH NJW 1975, 160, 161 Rn. 11 bei juris; OLG Naumburg, a.a.O.; Palandt, a.a.O, § 254 Rn. 55; OLG Saarbrücken, Urteil v. 28.02.2012, Az.: 4 U 112/11). Da der Schädiger gemäß § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich zur Naturalrestitution verpflichtet ist und § 249 Abs. 2 S. 1 BGB dem Geschädigten lediglich eine Ersetzungsbefugnis zuerkennt, vollzieht sich die Reparatur in der Verantwortungssphäre des Schädigers. Würde der Schädiger die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst vornehmen, so würde ihm gleichfalls das Werkstattrisiko treffen. Allein die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch den Geschädigten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann daher nicht zu einer anderen Risikoverteilung führen (OLG Naumburg, a.a.O.). Sobald der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug der Reparaturwerkstatt zwecks Reparatur übergeben hat, hat er letztlich keinen Einfluss mehr darauf, ob und inwieweit dann unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden. Dies darf nicht zu Lasten des Geschädigten gehen, welcher ansonsten einen Teil seiner aufgewendeten Kosten nicht ersetzt bekommen würde (vgl. nur BGH NJW 1975, 160, 161 Rn. 10 ff. bei juris; BGH NZV 1992, 66 [BGH 15.10.1991 - VI ZR 314/90]; OLG Hamm, a.a.O.; Palandt, a.a.O., § 249 Rn. 13). Zu den in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Mehrkosten gehören auch Kosten für unnötige Zusatzarbeiten, welche durch die Werkstatt ausgeführt wurden (OLG Hamm, a.a.O.). Der Geschädigte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigte Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß einer Werkstatt den Auftrag erteilen, auf der Grundlage des Gutachtens zu reparieren. Erweist sich die Reparatur ohne Schuld des Geschädigten dann teurer als gedacht, weil die Werkstatt überhöhte Sätze abrechnet, unwirtschaftlich arbeitet oder überflüssige Arbeiten durchführt, so hat der Schädiger auch diese Mehrkosten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzen (vgl. nur BGH NJW 1975, 160, 161 Rn. 12 bei juris; LG Stuttgart, Urteil vom 03.12.2019, Az.: 9 U 130/19; LG Stuttgart, Urteil v. 21.07.2021, a.a.O. Rn. 17 bei juris, LG Coburg, Urteil v. 28.05.2021, Az.: 32 S 7/21 Rn. 52 bei juris; OLG Magdeburg, Urteil v. 07.11.2019, Az.: 3 U 7/18). Es macht keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind, da dies der Einflusssphäre des Geschädigten entzogen ist, sodass insofern das Werkstattrisiko zu Lasten des Schädigers geht (OLG Hamm, NZV 1995, 442, 443 [BGH 13.06.1995 - VI ZR 233/94]). Dem Schädiger entstehen hierdurch keine Nachteile, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Werkstatt verlangen kann (OLG Hamm, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist dem Geschädigten eine Berufung auf das "Werkstatt- und Prognoserisiko" verwehrt, wenn Reparaturen nur bei Gelegenheit der unfallbedingten Instandsetzungsarbeiten durchgeführt wurden (BGH NJW 1975, 160, 162 Rn. 14 bei juris). Ferner dürfen nach Auffassung des Bundesgerichtshofes an dem vom Geschädigten zu führenden Nachweis, dass er wirtschaftlich vorgegangen ist, also bei der Beauftragung aber auch bei der Überwachung der Reparaturwerkstatt die Interessen des Schädigers an der Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung getragen hat, nicht zu geringe Anforderung gestellt werden (BGH NJW 1975, 160, 162 Rn. 14 bei juris). Die Ersatzfähigkeit von unnötigen Mehraufwendungen ist zudem dann ausgeschlossen, wenn der Werkstatt ein äußerst grobes Verschulden zur Last fällt, sodass die Mehraufwendungen dem Schädiger nicht mehr zuzurechnen sind (OLG Magdeburg, Urteil v. 07.11.2019, Az.: 3 U 7/18).

