Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

21.11.2022 · IWW-Abrufnummer 232373

Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 21.03.2022 – 4 U 2062/21

1. Von einem Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit kann sich ein Versicherer nur durch ein Nachprüfungsverfahren lösen, in dessen Rahmen dem Versicherungsnehmer alle Informationen mitzuteilen sind, die erforderlich sind, damit dieser sein Prozessrisiko abschätzen kann.

2. Soll er auf eine ausgeübte Tätigkeit konkret verwiesen werden, ist es aber nicht erforderlich, zur Ausgestaltung des der Berufsunfähigkeit zugrundeliegenden oder des neuen Berufes Stellung zu nehmen. Es obliegt hier vielmehr dem Versicherungsnehmer, konkrete Umstände dazulegen, aus denen sich eine fehlende Vergleichbarkeit ergibt.

3. Ist die Ausgestaltung der in den Vergleich einzubeziehenden Tätigkeit unstreitig, kann das Gericht die Betrachtung, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, ohne Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens entscheiden.


Oberlandesgericht Dresden

Beschluss vom 21.03.2022


In dem Rechtsstreit
T...... V......, ...
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
S...... N...... P...... Partnerschaft mbB, ...
gegen
... Lebensversicherung AG, ...
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden ...
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Z......, ...

wegen Forderung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch xxx ohne mündliche Verhandlung am 21.03.2022 beschlossen:

Tenor:

  1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
  2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
  3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.04.2022 wird aufgehoben.
  4. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf bis zu 75.000,00 € festzusetzen.

Gründe

I.

Der am 12.09.1971 geborene Kläger hat bei der Beklagten eine fondsgebundene Rentenversicherung einschließlich einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Die zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen enthalten unter anderem folgende Regelungen:

§ 1

(1) Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50% außerstande ist, ihrem zuletzt vor Eintritt dieses Zustandes ausgeübten Beruf nachzugehen.

(2) Übt die versicherte Person jedoch nach Eintritt dieses Zustandes eine andere, ihre Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit aus und ist sie dazu aufgrund ihrer gesundheitlichen Verhältnisse zu mehr als 50% in der Lage, liegt keine Berufsunfähigkeit vor. ...

§ 10

(1) Wir sind berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen; .... Dabei können wir insbesondere erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 ausübt bzw. - falls § 1 Abs. 5 maßgeblich ist - eine Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 5 ausüben kann, wobei neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu berücksichtigen sind. ...

Er hat eine Ausbildung zum Baumaschinisten abgeschlossen und anschließend eine Ausbildung zum Polizeibeamten der Zeit von März 1993 bis im September 1994 absolviert. In der Zeit von Juni 1999 bis März 2000 durchlief er eine Ausbildung zum SEK-Beamten und arbeitete zuletzt als Polizeimeister in Vollzeit beim SEK Sachsen. Sein Einkommen betrug zuletzt im Jahr 2000 23.942,05 € brutto. Am 21.05.2001 erlitt der Kläger einen Unfall und ist seitdem als SEK-Beamter berufsunfähig. Die Beklagte hat Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung seit 01.06.2001 erbracht (Anlage B 4).

Der Kläger ist seit März 2016 geschäftsführender Gesellschafter der s...... GmbH ..., die Handel mit Jagd-, Sport- und Freizeitwaffen betreibt. Er arbeitet dort acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche. Zu seinen Aufgaben gehören Preisverhandlungen, Einkauf von Handelsware, Preisrecherchen, Personalführung und Koordination der Urlaubsplanung sowie Betreuung des Fuhrparks. Die GmbH hat zehn angestellte Mitarbeiter. Der Kläger verfügt über ein Bruttoeinkommen in Höhe von jährlich 198.292,68 €. Die Beklagte hat im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens mit Schreiben vom 28.02.2017 (Anlage K3) mitgeteilt, dass sie ihre Leistungen ab dem 01.04.2017 einstellen werde, weil der Kläger einer anderen Tätigkeit nachgeht, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit als Geschäftsführer sei mit der eines SEK-Beamten nicht vergleichbar. Als SEK-Beamter habe er sich schon bei der Bewerbung einem harten Auslesevorgang unterwerfen müssen. Die Anforderungen an die körperliche Fitness und psychische Belastbarkeit seien sehr hoch. Auch aufgrund der anspruchsvollen Ausbildung sei das Ansehen eines SEK-Beamten in der Bevölkerung erheblich höher als bei einer Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter eines Waffenhandels; es handele sich hierbei nicht um eine vergleichbar anspruchsvolle Tätigkeit. Der Online-Versandhandel gerade mit Waffen entbehre jeglichen sozialen Ansehens.

Die Beklagte meint, sie habe ihre Leistungen zu Recht eingestellt, denn der derzeit ausgeübte Beruf sei mit der früheren Tätigkeit vergleichbar.

Das Landgericht hat ein berufskundliches Gutachten des Sachverständigen N...... eingeholt und die Klage mit Urteil vom 13.08.2021 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, das eingeholte Sachverständigengutachten weise methodische und inhaltliche Mängel auf. Der Sachverständige könne für die Beurteilung des Falles nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Eine nachvollziehbare und objektivierbare Prüfung der zugrundeliegenden Fragestellungen sei durch ihn nicht erfolgt. Zu Unrecht habe das Landgericht die Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Berufsbilder letzten Endes ausschließlich auf finanzielle Gesichtspunkte gestützt. Dies sei aber nicht zutreffend, denn es komme auch auf die Wertschätzung an. Mit den hohen Qualifikationen und der hohen Belastung und Verantwortung eines SEK-Beamten sei die Tätigkeit als Geschäftsführer nicht vergleichbar. Es müsse daher ein Obergutachten eingeholt werden.

Der Kläger beantragt:

Unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung wie folgt zu erkennen:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.04.2017 jeweils eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 1.310,20 €, zahlbar jeweils zum 01. des Monats im Voraus, somit für den Zeitraum ab 01.04.2017 bis zum 31.10.2017 einen Betrag in Höhe von 9.171,40 €, dann folgend jeweils zum 01. des Monats im Voraus längstens bis zum 01.06.2026 die Berufsunfähigkeitsrente in der jeweils einschlägigen Höhe (derzeit 1.310,20 €), zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.310,20 € seit dem 01.04.2017 bis zum 30.04.2017 sowie - für die folgenden Monate bis zur Klageerhebung - aus dem sich aus 1.310,20 € zuzüglich eins zu jedem Monatsersten der darauffolgenden Monate hinzutretenden Rentenbetrages in Höhe von jeweils weiteren 1.310,20 € ergebenden Betrages und aus einem bis zur Rechtshängigkeit der Klage auf diese Weise aufgelaufenen Betrages in Höhe von 10.482,60 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen und dem Kläger im Übrigen Beitragsbefreiung von den monatlichen Versicherungsbeiträgen betreffend die Start-Ziel-Rentenpolice Nummer 0.0000000.00 unter Einschluss des Rechts auf Erhöhung (Dynamik) längstens bis zum 01.06.2026 zu gewähren.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag zu.

Zu Recht hat die Beklagte ihre Leistungen zum 01.04.2017 eingestellt. Nachdem die Beklagte ihre Leistungspflicht mit Schreiben vom 07.05.2002 (Anlage B 4) anerkannt hat, konnte sie sich nur noch im Wege des Nachprüfungsverfahrens hiervon lösen.

Das Schreiben der Beklagten vom 28.02.2017 (Anlage K 3) entspricht den inhaltlichen Voraussetzungen des § 174 VVG. Erforderlich ist eine nachvollziehbare Begründung, warum die Leistungspflicht des Versicherers enden soll. Sie soll ihm diejenigen Informationen geben, die er benötigt, um sein Prozessrisiko abschätzen zu können (vgl. Lücke in Prölss/Martin in Kommentar zum VVG, 31. Aufl., § 174 Rn. 23). Die Beklagte hat in dem Schreiben dargelegt, dass sie den Kläger auf seinen jetzt ausgeübten Beruf verweist, weil dieser nach Ansehen und Einkommen vergleichbar sei und unter Berücksichtigung der Fachkompetenz, Entscheidungsbefugnis und Gestaltungsmöglichkeiten die ausgeübte Tätigkeit den Beruf eines Polizeibeamten beim SEK in nichts nachstehe und darüber hinaus auch der jetzige Verdienst erheblich über der zuvor bezogenen Vergütung liege. Dies genügt. Insbesondere ist es nicht erforderlich, zur konkreten Ausgestaltung des früheren oder neuen Berufes Stellung zu nehmen, der dem Versicherungsnehmer ohnehin bekannt ist.

Die Beklagte hat den Kläger auch inhaltlich zu Recht auf seine Tätigkeit als geschäftsführenden Gesellschafter der s...... GmbH verwiesen. Eine Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit kommt immer dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Diese wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf (so BGH, Urteil vom 20.12.2017 - IV ZR 11/16 - juris; BGH, Urteil vom 21.04.2010 - IV ZR 8/08 - juris). Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes absinkt (BGH, a.a.O.).

Da die Berufsausübung vor Eintritt des Versicherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür liefert, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, muss bekannt sein, wie sie konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten. Die vom Versicherer zu treffende Entscheidung, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann, erfordert einen Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegt, wie dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 21.04.2010 - IV ZR 8/08). Es ist Sache des Versicherers, im Nachprüfungsverfahren zu beweisen, dass die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht nicht mehr erfüllt sind. Will aber der Versicherungsnehmer geltend machen, die von ihm neu ausgeübte Tätigkeit entspreche nicht seiner bisherigen Lebensstellung, so obliegt es ihm, die konkreten Umstände darzulegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit ergeben soll. Das gilt auch und gerade dann, wenn er sich auf solche Umstände stützen will, die sich aus der Art und Ausgestaltung der früheren Tätigkeit ergeben (so BGH, Urteil vom 21.04.2010 - IV ZR 8/08).

Bei der Prüfung einer Verweisung des Klägers auf die inzwischen ausgeübte Tätigkeit ist zu berücksichtigen, dass der Wechsel aus einer selbständigen in eine angestellte Tätigkeit allein die Verweisbarkeit noch nicht ausschließt, sondern es stets einer auf den Einzelfall abgestellten Wertung bedarf, ob mit der neuen Tätigkeit ein spürbarer sozialer Abstieg verbunden ist (vgl. BGH, 23.11.2016 - IV ZR 502/15 - juris). Nicht der einzige, aber ein nicht zu vernachlässigender Bewertungsfaktor ist hierbei die Verdienstmöglichkeit (vgl. BGH, a.a.O.).

Aus Sicht des Senats kann dahinstehen, ob das berufskundliche Gutachten des Sachverständigen N...... methodische Mängel aufweist, denn letztendlich kommt es auf die Ausführungen des Sachverständigen nicht an. Die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens ist veranlasst, wenn der Sachverständige dem Gericht aufgrund seiner besonderen Sachkunde Erkenntnisse verschaffen kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Sachverständige Angaben zu der konkreten Ausgestaltung einer beruflichen Tätigkeit, insbesondere zu der Frage, welche körperlichen, intellektuellen, sozialen oder psychischen Anforderungen sie stellt, treffen soll. Der Sachverständige ist allerdings nicht Polizeibeamter beim SEK und auch nicht Geschäftsführer einer GmbH. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, welche besonderen Qualifikationen ihn zur Stellungnahme zur besonderen Ausgestaltung des einen oder anderen Berufes befähigen. Die Vergleichsbetrachtung der beiden Berufe kann der Senat, wenn - wie hier - die Ausgestaltung des Berufes bekannt und unstreitig ist, selbst vornehmen. Hiernach ist von Folgendem auszugehen:

Der Kläger hat als SEK-Beamter nach seinen Angaben gegenüber der Beklagten (Anlage B 1) acht Stunden an fünf Arbeitstagen gearbeitet. Er hat vor dem Landgericht seinen Arbeitsalltag dahingehend geschildert, dass er im Wesentlichen Kraft- und Ausdauersport betrieben habe. Es seien auch Zweikämpfe und Sport in Extremsituationen trainiert worden, wobei er z.B. mit schwerer Ausrüstung habe laufen oder im Winter durch ein Binnengewässer schwimmen müssen. Des Weiteren seien taktische Übungen absolviert worden und typische Einsatzsituationen eingeübt worden, wie z.B. das Eindringen in Räume, Durchsuchen von Objekten, Überwinden von Häuserschluchten, Abseilen von einem Hubschrauber. Darüber hinaus sei geübt worden, mit Waffen, Sprengmitteln, Schlagstöcken oder etwa Blendgranaten umzugehen. Auch ein Sicherheits- und Gefahrentraining bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges sei absolviert worden. Für seinen Einsatz als Präzisionsschütze sei auch ein Schießtraining durchgeführt worden. Des Weiteren seien Festnahmetechniken, Geiselbefreiungen und das Verhalten bei Demonstrationen, z.B. wie man Störer aus einer Menschenmenge herausbekomme, geübt worden. Eine solche Tätigkeit setzt hohe sportliche Fertigkeiten, Teamfähigkeit, Mut und eine hohe physische und psychische Belastbarkeit voraus. Um diesen Beruf auszuüben, musste der Kläger eine anderthalbjährige Ausbildung zum Polizeibeamten und schließlich eine Weiterqualifikation von neun Monaten zum SEK-Beamten durchlaufen.

Seine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter, die er ebenfalls in acht Stunden an fünf Arbeitstagen ausübt, erfordert zwar grundsätzlich keine abgeschlossene Berufsausbildung. Eine Verweisung ist aber nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Beruf, auf den der Versicherer den Versicherten verwiesen hat, kein Ausbildungsberuf ist (vgl. BGH, Urteil v. 21.04.2010 - IV ZR 8/08 - juris). Vielmehr bedarf es eines konkreten Vergleiches der Anforderungsprofile der einander gegenüberzustellenden Berufe und einer konkreten Betrachtung, welche Kenntnisse und Fähigkeiten die jeweiligen Tätigkeiten erfordern, welche Verdienstmöglichkeiten und welche beruflichen Perspektiven sie bieten und ob die danach neue Tätigkeit die bisherige Lebensstellung des Versicherten zu wahren geeignet ist (so BGH, a.a.O.). Eine solche Vergleichbarkeit ist hier mit dem Landgericht zu bejahen. Die erfolgreiche Ausübung einer Geschäftsführertätigkeit stellt andere aber nicht geringere Anforderungen als die Tätigkeit als SEK-Beamten. So hat der Kläger vor dem Landgericht geschildert, dass er seine Mitarbeiter einweise, seine Mails lese und anschließend die Statistiken überprüfe, um zu sehen, welche Artikel sich verkaufen und welche nicht. Er überprüfe, was bestellt werden müsse und löse die Bestellungen aus. Des Weiteren übernehme er die Preisverhandlungen mit den Lieferanten, um einen guten Preis zu erzielen. Er organisiere die Personalverwaltung mit seinem Geschäftspartner. Er prüfe die Zahlungseingänge und -ausgänge des Geschäftskontos und kümmere sich um die vier Fahrzeuge in dem Fuhrpark. Er sorge dafür, dass diese im Bedarfsfall repariert werden. Für diese Ausübung der Tätigkeiten bedarf es u. a. eines Verhandlungsgeschickes, und hinsichtlich der Personalführung muss der Kläger über soziale Kompetenzen verfügen. Die selbständige Arbeitsweise erfordert Selbstdisziplin, Flexibilität und erheblich höhere Führungsfähigkeiten als sie im Mannschaftsdienst des SEK gefordert werden. Es handelt sich zudem um eine Tätigkeit, die die Fähigkeit zur Marktbeobachtung und ein erhebliches Verständnis für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge erfordert. Die hierfür erforderlichen Qualifikationen sind in der Gesamtwürdigung der Tätigkeit eines Polizeibeamten beim SEK gleichzusetzen.

In seinem Beruf als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH verdient der Kläger mehr als siebenmal so viel wie als SEK-Beamter in seinem zuletzt ausgeübten Beruf. Der Kläger hätte zwar als SEK-Beamter noch Aufstiegsmöglichkeiten gehabt und hätte eine Leitungsfunktion einnehmen können, aber auch in diesem Fall wäre es ihm nicht möglich gewesen, auch nur annähernd so viel zu verdienen wie jetzt. Seine finanzielle Situation hat sich damit erheblich verbessert.

Entgegen der Auffassung des Klägers geht mit seinem Berufswechsel auch kein spürbarer Ansehensverlust einher. Der Kläger muss als SEK-Beamter in der Bevölkerung ein hohes Ansehen genossen haben, weil bekanntermaßen SEK-Beamte in Gefahrsituationen wie bei Geiselnahmen, terroristischen Anschlägen oder anderen Gefahrensituationen eingesetzt werden und auch ihr Leben aufs Spiel setzen müssen. Aber auch ein erfolgreich agierender Geschäftsführer einer Gesellschaft, der zugleich der Miteigentümer ist, genießt in der Bevölkerung Ansehen. Denn das erfolgreiche Führen eines Unternehmens mit zehn Mitarbeitern und der Erzielung von erheblichen Einkünften ist mit sozialem Prestige assoziiert. Ein sozialer Abstieg ist mit seiner neuen beruflichen Tätigkeit nicht verbunden. Nach dem Vorbringen des Klägers sind die Zugangsbeschränkungen wegen der hohen Anforderungen zum SEK-Beamten hoch, was mit der Selbsteinschätzung einhergehen mag, innerhalb der Polizei eine Eliteeinheit darzustellen. Die Außenwahrnehmung innerhalb der Gesamtgesellschaft ist jedoch eine andere. Die Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter bedarf anderer Kenntnisse und Fertigkeiten, wie z. B. Personalführungskompetenz, Verhandlungsgeschick und Organisationskompetenz, die nicht minder anspruchsvoll sind. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Kläger all diese Fähigkeiten mit sich bringt, denn ansonsten hätte er das Unternehmen nicht mit Erfolg zu einer solchen Größe und Profitabilität geführt. Das Ansehen sinkt hinsichtlich der sozialen Wertschätzung nicht - jedenfalls nicht spürbar - unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes ab. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Geschäftsgegenstand der GmbH der Handel mit Waffen ist. Der Sportwaffenhandel mag zwar in weiten Bevölkerungskreisen kein hohes Ansehen genießen, jedoch ist dieser Umstand unter Berücksichtigung der erfolgreichen Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter nicht geeignet, die Wertschätzung in der Bevölkerung spürbar unter das Niveau des früheren Berufes abzusenken. Die Funktion als Vorgesetzter, die Selbständigkeit der Tätigkeit und die damit verbundenen Entscheidungsbefugnisse gehen ebenfalls mit einer hohen sozialen Anerkennung einher.

RechtsgebietZPOVorschriften§ 522 Abs. 2 ZPO

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr