26.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230441
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 19.05.2022 – 1 StR 83/22
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2022 nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 30. November 2021 im Strafausspruch und im Ausspruch über den Vorwegvollzug aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von neun Monaten der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl zum Nachteil des Angeklagten in die Abwägung eingestellt, dass er mit der "harten Droge Amphetamin" Handel trieb (UA S. 15), und die Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG verneint.
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Die insoweit vom Landgericht angestellte Erwägung, dass es sich bei Amphetamin um eine harte Droge handelt, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar kommt der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis von sogenannten harten Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sogenannten weichen Drogen wie Cannabis (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. August 2018 - 1 StR 323/18 Rn. 4; vom 23. Januar 2018 - 3 StR 586/17 Rn. 5 und vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17 Rn. 13). Daran gemessen ist es verfehlt, Amphetamin als "harte" Droge einzuordnen und dies strafschärfend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. August 2018 - 1 StR 323/18 Rn. 4; vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17 Rn. 13 und vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16 Rn. 13).
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b) Auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat das Landgericht fehlerhaft zulasten des Angeklagten gewertet, dass es sich bei Amphetamin um eine "harte Droge" handele (UA S. 16).
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c) Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler; denn der Senat kann aufgrund der zahlreichen Umstände, die das Landgericht zugunsten des Angeklagten gewertet hat, nicht ausschließen, dass sich die genannte Erwägung bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
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2. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und werden daher von der Aufhebung nicht umfasst. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
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3. Der Maßregelausspruch ist rechtsfehlerfrei begründet und kann bestehen bleiben. Allerdings zieht die Aufhebung des Strafausspruchs den Wegfall des angeordneten Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe nach sich.
Jäger
Fischer
Bär
Hohoff
Pernice