bb) Hiernach hat die Beklagte die Klägerin von der Zahlung der hier streitigen Positionen Desinfektionskosten, Probefahrt und Fahrzeugreinigung gemäß Rechnung der ... GmbH vom 17.07.2020 (Re Nr.: 884265, Anl. K 2 Bl. 18 f. d.A.) freizustellen. Im Einzelnen:

(1) Erstattungsfähig als erforderliche Wiederherstellungskosten sind hier nach den oben dargestellten Grundsätzen zunächst die Kosten für die Probefahrt (Rechnungsposition 00-9151 "Probefahrtdurchführung") und die Fahrzeugreinigung (Rechnungsposition 00-8000 "Fahrzeugwäsche durchführen") in Höhe von jeweils 39,45 € netto / 45,76 € brutto.

Sowohl die Probefahrt als auch die Fahrzeugreinigung durften von einem verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage der Geschädigten für zweckmäßig und notwendig, mithin für erforderlich gehalten werden. Als Indizien für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten dienen die Reparaturrechnung der Werkstatt (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.1989 Az. VI ZR 334/88, LG Saarbrücken, Urteil vom 23.01.2015, Az. 13 S 199/14) und das vorher eingeholte Sachverständigengutachten, sofern es die streitigen Reparaturpositionen mit aufführt (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 23.01.2015, Az. 13 S 199/14). Hier hat nicht nur die Werkstatt, sondern auch der vorher von der Klägerin beauftragte Sachverständige sowohl eine Reinigung des Fahrzeuges als auch eine Probefahrt für notwendig erachtet. So findet sich die Position "Probefahrt durchführen" unter der Arbeitspositionsnummer 1000 auf Seite 7 des Gutachtens (Bl. 12 R. d. A.) und die Position "Fahrzeug reinigen" unter der Position 1000 auf Seite 6 des Gutachtens (Bl. 12 d. A.), wobei jeweils ein Nettoarbeitspreis von 39,45 € angesetzt ist. Mithin wurden diese hier streitigen Positionen von der ... GmbH als Reparaturwerkstatt entsprechend den Ansätzen im Sachverständigengutachten vom 08.06.2020 ausgeführt und fakturiert. Soweit die Beklagte insoweit entweder die Notwendigkeit der Maßnahmen bestreitet oder überhöhte Ansätze vorträgt, so ist dies auf der Grundlage der oben geschilderten Rechtsprechung dem Werkstatt- und Prognoserisiko des Schädigers, mithin der Beklagten zuzuordnen. Ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch darf den Ausführungen der Fachleute vertrauen und die Aufwendungen grundsätzlich für erforderlich halten. Hierfür spricht schon, dass es denklogisch bei den umfangreichen Reparaturmaßnahmen (vgl. im Einzelnen hierzu das Gutachten vom 08.06.2020 und die Rechung vom 17.07.2020) zu Verschmutzungen kommt, die vor Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin zu beseitigen sind. Die Probefahrt wiederum ist schon deswegen erforderlich, um die Mangelfreiheit der Werkleistung feststellen zu können. So können z. B. bei Karosseriearbeiten - wie sie hier erfolgt sind - etwaige Windgeräusche ausgeschlossen, mithin unnötige Nachbesserungskosten und Streitigkeiten mit den Kunden vermieden werden. Die Klägerin hat hier zur Überzeugung des Gerichts auch nicht gegen die ihr nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen. Danach kann die Geschädigte zwar solche Mehrkosten nicht ersetzt verlangen, die durch ihr Verschulden bei der Auswahl der Reparaturwerkstatt entstehen (vgl. BGH NJW 1975, 160). Ein Verschulden der Klägerin bei der Auswahl ihrer Reparaturwerkstatt ist aber nicht feststellbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Zweifel an der fachlichen Qualifikation ihrer Werkstatt hätte haben müssen, sind insbesondere auch deshalb nicht erkennbar, da die durchgeführten Reparaturen denen im Sachverständigengutachten für notwendig gehaltenen entsprechen. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, wonach die Klägerin Zweifel an der Unabhängigkeit oder an der Qualifikation des von ihr ausgewählten Sachverständigen hätte haben müssen. Auch sonst ist ein Auswahlverschulden der Klägerin bei der Wahl des Sachverständigen und der Werkstatt weder dargetan noch ersichtlich. Ferner sind erhöhte Prüfpflichten der Geschädigten hinsichtlich der Reparaturkostenrechnung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht ersichtlich. Es bestehen schon nach Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür, dass Probefahrt und Fahrzeugreinigung nur bei Gelegenheit der Instandsetzungsarbeiten mit ausgeführt worden sind oder sich ein mangelndes Interesse der Vertragsbeteiligten an einer marktgerechten Abwicklung der Instandsetzung im Kostenniveau niederschlägt. Vielmehr handelt es sich bei beiden Maßnahmen um unfallbedingte Schadenspositionen. Schließlich ist auch ein grobes Verschulden der Werkstatt nicht zu erkennen.

Ergänzend ist anzuführen, dass sich auch im Rahmen der Beweisaufnahme die Erforderlichkeit sowohl der Probefahrt als auch der Fahrzeugreinigung bestätigt hat. So hat der Zeuge ... in seiner Vernehmung am 15.10.2021 schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend berichtet, dass mit der Fahrzeugreinigung die durch die Reparaturmaßnahme verursachten Verschmutzungen beseitigt wurden (und dies zweifelsfrei von der in Kulanz durchgeführten und nicht berechneten Reinigung des Fahrzeuginneren abgegrenzt; vgl. S. 2 und 3 des Protokolls vom 15.10.2021, Bl. 202 f. d.A.). Ferner hat er die Durchführung der Probefahrt bestätigt und deren Sinn und Zweck überzeugend mit dem Ausschluss von Pfeif- und Windgeräuschen durch die Karosseriearbeiten begründet (S. 2 des Protokolls vom 15.10.2021, Bl. 202 d.A.).

(2) Zudem erstreckt sich der Freistellunganspruch nach den obigen Grundsätzen auf die Desinfektionskosten gemäß Rechnungsposition 00-9024 "Corona-Schutzmaßnahme" im Umfang von 3 AW in Höhe von 39,45 € netto / 45,76 € brutto (vgl. Rechnung v. 17.07.2020 Anl. K 2, Bl. 18 R. d. A.). Die Kosten für Desinfektionskosten sind in dieser Höhe vollumfänglich erstattungsfähig, da es sich um erforderliche Wiederherstellungskosten handelt.

(a) Unstreitig hat die Klägerin die ... GmbH beauftragt, ihr Fahrzeug auf der Grundlage des vorher beim Sachverständigenbüro Pauly & Partner (Herrn Kfz-Meister Karg) eingeholten Sachverständigengutachtens vom 08.06.2020 (Anl. K 1, Bl. 9 ff. d. A.) zu reparieren. Die beklagtenseits vorgebrachten Abzüge hinsichtlich der Desinfektionskosten sind unter Berücksichtigung des der Beklagten als Schädigerin obliegenden Werkstatt- und Prognoserisikos nicht vorzunehmen. Insoweit handelt es sich um etwaige Mehrkosten, die ohne Schuld der Klägerin als Geschädigte aufgrund möglicherweise unsachgemäßer Maßnahmen durch die Werkstatt verursacht wurden. Die Geschädigte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihr eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigte Material für die Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Sachverständigengutachten zu reparieren. Die hier streitige Position ist im Sachverständigengutachten ausdrücklich als notwendige Maßnahmen aufgeführt. So findet sich die Position "Corona-Schutzmaßnahme" unter der Arbeitspositionsnummer 1000 auf Seite 7 des Gutachtens (Bl. 12 R. d. A.), wobei ein Nettoarbeitspreis von 39,45 € (45,76 € brutto) angesetzt ist. Mithin wurde auch diese streitige Position von der ... GmbH als Reparaturwerkstatt entsprechend den Ansätzen im Sachverständigengutachten ausgeführt und dann fakturiert.

Es kommt hinzu, dass es gerichtsbekannt ist und der allgemeinen, derzeit noch immer allgegenwärtigen Lebenserfahrung entspricht, dass in zahlreichen Bereichen des täglichen Lebens vermehrt Hygienemaßnahmen empfohlen werden, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern bzw. einzudämmen. Egal, welche Gebäude und Einrichtungen aufgesucht werden, stets wird am Eingang die Benutzung der vorgehaltenen Desinfektionsmöglichkeiten erwartet bzw. eingefordert. Die Notwendigkeit von Desinfektionsmaßnahmen an zur Reparatur gegebenen Fahrzeugen ergibt sich schon daraus, dass der Fahrer unmittelbar vor Abgabe vielfältige Kontaktflächen (vgl. hierzu im Einzelnen "Technische IFL-Mitteilung Nr. 21/2020, Anlage K 4, Bl. 174 ff. d.A.) berührt und dabei womöglich Covid-19-Viren zurückgelassen hat. Gleiches gilt für die Mitarbeiter*innen der Reparaturwerkstatt, nachdem diese die Reparaturmaßnahmen abgeschlossen haben; insbesondere werden jedenfalls im Rahmen der Probefahrt mehrere Flächen wie Lenkrad, Gangschaltung, Türgriffe etc. berührt, mit denen auch die Klägerin bei Abholung des Fahrzeugs in Berührung kommt. Die Desinfektion von Oberflächen zur Vermeidung von Schmierinfektionen ist sowohl nach den zum Zeitpunkt der Reparatur als auch derzeit geltenden Hinweisen des Robert-Koch-Institutes geboten. So legte das Robert-Koch-Institut zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Reparatur dar, dass "für das SARS-CoV-1 gezeigt werden konnte, dass das Virus bis zu 6 Tage auf bestimmten Oberflächen infektiös bleibt und dass aus ersten Untersuchungen hervor geht, dass SARS-CoV-2 ähnliche Eigenschaften zeigt" (vgl. Zitat in Technische IFL-Mitteilung Nr. 21/2020, Anlage K 4, Bl. 174 d.A.). Auch heißt es auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts zum Zeitpunkt der Urteilsabfassung: "Kontaktübertragung: Eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen ist insbesondere in der unmittelbaren Umgebung der infektiösen Person nicht auszuschließen (27), da vermehrungsfähige SARS-CoV-2-Viren unter Laborbedingungen auf Flächen einige Zeit infektiös bleiben können (28, 29) (s. unter Abschnitt 20 "Tenazität und Inaktivierung des Virus")." Allein vor diesem Hintergrund sind Desinfektion- und Schutzmaßnahmen aus Sicherheitsgründen angezeigt und erforderlich.

Selbst wenn man ein nennenswertes Risiko einer Schmierinfektion objektiv verneinen würde, kann eine Geschädigte nach den überzeugenden Darlegungen des Landgerichts Stuttgart, denen sich das erkennende Gericht vollumfänglich anschließt, eine Desinfektion der wesentlichen Kontaktflächen bei Abholung des Fahrzeugs in Zeiten der Corona-Pandemie gleichwohl erwarten (vgl. näher LG Stuttgart, a.a.O., Rn. 10 bei juris; so auch LG Coburg, a.a.O., Rn. 55 bei juris). Für die Eingangsdesinfektion kann im Hinblick auf den Schutz der Mitarbeiter*innen der Werkstatt nicht anderes gelten. Allein vor diesem Hintergrund des schützenswerten Sicherheitsgefühls sind Desinfektions- und Schutzmaßnahmen angezeigt und erforderlich. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass Kfz-Werkstätten ordnungsbehördlich überwachten Auflagen wie der Desinfektion von Kundenfahrzeug unterliegen, sodass angesichts dieser Verpflichtung die Schutzmaßnahmen bereits zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind (Staudinger/Altun NZV 2021, 169, 170).

Mithin sind die Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen als unfallbedingte Aufwendungen einzustufen (so u.a. LG Coburg, a.a.O., Rn. 55 bei juris; LG Stuttgart, a.a.O., Rn. 10 bei juris; AG Vaihingen, Urteil vom 29.06.2021, Az.: 1 C 129/21 Rn. 20 ff. bei juris; AG Frankenthal, BeckRS 2021, 7263; Staudinger/Altun NZV 2021, 169, 170). Denn wäre das klägerische Fahrzeug nicht in der Zeit der Corona-Pandemie beschädigt worden, wären diese Kosten nicht angefallen. Es handelt sich nicht um mit dem Grundhonorar abgegoltene allgemeine Unkosten des Betriebs, sondern aufgrund von Corona angefallene, nicht nur geringfügige besondere Kosten. Es liegt weder eine zufällige Verbindung vor noch ein Fall der höheren Gewalt, da zum Unfall- und Reparaturzeitpunkt bereits seit Monaten die Pandemie herrschte und den Alltag bestimmte (LG Coburg, a.a.O., Rn. 55 bei juris).

(b) Zur Überzeugung des Gerichts greifen hier die vom Bundesgerichtshof entwickelten Ausnahmekonstellationen (vgl. oben aa) nicht ein.

(aa) Zunächst sind die Desinfektionsmaßnahmen nach Entgegennahme des Fahrzeugs und vor Abholung durch die Klägerin Bestandteil der Reparatur. Sie erfolgten gerade nicht nur bei Gelegenheit der unfallbedingten Instandsetzungsarbeiten und sind auch nicht als eigenständige Leistung ohne unmittelbaren Zusammenhang zur technischen Durchführung der Reparatur einzustufen (a. A. LG Stuttgart, Urteil v. 21.07.2021, Az.: 13 S 25/21, Rn. 18 bei juris). Wie bereits oben unter (a) dargelegt, stellen Desinfektionsmaßnahmen insofern einen integralen Bestandteil der in Auftrag gegebenen Reparatur dar (so auch LG Coburg, a.a.O., Rn. 55 bei juris), als erst durch sie für die Mitarbeiter*innen im Hinblick auf die Gefahr von Schmierinfektionen mit Covid-19 eine sichere Reparatur gewährleistet und nach Abschluss der Reparaturarbeiten eine sichere Übernahme des Fahrzeugs durch den Geschädigten ermöglicht wird; ohne diese Schutzmaßnahmen kann in Zeiten der Corona-Pandemie keine ordnungsgemäße Werkleistung erbracht werden. Gegen die Annahme einer eigenständigen Leistung ohne unmittelbaren Zusammenhang zur technischen Durchführung der Reparatur (so LG Stuttgart, a.a.O., Rn. 18 bei juris) spricht auch die Einordnung der Corona-Schutzmaßnahmen im Sachverständigengutachten. So wurde mit der Nr. 1000 dieselbe Arbeitspositionsnummer wie bei der Probefahrt und Fahrzeugreinigung (Nr. 1000) verwendet (vgl. Anlage K 1, Bl. 12 d.A.), wobei die Einstufung der letztgenannten Positionen als Reparaturkosten unstreitig ist. Es handelt sich bei allen hier streitigen Rechnungspositionen jeweils um vor- oder nachbereitende Leistungen der Werkstatt, die als unmittelbarer Bestandteil der geschuldeten Werkleistung einzustufen sind.

(bb) Ferner vermag das Gericht auch eine schuldhafte Pflichtverletzung der Klägerin im Hinblick auf die Geringhaltung des Schadens nicht zu erkennen. Da - wie eben unter (a) geschildert - die Rechnungsposition den Ansätzen im Sachverständigengutachten vollständig entsprochen hat, bestand für die Klägerin am Maßstab eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen kein Anlass, diese Kosten nicht für erforderlich zu halten.

(cc) Des Weiteren ist ein Auswahlverschulden der Klägerin als Geschädigte hinsichtlich der Werkstatt weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen worden. Auch wurde ein etwaiges Verschulden der Klägerin, welches die Berechnung von möglicherweise nicht erforderlichen Kosten verursacht haben könnte, nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

(d) Soweit teilweise vertreten wird, dass klägerseits eine Berufung auf das Werkstatt- und Prognoserisiko nur dann möglich ist, sofern die konkrete Werkstattrechnung von der Klägerin auch bezahlt worden ist (vgl. LG Essen, Urteil v. 27.07.2020, Az.: 13 S 97/19 Rn. 39 ff. bei juris; LG Stuttgart, a.a.O., Rn. 18 bei juris; de Biasi NZV 2021, 113, 114), so vermag das Gericht dem nicht zu folgen (so auch LG Coburg, a.a.O, Rn. 57 bei juris; Staudinger/Altun NZV 2021, 169). Denn auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit stellt einen Schaden dar und es würde der vom Bundesgerichtshof statuierten Risikioverteilung (vgl. BGH NJW 1975, 160) widersprechen, wenn ein Geschädigter dann nicht von den Mühen und Risiken einer Auseinandersetzung mit der Werkstatt geschützt würde, sofern er die Rechnung noch nicht bezahlt hat (so überzeugend LG Coburg, a.a.O. Rn. 57 bei juris). Die Indizwirkung für die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten ergibt sich bei konkreter Schadensberechnung allein daraus, dass die Reparaturarbeiten auf der Grundlage eines zuvor erstellten Gutachtens durchgeführt werden; die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Indizwirkung der Rechnung betrifft die Konstellation der Höhe der angemessenen Sachverständgigenkosten und ist auf die Fälle des Werkstatt- und Prognoserisikos nicht anwendbar (vgl. insoweit auch AG Ludwigsburg, Urteil vom 20.07.2021, Az. 8 C 666/21, dort S. 7). Für diese Argumentation spricht auch, dass der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung zum Werkstatt- und Prognoserisiko eine durch den Geschädigten bezahlte Werkstattrechnung gerade nicht als Voraussetzung für die Annahme der Erstattungsfähigkeit postuliert hat (BGH NJW 1975, 160).

cc) Da die Desinfektionskosten wie dargelegt den Grundsätzen des Werkstatt- und Prognoserisikos unterfallen, kann dahinstehen, ob die streitigen abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht und die Kosten tatsächlich in dieser Höhe angefallen und angemessen/ortsüblich oder ggf. überhöht sind. Der Klägerin steht insoweit aufgrund des sog. Werkstatt- und Prognoserisikos ein Anspruch auf Erstattung der abgerechneten Kosten in voller Höhe zu. Eine gesteigerte Prüfungspflicht der Klägerin hinsichtlich der abgerechneten Kosten scheidet - jedenfalls im vorliegenden Fall - aus. Es ist gerichtsbekannt, dass die Vornahme von Desinfektionsmaßnahmen im Umfang von 3 AW für die Ausgangs- und Eingangsdesinfektion von gerichtlich bestellten Sachverständigen als nachvollziehbarer Aufwand bewertet wurden (vgl. Gutachten des Sachverständigen ... im Gutachten von 20.07.2021 in der Sache 5 C 365/21 und Gutachten des Sachverständigen ... im Gutachten vom 14.09.2021 im Verfahren 8 C 549/21).

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte ferner einen Freistellungsanspruch im Hinblick auf restliche Sachverständigenkosten in Höhe von 30,05 € aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 249 BGB i. V. m. § 115 VVG.

a) Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 27.05.2020 entstandenen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig.

b) Die Haftung der Beklagten der Höhe nach auch für den streitgegenständlichen Teil der bislang nicht regulierten Sachverständigenkosten aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG ergibt sich daraus, dass auch dieser Teil entgegen der Auffassung der Beklagten als erforderlicher Herstellungsbetrag i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu qualifizieren ist.

1) Der Geschädigte kann, wenn wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist, gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbeseitigung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich auch berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung eines Schadensgutachtens zu beauftragen.

Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann.

Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen (so genannte subjektbezogene Schadensbetrachtung), insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Der Geschädigte muss mithin nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Allerdings obliegt dem Geschädigten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten oder später ihm gegenüber berechneten Preise (vgl. jeweils BGH, Urt. v. 19.07.2016 - VI ZR 491/15, NZV 2016, 573 Tz. 10 ff.).

2) Da die Kosten der Schadensfeststellung Teil des zu ersetzenden Schadens sind, muss der Schädiger - und damit hier auch akzessorisch sein Haftpflichtversicherer - die Kosten für ein Sachverständigengutachten ersetzen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs im bereits genannten Sinne erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.02.2017 - VI ZR 76/16, NJW 2017, 1875 Tz. 6).

3) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs erfolgt nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung des Gerichts (vgl. BGH, Urt. v. 28.02.2017 - VI ZR 76/16, NJW 2017, 1875 Tz. 9).

(1) Da die Klägerin die dem Schriftsatz vom 28.09.2021 als Anlage beigefügte Rechnung Nr. 70A06017343 vom 08.06.2020 (Bl. 200 d.A.) unstreitig nicht beglichen hat, bildet die Höhe der Rechnung des Sachverständigen keinen Anhaltspunkt zur Bestimmung der Erforderlichkeit des zur Herstellung erforderlichen Betrags i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 28.02.2017 - VI ZR 76/16, NJW 2017, 1875, 1876 Tz. 13; BGH, Urt. v. 26.04.2016 - VI ZR 50/15, NJW 2016, 3092, 3094 Tz. 12; Palandt, a.a.O., § 249 Rn. 58).

(2) Da dem Geschädigten bei einer - wie hier - noch unbezahlten Rechnung des Sachverständigen eine Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Höhe der in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten (BGH, Urt. v. 26.04.2016 - VI ZR 50/15, NJW 2016, 3092, 3094 Tz. 13) obliegt, ist der Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beauftragung des Sachverständigen (Grundhonorar und Nebenkosten) in der vereinbarten Höhe nur berechtigt, wenn und soweit diese nicht deutlich überhöht sind und dies für den Auftraggeber/Geschädigten erkennbar gewesen ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2016 - VI ZR 50/15, NJW 2016, 3092, 3094 Tz. 13; LG Stuttgart, Urt. v. 14.07.2016 - 9 C 45/15, NJOZ 2017, 63, 64).

Eine Überschreitung der üblichen Vergütung führt dann nicht zur Kürzung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten, wenn diese lediglich um ca. 20 % überschritten werden und keine besonderen Umstände vorliegen, aus welchen der Auftraggeber/Geschädigte von vornherein den Schluss hätte ziehen können, dass der Sachverständige im Verhältnis zum konkret entstandenen Unfallschaden ein Honorar verlangt, das die in der Branche üblichen Sätze deutlich übersteigt.

(3) Die vom Sachverständigen Karg der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten für das streitgegenständliche Gutachten überschreiten die dafür übliche Vergütung im Ergebnis insgesamt um nicht mehr als ca. 2,2 %, sodass für den Geschädigten mangels Vorliegens besonderer Umstände die Abweichung von der üblichen Vergütung nicht erkennbar gewesen ist. Das Gericht schließt sich hinsichtlich der Grundsätze zur Ermittlung der üblichen Vergütung eines Kfz-Sachverständigen den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Stuttgart in seiner Entscheidung vom 14.07.2016 an (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 14.07.2016 - 9 C 45/15, NJOZ 2017, 63, 64 ff.).

Im Einzelnen:

(a) Die einschlägige, übliche Vergütung in Bezug auf das Grundhonorar des Sachverständigen wird danach wie folgt ermittelt: Aus den Werten der Spalten HB I und HB III der jeweils einschlägigen BVSK-Honorarbefragung ist der mit der jeweiligen Schadenshöhe korrespondierende Wert zu ermitteln. Anschließend wird aus beiden Werten der dann für die Beurteilung der Üblichkeit maßgebliche Mittelwert gebildet. Dabei sind HB I und HB III zu Grunde zu legen, weil so ausreichend sichergestellt wird, dass etwaige Ausreißer bei den Umfragewerten soweit wie möglich ausgeschlossen und somit insgesamt mehr Nennungen von Sachverständigen erfasst werden.

Folgt man diesen Grundsätzen unter Zugrundelegung der BVSK-Honorarbefragung 2020, ergibt dies hier - ausgehend von Netto-Reparaturkosten in Höhe von 3.013,43 € - eine übliche Vergütung in Höhe von 507,50 €. In der Rechnung des Sachverständigen wird ein Betrag von 490,00 € angesetzt (Bl. 200 d.A.), mithin also ein Minderbetrag von 17,50 €.

(b) Auch bei den Nebenkosten kann für die Bestimmung der Angemessenheit auf die Werte der BVSK-Honorarbefragung 2020 als Orientierung zurückgegriffen werden, wobei die in dem vorgenannten Urteil des Landgerichts Stuttgart davon abweichenden Bewertungen im Ergebnis aufgrund ihrer zutreffenden Differenzierungen auch überzeugend sind.

(aa) Für jedes Foto ist im ersten Satz ein Betrag von 2,00 € angemessen, für jeden weiteren Fotosatz je Bild 0,50 €.

Der Sachverständige verlangt hier insgesamt 28,00 € für 14 Fotos im ersten Satz und 32 Fotos im zweiten Satz (Bl. 200 d.A.). Ausgehend davon, dass das seitens der Beklagten kein Vortrag erfolgt ist, wonach im Gutachten unnötige Fotos gemacht worden sein sollen, sind die angesetzten 28,00 € angemessen. Hiernach fordert der Kläger auch hier keinen Mehrbetrag.

(bb) Eine angemessene Pauschale für Porto- und Telefonkosten beträgt 10,00 €.

Die Kläger geht hier ausgehend von der Rechnung des Sachverständigen Karg von 15,00 € aus. Auf der Grundlage der überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Stuttgart (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 14.07.2016 - 9 C 45/15, NJOZ 2017, 63, 65) sind allerdings nur 10,00 € angemessen, sodass die Klägerin einen Mehrbetrag in Höhe von 5,00 € (rund 33 %) fordert.

(cc) Für Fahrtkosten sind je tatsächlich gefahrenem Kilometer angesichts der gestiegenen Benzinpreise jedenfalls in Höhe von 0,70 € angemessen.

Die Klägerin verlangt 44 Kilometer à 0,70 €, insgesamt also 30,80 € ersetzt und fordert hier mithin keinen über der üblichen Vergütung liegenden Mehrbetrag.

(c) Es kann offen bleiben, ob zudem Corona-Schutzmaßnahmen für den Sachverständigen in Höhe von 25,00 € angemessen sind, da selbst für den Fall, dass dies zu verneinen wäre, hier Vergütungskosten für den Sachverständigen Karg in Höhe von 576,30 € netto üblich und angemessen sind. Berechnet wurden dagegen in der Rechnung vom 08.06.2021 insgesamt netto 588,80 € (Bl. 200 d.A.). Mithin hat der Sachverständige Karg - eine gänzliche Unangemessenheit der Rechnungsposition "Corona-Schutzmaßnahmen" zugunsten der Beklagten unterstellt - nach der obigen Berechnung insgesamt 12,50 €, also rund 2,2 % über der hiernach üblichen Vergütung berechnet. Eine deutliche Überhöhung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Landgerichts Stuttgart liegt daher nicht vor und die bislang noch offenen Sachverständigenkosten in Höhe von 30,50 € sind als erforderliche und zweckmäßige Kosten der Schadensbeseitigung von der Beklagten nach §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG anzusehen, von denen die Beklagte die Klägerin freizustellen hat.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

2. Die Berufung war nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen. Zum einen hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 511 Abs. 4 Nr. 1 Alt. 1 ZPO, da zur Frage der Ersatzfähigkeit von Desinfektionskosten bundesweit unterschiedliche Urteile ergingen und bisher keine höchstrichterliche Klärung erfolgt ist (vgl. Musielak, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 511 Rn. 41, § 543 Rn. 5 f.). Zum anderen divergiert dieses Urteil zu der genannten Rechtsfrage von der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart vom 21.07.2021 (Az.: 13 S 25/21, bei juris), so dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 249

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