Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

21.11.2022 · IWW-Abrufnummer 232375

Arbeitsgericht Berlin: Urteil vom 12.09.2022 – 22 Ca 223/22

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Arbeitsgericht Berlin
 

Verkündet am 12.09.2022
 
Im Namen des Volkes
 
Urteil
In Sachen
 
hat das Arbeitsgericht Berlin,
22. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 12.09.2022
durch den Richter am Arbeitsgericht … als Vorsitzender
sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn … und
die ehrenamtliche Richterin Frau …
für Recht erkannt:
 
I.    Die Klage wird abgewiesen.

II.    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III.    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf … EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von (je zwei) außerordentlichen fristlosen und hilfsweisen ordentlichen Kündigungen des Arbeitsverhältnisses, überdies begehrt der Kläger die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte; das beklagte Land stellt hilfsweise einen Auflösungsantrag.

Der 1961 geborene Kläger, verheiratet, Kindern nicht mehr zum Unterhalt verpflichtet, trat zum 29.08.2008 in ein Arbeitsverhältnis als Lehrkraft zum beklagten Land. Auf die als Anlage K1 zur Klageschrift eingereichte Ablichtung des Arbeitsvertrages wird wegen dessen Inhalten Bezug genommen (Bl. 48 ff. d.A.). Zuletzt bezog der Kläger eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von … EUR. Auf das Arbeitsverhältnis finden der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und die diesen ergänzenden Tarifverträge Anwendung.

Seine Tätigkeit als Lehrkraft des beklagten Landes versieht der Kläger am O. K. … . Er unterrichtet im Fach Medienproduktion.

Das beklagte Land beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. Es besteht für das beklagte Land im Bereich der dieses vertretenden Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ein Personalrat der Dienstkräfte in zentral verwalteten und berufsbildenden Schulen.

Ab dem Sommer 2020 kam es in mehreren Fällen zu Meldungen von (ehemaligen) Schüler/innen sowie Eltern von Schüler/innen des O. an die Schulleitung/-verwaltung, in denen mitgeteilt wurde, der Kläger habe u.a. seine persönliche Meinung zu verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Fragen, darunter auch der Corona-Pandemie, im Unterricht und über für den Unterricht genutzte Kommunikationswege sowie in von ihm u.a. auf Online-Plattformen veröffentlichten Videos thematisiert.

Am 05.08.2020 gab es ein Gespräch u.a. des Abteilungsleiters des O., Herrn E., mit dem Kläger. Der Kläger teilte in dem Gespräch mit, ab sofort sachfremde Themen/Diskussionen im Unterricht zu unterlassen und persönliche Meinungsäußerungen als solche zu kennzeichnen.

Am 31.08.2020 veröffentlichte der Kläger auf der Videoplattform „o.“ ein Video mit dem Titel „K. …! ;-)“. Zu dem diesbezüglichen Vortrag der Parteien wird auf den Schriftsatz des beklagten Landes vom 11.04.2022 samt Anlagen (Bl. 467 ff. d.A.) sowie des Klägers vom 11.05.2022 (Bl. 665 ff. d.A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 26.11.2020 (vom Kläger in Ablichtung eingereicht als Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 54 ff. d.A.) hörte das beklagte Land den Kläger zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen des Verdachts schwerwiegender dienstlicher Verfehlungen an. Der Kläger nahm zu den Vorwürfen durch Schreiben seines (späteren) Prozessbevollmächtigten vom 01.12.2020 (Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 71 ff. d.A.) Stellung.

Eine Kündigung wurde zunächst nicht ausgesprochen, nach dem vom Kläger nicht bestrittenen Vortrag des beklagten Landes, weil der Personalrat seine Zustimmung nicht erteilte.

Mit Schreiben vom 13.01.2021 (in Ablichtung als Anlage K5 zur Klageschrift vorgelegt, Bl. 12 ff. d.A., auf die wegen des Inhalts im Einzelnen Bezug genommen wird) erklärte das beklagte Land eine Abmahnung wegen der Vorwürfe einer „Veröffentlichung und Bewerbung von verschwörungstheoretischen Inhalten und der Aufforderung an Schülerinnen und Schüler zum Nichtragen (sic!) einer Maske in Ihrer Funktion als Lehrer“, der „Veröffentlichung beleidigender Inhalte gegen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Ihre Dienstherrin“, der „Vernachlässigung Ihre (sic!) Unterrichtspflichten“, weiter wegen „Gesundheitsgefährdung von Schülerinnen und Schülern, Aufforderung zur Ordnungswidrigkeit“ sowie „Störung des Betriebsfriedens“.

Mitte Juli 2021 (nach dem Vortrag des beklagten Landes: am 19.07.2021; nach dem diesbezüglich letzten Vortrag des Klägers: „kurz nach dem 13.07.2021“) veröffentlichte der Kläger auf dem von ihm auf der Videoplattform ... unter dem Benutzernamen „R.“ unterhaltenen eigenen Kanal ein Video mit dem Titel „S. …“. Als erstes Bild zeigt das Video für die Dauer von ca. drei bis dreieinhalb Sekunden eine veränderte Abbildung des Tores eines Konzentrationslagers. Bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.09.2022 war zwischen den Parteien unstreitig, dass es sich um das Tor des Konzentrationslagers S. handele (der Kläger trägt dies selbst bereits in der Klageschrift vom 07.09.2021, Seite 7, Bl. 7 d.A., vor; siehe auch Schriftsatz vom 30.03.2022, Seite 16, Bl. 448 d.A., sowie Schriftsatz vom 14.04.2022, Seite 6, Bl. 641 d.A.). Im Kammertermin gab der Kläger an, es könne sich auch um ein anderes Konzentrationslager handeln.

Gegenüber dem Originalbild des Tores ist auf dem Bild, das in der Eingangssequenz des Videos gezeigt wird, der Wortlaut der Torinschrift verändert. Anstelle der historischen Inschrift „ARBEIT MACHT FREI“ sind die Worte zu sehen „IMPFUNG MACHT FREI“.

Erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.09.2022 behauptete der Kläger, in dem Video sei während der gesamten Zeit, in der das veränderte Bild des Tores eines Konzentrationslagers zu sehen sei, mittig im Bild ein großes rotes Fragezeichen eingeblendet. Die Vertreter des beklagten Landes erklärten hierzu auf Nachfrage des Gerichts, sie könnten sich nicht daran erinnern, in dem Video ein Fragezeichen wahrgenommen zu haben, wollten den Vortrag des Klägers aber insoweit mangels konkreter Erinnerung auch nicht bestreiten. Sie rügten den Vortrag als verspätet und beantragten vorsorglich eine Erklärungsfrist (Sitzungsniederschrift, Bl. 761 d.A.).

In der ...-Ansicht des von dem Kläger dort unterhaltenen Kanals war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos mit dem Titel „S. …“ unter dem Menüpunkt „Videos“ ein Link zu diesem Video enthalten. Es war dort der Titel des Videos zu sehen und darüber ein (Stand-)Bild, vom Kläger im Kammertermin vom 12.09.2022 als „t.“ bezeichnet, das ebenfalls ein verändertes Bild eines KZ-Tores mit der Inschrift „IMPFUNG MACHT FREI“ zeigt. Auf diesem Bild ist kein Fragezeichen zu sehen. Ergänzend wird auf die als Anlage B17 zur Klageerwiderung vom 15.12.2021 vom beklagten Land eingereichten Screenshots (Bl. 174-175 d.A.) Bezug genommen.  

Unstreitig zeigt das Video im Anschluss an das erste Bild, dasjenige des hinsichtlich der Inschrift veränderten KZ-Tores, für einen Zeitraum von ebenfalls ca. drei bis dreieinhalb Sekunden einen Tweet, d.h. einen Beitrag bei dem M. T., des b. M. S.. Dieser lautet auszugsweise wie folgt (ergänzend wird auf Anlagen B27 und B28, vom beklagten Land vorgelegt mit dem Schriftsatz vom 31.03.2022, Bl. 412 und 413 d.A., Bezug genommen):

„B. weitet das Impfangebot massiv aus. Anmeldung etwa bei Vereinen, (…) verkaufsoffenen Sonntagen und in Malls. (…) Impfen ohne Termin möglich.

Impfen ist der Weg zur Freiheit. Wir müssen (…) so viel wie möglich impfen. (…) die Impfquote steigen. (…) diejenigen, die sich nicht impfen können. (…) mehr Freiheiten für Geimpfte.“

Der Satz „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ und die Worte „Freiheiten für Geimpfte“ sind ‒ unklar, ob im Original bei ..., jedenfalls aber in der Darstellung des ... in dem vom Kläger hochgeladenen Video ‒ unterstrichen.

Zu dem sich anschließenden weiteren Inhalt des Videos trägt das beklagte Land nichts vor. Der Kläger hatte zunächst schriftsätzlich vorgetragen (Schriftsatz vom 30.03.2022, Seiten 15-16, Bl. 447-448 d.A.), der Rest des Videos stehe in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit den beiden Bildern am Anfang. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.09.2022 erwähnte er erstmals, es sei im weiteren Verlauf des Videos u.a. eine rechtliche Stellungnahme eines Rechtsanwaltes zu sehen. An seinen ursprünglichen Vortrag, der Rest des Videos stehe in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit den beiden Bildern am Anfang, ist der Kläger daraufhin im Kammertermin durch Hinweis des Gerichts erinnert worden. Eine Klarstellung oder weiterer Vortrag sind seitens des Klägers nicht erfolgt.

Der Kläger selbst spricht in dem Video „S. …“ kein Wort, das Video enthält auch keinen Hinweis auf seine Tätigkeit als Lehrer des beklagten Landes.

Wenig später (nach dem Vortrag des beklagten Landes: am 05.08.2021; nach dem diesbezüglich letzten Vortrag des Klägers: am 24.07.2021) veröffentlichte der Kläger ein weiteres Video bei ... Es trägt den Titel „D. ...“. In dem Video wird die Überschrift eines Presseartikels eingeblendet, den der Kläger als Anlage K9 zu seinem Schriftsatz vom 30.03.2022 vorlegt (auf Bl. 451 d.A. wird ergänzend Bezug genommen). Der Artikel befasst sich mit einer von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des beklagten Landes nach entsprechender Verständigung mit der Gesundheitsverwaltung getroffenen Entscheidung, mobile Impfteams in die B. des beklagten Landes zu schicken, um den dortigen Schülerinnen und Schülern und auch dem Schulpersonal die Möglichkeit einer Corona-Impfung zu geben. Der Artikel zitiert hierzu u.a. die seinerzeitige Bildungssenatorin, die davon spricht, „Schülerinnen und Schülern an beruflichen Schulen ein niedrigschwelliges Angebot machen [zu wollen], um die Impfquote in dieser Altersgruppe zu erhöhen“. Der Einsatz mobiler Impfteams an beruflichen Schulen war auch Gegenstand einer Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des beklagten Landes vom 23.07.2021. In dieser Pressemitteilung wird ebenfalls die seinerzeitige Senatorin für Bildung, Jugend und Familie zitiert, daneben auch die damalige Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf die vom beklagten Land mit dessen Klageerwiderung eingereichte Anlage B19 (Bl. 177-178 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger stellt sich in dem Video „D. ...“ mit den Worten vor: „Guten Tach, mein Name ist B., ich bin Lehrer in B. (…)“.

Auch weitere von ihm bei ... auf seinem dortigen Kanal veröffentlichte Videos enthalten eine Selbstvorstellung des Klägers mit Worten wie „Mein Name ist B., ich bin Lehrer in B.“ oder „Tach, mein Name ist B., ich bin von Beruf Lehrer“ oder „Ich bin Lehrer in B.“. Später (der genaue Zeitpunkt wird von den Parteien nicht vorgetragen) wurde das Konto des Klägers bei ... seitens der Plattform gesperrt. Das beklagte Land trägt vor, der Kläger habe daraufhin u.a. das Video mit dem Titel „S. …“ auf einer anderen Plattform („o.“) neu veröffentlicht. Der Kläger gab im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.09.2022 an, die Videos seien jeweils parallel auf beiden Plattformen veröffentlicht worden, „o.“ sei ein „S.“ zu seinem Kanal bei ...

Mit Schreiben vom 12.08.2021 (vom Kläger als Anlage K6 zur Klageschrift in Ablichtung eingereicht, Bl. 16 ff. d.A.) hörte das beklagte Land den Kläger erneut zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an. Dem Kläger werden in dem Schreiben vorgeworfen: „1. Hintertreiben des Impfangebotes und Beleidigung der Dienstherrin“ sowie „2. Verharmlosung des Holocaust“. Er erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen bis zum 16.08.2021.

Mit per E-Mail vom 12.08.2021 übersandtem Schreiben meldete sich der (spätere) Prozessbevollmächtigte des Klägers und forderte das beklagte Land auf, die Abmahnung vom 13.01.2021 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Weiter kündigte er an, auf „die derzeit gegen meinen Mandanten ergriffenen politischen Strafmaßnahmen“ mit gesondertem Schreiben zurückzukommen. Eine weitere Stellungnahme des Klägers auf das Schreiben vom 12.08.2021 ging bei dem beklagten Land nicht ein.

Mit zwei gesonderten Schreiben vom 19.08.2021, dem Kläger jeweils zugegangen am selben Tag, erklärte das beklagte Land die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Anlage K7, Bl. 22 ff. d.A.) sowie die hilfsweise ordentliche Kündigung mit Wirkung zum 31.03.2022 (Anlage K8, Bl. 30 ff. d.A.).

Am ...2022 veröffentlichte der Kläger auf der Plattform o. ein Video unter dem Titel „B. …?“. Unter anderem sagt der Kläger in dem Video: „In Deutschland darf man so etwas denken, meinen und selbstverständlich auch Beweise dafür vorlegen, dass wir es hier gerade mit dem größten Verbrechen der Menschheit zu tun haben. Die totalitären Systeme von S., M. und H. haben zusammen nicht so viel Leid und Tod verursacht, wie die Corona-Spritz-Nötiger“. Zu dem diesbezüglichen Vortrag der Parteien wird auf den Schriftsatz des beklagten Landes vom 29.08.2022 samt Anlage B38 (Bl. 749 ff. d.A.) sowie des Klägers vom 05.08.2022 (Bl. 732 ff. d.A.) verwiesen.

Mit zwei gesonderten Schreiben vom 15.07.2022, dem Kläger jeweils zugegangen am selben Tag, erklärte das beklagte Land die vorsorgliche außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Anlage K9, nach korrekter Zählung K10, Bl. 740 ff. d.A.) sowie die vorsorgliche höchsthilfsweise ordentliche Kündigung mit Wirkung zum 31.03.2023 (Anlage K10, nach korrekter Zählung K11, Bl. 735 ff. d.A.).

Der Kläger hält sämtliche ausgesprochenen Kündigungen sowie die Abmahnung für unwirksam.

Er sei seit jeher der Meinung, die von den Regierungen der Bundesrepublik ‒ insbesondere auch des Landes Berlin ‒ ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der weltweiten SARS-CoV-2-Epidemie seien in ihrer Breite, Dauer und Auswahl rechts- und verfassungswidrig. Seine Kritik an den staatlichen Maßnahmen bezieht er ausweislich der Klageschrift (Seite 3, Bl. 3 d.A.) ausdrücklich auch auf das „Handeln des Berliner Senats“. Sowohl die Hygienepolitik als auch die „Impfwerbung“ an den Schulen zumindest mit minderjährigen Schülern stelle sich als an der Grenze zur Misshandlung von Schutzbefohlenen dar. Derartige Maßnahmen seien zu keinem Zeitpunkt erforderlich und ganz sicher nicht angemessen gewesen. Die sogenannten Impfungen stellten schon definitorisch keine Impfungen dar, sondern seien medizinisch praktisch vollkommen wirkungs- und nutzlos gewesen. Anderslautende Behauptungen könnten mit keiner wissenschaftlichen Fundierung vertreten werden.

Bei den Videos „S. …“ sowie „D. ...“ handele es sich nicht um irgendwie geartete Pflichtverletzungen des Klägers, sondern um in jeder Hinsicht rechtmäßige und grundrechtlich geschützte Meinungsäußerungen. Es gebe keine politische Gehorsamspflicht für Berufsschullehrer, wonach diese verpflichtet wären, stets sämtliche politischen Maßnahmen des Senats mitzutragen und niemals in der Öffentlichkeit zu kritisieren.

Das veränderte Bild des KZ-Tores im Video mit dem Titel „S. …! U. …“ ‒ der Kläger spricht von einem „Meme“ ‒ habe er nicht selbst hergestellt, sondern aus dem Internet übernommen. Es habe zigtausendfacher Verbreitung unterlegen (im Kammertermin behauptete der Kläger, es sei „millionenfach“ in sozialen Netzwerken geteilt worden).

Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus sei darin nicht zu sehen. Vielmehr übe der Kläger in Ausübung der Meinungs- und Kunstfreiheit im Bereich seines privaten Handelns politische Kritik mit den Mitteln einer künstlerischen Collage. Er habe sich, so der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.09.2022, nicht denken können, dass ihm dieses Bild einmal „auf die Füße fallen könnte“. Das Video sei ein Kunstwerk, es spreche als kritische künstlerische Meinungsäußerung für sich selbst. Die Äußerungen des b. M. seien ein Skandal und eine unerträgliche sprachliche Entgleisung, was er durch das Video zeitkritisch offenlege. In dem Tweet werde gewissermaßen die Impfentscheidung zur Voraussetzung der staatlichen Gewährung von Freiheitsrechten erhoben, die aber nicht von einer staatlichen Gewährung abhängig seien. Der Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ liege ganz offenbar die seiner Ansicht nach verfassungswidrige rechtspolitische Annahme zugrunde, dass die Grundrechtsträger ihren Zugang zu den Freiheitsgrundrechten nur noch über die Impfung gewährt erhalten. Ganz bewusst solle die Äußerung den Eindruck erwecken, dass diejenigen, die sich (noch) nicht haben impfen lassen, von ihren Freiheitsrechten keinen Gebrauch machen dürfen. Mit dem Video habe er eine scharfe Kritik an der Äußerung des b. M. üben und deutlich machen wollen, dass diese Äußerung der verabscheuenswürdigen menschen- und rechtsverachtenden Polemik des Nationalsozialismus nahekomme. Er habe, so ergänzte die Klägerseite im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.09.2022, der Politik vor Augen führen wollen: „Ihr redet schon fast so wie diese Verbrecher“.  Die scharfe Missbilligung der nationalsozialistischen Verbrechen bzw. der infamen Polemik und zynischen Propagandasprache des Dritten Reiches sei gerade das Substrat der scharfen politischen Kritik an der Äußerung des b. M.. Dabei, so der Kläger weiter, befasse sich das Video inhaltlich in keiner Weise mit einer Kritik an Corona-Maßnahmen und auch nicht mit dem Land Berlin, der Senatsverwaltung oder der Schulsenatorin. Irgendein Bezug zum beklagten Land sei nicht hergestellt. Es sei ausschließlich an den b. M. gerichtet und habe dessen Sprachgebrauch zum alleinigen Gegenstand.

Das Video sei auch nicht strafbar. Entsprechende Verurteilungen oder Strafbefehle seien, so ließ der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.09.2022 vortragen, Fehlentscheidungen. Als straffreies Verhalten sei die Veröffentlichung des Videos eine legitime, vom beklagten Land auch im Arbeitsverhältnis hinzunehmende Meinungsäußerung.

Eine Loyalitätspflicht in dem Sinne, dass die im öffentlichen Dienst Beschäftigten ihr gesamtes auch privates Verhalten so einrichten müssten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird, gebe es nach der Neuregelung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst nicht mehr. Außerhalb der Arbeitszeit müsse er nur auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen und könne sonst seine Grundrechte wie jeder andere Bürger ausüben.

Die Rücksichtnahmepflicht gebiete nur, dass nicht der Eindruck entstehen dürfe, eine geäußerte Meinung stelle eine dienstliche Auffassung dar, werde im Namen der Senatsverwaltung oder der Schule geäußert oder gebe deren Auffassung wieder. Dies sei in keinem Fall gegeben. Es handele sich um private Meinungsäußerungen, bei denen er auch nicht dem Bildungsauftrag des Berliner Schulgesetzes unterliege. Allenfalls die Angabe einer konkreten Tätigkeit mit Nennung des Arbeitsplatzes oder des Dienstherren könne einen Bezug zum Arbeitsverhältnis herstellen.

Vielmehr, so meint der Kläger, verstoße das Vorgehen des beklagten Landes gegen dessen Rücksichtnahmepflicht, stelle sich nachgerade als Verfolgung politisch Andersdenkender und als Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB dar.

Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei hinsichtlich der außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht eingehalten. Das Video „S. …! U. …“ habe er kurz nach dem Tweet des b. M. vom 13.07.2021 veröffentlicht, das Video „D. …“ am 24.07.2021. Da der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits unter schärfster Beobachtung der Mitarbeiter des beklagten Landes gestanden habe, müsse davon ausgegangen werden, dass die Videos bei der zur Kündigung berechtigten Stelle bereits am Montag, 26.07.2021, bekannt geworden waren.

Der Kläger bestreitet, dass der Personalrat ordnungsgemäß angehört worden sei. Infolge der weitestgehend unzutreffenden Sachverhaltsdarstellung sei die Unterrichtung des Personalrates nicht ordnungsgemäß.

Die Abmahnung vom 13.01.2021 sei unwirksam, die zugrunde gelegten Tatsachenbehauptungen seien im Wesentlichen falsch, keiner der aufgeführten Vorwürfe stelle eine Pflichtverletzung dar.

Selbst wenn das Arbeitsverhältnis durch eine der streitgegenständlichen Kündigungen beendet sein sollte, sei von einem fortbestehenden Entfernungsinteresse des Klägers auszugehen. Ihm stehe bei unterstellter Beendigung ein Anspruch auf ein wohlwollend formuliertes Zeugnis zu. Wenn sich eine rechtswidrige Abmahnung mit derartig drastischen Beurteilungen praktisch aller Bereiche der Arbeitstätigkeit des Klägers in der Personalakte befinde, könne nicht angenommen werden, dass ein wohlwollendes und seinem beruflichen Fortkommen förderliches Zeugnis erteilt würde. Auch sei zu befürchten, dass ein neuer Arbeitgeber vor der Einstellung des Klägers informelle Erkundigungen einhole und dann bei einem weiter in der Personalakte liegenden, rechtswidrigen Abmahnungsschreiben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine gerade die Qualität der Arbeitsleistungen kritisch würdigende Auskunft erhielte.

Der Kläger beantragt mit seiner am 07.09.2021 bei Gericht eingegangenen, dem beklagten Land am 13.09.2021 zugestellten und durch Schriftsatz vom 05.08.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, dem beklagten Land zugestellt am 12.08.2022, um die gegen die Kündigungen vom 15.07.2022 gerichteten Anträge erweiterten Klage, nachdem er einen zunächst angekündigten Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.09.2022 zurückgenommen hat, zuletzt:

1.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 19.08.2021 nicht aufgelöst worden ist;

2.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.08.2021 nicht aufgelöst ist, sondern über den 31.03.2022 hinaus fortbesteht;

3.    die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 13.01.2021 ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen;

4.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die „vorsorgliche außerordentliche Kündigung ‒ verhaltensbedingt“ der Beklagten vom 15.07.2022 nicht aufgelöst worden ist;

5.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die „vorsorgliche höchsthilfsweise ordentliche Kündigung ‒ verhaltensbedingt“ vom 15.07.2022 nicht aufgelöst werden wird.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es lässt vortragen, die außerordentliche fristlose, jedenfalls aber die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 19.08.2021 sei wirksam.

Mit der Veröffentlichung der Videos „S. …! U. …“ sowie „D. …“ habe der Kläger seine Dienstherrin und die (seinerzeitige) Schulsenatorin grob beleidigt und bewusst falsche Tatsachen behauptet.

Mit dem im Video „S. …! U. …“ veröffentlichten Bild ziehe der Kläger eine deutlich sichtbare Parallele zum Tor des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Die mit der Veröffentlichung des Bildes getätigte Aussage werde durch den nachfolgend dargestellten Tweet des b. M. nicht relativiert. Allein die Abfolge der Videosequenzen ändere nichts daran, dass der Kläger mit dem Schriftzug „IMPFUNG MACHT FREI“ das staatliche Werben um eine Impfbereitschaft in der Pandemie mit dem System der Konzentrationslager, jedenfalls aber der Unrechtsherrschaft zu Zeiten des Nationalsozialismus gleichsetze, damit die Unrechtstaten während des Nationalsozialismus verharmlose und die Opfer des Nationalsozialismus, insbesondere die der Konzentrationslager, missachte. Es werde die Situation Ungeimpfter mit der systematischen Verfolgung und Vernichtung der Juden im Dritten Reich verglichen und damit das an diesen begangene Unrecht relativiert bzw. verharmlost.

Dass sich das Video, wie der Kläger meint, nicht mit einer Kritik an Corona-Maßnahmen befasse, sondern eine Kritik gegenüber dem Sprachgebrauch des b. M. zum Inhalt habe, könne ihm nicht entnommen werden. Vielmehr stehe jedes Bild für sich. Zu beachten sei auch, dass auf der Startseite des Kontos des Klägers bei ... (Anlage B17, Bl. 174 d.A.) als Titelbild des Videos allein das veränderte Tor des Konzentrationslagers zu sehen sei und es dort keinerlei Bezug zu dem Tweet des b. M. gebe.

Das Verhalten des Klägers sei nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragspartei (§ 241 Abs. 2 BGB) gehöre zu den allgemeinen Gesetzen als Grundrechtsschranken. Die Meinungsfreiheit trete regelmäßig zurück, wenn sich Äußerungen als Angriff auf die Menschenwürde, als eine Formalbeleidigung oder eine Schmähung darstellten. Hinzu komme, dass die Verharmlosung des Holocaust einen Straftatbestand darstelle (§ 130 Abs. 3 StGB). Das Land weist in diesem Zusammenhang auf eine Verurteilung durch das Amtsgericht München hin (Schriftsatz vom 31.03.2022, Seiten 2-3, Bl. 398-399 d.A., sowie Anlage B26, Bl. 404 ff. d.A.).

Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes seien gemäß § 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 TV L verpflichtet, berechtigte Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren. Sie müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Einem Lehrer obliege dabei eine gesteigerte Loyalitätspflicht.

Gegen diese Loyalitätspflicht habe der Kläger in gravierender Weise verstoßen. Zusätzlich verletze der Kläger auch den ihm obliegenden Bildungsauftrag nach dem Berliner Schulgesetz.

Es handele sich bei den Videoveröffentlichungen auch nicht um ein rein privates Handeln. Der Kläger sei öffentlich als Lehrer aufgetreten und stelle in den Videos teils einen Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit und zum Schulbetrieb in Berlin her. Durch die gewählte Form der Veröffentlichung könne er ein großes Publikum erreichen. Der Kläger werde aufgrund seiner außerdienstlichen Kommunikation als Lehrer wahrgenommen, auch wenn er nicht in jeder Veröffentlichung erneut auf seine Stellung als solcher Bezug nehme.

Das schwerwiegende Fehlverhalten des Klägers mache eine vorherige Abmahnung entbehrlich. Ohnehin sei der Kläger am 13.01.2021 einschlägig abgemahnt worden. Die Abmahnung entfalte selbst dann, wenn man annehmen würde, sie sei formell fehlerhaft, ihre Warnfunktion.

Die Interessenabwägung falle auch unter Berücksichtigung der Beschäftigungszeit von knapp dreizehn Jahren und des Lebensalters des Klägers zu dessen Lasten aus. Das Vertrauen des beklagten Landes in eine ordnungsgemäße Tätigkeit des Klägers sei unwiederbringlich zerstört. Dass der Kläger zukünftig seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachkommen und sich loyal zum beklagten Land verhalten werde, sei nicht zu erwarten. Das Land müsse sich auch schützend vor die jugendlichen Schülerinnen und Schüler stellen.

Von den Veröffentlichungen der Videos „S. …! U. …“ sowie „D. …“ habe das beklagte Land erstmals am 09.08.2021 über die Schulaufsicht, Herrn L., Kenntnis erhalten, und zwar durch eine E-Mail eines Personalratsmitglieds. Hierzu wird ergänzend auf den als Anlage B37 zu dem Schriftsatz des beklagten Landes vom 11.05.2022 vorgelegten Ausdruck (Bl. 685 d.A.) Bezug genommen. Vor dem 09.08.2021, so das Land, habe auf Seiten der Schulverwaltung niemand Kenntnis von den Videos „S. …! U. …“ und „D. …“ gehabt.

Der Personalrat sei mit Schreiben vom 17.08.2021 (vorgelegt als Anlagen B22 und B23 zur Klageerwiderung vom 15.12.2021, Bl. 184 ff., 192 ff. d.A.) um Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen verhaltensbedingten und zur hilfsweisen ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung gebeten worden. Die Schreiben seien dem Personalrat am 17.08.2021 zugegangen. Der Personalrat habe am 18.08.2021 seine Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen und hilfsweise fristgemäßen Kündigung erteilt.

Die Abmahnung vom 13.01.2021 sei nicht aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Sie sei ordnungsgemäß erteilt. Unter Bezugnahme auf einen Hinweisbeschluss des Kammervorsitzenden vom 16.03.2022 (Bl. 369 f. d.A.) vertritt das beklagte Land überdies die Auffassung, bei unterstellt wirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehe ohnehin, unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit, kein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung mehr.

Ggf. sei bzw. werde das Arbeitsverhältnis spätestens durch die außerordentliche, jedenfalls aber die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 15.07.2022 beendet.

Hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht die hilfsweise ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 19.08.2021 für sozial ungerechtfertigt halten sollte, beantragt das beklagte Land,
das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber … EUR nicht überschreiten sollte, zum 31.03.2022 aufzulösen,
und begründet dies mit den Äußerungen des Klägers in dessen Video vom 07.07.2022 („B. …?“) sowie daneben im Wesentlichen mit schriftsätzlichem Vorbringen des Klägers im hiesigen Verfahren, infolge dessen das Vertrauensverhältnis der Parteien endgültig zerstört sei; im Einzelnen wird auf den Schriftsatz des Landes vom 29.08.2022 (dort Seiten 4 ff., Bl. 751 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12.09.2022 ließ der Kläger hierzu neben anderem vortragen, es handele sich bei seinem schriftsätzlichen Vortrag um zulässigerweise zuspitzendes Prozessverhalten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Auf die unter Angabe der Blattzahl der Akten angeführten Unterlagen wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 19.08.2021 beendet worden. Die außerordentliche Kündigung ist wirksam. Auf die gegen die weiteren Kündigungen gerichteten (Hilfs-)Anträge kommt es nicht an, ebenso wenig auf den vom beklagten Land hilfsweise gestellten Auflösungsantrag. Auch mit seinem Antrag auf Entfernung der Abmahnung vom 13.01.2021 aus der Personalakte hat der Kläger keinen Erfolg.

I.    Der Antrag zu 1.), festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 19.08.2021 nicht aufgelöst sei, ist (zulässig, aber) unbegründet. Die außerordentliche Kündigung ist wirksam. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB liegt vor. Die Beklagte legt die Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB hinreichend dar, die hiergegen erhobenen Einwendungen des Klägers werden nicht in einer der insoweit abgestuften Darlegungslast genügenden Weise substantiiert. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot ist nicht gegeben. Das klägerische Bestreiten der Ordnungsgemäßheit der Beteiligung des Personalrats bleibt zu pauschal.

1.    Die außerordentliche Kündigung vom 19.08.2021 gilt nicht schon nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1, 7 Halbsatz 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, weil der Kläger ihre Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig im Klagewege geltend gemacht hätte.

Der Kläger kündigt mit seiner am 07.09.2021 bei Gericht eingegangenen und am 13.09.2021 dem beklagten Land zugestellten Klage einen gegen die ihm am 19.08.2021 zugegangene Kündigung gerichteten Feststellungsantrag nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG an. Damit hat er gegen die Kündigung vom 19.08.2021 innerhalb der Dreiwochenfrist der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG eine Klage erhoben. Die Frist des § 4 Satz 1 KSchG ist durch die „demnächst“ erfolgte Klagezustellung gemäß §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 495, 167 ZPO gewahrt (vgl. allgemein nur Kiel, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, § 4 KSchG Rn. 21).

2.    Gleichwohl hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Die außerordentliche Kündigung vom 19.08.2021 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis beendet. Es liegt ein Kündigungsgrund vor, der die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB erfüllt (siehe sogleich unter a). Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten (unten unter b). Gegen das Maßregelungsverbot ist nicht verstoßen (unten unter c). Die Personalratsbeteiligung ist nicht zu beanstanden (unten d).

a)     Es liegt der nach § 626 Abs. 1 BGB erforderliche wichtige Grund vor, der dem Land die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar macht.

aa)    Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(1)    Im Rahmen der Prüfung von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 22.10.2015 ‒ 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417, Rn. 20).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zuzumuten war oder nicht, nicht abschließend festlegen.

Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel ‒ etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung ‒ gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck ‒ nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses ‒ zu erreichen (BAG 22.10.2015 ‒ 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417, Rn. 46).

Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG 13.12.2018 ‒ 2 AZR 370/18, NZA 2019, 445, Rn. 29).

Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist auch bei einer schwerwiegenden Vertragspflichtverletzung nur möglich, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen möglichen und angemessenen milderen Mittel erschöpft sind, das in der bisherigen Form belastete Arbeitsverhältnis auf Grund der eingetretenen Vertragsstörung in der Zukunft nicht mehr fortzusetzen. Als milderes Mittel kommt insbesondere der Ausspruch einer Abmahnung in Betracht. Der grundsätzliche Vorrang der Abmahnung vor einer verhaltensbedingten Kündigung ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. § 314 Abs. 2 BGB). Die Abmahnung ist zudem notwendiger Bestandteil für die Anwendung des Prognoseprinzips (BAG 23.10.2008 ‒ 2 AZR 483/07, NZA-RR 2009, 362, Rn. 51 f.).

Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist, und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 23.10.2008 ‒ 2 AZR 483/07, NZA-RR 2009, 362, Rn. 53). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG 09.06.2011 ‒ 2 AZR 381/10, NZA 2011, 1027, Rn. 18; 10.06.2010 ‒ 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, Rn. 38).

(2)    Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist der Kündigende darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die als wichtige Gründe im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet sein können (BAG 28.08.2008 ‒ 2 AZR 15/07, AP BGB § 626 Nr. 214, Rn. 23 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast bezieht sich auf alle Elemente des wichtigen Grundes (Gieseler, in: Gallner/Mestwerdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 7. Aufl. 2021, § 626 BGB Rn. 160; Herget, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2022, § 626 BGB Rn. 154).

bb)    Das beklagte Land beruft sich zur Rechtfertigung der ersten fristlosen Kündigung vom 19.08.2021 auf drei Videoveröffentlichungen des Klägers auf Online-Plattformen, die Videos „S. …! U. …“, „D. …“ sowie ‒ im Wege des Nachschiebens eines Kündigungsgrundes (siehe dazu Schriftsatz des beklagten Landes vom 11.04.2022, Bl. 467 ff. d.A.) ‒ das am 31.08.2020 bei „o.“ veröffentlichte Video mit dem Titel „K. …! ;-)“.

Bei einer derartigen auf mehrere Kündigungsgründe gestützten Kündigung gilt zunächst der Grundsatz der Einzelprüfung. Das Gericht hat zu prüfen, ob jeder Kündigungssachverhalt für sich allein an sich und sodann auf Grund einer umfassenden Abwägung insgesamt geeignet ist, die Kündigung zu rechtfertigen. Erst dann, wenn nach dieser isolierten Betrachtungsweise sich nicht bereits die Erfüllung der Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung ergibt, kommt eine gesamtheitliche Betrachtungsweise der einzelnen Kündigungsgründe in Betracht (Hessisches LAG 17.10.2017 ‒ 8 Sa 1444/16, juris, Rn. 56; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 626 Rn. 94; Meyer, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2016, § 626 BGB Rn. 58; Niemann, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, § 626 BGB Rn. 21).

cc)    Einen wichtigen Grund zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sieht die Kammer in dem Hochladen eines Videos bei ... mit dem Titel „S. …! U.  …“.

In der Eingangssequenz dieses Videos ist ein Tor mit der Aufschrift „IMPFUNG MACHT FREI“ zu sehen. Unstreitig handelt es sich um eine veränderte Darstellung des Tors eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers. Anschließend wird in dem Video ein Tweet des b. M. gezeigt, der u.a. den Satz enthält „Impfen ist der Weg zur Freiheit“.

(1)    Im Streitfall liegt mit der Veröffentlichung dieses Videos eine erhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten vor, die „an sich“ als wichtiger Grund geeignet ist.

(a)    Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann.

Verletzungen dieser Rücksichtnahmepflicht können „an sich“ geeignet sein, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB abzugeben (BAG 08.05.2014 ‒ 2 AZUR 249/13, NZA 2014, 1258, 1260, Rn. 19; LAG Berlin-Brandenburg 17.01.2020 ‒ 9 Sa 434/19, NZA-RR 2020, 247, 249, Rn. 42 ff.).

(b)    Darüber hinaus unterliegen Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst einer (politischen) Treuepflicht. Dabei ist zwischen der gesteigerten und der einfachen politischen Treuepflicht zu unterscheiden.

Nach § 3 Abs. 1 TV-L ist die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen (Satz 1). Die Beschäftigten müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen (Satz 2). Hierdurch wird die allen Arbeitnehmern obliegende Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB konkretisiert (BAG 06.09.2012 ‒ 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441, 442, Rn. 16; jüngst LAG Baden-Württemberg 02.02.2022 ‒ 10 Sa 66/21, NZA-RR 2022262, 264, Rn. 29; LAG Mecklenburg-Vorpommern 21.06.2022 ‒ 5 Sa 256/21, BeckRS 2022, 21207, Rn. 35; Wagner, öAT 2021, 183, 184).

Aus § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L folgt nicht, dass allen Beschäftigten des beklagten Landes ohne Bezug zu der jeweils auszuübenden Tätigkeit ‒ vergleichbar den Beamten ‒ eine Pflicht zur Verfassungstreue obliegt. Beamte unterliegen einer gesteigerten politischen Treuepflicht. Diese fordert ihre Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, d.h. seiner freiheitlichen, demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung, zu identifizieren und dafür aktiv einzutreten. Beamte haben sich deshalb von Gruppen und Bestrebungen zu distanzieren, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.

Dieser ‒ weite ‒ Umfang der das Beamtenverhältnis prägenden Treuepflicht lässt sich nicht schematisch auf Beschäftigte übertragen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum öffentlichen Arbeitgeber stehen und denen in der Regel keine hoheitlichen Befugnisse übertragen sind. Bei der Fülle staatlicher Aufgaben gibt es durchaus Bereiche, bei denen es für die konkret geschuldete Arbeitsleistung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen nicht auf die von Beamten verlangte besondere politische Loyalität ankommt. In diesen Bereichen können Arbeitnehmer auch dann beschäftigt werden, wenn sie nur ein geringeres Maß an politischer Treue erfüllen. Würde man für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes gleichmäßig und unabhängig von ihrer Funktion das Bestehen einer besonderen politischen Treuepflicht annehmen, so würden damit politische Grundrechte der Arbeitnehmer ‒ wie die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) ‒ unnötig und unverhältnismäßig eingeschränkt.

Das Maß der einem Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes obliegenden Treuepflicht ergibt sich aus seiner Stellung und dem Aufgabenkreis, der ihm laut Arbeitsvertrag übertragen ist (sog. Funktionstheorie). Er schuldet diejenige politische Loyalität, die für die funktionsgerechte Amtsausübung unverzichtbar ist.

Trifft den Arbeitnehmer nach der ihm übertragenen Funktion keine Pflicht zu gesteigerter Loyalität, ist er arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, jederzeit und auch außerdienstlich aktiv für den Bestand der politischen Ordnung des Grundgesetzes einzutreten. Je nach Stellung und Aufgabenkreis kann er die Verfassung schon dadurch „wahren“, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung jedenfalls nicht aktiv bekämpft (BAG 12.05.2011 ‒ 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43, 45, Rn. 24 ff.).

Dabei können Lehrer durchaus zu den Beschäftigten gehören, an deren Verfassungstreue wegen ihrer Tätigkeit die gleichen oder zumindest ähnliche Anforderungen zu stellen sind wie an die von in vergleichbarer Stellung beschäftigten Beamten (BAG 12.05.2011 a.a.O., Rn. 31; siehe auch LAG Berlin-Brandenburg 11.05.2021 ‒ 8 Sa 1655/20, BeckRS 2021, 10591, Rn. 47 f.; LAG Mecklenburg-Vorpommern 21.06.2022 ‒ 5 Sa 256/21, BeckRS 2022, 21207, Rn. 38; Wagner, öAT 2021, 183, 184; Juncker, öAT 2018, 4, 5; Preis, in: Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 11. Aufl. 2015, § 22 Rn. 673; Niemann, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, § 626 BGB Rn. 126; Polzer/Powietzka, NZA 2000, 970, 974, jeweils m.w.N.). Ob dies auch für einen an einer B. tätigen Lehrer wie den Kläger zu gelten hat, kann die Kammer vorliegend offenlassen.

Selbst von solchen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die „nur“ eine so genannte einfache politische Loyalitätspflicht trifft, verlangt diese die Gewähr, nicht selbst aktiv verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen oder darauf auszugehen, den Staat, die Verfassung oder ihre Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen (BAG 12.05.2011 a.a.O., Rn. 61; BAG 06.09.2012 a.a.O., Rn. 17; siehe auch schon BAG 05.08.1982 ‒ 2 AZR 1136/79, NJW 1983, 779, 782, unter IV. der Gründe; jüngst LAG Baden-Württemberg 02.02.2022 ‒ 10 Sa 66/21, NZA-RR 2022, 262, 264, Rn. 30; LAG Mecklenburg-Vorpommern 21.06.2022 ‒ 5 Sa 256/21, BeckRS 2022, 21207, Rn. 36). Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Auch außerhalb ihrer Arbeitszeit sind Beschäftigte des öffentlichen Dienstes verpflichtet, sich ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal zu verhalten und auf dessen berechtigte Integritätsinteressen in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen (BAG 06.09.2012 a.a.O.; jüngst LAG Baden-Württemberg 02.02.2022 ‒ 10 Sa 66/21, NZA-RR 2022, 262, 264, Rn. 29).

Verletzungen dieser (sei es gesteigerten, sei es einfachen) Loyalitätspflicht können ebenfalls „an sich“ geeignet sein, die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den öffentlichen Arbeitgeber nach § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im behördlichen Aufgabenbereich (BAG 06.09.2012 a.a.O., Rn. 18; LAG Mecklenburg-Vorpommern 21.06.2022 ‒ 5 Sa 256/21, BeckRS 2022, 21207, Rn. 35).

(c)    Eine Verletzung der vorstehend dargestellten Pflichten ist aus Sicht der Kammer gegeben.

Das beklagte Land sieht in der Veröffentlichung des Videos „S. …! U.  …“ eine Verletzung der Pflicht des Klägers zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers und seiner Loyalitätspflicht. Der Kläger setze das staatliche Werben um eine Impfbereitschaft in der Pandemie mit dem System der Konzentrationslager, jedenfalls aber mit der Unrechtsherrschaft zu Zeiten des Nationalsozialismus gleich, verharmlose damit dessen Unrechtstaten und missachte die Opfer.
Der Kläger besteht demgegenüber auf einer Zusammenschau der verfremdeten Abbildung des KZ-Tores mit dem im Anschluss in dem Video eingeblendeten Tweet des b. M. und besonders dem dort gebrauchten Satz „Impfen ist der Weg zur Freiheit“.

Aus Sicht der Kammer kann offenbleiben, welche Deutungsvariante unter Berücksichtigung auch der grundrechtlich geschützten Meinungs- und Kunstfreiheit zugrunde zu legen ist. Die Veröffentlichung des Videos stellt nach dem Dafürhalten der Kammer in jeder Auslegung eine Verletzung von Vertragspflichten des Klägers dar, die den Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung gerechtfertigt erscheinen lässt. Ob eine und wenn ja, welche der Auslegungsvarianten nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums vorzuziehen ist, mag offenbleiben. Ebenso kann dahinstehen, ob die Mehrdeutigkeit des Videos deshalb nicht zugunsten des Klägers zu berücksichtigen sein könnte, weil sie von dem Kläger bewusst im Sinne eines „strategischen Spiels“ (vgl. OLG Hamm 01.06.2021 ‒ III-3 RVs 19/21, BeckRS 2021, 13768 und juris, jeweils Rn. 11) genutzt wird, um unter (formaler) Wahrung einer (angenommenen) „Grenze des Sagbaren“ (vgl. dazu VG Potsdam 20.05.2019 ‒ 1 L 372/19, BeckRS 2019, 9292, Rn. 17; Goertz, Kriminalistik 2021, 658, 663) eine Aussage zu verdecken, die sich indes („zwischen den Zeilen“) dem von ihm angesprochenen Publikum als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängt (vgl. LAG Baden-Württemberg 02.02.2022 ‒ 10 Sa 66/21, NZA-RR 2022, 262, 265, Rn. 41).

Für einen solchen kalkulierten Einsatz von Mehrdeutigkeit gibt es durchaus Anhaltspunkte, so etwa den Verzicht des Klägers auf erklärende oder einordnende Worte in dem Video und auch die am Ende des Titels des Videos verwendeten Auslassungspunkte („…“). Auch mag dafür aus Sicht der Kammer die Behauptung sprechen, das veränderte Bild des KZ-Tores mit einem Fragezeichen versehen zu haben, ohne dass indes der Kläger erläutert, welche Bewandtnis es mit diesem behaupteten Fragezeichen haben soll (siehe dazu noch sogleich); ebenso möglicherweise seine Berufung darauf, dass die von ihm geschaffene „künstlerische Collage“ als Kunstwerk „für sich selbst“ spreche.
Auch als mehrdeutige (und sei es auch: künstlerische) Meinungsäußerung verletzt die Videoveröffentlichung die Rücksichtnahme- und Loyalitätspflicht des Klägers.

(aa)    Um das Zeigen des verfremdeten Bildes oder das Video als Ganzes als Kündigungsgrund zu werten, müssen Auslegungsvarianten, die dies als nicht kündigungsrelevant erscheinen lassen, mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen ausgeschlossen werden. Dies erfordert das auch im Arbeitsverhältnis Geltung beanspruchende Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Der Kläger beruft sich daneben auch auf die Kunstfreiheit.

Beide Grundrechte sind (mittelbar über die Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe, wie sie etwa in den §§ 241 Abs. 2, 626 Abs. 1 BGB, 3 Abs. 1 TV-L enthalten sind) auch im Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen (zur Meinungsfreiheit siehe die nachfolgend aufgeführten Nachweise, außerdem EGMR 15.06.2021 ‒ 35786/19, NJW 2022, 305; Picker, RdA 2021, 33, 35; Hülsmann, RdA 2022, 228 ff.; zur Kunstfreiheit nur LAG Hessen 29.04.2013 ‒ 7 Sa 272/12, BeckRS 2013, 73306). Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG 16.10.1998 ‒ 1 BvR 1685/92, juris, Rn. 17).

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) ist bei der Konkretisierung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme zu beachten (BAG 06.09.2012 ‒ 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441, 444, Rn. 33). Ihm sind durch die allgemeinen Gesetze Schranken gezogen, Art. 5 Abs. 2 GG. Zu diesen zählt die in § 241 Abs. 2 BGB verankerte und durch § 3 TV-L näher ausgestaltete Verpflichtung des im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmers, berechtigte Loyalitätsinteressen des Arbeitgebers zu wahren. Aus den Garantien in Art. 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) folgt nichts Anderes. Es ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) anerkannt, dass die Verpflichtung zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst der Verfolgung berechtigter Ziele im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EMRK dient. Den innerstaatlichen Behörden und Gerichten steht ein gewisser Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage zu, ob eine Maßnahme verhältnismäßig und in einer demokratischen Gesellschaft, wie von Art. 10 Abs. 2 EMRK gefordert, notwendig ist (EGMR 15.06.2021 ‒ 35786/19, NJW 2022, 305; EGMR 22.11.2001 ‒ Nr. 39799/98, NJW 2002, 3087; BAG 06.09.2012 a.a.O., m.w.N.).

Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist mit Rücksicht auf die Meinungsfreiheit, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist. Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer schriftlichen (oder bildlichen) Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie vom Empfänger verstanden werden muss. Dabei ist eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht ausreichend. Vielmehr sind der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von ihr Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Ist eine Aussage mehrdeutig, haben die Gerichte, wollen sie die zur Anwendung sanktionierender Normen führende Deutung ihrer rechtlichen Würdigung zugrunde legen, andere Auslegungsvarianten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen auszuschließen (BVerfG 24.05.2019 ‒ 1 BvQ 45/19, BeckRS 2019, 9652, Rn. 12; BVerfG 12.05.2009 ‒ 1 BvR 2272/04, NJW 2009, 3016, Rn. 31; BAG 05.12.2019 ‒ 2 AZR 240/19, NZA 2020, 646, Rn. 104; BAG 18.12.2014 ‒ 2 AZR 265/14, NZA 2015, 797, Rn. 25).

Die Notwendigkeit der Berücksichtigung begleitender Umstände ergibt sich in besonderer Weise dann, wenn die betreffende Formulierung ersichtlich ein Anliegen nur in schlagwortartiger Form zusammenfasst (BVerfG 24.09.2009 ‒ 2 BvR 2179/09, juris, Rn. 7).

Um eine zur Anwendung sanktionierender Normen führende Deutung einer mehrdeutigen Äußerung der rechtlichen Würdigung zugrunde zu legen, kann es genügen, dass sich eine mit der jeweiligen Äußerung verbundene (verdeckte) Aussage dem angesprochenen Publikum als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängt (BVerfG 04.02.2010 ‒ 1 BvR 369/04, 1 BvR 370/04, 1 BvR 371/04, juris, Rn. 28). Es kann in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein, ob sich die Äußerungen an einen in irgendeiner Richtung voreingenommenen Zuhörerkreis richten und ob den Zuhörern die politische Einstellung des Äußernden bekannt ist. Diese Umstände können Hinweise darauf geben, wie der durchschnittliche Zuhörer die Äußerungen auffassen wird (BGH 20.09.2011 ‒ 4 StR 129/11, juris, Rn. 23).

(bb)    Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass auch der Schutzbereich der Kunstfreiheit (zu diesem nur Antoni, in: Hömig/Wolff, GG, 13. Aufl. 2022, Art. 5 Rn. 30 f.) eröffnet sei. Kunst und Meinungsäußerung schließen sich nicht aus; eine Meinung kann durchaus in der Form künstlerischer Betätigung kundgegeben werden (LAG Baden-Württemberg 05.12.2019 ‒ 17 Sa 3/19, BeckRS 2019, 30741, Rn. 58).

Ähnlich wie die Meinungsfreiheit verlangt auch die Kunstfreiheit, dass sich die Fachgerichte mit alternativen Verständnis- und Deutungsmöglichkeiten des Kunstwerks beschäftigen, wenn sie sich für eine bestimmte Deutungsmöglichkeit entscheiden, um daran rechtliche Konsequenzen zu knüpfen (Frieling, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2016, Art. 5 GG Rn. 56 m.w.N.).

(cc)    Eine Deutung des Videos im Sinne des Vorbringens des beklagten Landes ist möglich. Sie lässt die Veröffentlichung des Videos als Verletzung der den Kläger treffenden Rücksichtnahme- und Loyalitätspflicht erscheinen. Das ergibt eine Auslegung anhand des Empfängerhorizonts eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Zur Feststellung dieses objektiven Verständnisses kann, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob eine (auch bildliche) Äußerung relativierende Aussagen zu nationalsozialistischen Unrechtstaten insbesondere in den Konzentrationslagern enthält, auf Aussagen von KZ-Überlebenden und von einschlägig befassten Organisationen und Behörden zurückgegriffen werden.
(aaa)    Möglich ist eine Deutung im Sinne des Vorbringens des beklagten Landes schon deshalb, weil unstreitig in der ...-Ansicht des von dem Kläger dort unterhaltenen Kanals zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos unter dem Menüpunkt „Videos“ eine Vorschau bzw. Übersicht sämtlicher von dem Kläger hochgeladenen Videos und als Teil dieser Ansicht ein (Stand-)Bild zu sehen war, das ebenfalls ein verändertes Bild eines KZ-Tores mit der Inschrift „IMPFUNG MACHT FREI“ zeigte. Dieses unbewegte Bild enthält keinen Hinweis auf den im (bewegten) Video zu sehenden Tweet des b. M.. Auch ist auf diesem Bild unstreitig kein Fragezeichen zu sehen (Anlage B17, Bl. 174 d.A.).

Allein dieses Standbild kann aus dem objektiven Empfängerhorizont, d.h. nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, als eine Bagatellisierung des Leidens der Überlebenden von Konzentrationslagern und ihrer Angehörigen sowie der Hinterbliebenen der Opfer gesehen werden. Die vom Kläger gebrauchte Wendung „IMPFUNG MACHT FREI“ spielt aus dieser Sicht mit der Assoziation, staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und insbesondere die Impfpolitik ließen sich mit der Behandlung von KZ-Insassen durch die Nationalsozialisten vergleichen. Denn sie wandelt erkennbar die historische Inschrift „ARBEIT MACHT FREI“ ab, die an den Toren mehrerer nationalsozialistischer Konzentrationslager angebracht war.

Ob der Kläger, was er bestreitet, die Montage des Bildes selbst vorgenommen hat, ist unerheblich. Unstreitig hat er sie für das von ihm veröffentlichte Video verwendet ‒ wobei ebenfalls unerheblich ist, wie viele andere Internetnutzer das Bild schon zuvor verbreitet hatten ‒ und spielt dadurch erkennbar mit einer Assoziation der Formulierung „ARBEIT MACHT FREI“. Damit wird jedoch im Ergebnis eine das Leiden der KZ-Gefangenen bagatellisierende und die Gefühle insbesondere auch von KZ-Überlebenden verletzende Sprache von dem Kläger zumindest reproduziert (zum Aspekt des Reproduzierens siehe auch ArbG Berlin 05.05.2021 ‒ 55 BV 2053/21, NZA-RR 2021, 364, 365, Rn. 40).

Es ist unmöglich, die Formulierung „ARBEIT MACHT FREI“ in dem (hier bildlich eindeutig hergestellten) Kontext ihrer Verwendung in den Konzentrationslagern abwandelnd aufzugreifen, ohne damit ihren historischen Hintergrund in das Bewusstsein eines verständigen Betrachters zu heben. Zu diesem historischen Hintergrund, den die Kammer, wie mit Hinweis des Vorsitzenden vom 04.04.2022 (Bl. 418 ff. d.A.) sowie ergänzend in der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden vom 19.04.2022 auf einen vom Kläger gestellten Befangenheitsantrag (Bl. 650 ff. d.A.) näher ausgeführt, gemäß § 291 ZPO auch ohne entsprechenden Parteivortrag als aus allgemein zugänglichen, zuverlässigen Quellen entnommene Tatsachen ihrer Entscheidung zugrunde legen kann, gehört, wie mit vorgenanntem Hinweis des Vorsitzenden vom 04.04.2022 (Bl. 418 ff. d.A.), auf den Bezug genommen wird und den sich die Kammer zu eigen macht, aufgezeigt, dass die für die Anbringung der Inschriften verantwortliche SS mit der Losung „ARBEIT MACHT FREI“ mehrere Zwecke verfolgte. So sollte der Spruch gegenüber Besucherdelegationen den Eindruck erwecken, die Behandlung der Gefangenen in den Konzentrationslagern sei korrekt, ihnen werde nach entsprechender Arbeitsleistung sogar eine Freilassung in Aussicht gestellt. Gleichzeitig bediente der Satz mit der unterschwellig mitschwingenden Aussage, die Häftlinge hätten außerhalb des Konzentrationslagers nicht gearbeitet, die tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelten Vorurteile gegenüber denjenigen Gefangenengruppen, die seit 1936 immer stärker in den Fokus der nationalsozialistischen Verfolgung gerieten: Obdachlose, Straffällige, aber auch Sinti und Roma wurden generell als „arbeitsscheu“ diffamiert, und über Homosexuelle sowie vor allem über Juden herrschte das feindselige Klischee, sie könnten nicht „richtig“, nämlich nicht körperlich arbeiten. Das Konzentrationslager sollte in der NS-Propaganda als „Umerziehungsanstalt“ erscheinen, die die Häftlinge zur Arbeit „erziehe“ und dadurch wirklich „frei“ mache (siehe Dirk Riedel, „Arbeit macht frei“. Leitsprüche und Metaphern aus der Welt des Konzentrationslagers, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel [Hrsg.], Realität ‒ Metapher ‒ Symbol, Auseinandersetzung mit dem Konzentrationslager, Dachauer Hefte 22 [2006], S. 12, 23; siehe auch Wolfgang Brückner, „Arbeit macht frei“. Herkunft und Hintergrund der KZ-Devise, Opladen 1998, S. 51 f., 81.).

Zu dem mit der abgewandelten Inschrift evozierten historischen Hintergrund gehört auch, welche Gefühle die an den KZ-Eingängen angebrachte Formulierung „ARBEIT MACHT FREI“ bei KZ-Insassen auslöste. Sie machte ihnen, wie im Hinweis vom 04.04.2022 (Bl. 418 ff. d.A.) unter Wiedergabe entsprechender historischer Zitate im Einzelnen illustriert, Hoffnung, denn sie glaubten, es handele sich um ein „normales“ Arbeitslager, wie viele von ihnen es zuvor schon kannten. Dabei, so schreibt W. B. in seinen „Erinnerungen“ über seine Einlieferung in das KZ Auschwitz im September 1940, „war das erste Krematorium nur ein paar Schritte von dieser Aufschrift entfernt. Aber der Schornstein hat uns noch in unseren Erwartungen bestärkt: Da läuft etwas, da ist Betrieb. Ein Kamin, das heißt Arbeit. Niemand wußte, daß wir in Auschwitz waren“ (zitiert nach W. B., a.a.O., S. 16 f.). Oder T. W., der am 26.10.1942 von Theresienstadt nach Auschwitz transportiert wurde: „Ein breites Tor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ durchschritten wir ohne Mißtrauen. Wir waren schon in Theresienstadt an schwere Arbeit gewöhnt, und von Auschwitz hatten wir nie etwas gehört“ (zitiert nach W. B., a.a.O., S. 19; siehe auch D. R., a.a.O., S. 29). Im Nachhinein erinnerten sie sich an die Inschrift „als Motto einer mörderischen Ironie“ (R. K., als damals Zwölfjährige Überlebende von Auschwitz-Birkenau, im Jahr 1992; zitiert nach W. B., a.a.O., S. 81), „als Hohn“ (R. V., zitiert nach D. R., a.a.O., S. 27). Denn tatsächlich fand hinter der Inschrift die systematische Vernichtung von Menschen durch Arbeit statt. „Was uns wirklich frei machen kann, wissen wir jetzt schon lange. Es ist tatsächlich die Arbeit, insofern sie uns zu einem schnelleren Tod verhilft …“ (K. R., kommunistischer Häftling im KZ Dachau, der auf Befehl der SS die Inschrift „ARBEIT MACHT FREI“ für das dortige Tor anfertigen musste, zitiert nach D. R., a.a.O., S. 13).

Dass aus heutiger Sicht die bildlich entsprechend eingebettete Formulierung „IMPFUNG MACHT FREI“ vor diesem historischen Hintergrund bei Zugrundelegung eines objektiven Empfängerhorizontes die Gefühle insbesondere auch von KZ-Überlebenden verletzt und dies nicht auf einer Spekulation des Gerichts beruht, lässt sich schwarz auf weiß nachlesen. Der Vorsitzende hat entsprechende Zitate im Rahmen des o.g. Hinweises vom 04.04.2022 (Bl. 418 ff. d.A.) nachgewiesen.

Die Kammer macht sich dies zu eigen. Verwiesen sei hier nur nochmals auf das Zitat von G. L., der als Kind das KZ Theresienstadt überlebte, und im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen vom 27.01.2022 auf die Frage, was er Leuten sage, die die Pandemie mit der Schoa vergleichen, antwortete: „Ich sage Ihnen, dass ich es komplett absurd und lächerlich finde ‒ ganz offen und ehrlich. Wir impfen, um am Leben zu bleiben. Um unsere Mitmenschen zu schützen, unsere Freunde. Wir tun das, um Leben zu retten. Die Vorstellung, das mit der Schoa zu vergleichen, deren Ziel es war, Menschen zu diskriminieren, auszugrenzen und sie zu töten, macht mich einfach sprachlos.“ (https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/bleibt-optimistisch/, zuletzt abgerufen am 03.10.2022).

(bbb)    Vor diesem Hintergrund vermögen Meinungs- und auch Kunstfreiheit, auch in ihrer die Reichweite der Rücksichtnahme- und Loyalitätspflichten des Klägers wiederum begrenzenden Wechselwirkung, die so verstandene Äußerung nicht als zulässig erscheinen lassen. Die Beeinträchtigung dieser grundrechtlich geschützten Freiheiten, die in der arbeitsgerichtlichen Bestätigung einer Kündigung liegt, welche sich auf eine (künstlerische) Meinungsäußerung stützt (vgl. dazu BVerfG 02.11.2020 ‒ 1 BvR 2727/19, NZA 2020, 1704, 1705, Rn. 8), ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken u.a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Die Kunstfreiheit ist nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zwar vorbehaltlos, nicht aber schrankenlos gewährleistet.

Beide Grundrechte finden ihre Grenze (auch) verfassungsimmanent in kollidierenden Grundrechten Dritter, sofern diesen in der Abwägung im Einzelfall der Vorrang gebührt. Hier kommt insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG in Betracht. Das gilt auch für die Kunstfreiheit (vgl. zu dieser jüngst nur Hufen, JuS 2022, 897, 898 m.w.N.). Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist in der Rechtsprechung des BVerfG ein besonders hoher Rang beigemessen worden. Das gilt insbesondere für seinen Menschenwürdekern. Das Persönlichkeitsrecht ergänzt die im Grundgesetz normierten Freiheitsrechte und gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen. Damit kommt es auch als Schranke für künstlerische Darstellungen in Betracht (BVerfG 13.06.2007 ‒ 1 BvR 1783/05, GRUR 2007, 1085, 1087, Rn. 70).

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfordert eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (BVerfG 02.11.2020 ‒ 1 BvR 2727/19, NZA 2020, 1704, 1705, Rn. 12). Beide Grundrechtsverbürgungen müssen in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden (BAG 27.09.2012 ‒ 2 AZR 646/11, AP BGB § 626 Nr. 240, Rn. 22; LAG Baden-Württemberg 05.12.2019 ‒ 17 Sa 3/19, BeckRS 2019, 30741, Rn. 44).

Gleiches gilt für dasjenige der Kunstfreiheit. Diese zieht ihrerseits dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Um diese im konkreten Fall zu bestimmen, genügt es im gerichtlichen Verfahren nicht, ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen. Es bedarf der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat; eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Lässt sich freilich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (BVerfG 17.07.1984 ‒ 1 BvR 816/82, NJW 1985, 261, 262 f., unter C. III. 1. der Gründe).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht braucht hier nicht in seiner besonderen Ausprägung als über den Tod hinaus geschütztes, „postmortales“ Persönlichkeitsrecht ‒ namentlich der KZ-Opfer ‒ bemüht zu werden. Wie die oben wiedergegebenen Zitate belegen, berührt das Verhalten des Klägers nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont auch das Selbstverständnis von Holocaust-, insbesondere KZ-Überlebenden. Dieses Selbstverständnis ist vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht jedenfalls jüdischer Überlebender umfasst. Das BVerfG hat mehrfach entschieden, dass es zum personalen Selbstverständnis der (d.h. sogar: aller) heute in Deutschland lebenden Juden gehört, als zugehörig zu einer durch das Schicksal herausgehobenen Personengruppe begriffen zu werden, der gegenüber eine besondere moralische Verantwortung aller anderen besteht, und dass dieses Teil ihrer Würde ist (BVerfG 20.02.2009 ‒ 1 BvR 2266/04 und 1 BvR 2620/05, NJW 2009, 3089, 3091, Rn. 26 ‒ bestätigt durch EGMR 08.11.2012 ‒ 43481/09, NJW 2014, 137 ff.; BVerfG 13.04.1994 ‒ 1 BvR 23/94, NJW 1994, 1779, 1780 f.; siehe auch jüngst Ludyga, GRUR 2022, 1285, 1287, zur Entscheidung des BGH betreffend die „Judensau von Wittenberg“). „Die historische Tatsache selbst, daß Menschen nach den Abstammungskriterien der sogenannten Nürnberger Gesetze ausgesondert und mit dem Ziel der Ausrottung ihrer Individualität beraubt wurden, weist den in der Bundesrepublik lebenden Juden ein besonderes personales Verhältnis zu ihren Mitbürgern zu; in diesem Verhältnis ist das Geschehen auch heute gegenwärtig“ (BGH 18.09.1979 ‒ VI ZR 140/78, NJW 1980, 45, 46, unter II. 2. a) der Gründe).

Der grundrechtlich geschützte Anspruch der heute in Deutschland lebenden Juden, als zugehörig zu einer durch das Schicksal herausgehobenen Personengruppe begriffen zu werden, wird nach Ansicht der Kammer verletzt, indem die Behandlung (auch) jüdischer Gefangener in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern durch Gleichsetzung oder auch nur Vergleich mit staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und/oder der Behandlung nicht gegen das Coronavirus geimpfter Personen relativiert, bagatellisiert und letztlich banalisiert wird (vgl. dazu auch BVerfG 20.02.2009 ‒ 1 BvR 2266/04 und 1 BvR 2620/05, NJW 2009, 3089, 3091, Rn. 25, zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Juden durch die Werbekampagne einer Tierschutzorganisation ‒ „Der Holocaust auf Ihrem Teller”; ferner zum Vergleich der betrieblichen Verhältnisse und von Vorgehensweisen des Arbeitgebers mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem und den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen: BAG 24.11.2005 ‒ 2 AZR 584/04, NZA 2006, 650, 652, Rn. 19; BAG 07.07.2011 ‒ 2 AZR 355/10, NZA 2011, 1412, 1413, Rn. 14; LAG Hessen 14.09.2010 ‒ 3 Sa 243/10, juris, Rn. 35; zuletzt LAG Nürnberg 11.01.2019 ‒ 4 Sa 131/16, BeckRS 2019, 14911, Rn. 146; konkret zur Verwendung von Plakaten mit der Aufschrift „Impfen macht frei“ als Relativierung des Holocaust: Herrmann, Kriminalistik 2022, 91, 91 f.; vgl. außerdem die vom Vorsitzenden im Hinweis vom 04.04.2022, Bl. 418 ff. d.A., zitierten Berichte der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus sowie des Bundesamtes für Verfassungsschutz: Auswertung mit dem Titel „Antisemitische Vorfälle in Berlin von Januar bis Juni 2021“ der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin, abrufbar über https://www.report-antisemitism.de/annuals, zuletzt abgerufen am 30.09.2022, S. 31, mit Bericht über einen Vorfall vom 11.03.2021, bei dem in Berlin … an einem Tor zu einem Grundstück ein laminiertes Plakat mit der Aufschrift „Impfen macht frei“ und der Abbildung einer Spritze vorgefunden wurde, was der Bericht als die Schoa bagatellisierend bewertet; Publikation „Das muss man auch mal ganz klar benennen dürfen. Verschwörungsdenken und Antisemitismus im Kontext von Corona“ der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern, abrufbar unter https://www.report-antisemitism.de/analysis, zuletzt abgerufen am 30.09.2022, S. 29, mit folgender Ausführung: „(…) wenn Schilder mit Aufschriften wie „Impfen macht frei“ gezeigt werden oder sich Menschen gelbe Sterne anheften, wie sie Juden und Jüdinnen im Nationalsozialismus tragen mussten, auf denen „nicht coronageimpft“ steht. Damit setzen sich die Träger:innen an die Stelle der jüdischen Opfer und verhöhnen sie.“; Bundesamt für Verfassungsschutz, „Lagebild Antisemitismus“ von Juli 2020, abrufbar unter https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/allgemein/2020-07-lagebild-antisemitismus.html, zuletzt abgerufen am 04.04.2022, S. 50, wo ausgeführt wird, durch die in Anspielung auf die Toraufschrift „Arbeit macht frei“ an nationalsozialistischen Konzentrationslagern gestellte Frage „Impfen macht frei?“ schlage der Protest gegen staatliche Maßnahmen durch die eklatante Relativierung bzw. Banalisierung der Shoah in Antisemitismus um).

In einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer ein verfremdetes Bild des Eingangstores des Konzentrationslagers Auschwitz ebenfalls mit der Losung „ARBEIT MACHT FREI“ auf … geteilt hatte, führte das Arbeitsgericht Mannheim aus: „Das Eingangstor von Auschwitz ist jedermann bekannt; Auschwitz ist zu einem Symbol für den Holocaust geworden. Allein schon die vom geschichtlichen Kontext losgelöste Verwendung dieses Symbols oder des Satzes „Arbeit macht frei“ ist in Deutschland tabuüberschreitend“ (ArbG Mannheim 19.02.2016 ‒ 6 Ca 190/15, juris, Rn. 43). Dem schließt die Kammer sich an.

In der Abwägung müssen die Meinungs- und Kunstfreiheit des Klägers demgegenüber zurückstehen. Dem Kläger ist es nicht verwehrt, Kritik an der staatlichen Gesundheitspolitik zu üben. Auch sind Zuspitzung, Übertreibung und Polemik, wenn sie der Auseinandersetzung in der Sache dienen, im Rahmen der allgemeinen Gesetze zulässige Stilmittel (LAG Baden-Württemberg 02.02.2022 ‒ 10 Sa 66/21, NZA-RR 222, 262, 266, Rn. 47).  Anders als er meint, wird von ihm nicht nach Art einer politischen Gehorsamspflicht verlangt, sämtliche politischen Maßnahmen des beklagten Landes mitzutragen und niemals in der Öffentlichkeit zu kritisieren. Die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter und seinen Menschenwürdekern gezogenen Grenzen muss aber auch der Kläger wahren.

(dd)    Auch eine Deutung des Videos im Sinne des Vorbringens des Klägers ist ‒ im Ausgangspunkt ‒ möglich. Auch sie ließe jedoch im Ergebnis bei Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizontes eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums die Veröffentlichung des Videos als Verletzung der den Kläger treffenden Rücksichtnahme- und Loyalitätspflicht erscheinen. Mit dem Video bringt der Kläger nach dem Dafürhalten der Kammer selbst dann das beklagte Land als Arbeitgeber in schwersten Misskredit, wenn man seine Deutung des Videos als eine Stellungnahme zu dem Tweet des b. M. zugrunde legt.

(aaa)    Zunächst hält die Kammer die vom Kläger vorgetragene Auslegung des Videos zwar für möglich, nicht allerdings für zwingend. Sie sieht auch stichhaltige Einwände gegen diese Deutung.

Mit Recht weist in diesem Zusammenhang zunächst das beklagte Land darauf hin, dass eine vom Kläger als Gegenstand des Videos behauptete Kritik an Äußerungen des b. M. in dem Video nicht explizit gemacht wird. Die Kammer ist darüber hinaus der Auffassung, dass eine solche Würdigung des Videos eigentlich nur dann möglich oder jedenfalls näherliegend wäre, wenn die Reihenfolge der Darstellung umgekehrt wäre, also zuerst der Tweet des b. M. und dann die verfremdete Abbildung des KZ-Tores erschiene.

Es ist auch schon bei isolierter sprachlicher Betrachtung nicht das Gleiche, zu formulieren „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ und die Wortkombination zu bilden „Impfung macht frei“. Bei den Worten „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ mag Mancher an die SS-Parole „Arbeit macht frei“ denken, wie es der Kläger für sich in Anspruch nimmt. Liest man aber „Impfung macht frei“, so liegt die Assoziation mit der KZ-Inschrift schon sprachlich (losgelöst vom Zeigen des Bildes des KZ-Tores) viel näher, die Formulierung ist hierauf angelegt.

Auch und sogar der Satz „Arbeit macht frei“ selbst ist bzw. war historisch nicht per se problematisch. Der Vorsitzende hat die Parteien in dem bereits genannten Hinweis vom 04.04.2022 (Bl. 418 ff. d.A.) auf die veröffentlichte, aus allgemein zugänglichen Quellen zu entnehmende geschichtswissenschaftliche Forschung hierzu hingewiesen. Verwandte Vorgängerformulierungen und auch die genaue Formulierung selbst lassen sich bereits im 19. Jahrhundert und der Zeit der Weimarer Republik nachweisen (W. B., „Arbeit macht frei“. Herkunft und Hintergrund der KZ-Devise, Opladen 1998, S. 31 ff.). Ihre zynische Wendung erfuhr die Formel erst durch die Verwendung als Torinschrift für mehrere Konzentrationslager durch die Nazis, an Orten, an denen tatsächlich die „Vernichtung durch Arbeit“ betrieben wurde (vgl. K. D., Hinter der Torinschrift „Arbeit macht frei“, Häftlingsarbeit, wirtschaftliche Nutzung und Finanzierung der Konzentrationslager 1933 bis 1939, in: Hermann Kaienburg [Hrsg.], Konzentrationslager und deutsche Wirtschaft 1939-1945, Opladen 1996, S. 17).

Dieser Kontext wird im Tweet des b. M. nicht hergestellt. Es ist der Kläger, der ihn durch die Verwendung der Fotomontage erst heraufbeschwört.

(bbb)    Der Inhalt des Videos erschöpft sich auch für die Kammer nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums keineswegs, wie der Kläger argumentiert, in einer reinen Sprachkritik. Der Kläger hat keine reine Sprachkritik an der Äußerung „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ geübt. Die abweichende Sichtweise des Klägers muss die Kammer, da es für die Auslegung mehrdeutiger Aussagen nicht auf die subjektive Sicht des sich Äußernden ankommt, nicht ohne Weiteres hinnehmen (vgl. dazu auch LG Leipzig 12.07.2019 ‒ 08 O 2491/18, GRUR-RS 2019, 38785). Vielmehr beinhaltet das Video selbst bei Zugrundelegung des klägerischen Ausgangspunkts auch eine inhaltliche Kritik. Alles andere widerspricht seinem eigenen Vortrag und ‒ wiederum ‒ dem in die Deutung einzubeziehenden Kontext, den der Kläger nur selektiv wahrzunehmen bereit zu sein scheint.

Dass es sich nicht nur um eine sprachliche Kritik handelt, entspricht zunächst bereits dem eigenen Vortrag des Klägers. Zwar bringt er vor, die Äußerungen des b. M. seien eine unerträgliche sprachliche Entgleisung, was er durch das Video zeitkritisch offenlege. Mit dem Video habe er eine scharfe Kritik an dieser Äußerung üben und deutlich machen wollen, dass diese der verabscheuenswürdigen menschen- und rechtsverachtenden Polemik des Nationalsozialismus nahekomme. Er habe der Politik vor Augen führen wollen: „Ihr redet schon fast so wie diese Verbrecher“. Die scharfe Missbilligung der nationalsozialistischen Verbrechen bzw. der infamen Polemik und zynischen Propagandasprache des Dritten Reiches sei gerade das Substrat seiner Kritik an der Äußerung des b. M.. Sie sei ausschließlich an den b. M. gerichtet und habe dessen Sprachgebrauch zum alleinigen Gegenstand.

Aber der Kläger trägt eben auch vor: In dem Tweet des b. M. werde gewissermaßen die Impfentscheidung zur Voraussetzung der staatlichen Gewährung von Freiheitsrechten erhoben, die aber nicht von einer staatlichen Gewährung abhängig seien. Der Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ liege ganz offenbar die verfassungswidrige rechtspolitische Annahme zugrunde, dass die Grundrechtsträger ihren Zugang zu den Freiheitsgrundrechten nur noch über die Impfung gewährt erhalten. Ganz bewusst solle die Äußerung den Eindruck erwecken, dass diejenigen, die sich (noch) nicht haben impfen lassen, von ihren Freiheitsrechten keinen Gebrauch machen dürfen.

Damit indes verlässt die Kritik des Klägers an dem Tweet des b. M. eindeutig die Ebene einer reinen Sprach- und wird zu einer Sachkritik. Dass sich, wie der Kläger weiter meint, das Video inhaltlich in keiner Weise mit einer Kritik an Corona-Maßnahmen befasse, widerspricht seinem eigenen Prozessvortrag.

Die inhaltliche Komponente der vom Kläger ‒ nach dessen Deutung ‒ an dem Tweet des b.  M. geäußerten Kritik drängt sich für ein unvoreingenommenes Publikum (und allein auf dessen Empfängerhorizont kommt es an, nicht hingegen auf die subjektive Absicht des Klägers als des sich Äußernden) auch deshalb auf, weil die vom Kläger herangezogene Formulierung „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ in dem Tweet nicht isoliert steht. Die Argumentation des Klägers kapriziert sich auf diesen einen in dem Tweet enthaltenen Satz, während der Tweet aber (auch in der Darstellung, die der Kläger ihm in dem Video gibt) aus mehreren Sätzen besteht. Dass der Kläger sich mit dem Zeigen des veränderten Bildes des KZ-Tores im Sinne einer Sprachkritik allein auf den Satz „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ beziehe, könnte aus Sicht der Kammer nur angenommen werden, wenn in dem Video nur dieser Satz gezeigt werden würde. Das ist aber nicht der Fall. Der Satz ist lediglich (auch nicht als einziger Bestandteil des Tweets) durch Unterstreichung hervorgehoben, steht aber im Kontext weiterer Inhalte. Dieser Kontext, den der Kläger durch den Zusammenschnitt des Videos selbst hergestellt hat, ist für die Deutung des Videos im Lichte von Meinungs- und Kunstfreiheit mit zu berücksichtigen.

(ccc)    Die Kritik des Klägers richtet sich nicht exklusiv gegen den b. M.. Sie trifft auch das beklagte Land und seine gesetzgebenden und gesetzesvollziehenden Organe.

Die Behauptung des Klägers, das Video richte sich ausschließlich an den b. M., ist schon deshalb nicht plausibel, weil er dem Video unter Verwendung der dritten Person Plural den Titel „S. …! U. …“ gegeben hat. Sollte sich das Video nur an den b. M. richten, so hätte es hingegen nahegelegen, es unter Verwendung des Singulars der dritten Person mit „E. …! U. …“ zu betiteln. Schon diese Pluralformulierung zeigt aus Sicht der Kammer eindeutig an, dass der Tweet des b. M. für den Kläger nur pars pro toto steht und die Zielrichtung des Videos in Wahrheit darüber hinausgeht.

Inhaltlich liegt den Aussagen des b. M. in dem fraglichen Tweet bei verständiger Würdigung keineswegs, wie der Kläger meint, eine verfassungswidrige rechtspolitische Annahme zugrunde. Die dort angestellten Erwägungen sind vielmehr verfassungsrechtlich zumindest vertretbar und mindestens teilweise sind sie durch das mit der Kompetenz zur Letztinterpretation des Grundgesetzes ausgestattete Bundesverfassungsgericht bestätigt. Zu einem gegenteiligen Ergebnis kann der Kläger nur kommen, indem er die Aussagen des b. M. (ob gezielt oder nicht) missversteht, den sie begleitenden Kontext, dessen Einbeziehung in die Deutung er mit der Zusammenschau von KZ-Bild und Tweet selbst fordert, außer Acht lässt und den Stand der verfassungsrechtlichen Debatte ignoriert.

Bei Einbeziehung der weiteren Inhalte des Tweets erweist sich für die Kammer, dass dem Tweet die vom Kläger geschlussfolgerte Politik, nach der die Impfentscheidung zur Voraussetzung der staatlichen Gewährung von Freiheitsrechten gemacht werde, bei verständiger Würdigung nicht entnommen werden kann. Die Kammer hält diese Deutung der Aussagen des b. M. für abwegig. Der Tweet spricht explizit von der Ausweitung von Impfangeboten. Er spricht weiter davon, dass Ziel eine steigende Impfquote sei. Der einzige Bestandteil der Äußerung, der in Richtung der klägerischen Kritik verstanden werden könnte, ist die Rede von „mehr Freiheiten für Geimpfte“. Selbst dies ist aber mitnichten, wie der Kläger meint, eine verfassungswidrige rechtspolitische Annahme. So wurde in der verfassungsrechtlichen Debatte schon früh, auch schon im Jahr 2021, aus dem der Tweet stammt, auf die verfassungsrechtliche Möglichkeit von Differenzierungen nach dem Impfstatus bei den pandemiebedingten Kontaktbeschränkungsmaßnahmen hingewiesen (etwa: Komp/Thrun, JA 2021, 743 ff.). Mit guten Gründen wird vertreten, dass von einer „Privilegierung Geimpfter“ nicht die Rede sein könne, weil es gegenüber Personen, die immun seien und die Krankheit auch nicht mehr weiter übertragen, schlicht an einer Grundlage zur Fortführung ihrer Grundrechtseinschränkungen fehle (Schäferling/Tonti, COVuR 2021, 73, 76; siehe auch Thüsing,

NJW 2021, 2789, 2790). Nicht einmal um eine sog. „Impfpflicht“, deren Verfassungsmäßigkeit unter bestimmten Voraussetzungen mit Differenzierungen im Einzelnen durchaus vertreten wird (etwa Boehme-Neßler, NVwZ 2021, 1241 ff.; Richter, NVwZ 2022, 204 ff.; Schäferling/Tonti, COVuR 2021, 73, 74 f.; Rixen, in: Huster/Kingreen, Handbuch Infektionsschutzrecht, 2. Aufl. 2022, Kapitel 5 Rn. 57 ff.), geht es in dem Tweet (dass sich staatliche Maßnahmen unterhalb der Schwelle einer Impfpflicht, wie die sog. 3G-Regelungen, verfassungsrechtlich nicht als Impfpflicht verstehen lassen und nicht den für eine solche geltenden Rechtfertigungsvoraussetzungen unterliegen, hat das BVerfG unmissverständlich klargestellt, BVerfG 15.03.2022 ‒ 1 BvR 2622/21, NVwZ 2022, 713, 714, Rn. 7). Das BVerfG hat beispielsweise die einrichtungsbezogene Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Covid-19 im Gesundheits-/Pflegebereich verfassungsrechtlich gebilligt (BVerfG 10.02.2022 ‒ 1 BvR 2649/21, NJW 2022, 1308 ff.).

Es geht vielmehr im vorangehenden Text der Aussage des b. M. auch um Personen, „die sich nicht impfen können“ und, so liegt es näher, deshalb rein faktisch an bestimmten Freiheiten während der Pandemie nicht partizipieren konnten und können.

Im Lichte des Gesamtkontextes zielt die Formulierung „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ erkennbar auf eine gesellschaftliche Perspektive ab, in der eine möglichst hohe Impfquote zum Gemeinschaftsschutz vor einer Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung beiträgt und so das gesamtgesellschaftliche Maß an Freiheit erhöht, insbesondere auch für Personen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Das Impfen ist nach dem verständig gewürdigten Sinngehalt der Äußerung des b. M. nicht der Weg zur Freiheit für den Einzelnen, dem sonst seine Freiheit, wie der Kläger meint, vorenthalten würde, sondern es ist danach als Mittel zur Erhöhung der Impfquote der Weg zu (wieder) mehr Freiheit für die Gesellschaft insgesamt.

Es ist bei Würdigung dieses Kontextes nicht im Entferntesten das Gleiche oder auch nur wertungsmäßig vergleichbar, die Worte „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ in einem Tweet zu verwenden, in dem es erkennbar um eine Ausweitung von Impfangeboten, die Steigerung der Impfquote und den Schutz von Personen geht, die sich nicht impfen lassen können, oder sie als Fotomontage auf das Tor eines Konzentrationslagers zu setzen. Auch insoweit gilt, dass ein Äußerungsteil nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern die Begleitumstände zu berücksichtigen sind.

Bei dieser Deutung erweist sich weiter, dass der Tweet mitnichten eine bloße „Privatmeinung“ des b. M. wiedergibt. Die dort vertretenen Zusammenhänge beispielsweise zwischen der Impfquote einerseits und dem notwendigen Maß freiheitsbeschränkender Maßnahmen des Staates zur Bekämpfung der Corona-Pandemie andererseits sind vielmehr zum einen verfassungsrechtlich legitimiert, denn sie werden auch vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zur Verhältnismäßigkeit der Corona-Gesetzgebung hergestellt. Das politische Anliegen, möglichst viele, niedrigschwellige Impfangebote zu schaffen, um die Impfbereitschaft und damit die Impfquote zu steigern, ist und war seinerzeit zum anderen auch kein exklusives Anliegen des b. M.. Es ist und war auch bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos und des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung auch Bestandteil der Politik des beklagten Landes als der Arbeitgeberin des Klägers.

Dabei ist dem Kläger seine in der Klageschrift vorgetragene Ansicht, die von den Regierungen der Bundesrepublik ‒ insbesondere auch des Landes Berlin ‒ ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der weltweiten SARS-CoV-2-Epidemie seien in ihrer Breite, Dauer und Auswahl verfassungswidrig, in einer „offenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“ (Häberle, JZ 1975, 297 ff.) unbenommen. Auch mag er meinen, dass Impfungen gegen das Corona-Virus medizinisch wirkungs- und nutzlos seien und anderslautende Behauptungen mit keiner wissenschaftlichen Fundierung vertreten werden könnten.

Im Staat des Grundgesetzes indes liegt die Kompetenz zur Letztinterpretation der Verfassung beim Bundesverfassungsgericht (siehe nur Borowski, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2014, § 274 Rn. 45; Kreuter-Kirchhof, ebenda, § 272 Rn. 52). Und dieses geht etwa in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Covid-19 im Gesundheits-/Pflegebereich von der Schutzwirkung von Covid-19-Impfungen aus und anerkennt deshalb die Bedeutung einer hohen Impfquote in Einrichtungen in diesem Bereich (BVerfG 10.02.2022 ‒ 1 BvR 2649/21, NJW 2022, 1308, 1309 f., Rn. 19; siehe auch Sächsisches OVG 19.11.2021 ‒ 3 B 411/21, juris, Rn. 39, 44, 47).

Darüber hinaus stellt das BVerfG in seiner Entscheidung zur sog. „Bundesnotbremse I“ ausdrücklich den o.g. Zusammenhang zwischen Impfquote einerseits und dem verfassungsrechtlich gerechtfertigten Maß freiheitsbeschränkender Maßnahmen des Staates zur Bekämpfung der Corona-Pandemie andererseits her (BVerfG 19.11.2021 ‒ 1 BvR 781/21 u.a., NJW 2022, 139, 153 f., Rn. 200, 206). In der kürzlich ergangenen Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Masern wird die Bedeutung einer ausreichend hohen Impfquote für den Gemeinschaftsschutz vor einer Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verfassungsrechtlich ebenfalls anerkannt (BVerfG 21.07.2022 ‒ 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20, 1 BvR 471/20, 1 BvR 472/20, NJW 2022, 2904, Rn. 64, 106 ff.).

Auch politisch wurden die Erwägungen, die der b. M. in dem fraglichen Tweet formuliert und die dem Kontext nach (jedenfalls auch) Gegenstand einer vom Kläger behaupteten, eben nicht nur sprachlichen Kritik sind, vom b. M. nicht exklusiv vertreten; dies war dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag auch bekannt. Es sei nur auf die in den Anlagen K9 (Bl. 451 d.A.) und B19 (Bl. 177 f. d.A.) enthaltenen Ausführungen einschließlich der dort wiedergegebenen Zitate der (damaligen) Gesundheits- und der (damaligen) Bildungssenatorin des beklagten Landes verwiesen. Die Erhöhung der Impfquote durch niedrigschwellige Impfangebote, die in dem Tweet des b. M. als Ziel verkündet wird, war auch Politik des beklagten Landes und speziell der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.

Bei verständiger Würdigung trifft hiernach die Kritik, die der Kläger in seinem Video künstlerisch aufbereitet haben will, auch das beklagte Land. Der b. M. steht ersichtlich für den Kläger nur stellvertretend, sein Tweet pars pro toto für eine vom Kläger abgelehnte, aber eben auch vom beklagten Land getragene staatliche Impfpolitik insgesamt.

Indem der Kläger nach seiner eigenen Auslegung die Formulierung dieser politischen Anliegen jedenfalls sprachlich auf eine Ebene mit der SS-Parole „ARBEIT MACHT FREI“ stellt, reproduziert er im Ergebnis im ersten Schritt eine das Leiden der KZ-Gefangenen bagatellisierende und die Gefühle insbesondere auch von KZ-Überlebenden verletzende Sprache, um diese sodann in einem zweiten Schritt gleichsam als eigene Aussage dem b. M. zuzuweisen, diesem aber eben nur stellvertretend. Erinnert sei nochmals an den Titel des Videos: „S. …“ heißt es dort, nicht „E. …“. Damit indes weist er den Bedeutungsgehalt, den die veränderte Abbildung des KZ-Tores gemäß den obigen Ausführungen nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums unter Berücksichtigung des historischen Hintergrundes objektiv hat, auch dem beklagten Land zu.

Auch wenn er sich von dieser Sprache dadurch distanzieren will, dass er sie gleichsam als Kritiker dem b. M. in den Mund legt, überschreitet der Kläger damit die Grenzen der Meinungs- und auch der Kunstfreiheit. Nicht nur dem b. M. weist der Kläger damit eine schwere Missachtung der Persönlichkeitsrechte (jedenfalls) von jüdischen Überlebenden der Konzentrationslager zu, sondern er weist sie auch all den staatlichen Stellen, gesetzgebenden und gesetzesvollziehenden Organen zu, die den gleichen Politikansatz teilten, darunter auch das Land Berlin, das aber eben auch Arbeitgeber des Klägers ist, und zwar u.a. auch in Person der seinerzeitigen Bildungssenatorin als der Leiterin der Senatsverwaltung für Bildung, der Beschäftigungsbehörde des Klägers.

Daran, dass er gerade auch die Corona-Politik des Landes Berlin als verfassungswidrig ablehnt und hierbei zwischen der Bundes- und der Landesebene oder Berlin und anderen Bundesländern keinen Unterschied macht, lässt der Kläger schon in der Klageschrift keinen Zweifel, wo er ausführt, er sei seit jeher der Meinung, die von den Regierungen der Bundesrepublik ‒ insbesondere auch des Landes Berlin ‒ ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der weltweiten SARS-CoV-2-Epidemie seien rechts- und verfassungswidrig. Auch führt er aus, auf seinem ... eine schärfere Kritik an dem Handeln des Berliner Senats geübt zu haben. Verwiesen sei auch auf die weiteren, vom Land teilweise auch als Kündigungsgrund herangezogenen Videos.

Vor diesem Deutungshintergrund ist die Kammer der Ansicht, dass der Kläger auch von seinem Standpunkt aus mit dem Video „S. …! U. …“ die staatlichen, gesetzgebenden und gesetzesvollziehenden Organe der Bundesrepublik Deutschland und auch des Landes Berlin als Arbeitgeberin des Klägers, einschließlich der Senatsverwaltung für Bildung als Beschäftigungsbehörde, verächtlich macht, indem er ihr Handeln in der Corona-Pandemie mit den verbrecherischen, menschenverachtenden, mörderischen Taten der Nazis in den Konzentrationslagern und der dieses Morden verdeckenden zynischen Propagandasprache auf eine Stufe stellt. Er verstößt dadurch gegen seine aus §§ 241 Abs. 2 BGB, 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L folgende Pflicht, den Staat und seine verfassungsmäßigen Organe als Teil der freiheitlich- demokratischen Grundordnung (LAG Baden-Württemberg 02.02.2022 ‒ 10 Sa 66/21, NZA-RR 2022, 262, 267, Rn. 49) nicht zu beschimpfen oder verächtlich zu machen, denn er macht sie verächtlich. Der Inhalt dieser Pflicht kann nicht losgelöst von dem Umstand definiert werden, dass das beklagte Land nicht nur Arbeitgeber des Klägers, sondern mit seinen gesetzgebenden und gesetzesvollziehenden Organen eben auch Träger gerade derjenigen Gesundheitspolitik ist, für die der Kläger KZ-Vergleiche als treffende Beschreibung erachtet.

(ee)    Auf die Behauptung des Klägers, in dem Video sei während der gesamten Zeit, in der das veränderte Bild des Tores eines Konzentrationslagers zu sehen sei, mittig im Bild ein großes rotes Fragezeichen eingeblendet, kommt es nicht an. Selbst wenn die Behauptung als wahr unterstellt wird, ändert dies den Aussagegehalt des Videos nicht in einer Weise, die seine Veröffentlichung nicht als Verletzung der Rücksichtnahme- und Loyalitätspflicht des Klägers erscheinen ließe.
(aaa)    Sollte ein Fragezeichen in das Bild des veränderten KZ-Tores eingeblendet sein, so wäre dies als Bestandteil des Kontextes, in den der Kläger seine Äußerung stellt, für die Deutung mit zu berücksichtigen. Die Meinungsfreiheit gilt auch für Fragen, sie genießen den Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in gleicher Weise wie Werturteile. Auch die Äußerung von Fragen unterliegt indes den gleichen grundrechtlichen Schranken; auch Fragen können Dritte in ihrer persönlichen Ehre verletzen (BVerfG 09.10.1991 ‒ 1 BvR 221/90, NJW 1992, 1442, 1443 f., unter II. 3. a) der Gründe).

(bbb)    Relativieren kann ein ‒ angenommenes ‒ Fragezeichen den explizierten Bedeutungsgehalt des Videos nicht.

Insoweit will es die Kammer nicht bei dem ‒ aus ihrer Sicht schon genügenden ‒ Hinweis belassen, dass nach der oben zitierten Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in dessen „Lagebild Antisemitismus“ von Juli 2020, welche die Kammer teilt, ausdrücklich auch bereits durch die in Anspielung auf die Toraufschrift „Arbeit macht frei“ an nationalsozialistischen Konzentrationslagern gestellte Frage „Impfen macht frei?“ der Protest gegen staatliche Maßnahmen in eine eklatante Relativierung bzw. Banalisierung der Shoah umschlägt.

Ferner würde ein Fragezeichen den von der Kammer angenommenen Aussagegehalt des Videos im Ergebnis nur bestätigen. Denn der Kläger legt auch nicht dar, welche (ggf. die Aussage ändernde) Bedeutung er dem behaupteten Fragezeichen beigelegt, sprich: welche Frage er mit dem Bild aufgeworfen haben will. Offenbar soll der Betrachter sich die Frage selbst überlegen. Die Kammer kann sich hier zwar Verschiedenes denken, aber keine Frage, die das Video insgesamt interpretativ in einem grundsätzlich anderen Licht erscheinen ließe. Möglicherweise will der Kläger folgende Frage aufwerfen: „Leben wir in einem Staat, in dem Personen, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollen, behandelt werden wie die Gefangenen der nationalsozialistischen Konzentrationslager?“ Das würde sich möglicherweise auch in die Betitelung des Videos mit „S. …! U. …“ einfügen, was dann vervollständigt werden könnte zu „… Und ich denke, dass sie (gemeint offenbar: die Politik) damit in die Nähe der nationalsozialistischen Politik kommen“, worin im Übrigen wiederum deutlich würde, dass sich die Kritik eben nicht ausschließlich an den b. M. richtet, sondern dieser für den Kläger nur stellvertretend und dessen Tweet lediglich pars pro toto steht, denn das Video heißt „S. …“, nicht etwa „E. …“ usw. Oder möglicherweise will er die Frage aufwerfen: „Darf man das („Impfung macht frei“) sagen / als Bild zeigen?“.

Lässt man sich so auf die Argumentation des Klägers ein und unterstellt die Behauptung, es sei ein Fragezeichen eingeblendet, als wahr, so soll dann offensichtlich das zweite Bild des Videos, der Tweet des b. M., die Antwort auf die mit dem ersten Bild gestellte(n) Frage(n) geben. Fragen unterscheiden sich von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen dadurch, dass sie keine Aussage machen, sondern eine Aussage herbeiführen wollen. Sie sind auf Antwort gerichtet (BVerfG 09.10.1991 ‒ 1 BvR 221/90, NJW 1992, 1442, 1443, unter II. 3. a) der Gründe; OLG Brandenburg 05.12.2016 ‒ 1 U 5/16, BeckRS 2016, 110519, Rn. 31).

Diese Antwort indes kann in der Logik der klägerischen Argumentation nur als „Ja“ denkbar sein, „Ja, wir leben in einem Staat, in dem Personen, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollen, behandelt werden wie die Gefangenen der nationalsozialistischen Konzentrationslager“ (Subtext: „der b. M. gibt es doch selbst zu!“). Oder: „Ja, man darf das sagen / zeigen“ („der b. M. tut es doch auch“).

Damit fällt das Video auch mit unterstelltem Fragezeichen auf die obigen Auslegungsmöglichkeiten zurück, ein Fragezeichen würde den Bedeutungsgehalt im Ergebnis nicht ändern (vgl. auch LG Coburg 26.06.2019 ‒ 15 O 601/18, GRUR-RS 2019, 53376, Rn. 22). Offenbleiben kann, ob es sich nicht sogar um eine rein rhetorische und damit gar nicht um eine echte Frage handeln würde, weil die Frage im Gesamtzusammenhang des Videos schon nicht für verschiedene Antworten offen wäre, sondern allein auf eine affirmative Antwort abzielt (vgl. BGH 18.11.2014 ‒ VI ZR 76/14, NJW 2015, 778, 780, Rn. 22). Es handelte sich dann um eine lediglich in Frageform gekleidete Äußerung mit dem Substrat einer Tatsachenbehauptung oder eines Werturteils (OLG Zweibrücken 29.01.2015 ‒ 4 U 81/14, NJW-RR 2015, 561, 563 f., Rn. 31 f. m.w.N.).

In jeder denkbaren Variante bleibt es bei einer die Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit überschreitenden Aussage.

(ff)    Der weitere Inhalt des Videos im Anschluss an den gezeigten Tweet des b. M. ist nicht geeignet, den Bedeutungsgehalt zu beeinflussen. Dies schon deshalb, weil die Parteien hierzu nichts, jedenfalls nichts Greifbares, vortragen, was für die Auslegung berücksichtigt werden könnte.

Soweit der Kläger im Kammertermin in möglicherweise beabsichtigter Abkehr von seinem ursprünglichen Vortrag, der Rest des Videos stehe in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit den beiden Bildern am Anfang, behauptete, es sei u.a. eine Stellungahme eines Rechtsanwalts zu sehen, fehlt es dem Vortrag an jeder Substanz.

(gg)    Im Ergebnis müssen auch bei Zugrundelegung der vom Kläger angebotenen Auslegungsvariante die Meinungs- und Kunstfreiheit des Klägers zurückstehen. Dem Kläger ist es nicht verwehrt, die staatliche Gesundheitspolitik sei es des Bundes, sei es eines Landes (auch des beklagten) oder die Sprache von politisch Verantwortlichen zu kritisieren. Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürgerinnen und Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträgerinnen und Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden (BVerfG 19.12.2021 ‒ 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 683, Rn. 32).

Allerdings bleiben die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte in eine Abwägung eingebunden und erlauben nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgerinnen und Amtsträgern oder Politikerinnen und Politikern. Gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setzt die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträgerinnen und Amtsträger nicht aus (BVerfG 19.12.2021 ‒ 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 683, Rn. 34).

Das Zeigen des veränderten Bildes eines KZ-Tores ist nicht durch die Logik von „Schlag und Gegenschlag“ im Sinne einer Veranlassung durch die vorherige Wortmeldung des b. M. gerechtfertigt. Der b. M. hat in dem fraglichen Tweet entgegen der Ansicht des Klägers nichts Verfassungswidriges und auch sonst nichts Skandalöses geäußert. Nicht der b. M. hat Erinnerungen an die Konzentrationslager des Dritten Reichs heraufbeschworen und in einen Kontext mit der Corona-Politik gestellt. Das tut allein der Kläger.

Im Streitfall kommt hinzu, dass sich, wie gesehen, die Persönlichkeitsrechtsverletzung auf eine in ihrem personalen Selbstverständnis besonders geschützte Personengruppe, die heute in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden, erstreckt. Schwerste Missachtungen der Persönlichkeitsrechte (jedenfalls) von jüdischen Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager darf der Kläger auch nicht unter Berufung auf seine Meinungs- oder Kunstfreiheit dem beklagten Land als Arbeitgeber unterstellen, und sei es nur indirekt und vermittelt über eine etwaige, vermeintlich rein sprachliche Kritik, die unmittelbar, aber eben nicht exklusiv auf den b. M. abzielt.

Der Kläger hätte seine Meinung durch eine andere Wort- oder Bildwahl äußern können, mit der er ebenfalls Aufmerksamkeit hätte erzeugen können, ohne aber die verfassungsmäßigen staatlichen Organe verächtlich zu machen (vgl. LAG Baden-Württemberg 02.02.2022 ‒ 10 Sa 66/21, NZA-RR 2022, 262, 269, Rn. 70).

(hh)    Die in der Videoveröffentlichung als einem ‒ unstreitig ‒ außerdienstlichen Verhalten liegende Verletzung der Rücksichtnahme- und Loyalitätspflichten scheidet nicht deshalb als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung aus, weil es sich um ein rein privates Handeln des Klägers ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis handelte. Einen solchen Bezug hat vielmehr nach Ansicht der Kammer der Kläger selbst hergestellt, indem er sich in anderen von ihm auf derselben Online-Plattform hochgeladenen Videos als „Lehrer in Berlin“ vorstellte.

(aaa)    Nach der Rechtsprechung des BAG kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es eine Verbindung zur dienstlichen Tätigkeit hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, scheidet eine Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig aus (vgl. nur BAG 28.10.2010 ‒ 2 AZR 293/09, NZA 2011, 112, Rn. 19). Auch im öffentlichen Dienst, für den gilt, dass hier Beschäftigte auch außerhalb ihrer Arbeitszeit verpflichtet sind, sich ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal zu verhalten und auf dessen berechtigte Integritätsinteressen in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen, bedarf es im Grundsatz eines solchen Bezugs (vgl. etwa BAG 06.09.2012 ‒ 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441, Rn. 17 f.).

Richtigerweise kann bei Aktivitäten des Arbeitnehmers im Internet ein dienstlicher Bezug dadurch gegeben sein, dass sich für andere Internetnutzer ein Zusammenhang zwischen dem Handeln des Arbeitnehmers und dem Arbeitgeber ergibt (Juncker, öAT 2018, 4, 5 f.; siehe auch ArbG Mannheim 19.02.2016 ‒ 6 Ca 190/15, juris, Rn. 45). Der nötige Bezug wird insbesondere dann durch den Arbeitnehmer selbst hergestellt, wenn er aktiv auf seine berufliche Tätigkeit oder seinen Arbeitgeber hinweist und so eine Identifizierung des Arbeitgebers ermöglicht. Dies genügt für die Annahme eines dienstlichen Bezuges (Juncker, öAT 2018, 4, 6; Picker, RdA 2021, 33, 39; Günther, in: BeckOGK, Stand 01.06.2022, § 626 BGB Rn. 364; Schiefer, in: Hümmerich/Reufels Gestaltung von Arbeitsverträgen, 4. Aufl. 2019, § 1 Rn. 2364; Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 1840). Normativ ist das Verhalten dann nicht mehr als „außerdienstlich“ anzusehen, da der Arbeitnehmer den Bezug zum Arbeitgeber bewusst hergestellt und damit den rein privaten Bereich verlassen hat (Picker, RdA 2021, 33, 39).

(bbb)    Gemessen hieran, ist der notwendige Bezug im Streitfall zu bejahen. Zwar ist unstreitig, dass der Kläger in dem Video „S. …! U. …“ kein Wort sagt, sich insbesondere nicht selbst vorstellt. Aus diesem Video allein heraus ist nicht erkennbar, dass er Beschäftigter des beklagten Landes ist.

Unstreitig ist aber auch, dass der Kläger in mehreren anderen von ihm bei ... auf seinem dortigen Kanal veröffentlichten Videos, darunter demjenigen mit dem Titel „D. …“, das der Kläger nur wenig später hochlud, eine Selbstvorstellung seiner Person gibt mit Worten wie „Mein Name ist B., ich bin Lehrer in Berlin“ oder „Tach, mein Name ist B., ich bin von Beruf Lehrer“ oder „Ich bin Lehrer in Berlin“.

Die Kammer geht, nachdem die Parteien hierzu nichts Entgegenstehendes vortragen, hinsichtlich der Funktionsweise der vom Kläger für seine Videoveröffentlichungen genutzten Plattform ... von dem aus, was der Vorsitzende mit Hinweisbeschluss vom 08.04.2022 (Bl. 457-458 d.A.) ausgeführt hat: Der Kläger veröffentlichte die Videos auf seinem eigenen Kanal, den er dort unter dem Namen „R.“ betrieb. „Ein …-Kanal ist der individuelle Bereich eines …-Benutzers. Hier findet man unter anderem die öffentlichen Videos, Playlists und Informationen über den Kanal. Der Kanal lässt sich individuell gestalten; so kann man beispielsweise das Titelbild ändern, den Titel des Kanals ändern und Module wie Playlists hinzufügen und löschen“ (https: …, zuletzt abgerufen am 30.09.2022). Auf jedem …-Kanal sind, wie der Vorsitzende in dem o.g. Hinweis am Beispiel dreier verschiedener …-Kanäle (des Robert Koch-Instituts, des Bundesministeriums für Gesundheit und der Bundesregierung) erläutert hat, unter der Rubrik „Videos“ sämtliche von dem Kanal-Betreiber eingestellten Videos sicht- und abrufbar, und zwar in der Grundeinstellung in chronologischer Reihenfolge, das jüngste zuerst. Wird ein konkretes von einem Kanal-Betreiber hochgeladenes Video aufgerufen, so gelangt man durch Anklicken des Benutzernamens unmittelbar auf die Übersichtsseite des jeweiligen Kanals.

Es kann insoweit auch auf Anlage B17, Bl. 175 d.A., verwiesen werden. Dort sind in der Übersichtseinstellung der vom Kläger auf seinem Kanal veröffentlichten Videos sowohl die Vorschau auf und der Link zu dem Video „S. …! U.  …“ zu sehen (mittig, rechts), als auch (weiter oben) das Video mit dem Titel „D. …“. Die verschiedenen Videos werden auf der Plattform im Zusammenhang angezeigt.

Bei dieser Ausgangslage hält die Kammer den Bezug auch des Videos „S. …! U. …“ dadurch für hergestellt, dass aus den Aktivitäten des Klägers bei … insgesamt dessen Tätigkeit als Lehrer im beklagten Land eindeutig hervorgeht. Die vom Kläger genutzte Kanal-Funktion ist darauf ausgelegt, die hochgeladenen Videos „als Einheit“ zu präsentieren, als einen einheitlichen persönlichen Plattform-Auftritt. Es ist wahrscheinlich und gewollt, dass Nutzer über ein betrachtetes Video zu weiteren Videos desselben Kanalbetreibers gelangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der das Video „S. …! U.  …“ ansieht, sich zuvor ein weiteres Video angesehen hat, in dem der Kläger auf seine Tätigkeit als Lehrer in Berlin hinweist, oder sich ein solches Video im Anschluss ansieht, ist erheblich. Dies gilt vor allem im Hinblick auf solche Videos, die in zeitlicher Nähe veröffentlicht wurden und dementsprechend auf der Übersichtsseite des vom Kläger unterhaltenen Kanals auf der Bildschirmansicht gemeinsam mit dem Video „S. …“ U.  …“ angezeigt werden, wie es aus Anlage B17 (Bl. 175 d.A.) ersichtlich bei dem Video „D. …“ der Fall ist.

Der Auftritt des Klägers bei … lässt dabei deutlich nicht nur seine Tätigkeit als Lehrer, sondern auch erkennen, dass er Lehrer des beklagten Landes ist. Anders, als der Kläger meint (Schriftsatz vom 30.03.2022, Seite 2, Bl. 434 d.A.), gibt er in den Videos nach dem insoweit vom Kläger nicht bestrittenen Vortrag des beklagten Landes nicht nur seinen Namen, seinen Beruf und die Stadt an, „in der er lebt“. Der Kläger stellt sich nicht vor mit den Worten, er sei Lehrer und lebe oder wohne in Berlin, sondern damit, er sei „Lehrer in Berlin“. Dies trägt er für das Video „D. …“ selbst vor (Schriftsatz vom 30.03.2022, Seite 13, Bl. 445 d.A.). Weiter trägt er selbst vor, dass er in diesem Video den als Anlage K9 (Bl. 451 d.A.) vorgelegten Artikel einblende und sich auf diesen bei seiner Schilderung „mobiler Impfstationen“ beziehe; bereits in der Überschrift des Artikels ist indes unmissverständlich auf das beklagte Land Bezug genommen („Berliner Senat will mobile Impfteams in B. schicken“).

Ob es zur Bejahung des dienstlichen Bezugs auch ausreichend sein kann, dass der nicht namentlich genannte Arbeitgeber von sich selbst oder ‒ ggf. erst durch mehr oder weniger aufwändige Recherchen ‒ von Dritten erkannt werden kann (dafür etwa Schiefer, in: Hümmerich/Reufels Gestaltung von Arbeitsverträgen, 4. Aufl. 2019, § 1 Rn. 2364; dagegen Picker, RdA 2021, 33, 39; siehe auch LAG Niedersachsen 21.03.2019 ‒ 13 Sa 371/18, BeckRS 2019, 7992, Rn. 41 ff.; kritisch dazu Spielberger, ArbRAktuell 2019, 338; differenzierend Hülsmann, RdA 2022, 228, 232 f.), braucht nicht entschieden zu werden. Das beklagte Land ist nach dem Vorstehenden für sich selbst und auch von Dritten ohne Weiteres aus dem Auftritt des Klägers als solchem heraus als Arbeitgeber des Klägers erkennbar.

Unerheblich ist, dass der Kläger in den Videos nicht die Schule nennt, in der er eingesetzt ist.

Es ist (entgegen der Rechtsauffassung des Klägers, Klageschrift, Seite 9, Bl. 9 d.A.) auch unerheblich, ob in den Videos der Eindruck erweckt wird, der Kläger spreche im Namen der Senatsverwaltung oder der Schule, in der er eingesetzt ist, oder gebe deren Meinung im Sinne einer offiziellen Verlautbarung der Schule oder der Senatsverwaltung bekannt. Der Schutz der berechtigten Integritätsinteressen des (öffentlichen) Arbeitgebers beginnt nicht erst dort, wo er mit persönlichen Ansichten seiner Beschäftigten, welche diese öffentlich äußern, identifiziert wird. So hat jeder Arbeitgeber und im Besonderen der öffentliche ein berechtigtes Interesse daran, inhaltlich nicht einmal in die Nähe extremistischer Ansichten eines Arbeitnehmers gerückt zu werden (LAG Sachsen 27.02.2018 ‒ 1 Sa 515/17, NZA-RR 2018, 244, 246, Rn. 27; Hülsmann, RdA 2022, 228, 232; Picker, RdA 2021, 33, 39). Ausreichend ist, dass der Eindruck entstehen kann, das Land dulde die Einlassungen des Klägers. Im Streitfall kann nicht ausgeschlossen werden und liegt im Gegenteil sogar nahe, dass das beklagte Land mit den Meinungsäußerungen des Klägers in Zusammenhang gebracht wird und diese in einer den Ruf des Landes tangierenden Weise (vgl. Bredemeier, öAT 2018, 220, 221) auf das beklagte Land zurückfallen. Die Äußerungen sind geeignet, einen schwerwiegenden Ansehensverlust des beklagten Landes herbeizuführen. Dies gilt ersichtlich unabhängig davon, welche Auslegungsvariante des Videos „S. …! U.  …“ zugrunde gelegt wird.

(ii)    Für die Kammer kommt es nicht darauf an, ob für die Veröffentlichung der Video-Sequenz mit der Torinschrift „IMPFUNG MACHT FREI“ die Bewertung als antisemitisch gerechtfertigt ist. Es geht nicht um den Vorwurf, der Kläger sei Antisemit. In dem vorliegenden Verfahren wird um verhaltensbedingte Kündigungen gestritten. Es geht allein um das konkrete Verhalten des Klägers.

(jj)    Ob in der Veröffentlichung des Videos ‒ auch unter Berücksichtigung der dargelegten Deutungsmöglichkeiten ‒ ein strafbares Verhalten des Klägers zu sehen ist, kann ebenfalls auf sich beruhen.

In der Strafrechtswissenschaft wird durchaus diskutiert, ob etwa das Tragen von „Ungeimpft“-Sternen den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 des Strafgesetzbuches in der Alternative der Verharmlosung von NS-Verbrechen erfüllt, worunter auch relativierende Vergleiche fallen können (allgemein: BGH 06.04.2000 ‒ 1 StR 502/99, NJW 2000, 2217, 2218, unter II. 1. a) der Gründe; siehe auch OLG Celle 16.08.2019 ‒ 2 Ss 55/19, BeckRS 2019, 21220; zu „Ungeimpft“-Sternen: Hoven/Obert, NStZ 2022, 331 ff.). Das beklagte Land hat auf eine Verurteilung durch das Amtsgericht München wegen Veröffentlichung eines wie im Streitfall veränderten Bildes eines KZ-Tores hingewiesen (siehe auch Hoven/Obert, a.a.O., 333 f.).

Nach der Rechtsprechung des BAG jedoch, der sich die Kammer anschließt, ist für die kündigungsrechtliche Beurteilung die strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB sein (BAG 10.06.2010 ‒ 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, 1230, Rn. 30 m.w.N.).

Kritik daran (wie bei Schall, RdA 2010, 225 ff., und auch vom Kläger, der meint, als straffreies Verhalten sei die Veröffentlichung des Videos eine legitime, vom beklagten Land auch im Arbeitsverhältnis hinzunehmende Meinungsäußerung) geht fehl. Sie könnte sich nur mit dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung begründen lassen, der aber ohnehin diffus ist (zutreffend in anderen Zusammenhängen etwa Brose, DB 2005, 390, 392; Schlewing, ZfA 2005, 485, 496; jüngst Brose, Festschrift Preis, 2021, 119, 127 f.) und vor allem nicht den Unterschied überspielen kann, der darin besteht, dass eine arbeitsrechtliche Kündigung systematisch gerade nicht die Funktion einer zivilrechtlichen Sanktion vorangegangenen Fehlverhaltens hat (zutreffend Schlachter, NZA 2005, 433, 435), sondern für sie vielmehr das Prognoseprinzip gilt (BAG 10.06.2010 a.a.O., Rn. 28).

Arbeitsrechtlich kommt es auf den Maßstab des § 626 Abs. 1 BGB an. Maßgeblich ist eine Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsvertrag und deren Schwere sowie die durch Abwägung der beiderseitigen Interessen zu prüfende Zumutbarkeit des Festhaltens an dem Arbeitsverhältnis, ggf. auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dies gilt auch bei Aktivitäten im Internet; auch hier können Äußerungen auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle den geschützten Bereich der Meinungsfreiheit verlassen und einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen (Juncker, öAT 2018, 4, 6).

(2)    Auch ergibt die Interessenabwägung im konkreten Fall, dass dem Land die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile auf Dauer (unter Ausspruch etwa nur einer Abmahnung) und selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auch unter Berücksichtigung der Beschäftigungszeit von knapp dreizehn Jahren und des Lebensalters des Klägers nicht zumutbar ist.

(a)    Hierfür spricht zunächst die besondere Schwere der Pflichtverletzung, die das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem plausiblen Vortrag des beklagten Landes in seinem essenziellen personalen Vertrauensbereich (d.h. seiner notwendigen Vertrauensgrundlage; vgl. Meyer, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2016, § 626 BGB Rn. 61) konkret und erheblich stört.

Die Internetaktivitäten des Klägers sind in der Schule, in der er eingesetzt ist, bekannt; das zeigen die ab Sommer 2020 bei der Leitung und Verwaltung der Schule eingegangenen Beschwerden von (teils ehemaligen) Schüler/innen und Eltern von Schüler/innen.

Die Schüler/innen, die der Kläger unterrichtet, können den Äußerungen des Klägers auch außerhalb des Unterrichts ausgesetzt sein, denn sind ihrem Alter gemäß potentielle Nutzer von Videoplattformen wie … . Das Land argumentiert insoweit zu Recht, sich auch (und zwar nach dem Dafürhalten der Kammer nicht nur bezüglich der Vorgänge im Unterricht) schützend vor die Schüler/innen stellen zu müssen.

Auch der Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter (Betriebsfrieden) ist konkret betroffen, denn auch den weiteren am O. beschäftigten Lehrkräften sind die (auch außerdienstlichen) Aktivitäten des Klägers, wie schon das unstreitige Vorbringen der Parteien ergibt, nicht verborgen geblieben und es hat bereits Versuche wie das Gespräch mit dem Abteilungsleiter vom 05.08.2020 gegeben, mäßigend auf den Kläger einzuwirken.
Unstreitig berichteten auch reichweitenstarke Medien über das Verhalten des Klägers.

Die Schwere der Pflichtverletzung ergibt sich schon aus den vorstehenden Erwägungen und wird durch weitere Umstände des Streitfalles verstärkt.

(aa)    Ein verstärkender Umstand ist zunächst, dass der Kläger sich nicht spontan und möglicherweise unbedacht äußerte, sondern das Zusammenschneiden und Hochladen des Videos ein mehrschrittiger, längerer und bewusst ablaufender Prozess ist. Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann nach den Umständen des Falls erheblich sein, ob sie ad hoc in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist. Für die Freiheit der Meinungsäußerung wäre es besonders abträglich, wenn vor einer mündlichen Äußerung jedes Wort auf die Waagschale gelegt werden müsste. Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit impliziert ‒ in den Grenzen zumutbarer Selbstbeherrschung ‒ die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit auch von Emotionalität und Erregbarkeit. Demgegenüber kann bei schriftlichen Äußerungen im Allgemeinen ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung erwartet werden. Dies gilt ‒ unter Berücksichtigung der konkreten Kommunikationsumstände ‒ grundsätzlich auch für textliche Äußerungen in den „sozialen Netzwerken“ im Internet (BVerfG 19.12.2021 ‒ 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 683, Rn. 36).

(bb)    Erschwerend hinzu kommt die „Breitenwirkung“, welche die Äußerung des Klägers durch den gewählten Weg der Veröffentlichung auf … (und mindestens einer weiteren Videoplattform) erhält. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist bei der Abwägung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht die konkrete Verbreitung und Wirkung einer Äußerung in Rechnung zu stellen. Maßgeblich hierfür sind Form und Begleitumstände der Kommunikation. Erhält nur ein kleiner Kreis von Personen von einer ehrbeeinträchtigenden Äußerung Kenntnis oder handelt es sich um eine nicht schriftlich oder anderweitig perpetuierte Äußerung, ist die damit verbundene Beeinträchtigung der persönlichen Ehre geringfügiger und flüchtiger als im gegenteiligen Fall. Demgegenüber ist die beeinträchtigende Wirkung einer Äußerung gesteigert, wenn sie besonders sichtbar in einem der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Medium getätigt wird. Ein solches die ehrbeeinträchtigende Wirkung einer Äußerung verstärkendes Medium kann insbesondere das Internet sein, wobei hier nicht allgemein auf das Medium als solches, sondern auf die konkrete Breitenwirkung abzustellen ist (BVerfG 19.12.2021 ‒ 1 BvR 1073/20, NJW 2022, 680, 683, Rn. 37).

Auch dies hält die Kammer für überzeugend und abwägungsrelevant. Im Streitfall lässt sich den als Anlage B17 eingereichten screenshots (Bl. 174-175 d.A.) entnehmen, dass das Video „S. … ! U. …“ bereits innerhalb kürzerer Zeit deutlich mehr als zweihundertmal aufgerufen worden war. Über den rein betrachtenden Aufruf hinaus besteht zudem wegen des Fehlens einer Steuerungsmöglichkeit nach getätigter Äußerung ein Risiko schneller Verbreitung über die für die Veröffentlichung gewählte Plattform hinaus (vgl. Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 1840, 1846).

(b)    Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Kläger durch sein Verhalten nach dem Dafürhalten der Kammer auch das Ansehen des Lehrerberufs in der Öffentlichkeit (siehe dazu VG Düsseldorf 13.07.2022 ‒ 2 L 490/22, juris, Rn. 52, 60; ferner VG Düsseldorf 03.01.2018 ‒ 2 L 3301/17, BeckRS 2018, 42) gefährdet.

(c)    Dem Kläger ist sein Verhalten vorwerfbar. Seiner Einlassung im Kammertermin, er habe sich nicht denken können, dass ihm das Bild des veränderten KZ-Tores einmal „auf die Füße fallen könnte“, vermag die Kammer kaum Glauben zu schenken. Es gibt Grenzen, die jedem bekannt sind (Fleddermann, ArbRAktuell 2017, 623; siehe auch nochmals ArbG Mannheim 19.02.2016 ‒ 6 Ca 190/15, juris, Rn. 43, zur Verwendung eines verfremdeten Bildes des KZ Auschwitz).

Jedenfalls wäre dem Kläger eine nur als erschreckend zu bezeichnende Gedankenlosigkeit vorzuwerfen. Zu dieser trägt bei, dass es ihm nach seiner eigenen Einlassung im Kammertermin, wonach es sich bei dem abgebildeten KZ-Tor nicht, wie zuvor von beiden Parteien vorgetragen, um dasjenige des Konzentrationslagers Sachsenhausen handeln müsse, sondern es auch ein anderes Konzentrationslager sein könne, allem Anschein nach egal war, welches KZ-Tor er für seine Videomontage verwendete. Auch gedankenloses Handeln vermag die Unrechtstaten des Nationalsozialismus zu verharmlosen (ArbG Berlin 17.05.2017 ‒ 21 Ca 12018/16, BeckRS 2017, 132248, Rn. 23; bestätigt durch LAG Berlin-Brandenburg 25.09.2017 ‒ 10 Sa 899/17, BeckRS 2017, 126098, Rn. 44; zustimmend Fleddermann, a.a.O.; Seel, öAT 2018, 17; siehe auch LAG Hamm 27.09.2012 ‒ 15 Sa 782/12, juris, Rn. 64).

(d)    Der vorrangige Rückgriff auf mildere Mittel, insbesondere eine Abmahnung, ist dem Land nicht zumutbar.

Es kann dahinstehen, ob die Abmahnung vom 13.01.2021 trotz möglicher Mängel eine Warnfunktion entfaltet (vgl. dazu nur BAG 28.06.2018 ‒ 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259, 1264, Rn. 48; BAG 19.02.2009 ‒ 2 AZR 603/07, NZA 2009, 894, 895, Rn. 17), auch, ob der Kläger (zusätzlich) bereits durch das Gespräch vom 05.08.2020 mit dem Abteilungsleiter des O. auch hinsichtlich seines außerdienstlichen Verhaltens hinreichend vor grenzüberschreitenden Meinungsäußerungen gewarnt war. Es handelt sich hier nach allem Vorstehendem um eine Pflichtverletzung, deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich ‒ auch für den Arbeitnehmer erkennbar ‒ ausgeschlossen ist, weshalb eine vorherige Abmahnung entbehrlich ist.

(e)    Das Verhalten des Klägers hat ‒ im Sinne des kündigungsrechtlichen Prognoseprinzips ‒ auch für die Zukunft Gewicht. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken.

Im Streitfall ist das Risiko weiterer erheblicher Vertragsstörungen, beurteilt von dem im Grundsatz maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung aus, durch die besonders schwerwiegende Pflichtverletzung indiziert (vgl. allgemein Temming, in: Staudinger, BGB, 2022, § 626 Rn. 92). Es liegt in der Gesamtschau ausgesprochen nahe, dass die vom Kläger eingenommene Haltung zu den Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie (und möglicherweise auch zu anderen politischen und gesellschaftlichen Themen) und diesbezügliche öffentliche Äußerungen des Klägers, sei es im, sei es außerhalb des Unterrichts das Arbeitsverhältnis auch in Zukunft wiederholt belasten würden.

Dahinstehen kann, ob auch das „Nachtatverhalten“ des Klägers, der sich von seinem Verhalten nicht ansatzweise distanziert, sondern im Gegenteil erst im Juli 2022 ein weiteres Video veröffentlichte, in dem er unbestritten äußert, es hätten „die totalitären Systeme von Stalin, Mao und Hitler (…) zusammen nicht so viel Leid und Tod verursacht, wie die Corona-Spritz-Nötiger“, im Sinne einer Bestätigung der Negativprognose herangezogen werden kann. Die Rechtsprechung des BAG zur Berücksichtigungsfähigkeit von Arbeitnehmerverhalten nach Kündigungsausspruch ist uneinheitlich (siehe die Darstellung bei Husemann, RdA 2016, 30 ff.). Die 4. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 ausgeführt, dass dann, wenn der Arbeitnehmer auch nach Ausspruch der Kündigung ggf. auch im Kündigungsschutzprozess deutlich mache, dass er sein Verhalten nicht als gravierend ansehe, dies dafür spreche, dass die Prognose vor Ausspruch der Kündigung, der Arbeitnehmer werde sein Verhalten auch in Zukunft nicht anpassen, objektiv zutreffend war (LAG Berlin-Brandenburg 20.01.2016 ‒ 4 Sa 1076/15, BeckRS 2016, 67407, Rn. 32 sowie juris, Rn. 36; zustimmend Weizenegger, in: Bredemeier/Neffke, TVöD/TV-L, 6. Aufl. 2022, vor § 34 TVöD Rn. 397; Gieseler, in: Gallner/Mestwerdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 7. Aufl. 2021, § 626 BGB Rn. 98c; siehe auch LAG Baden-Württemberg 02.02.2022 ‒ 10 Sa 66/21, NZA-RR 2022, 262, 269, Rn. 74). Die Kammer hält dies für überzeugend, im Streitfall aber nicht entscheidungserheblich. Bereits bei einer Betrachtung ausschließlich des Verhaltens des Klägers vor Ausspruch der Kündigung unter völliger Ausblendung seines späteren Verhaltens ergibt sich, wie oben dargelegt, dass eine Abmahnung vorliegend entbehrlich war.

dd)    Auf die weiteren vom Land als Gründe für die außerordentliche Kündigung vom 19.08.2021 herangezogenen Videoveröffentlichungen kommt es nicht an.

b)    Das beklagte Land hat die Kündigung, wie von § 626 Abs. 2 BGB verlangt, innerhalb von zwei Wochen seit Kenntniserlangung von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen ausgesprochen.

aa)    Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB kann die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen und beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

(1)    Die Regelung ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Sie beruht auf der Erwägung, dass bei längerem Hinauszögern der Kündigung eine Unzumutbarkeit, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, nicht angenommen werden kann. Zudem soll der andere Teil in angemessener Zeit Klarheit darüber erhalten, ob von der Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wird (BAG 26.09.2013 ‒ 2 AZR 741/12, NZA 2014, 529, Rn. 23).

Der Fristbeginn im Sinne von § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB ist anzunehmen, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht (BAG a.a.O., Rn. 22).

(2)    Im Streitfall trägt der Kündigende die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Zweiwochenfrist. Dabei kann der Gekündigte, wenn sich der Kündigende auf einen internen Vorgang beruft, der sich der Mitwirkung oder Wahrnehmung des Gekündigten entzogen hat, den behaupteten Zeitpunkt der Kenntniserlangung im Grundsatz mit Nichtwissen bestreiten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Dadurch wird der Kündigende nicht überfordert, denn Beweis wird ggf. nicht über eine „negative“ Tatsache (= keine frühere Kenntniserlangung), sondern über die vom Kündigenden geschilderte Entwicklung seiner Kenntnis vom Kündigungssachverhalt erhoben (Niemann, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, § 626 BGB Rn. 240; Vossen, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 6. Aufl. 2021, § 626 BGB Rn. 171; Sandmann, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl. 2022, § 626 BGB Rn. 428).

Es ist in diesem Zusammenhang ggf. auch zu prüfen, ob die Kenntniserlangung an einer nach außen zutage getretenen Tatsache festgemacht werden kann (Sandmann, a.a.O.).

bb)    In Anwendung dieser Grundsätze ist die Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist vom insoweit darlegungsbelasteten Land hinreichend vorgetragen.

Auf entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden (Beschluss vom 08.04.2022, Bl. 457 f. d.A.) hat das Land die E-Mail einer Personalrätin vorgelegt, durch welche das Land zehn Tage vor Ausspruch der Kündigung erstmals von der Veröffentlichung des Videos erfahren habe. Diese vorgelegte E-Mail ist im Sinne der o.g. Grundsätze als eine nach außen zutage getretene Tatsache zu würdigen, an welcher der Zeitpunkt der Kenntniserlangung objektiv und nachvollziehbar festgemacht werden kann.

Der vom beklagten Land darüber hinaus angebotene Zeugenbeweis war nicht zu erheben. Denn substantiierter Gegenvortrag des Klägers hierzu ist nicht erfolgt. Das weitere Bestreiten erfolgt ins Blaue hinein bzw. erschöpft sich in einer durch keine greifbaren Anhaltspunkte untermauerten Spekulation über eine angebliche „Beobachtung“, unter welcher der Kläger gestanden habe.

c)    Die Kündigung verstößt nach allem Vorstehenden auch nicht gegen das Maßregelungsverbot, § 612a BGB. Entgegen der Ansicht des Klägers ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen, dass das beklagte Land den Kläger aufgrund seiner Meinung „politisch verfolge“. Die Kündigung ist auf das Verhalten des Klägers gestützt und durch dieses gerechtfertigt.

d)    Die Kündigung ist nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats unwirksam. Der Kläger behauptet Fehler der Unterrichtung des Personalrats, ohne dies indes hinreichend zu substantiieren.

aa)    Die Darlegungslast ist insoweit abgestuft (zur Betriebsratsanhörung: BAG 23.06.2005 ‒ 2 AZR 193/04, AP ZPO § 138 Nr. 11, unter II. 1. b) der Gründe; BAG 18.05.2006 ‒ 2 AZR 245/05, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157, Rn. 50).

bb)    Das beklagte Land legt den Ablauf des Beteiligungsverfahrens unter Einreichung des Anhörungsschreibens in seiner (primären) Darlegungslast (zu deren Ausgestaltung siehe nur für die Betriebsratsanhörung Koch, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 6. Aufl. 2021, § 102 BetrVG Rn. 164 f.) genügender Weise dar.

cc)    Diese Darlegung bestreitet der Kläger nicht substantiiert. Hat der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Anhörung der Arbeitnehmervertretung schlüssig dargelegt, muss der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast angeben, welche der (tatsächlichen) Angaben er bestreiten will. Eine eindeutige Erklärung zum Umfang des bestrittenen Vortrags des Arbeitgebers in tatsächlicher Hinsicht ist insbesondere erforderlich, wenn von diesem Schriftstücke über die Beteiligung vorgelegt werden. Auf einen entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen darzulegen, in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder für unvollständig hält. Dies erfordert ggf. einen ergänzenden Sachvortrag des Arbeitgebers und ermöglicht eine Beweiserhebung durch das Gericht über die tatsächlich streitigen Tatsachen (zur Betriebsratsanhörung: BAG 24.04.2008 ‒ 8 AZR 268/07, NZA 2008, 1314, Rn. 30; BAG 18.05.2006 ‒ 2 AZR 245/05, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157, Rn. 50; BAG 23.06.2005 ‒ 2 AZR 193/04, AP ZPO § 138 Nr. 11, unter II. 1. b) der Gründe; Koch, a.a.O., Rn. 165).

Eine entsprechend konkrete Darlegung lässt der Vortrag des Klägers vermissen. Das Vorbringen bleibt zu pauschal, denn der Kläger behauptet nur, infolge der weitestgehend unzutreffenden Sachverhaltsdarstellung sei die Unterrichtung des Personalrates nicht ordnungsgemäß, ohne die Punkte, in denen er die Anhörung gemäß dem vom beklagten Land vorgelegten Schreiben für in tatsächlicher Hinsicht unvollständig oder falsch hält, konkret zu bezeichnen.

II.    Auf die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 19.08.2021 sowie auf die vorsorglich ausgesprochenen weiteren Kündigungen vom 15.07.2022 kommt es nicht an. Die hiergegen gerichteten Klageanträge zu 2., 4. und 5. fallen der Kammer als unechte Hilfsanträge (dazu BAG 21.11.2013 ‒ 2 AZR 474/12, AP SGB V § 164 Nr. 1) nicht zur Entscheidung an, weil das Arbeitsverhältnis bereits durch die fristlose Kündigung vom 19.08.2021 aufgelöst ist.

III.    Auf den (ebenfalls hilfsweisen) Auflösungsantrag kommt es nicht an.

IV.    Die mit dem Klageantrag zu 3. angegriffene Abmahnung vom 13.01.2021 ist nicht aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Die Klage ist auch insoweit unbegründet. Der Kläger hat bereits deshalb ‒ losgelöst von der Rechtmäßigkeit der Abmahnung ‒ keinen Entfernungsanspruch, weil das Arbeitsverhältnis, wie ausgeführt, beendet ist.

1.    Nach der Rechtsprechung des BAG, auf die der Vorsitzende bereits mit Beschluss vom 16.03.2022 (Bl. 369 ff. d.A.) hingewiesen hat, steht dem Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig kein Anspruch mehr aus den §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte zu. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden. Hierfür ist der klagende Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet (etwa BAG 17.11.2016 ‒ 2 AZR 730/15, NZA 2017, 394, Rn. 47; BAG 19.04.2012 ‒ 2 AZR 233/11, NZA 2012, 1449, Rn. 51; BAG 14.09.1994 ‒ 5 AZR 632/93, NZA 1995, 220; ebenso etwa LAG Berlin-Brandenburg 23.03.2017 ‒ 5 Sa 1843/16, BeckRS 2017, 122246, Rn. 52).

2.    Ausreichende Anhaltspunkte für ein ausnahmsweise fortbestehendes berechtigtes Entfernungsinteresse trägt der Kläger nicht vor.

a)    Soweit der Kläger auf die Gefahr einer ihm nachteiligen Zeugnisformulierung abhebt, reicht dies nach der Rechtsprechung des BAG, der sich die Kammer anschließt, nicht aus. Ggf. kann und muss der Kläger sein Interesse daran, insgesamt nicht falsch beurteilt zu werden, in einem Zeugnisrechtsstreit durchsetzen (im Anschluss an BAG 14.09.1994 ‒ 5 AZR 632/93, NZA 1995, 220, 222, unter III. 2. b) und III. 3. der Gründe).

b)    Das Gleiche gilt für die vom Kläger lediglich rein abstrakt geltend gemachte Gefahr, dass ein potentieller neuer Arbeitgeber informelle Erkundigungen einholt und die Abmahnung die daraufhin erteilten Auskünfte beeinflusst. Auch dieser Vortrag genügt nicht zur Darlegung eines konkreten Entfernungsinteresses trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ggf. kann der Kläger sich mit einer Unterlassungsklage wehren. Er trägt auch nicht konkret vor, dass er sich um Stellen im öffentlichen Dienst bewirbt und ihm dort nahegelegt wird, sich mit der Vorlage der Personalakte seines bisherigen Arbeitgebers einverstanden zu erklären (im Anschluss an BAG 14.09.1994 ‒ 5 AZR 632/93, NZA 1995, 220, 222, unter III. 2. b) und III. 3. der Gründe; ebenso etwa LAG Rheinland-Pfalz 12.12.2012 ‒ 8 Sa 379/12, BeckRS 2013, 68251; siehe auch LAG Berlin-Brandenburg 15.03.2017 ‒ 23 Sa 1702/16, nicht veröffentlicht, unter II. A. 3. der Gründe).

3.    Ob die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hinsichtlich des Bestehens eines Entfernungsanspruchs auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Änderung der Rechtslage bedingt, erscheint derzeit ungeklärt (vgl. dazu LAG Sachsen-Anhalt 23.11.2018 ‒ 5 Sa 7/17, NZA-RR 2019, 355 einerseits; LAG Niedersachsen 04.05.2021 ‒ 11 Sa 1180/20, BeckRS 2021, 24370 andererseits), kann hier aber offenbleiben. Es würde sich um einen eigenständigen Streitgegenstand handeln. Denn während der zivilrechtliche Entfernungsanspruch an die inhaltliche Unrichtigkeit der Abmahnung anknüpft, ist dies beim datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch kein relevantes Kriterium, weil dieser sich auch auf inhaltlich zutreffende Daten beziehen kann (LAG Niedersachsen a.a.O., Rn. 42).

Dem Klagevorbringen ist jedoch trotz entsprechenden Hinweises des Vorsitzenden mit Beschluss bereits vom 16.03.2022 (Bl. 369 ff. d.A.) bis zuletzt nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich (auch) auf die DSGVO als Anspruchsgrundlage für
den geltend gemachten Entfernungsanspruch stützt (vgl. dazu auch LAG Baden-Württemberg 30.10.2020 ‒ 12 Sa 33/20, ZD 2021, 327 sowie BAG 17.11.2016 ‒ 2 AZR 730/15, NZA 2017, 394, Rn. 46 [zum BDSG]).

V.    Der Kläger war als in dem Rechtsstreit insgesamt unterlegene Partei in die Kosten zu verurteilen, §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 495, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

VI.    Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes beträgt vier Bruttomonatsvergütungen, wovon drei auf den Gegenstand der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfallen (entsprechend § 42 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 GKG) und für die auf Entfernung der Abmahnung gerichtete Klage eine weitere Monatsvergütung angesetzt wird.
 
Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann von d. Kläger/in Berufung eingelegt werden.

Die Berufungsschrift muss von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt bzw. einer Vertreterin oder einem Vertreter einer Gewerkschaft, einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände eingereicht werden.

Die Berufungsschrift muss innerhalb
 
einer Notfrist von einem Monat
 
bei dem
 
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,
Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin
Telefax: 030 90171-222/333
 
eingegangen sein.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass Berufung gegen dieses Urteil eingelegt werde.
Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
in gleicher Form schriftlich zu begründen.
 
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments im Sinne des § 46c Arbeitsgerichtsgesetz genügt. Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

• von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und auf einem zugelassenen elektronischen Übermittlungsweg oder

• von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 46 c Abs. 4 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) eingereicht wird.

Ab dem 01.01.2022 besteht gemäß dem ab dann geltenden § 46g Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) für Anwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse die Pflicht zur Einreichung als elektronisches Dokument. Gleiches gilt für die nach dem ArbGG vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 zur Verfügung steht. Auf § 46g Satz 3 ArbGG wird hingewiesen.

Zu beachten ist, dass ein Telefax- oder Computerfaxschreiben die elektronische Form nicht wahrt. Für den Personenkreis, der ab 01.01.2022 der Pflicht zur elektronischen Einreichung unterliegt, stehen Faxschreiben daher nicht mehr zur Verfügung.

Bei Nutzung von DE-Mail ist das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit larbg-berlin-brandenburg@egvp.de-mail.de zu adressieren.
 
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
 
Dabei ist zu beachten, dass das Urteil mit der Einlegung in den Briefkasten oder einer ähnlichen Vorrichtung für den Postempfang als zugestellt gilt. Dies gilt nicht bei Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 174 Zivilprozessordnung.
Wird bei der Partei eine schriftliche Mitteilung abgegeben, dass das Urteil auf der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts oder einer von der Post bestimmten Stelle niedergelegt ist, gilt das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt, also nicht erst mit der Abholung der Sendung.
Das Zustellungsdatum ist auf dem Umschlag der Sendung vermerkt.
Für d. Beklagte/n ist keine Berufung gegeben.
Von der Begründungsschrift werden zwei zusätzliche Abschriften zur Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter erbeten.
 
Weitere Statthaftigkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus § 64 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz  :
"Die Berufung kann nur eingelegt werden,
a) wenn sie in dem Urteil zugelassen worden ist,
b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c) in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d) wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall schuldhafter Versäumung nicht vorgelegen habe."

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr