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25.11.2022 · IWW-Abrufnummer 232476

Finanzgericht Köln: Urteil vom 10.11.2021 – 12 K 2486/20

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln

 
Tenor:

Der Bescheid 2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Gestalt des Änderungsbescheides vom 27.07.2021 wird dahingehend geändert, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um 349.000 € reduziert wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

1
Tatbestand

2
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Berücksichtigung einer Altersfreizeitrückstellung.

3
Die Klägerin ist ... in B tätig. Den Arbeitnehmern der Klägerin stand gemäß dem einheitlichen Manteltarifvertrag für ... im Land Nordrhein-Westfalen vom ... (Zusatzvereinbarung vom ...) zusätzliche bezahlte Freizeit von zwei Arbeitstagen je vollem Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit zu, soweit sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten. Die Regelung hatte verkürzt folgenden Wortlaut:

4
„Arbeitnehmer, die nach einer mindestens 10-jährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit das 60. Lebensjahr vollendet haben, erhalten eine zusätzliche bezahlte Freizeit von 2 Arbeitstagen je vollem Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit. Bei Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit werden Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. Berücksichtigungsfähig sind nur die tatsächlich zusammenhängenden Jahre der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers bis zum Bezug der gesetzlichen Altersrente. Die dem Arbeitnehmer zustehenden Freizeittage sind am Ende des laufenden Arbeitsverhältnisses und nur vor Eintritt in die gesetzliche Altersrente zu gewähren. Das gilt auch, wenn die Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente nach Arbeitslosigkeit im Anschluss an das bisherige Arbeitsverhältnis erfolgt. Die dem Arbeitnehmer zustehenden Freizeittage sind in natura zu gewähren und zu nehmen. Nicht genommene Freizeittage verfallen, ein Abgeltungsanspruch besteht nicht.“

5
Die Klägerin hat insoweit eine Rückstellung i.H.v. 337.900 € im Jahresabschluss zum 31.12.2016 (Steuerbilanz 2016) als Passivposten angesetzt. Hinsichtlich der Berechnung der Höhe der Rückstellung wird auf die in der Gerichtsakte (Bl. 92-95) befindliche Übersicht der Klägerin verwiesen.

6
Die Groß- und Konzernbetriebsprüfung B (nachfolgend: GKBP) führte vom ....2018 bis ....2019 (Termin der Schlussbesprechung) eine Betriebsprüfung (BP) für die Jahre 2013 bis 2016 durch. Laut Betriebsprüfungsbericht vom ...2019 wurde grundsätzliche Einigung über die zunächst streitigen Punkte erzielt. Die Klägerin behielt sich jedoch vor, gegen die Nichtberücksichtigung der Altersfreizeitrückstellung durch die GKBP Einwendungen zu erheben. Nach Ansicht der GKBP sei eine solche Rückstellung nicht zu bilden und der Bilanzposten entsprechend aufzulösen. Zur Begründung verwies sie auf das Urteil des FG Niedersachsen vom 15.10.1987, VI 59/85, sowie das BMF-Schreiben vom 11.11.1999, BStBl I 1999, 959 (Rn. 5). Die danach zu beachtenden Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten seien nicht erfüllt. Insbesondere liege kein Erfüllungsrückstand seitens der Klägerin gegenüber ihren Arbeitnehmern vor, da diese keine Mehrleistungen erbracht hätten, wie beispielsweise in der Ansparphase im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung.

7
Unter dem 3.9.2019 erließ der Beklagte einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Darin erhöhte er den Gewinn um 337.900 € und stellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. ... € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

8
Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 4.10.2019. Der Steuerbilanzgewinn 2016 sei nicht um den Betrag der Altersfreizeitrückstellung (337.900 €) zu erhöhen. Das von der GKBP genannte Urteil des FG Niedersachsen sei zu einer anderen Sachlage ergangen. Die Rückstellung sei zu Recht in der Steuerbilanz zum 31.12.2016 gebildet worden. Die Voraussetzungen dazu lägen vor:

9
1. Vorliegen einer ungewissen Verbindlichkeit: Eine ungewisse Verbindlichkeit liege vor, wenn eine Drittverpflichtung dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewiss sei (R 5.7 Abs. 2 Nr. 1, 3 EStR). Vorliegend bestehe die Verpflichtung gegenüber einem Dritten ‒ dem jeweiligen Arbeitnehmer ‒, wobei diese dem Grunde und der Höhe nach ungewiss sei, insbesondere da nicht feststehe, ob der Arbeitnehmer dem Betrieb bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zugehörig bleibe. Dies werde von der GKBP offenbar nicht in Frage gestellt.

10
2. Verursachung in der Vergangenheit: Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten sei jedoch nur dann zulässig, wenn die zu Grunde liegende Verpflichtung in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht sei (R 5.7 Abs. 2 Nr. 2 EStR). Dies sei der Fall, wenn die wesentlichen wirtschaftlichen Tatbestandsmerkmale bereits am Bilanzstichtag erfüllt seien und die Entstehung der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhänge. Die Erfüllung der Verpflichtung dürfe nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern müsse auch Vergangenes abgelten (R 5.7 Abs. 5 EStR). Bei schwebenden Geschäften liege eine wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit insbesondere im Fall eines Erfüllungsrückstandes vor. Ein solcher entstehe, wenn ein Vertragspartner seine Leistung erbracht habe, der andere Vertragspartner die entsprechende Gegenleistung jedoch noch schulde (R 5.7 Abs. 7, 8 EStR; BFH, Urteil vom 29.11.2000, I R 31/00).

11
Vorliegend erbringe der Arbeitnehmer in den einzelnen Jahren die volle Arbeitsleistung. Der Arbeitgeber habe sich jedoch aufgrund der genannten Zusatzvereinbarung verpflichtet, dem Arbeitnehmer zusätzlich pro Jahr der Betriebszugehörigkeit zwei bezahlte Freizeittage zu gewähren. Da diese jedoch nicht im jeweiligen Jahr, sondern erst unmittelbar vor Renteneintritt in Anspruch genommen werden könnten, stehe die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer im jeweiligen Jahr erbrachte Arbeitsleistung noch aus. Es liege mithin ein Erfüllungsrückstand vor, der sich im Erdienenszeitraum ratierlich aufbaue.

12
Entgegen der Ansicht der GKBP begründe die tarifvertragliche Vereinbarung jährlich einen (Teil-) Anspruch auf die zusätzliche Altersfreizeit. Dieser Anspruch sei allerdings aufschiebend bedingt auf das Erreichen der Mindestbetriebszugehörigkeit und der Altersgrenze. Im Prüfungsbericht werde davon ausgegangen, dass kein Erfüllungsrückstand vorliege, da der Arbeitnehmer keine Mehrleistung wie in der Ansparphase im Rahmen einer Altersteilzeitregelung erbringe. Nach Ansicht der Klägerin könne ein Erfüllungsrückstand aber ebenso vorliegen, wenn sich der Arbeitgeber zu einer Erhöhung der Gegenleistung verpflichte, die er jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringe. Dies sei vorliegend der Fall, da sich durch den Abschluss der Zusatzvereinbarung im Ergebnis die Vergütung des Arbeitnehmers bei (bis unmittelbar vor Renteneintritt) konstanter Arbeitsleistung erhöht habe. Nicht nur Geldzahlungen, sondern auch sonstige Leistungen könnten Gegenstand der Passivierung sein (Schmidt, § 5 EStG, Rn. 331: „z.B. Entfernung, Reparatur, Urlaub…“). Dementsprechend sei es entgegen der Ansicht der GKPB auch nicht erforderlich, dass die Rückstellung gegen eine (Geld-) Leistung aufgelöst werde. Stattdessen erfolge die Auflösung wie bei einer Urlaubsrückstellung ertragswirksam.

13
Die vorliegende Konstellation sei von der im BMF-Schreiben vom 11.11.1999, IV C 2 ‒ S 2176 ‒ 102/99, BStBl I 1999, 959, behandelten abzugrenzen, in welcher ein Arbeitnehmer im Zuge einer Kündigung bis zum tatsächlichen Ausscheiden von der Arbeit freigestellt werde. Insoweit liege kein Erfüllungsrückstand vor, da der Arbeitnehmer nicht in Vorleistung getreten sei, sondern aus betrieblichen Gründen unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freigestellt werde. Hierbei sei jedoch zu beachten, dass diese Freistellungsregelung nicht den Zweck verfolge, dem Arbeitnehmer einen Vorteil zukommen zu lassen und auch erst unmittelbar vor Beginn des Freistellungszeitraumes getroffen werde, so dass für die Vergangenheit eine Vorleistung (auch nicht implizit) nicht vereinbart worden sein könne. Anders verhalte es sich aber bei der Altersfreizeitregelung, welche bereits mit Eintritt in das Unternehmen beginne und (implizit) zur Umqualifizierung eines Teils der Arbeitsleistung zu einer Vorleistung des Arbeitnehmers führe.

14
Die GKBP argumentiere zudem, dass die zehnjährige ununterbrochene Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit sowie das Erreichen der Altersgrenze von 60 Jahren die wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verpflichtung seien, die vorliegend nicht vor dem Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres als erfüllt angesehen werden könnten. Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer den Betrieb ggfs. vor Vollendung des 60. Lebensjahres verlassen könnte, ändere nach Ansicht der Klägerin jedoch nichts an der aufschiebend bedingten Anspruchsentstehung dem Grunde nach. Die Mitarbeiterfluktuation sei vielmehr ein im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigender Umstand (vgl. BFH, Urteil vom 5.2.1987, IV R 81/84). Dass ein Arbeitnehmer nicht von der Altersfreizeit profitieren könnte, würde der Betrieb vor Vollendung seines 60. Lebensjahres eingestellt, sei grundsätzlich unerheblich, da nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) i.V.m. § 5 Einkommensteuergesetz (EStG) die Fortführungshypothese gelte.

15
An dieser Stelle sei auf die Rechtsprechung des BFH zur Passivierungsfähigkeit von Jubiläumsrückstellungen hinzuweisen (BFH, Urteil vom 5.2.1987, IV R 81/84). Denn auch Zusagen des Arbeitgebers anlässlich eines Dienstjubiläums seien bereits vor Erreichen der erforderlichen Betriebszugehörigkeit zu passivieren, obwohl der Arbeitnehmer diese im Falle des vorzeitigen Ausscheidens unter Umständen nicht erreichen würde. Der BFH stelle sogar fest, dass eine Rückstellung nicht nur bei einer aufschiebend oder auflösend bedingten Verpflichtung, sondern auch bei einer erst in Zukunft entstehenden Verbindlichkeit gebildet werden müsse (BFH, 29.11.2000, I R 31/00).

16
Der BFH führe zudem aus, dass die Jubiläumszuwendung nicht nur ein Entgelt für die während der Betriebszugehörigkeit erbrachten Arbeitsleistungen darstelle, sondern auch ein Entgelt dafür, dass der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht nicht ausgeübt habe. Für die Altersfreizeitvereinbarung könne nichts anderes gelten, so dass diese entgegen der Ansicht der GKBP nicht nur an Vergangenes anknüpfe, sondern auch Vergangenes abgelte. Folglich sei die Aussage der GKBP, dass gerade insoweit ein Unterschied zwischen Altersfreizeit- und Jubiläumsrückstellung bestehe, weil letztere eine eigenständige, die Verwertung von Leistung und Gegenleistung aus dem Arbeitsverhältnis nicht betreffende Verpflichtung sei, unzutreffend.

17
Die GKBP rekurriere auf ein Urteil des FG Niedersachsen (15.10.1987, VI 59/85), in welchem das Finanzgericht die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung für eine jedoch in wesentlichen Punkten abweichend ausgestaltete Altersfreizeitvereinbarung verneint habe, und zwar mit dem Argument, dass kein Entgelt für eine vom Arbeitnehmer in der Vergangenheit erbrachte Leistung vorläge, die die zusätzliche Freizeit ‒ nach der Vereinbarung des Urteilsfalls ‒ nicht von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig sei und daher der Konnex zur Arbeitsleistung fehle. Die zuvor gemachten Ausführungen der Klägerin würden aber zeigen, dass die vorliegende Regelung ebendiese Voraussetzungen gerade erfülle.

18
3. Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme: Ungewisse Verbindlichkeiten, die zum Bilanzstichtag bereits entstanden seien, seien nur dann zu passivieren, wenn der Steuerpflichtige zum Bilanzstichtag mit einer Wahrscheinlichkeit mit deren Entstehung sowie einer Inanspruchnahme rechnen müsse. Es müssten mehr Gründe für das Bestehen bzw. die Inanspruchnahme sprechen, als dagegen (R 5.7 Abs. 6 EStR). Dieses Kriterium werde von der GKBP nicht angezweifelt und lasse sich anhand der Erfahrungswerte der Gesellschaft belegen, da eine Vielzahl von Arbeitnehmern eine lange Betriebszugehörigkeit aufwiesen und der Gesellschaft bis zum Renteneintritt treu geblieben seien.

19
Der Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 2.10.2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er ‒ zusammengefasst ‒ aus: Die Vereinbarung gelte nicht Vergangenes ab. Sie knüpfe nur an Vergangenes an, was für eine Rückstellungsbildung jedoch nicht ausreiche. Zwar sei das Vorliegen einer ungewissen Verbindlichkeit (oben 1.) vorliegend unstreitig. Auch die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme (oben 3.) sei gegeben: Aufgrund des traditionellen Gewerbezweiges als ...., einer hohen Arbeitnehmerzahl und der genannten Erfahrungswerte, wie z.B. der langen Betriebszugehörigkeit vieler Arbeitnehmer, sei damit zu rechnen, dass die Voraussetzungen der Gewährung von Altersfreizeittagen erfüllt würden. Diese objektiv erkennbaren Tatsachen würden somit aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns mehr für die Inanspruchnahme sprechen als dagegen.

20
Es fehle aber an der Verursachung der ungewissen Verbindlichkeit in der Vergangenheit (vor dem Bilanzstichtag). Rückstellungen seien erstmals im Jahresabschluss des Wirtschaftsjahres zu bilden, in dem sie wirtschaftlich verursacht seien. Der Tatbestand an den der Manteltarifvertrag knüpfe, müsse im Wesentlichen erfüllt sein. Die Erfüllung der Verpflichtung dürfe nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern müsse auch Vergangenes abgelten. Es müsse daher ein Erfüllungsrückstand seitens des Arbeitgebers vorliegen. Daran fehle es hier, da durch die Verpflichtung Vergangenes nicht abgegolten werde (vgl. BFH, 17.10.2013, BStBl II 2014, 302). Der rechtliche und wirtschaftliche Bezugspunkt müsse in der Vergangenheit liegen. Der wirtschaftliche Bezugspunkt der Verpflichtung müsse so eng mit dem betrieblichen Geschehen des Wirtschaftsjahres verknüpft sein, dass es geboten sei, sie wirtschaftlich als Aufwand des jeweiligen Wirtschaftsjahres zu behandeln (BFH, 12.12.1991, BStBl II 1992, 600 unter II.1.b.). Die wesentliche, wirtschaftliche Verursachung sei im vorliegenden Fall nur in der Zukunft anzunehmen, nämlich ab Vollendung des 60. Lebensjahres eines Arbeitnehmers, da auch erst ab diesem Zeitpunkt die Altersfreizeittage gewährt würden. Der damit verbundene Ausfall von Arbeitskraft könne daher die Produktivität des laufenden Betriebes der Klägerin erst ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme beeinflussen.

21
In der Zeit vor Arbeitsfreistellung liege mangels Vorleistung des Arbeitnehmers kein Erfüllungsrückstand vor (BMF-Schr. v. 11.11.1999, Rn. 12-14).

22
Die von der Klägerin genannte Rechtsprechung zu Jubiläumsrückstellungen sei hier nicht einschlägig. Bei Jubiläumszuwendungen handele es sich um zusätzliche, neben dem Arbeitslohn stehende Zahlungen. Anders als bei der Passivierungsmöglichkeit von Jubiläumsrückstellungen lägen im vorliegenden Fall keine konkretisierenden Vorleistungen vor. Für eine Konkretisierung sei es nicht ausreichend, dass die Arbeitnehmer ihr Kündigungsrecht nicht ausgeübt hätten. Diese Nichtinanspruchnahme müsste beispielsweise in Form eines Vertrages zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fixiert sein. Auch die von der Klägerin angeführte Fortführungshypothese sei für die Konkretisierung nicht zielführend. Eine Abgeltung von Vergangenem müsse implizieren, dass bei einer solchen vorzeitigen Beendigung zumindest ein anteiliger Anspruch des Arbeitnehmers vorläge, was aber gerade nicht der Fall sei.

23
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 5.11.2020. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie die im Einspruchsverfahren vorgetragene Argumentation. Insbesondere sei entgegen der Ansicht des Beklagten die Rechtsprechung des BFH zu Jubiläumsrückstellungen (BFH, 5.2.1987, IV R 81/84) sehr wohl übertragbar. Dort führe der BFH aus, dass die Jubiläumszuwendung sowohl ein Entgelt für die während der Betriebszugehörigkeit erbrachten Arbeitsleistungen sei, als auch ein Entgelt dafür, dass der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht nicht ausgeübt habe. Ersteres bestätige somit gerade die Vergleichbarkeit beider Fälle aufgrund der Verknüpfung mit der Arbeitsleistung, während letzteres zeige, dass die Altersfreizeitvereinbarung, welche gleichermaßen von der Betriebszugehörigkeit abhänge und folglich Betriebstreue belohne, entgegen der Ansicht der BP nicht nur an Vergangenes anknüpfe, sondern auch Vergangenes abgelte. Wenn nach der Ansicht der BP nur eine Anknüpfung, nicht aber eine Abgeltung von Vergangenem vorliege, stelle sich die Frage, welche zukünftige Leistung des Arbeitnehmers abgegolten werden solle. Nach Ansicht der Klägerin komme als abzugeltende Arbeitnehmerleistung nur die Arbeitsleistung oder die Betriebstreue im Erdienenszeitraum in Betracht und nicht etwa ‒ wie die Ausführungen der BP verstanden werden könnten ‒ die Vollendung des 60. Lebensjahres oder die tatsächliche Inanspruchnahme der Freizeittage.

24
Die GKBP argumentiere, dass die zehnjährige ununterbrochene Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit sowie das Erreichen der Altersgrenze von 60 Jahren die wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen einer Verpflichtung seien. Aufgrund des möglichen Ausscheidens vor Vollendung des 60. Lebensjahres unter vollständigem Verlust der Ansprüche, käme eine Passivierung vor dem Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres nicht in Betracht. Konsequenterweise hätte die GKBP dann jedoch die Passivierung einer Rückstellung in Höhe eines Teilbetrages von 139.000 €, der auf die Mitarbeiter entfalle, die bereits das 60. Lebensjahr vollendet hätten, anerkennen müssen.

25
Entgegen der Ansicht der GKBP betreffe das von ihr zitierte Urteil des FG Niedersachsen eine andere Sachlage: Nach der Altersfreizeitvereinbarung des Urteilsfalles hätten Arbeitnehmer jährlich eine zusätzliche bezahlte Freizeit von 28 Arbeitstagen erhalten, wenn diese das 60. Lebensjahr vollendet hätten und in den letzten Jahren ununterbrochen in Brauereibetrieben beschäftigt gewesen seien. Eine Bindung an ein einzelnes Unternehmen sowie eine Abhängigkeit der Freizeittage von der konkreten Dauer der Unternehmens- oder Branchenzugehörigkeit habe nicht bestanden. Dementsprechend habe das Finanzgericht die Passivierungsfähigkeit mit der Begründung versagt, dass kein Entgelt für eine vom Arbeitnehmer in der Vergangenheit erbrachte Leistung vorläge, da die zusätzliche Freizeit nicht von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig sei, wodurch der Konnex zur Arbeitsleistung fehle und auch eine etwaige Betriebstreue als Arbeitnehmerleistung nicht in Frage komme. Vorliegend dagegen werde die Anzahl der Freizeittage ausdrücklich nach der konkreten Dauer der Tätigkeit im nämlichen Betrieb gewährt und damit ein eindeutiger Bezug zu vergangenen Leistungen des Arbeitnehmers für den betroffenen Arbeitgeber geschaffen. Ebenso könne die Argumentation, die zusätzliche Freizeit werde zum Erhalt der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer gewährt und habe deshalb einen Bezug nur zur künftigen, statt vergangenen Arbeitsleistung, nicht auf die hier in Rede stehende Regelung übertragen werden. Denn die Freizeit werde erst unmittelbar vor Renteneintritt gewährt. Vorliegend handele es sich vielmehr um eine Fälligkeitsabrede für die noch ausstehende Gegenleistung des Arbeitgebers.

26
Soweit der Beklagte im Klageverfahren vortrage, dass die tarifvertraglich geforderte ununterbrochene zehnjährige Betriebszugehörigkeit ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der Passivierung darstelle, werde diese Auffassung nicht geteilt. Dessen ungeachtet werde darauf hingewiesen, dass zum 31.12.2016 in Anlehnung an die Regelung zu Jubiläumsrückstellungen in § 5 Abs. 4 EStG nur die Fälle passiviert worden seien, in denen bereits eine zehnjährige ununterbrochene Betriebszugehörigkeit erreicht worden sei.

27
Nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sei jedoch auch eine Passivierung vor diesem Zeitpunkt vertretbar (vgl. Schubert in Beck´scher Bilanzkommentar, § 249, Rn. 100 „Jubiläumszuwendungen“). Die darüber hinausgehende, rein steuerliche Ansatzvorschrift des § 5 Abs. 4 EStG beziehe sich nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nur auf Zuwendungen anlässlich eines Dienstjubiläums und nicht etwa auch mit diesen nur vergleichbare Fälle. Dementsprechend wäre nach ihrer, der Klägerin, Ansicht sogar eine über den bisherigen Ansatz hinausgehende Passivierung möglich. Im Übrigen werde aber weiterhin die Auffassung vertreten, dass die Vollendung des 60. Lebensjahres kein wesentliches Tatbestandsmerkmal darstelle und eine Passivierung aufgrund wirtschaftlicher Verursachung in der Vergangenheit zum 31.12.2016 damit auch insoweit vorzunehmen gewesen sei.

28
Die Klägerin beantragt zuletzt,

29
den Bescheid 2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Gestalt des Änderungsbescheides vom 27.07.2021 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um 349.000 € reduziert wird,

30
hilfsweise den Bescheid 2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Gestalt des Änderungsbescheides vom 27.07.2021 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um 337.900 € reduziert wird.

31
Der Beklagte beantragt,

32
die Klage abzuweisen,

33
hilfsweise die Revision zuzulassen.

34
Zur Begründung nimmt er vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen im außergerichtlichen Verfahren. Ergänzend trägt er vor: In Bezug auf das Vorliegen der wesentlichen Tatbestandsmerkmale gehöre neben dem Erreichen der Altersgrenze auch die zehnjährige ununterbrochene Zugehörigkeit zum Unternehmen. Diese beiden grundsätzlichen Tatbestandsmerkmale seien in jedem Fall nicht als wirtschaftlich unwesentlich anzusehen, so dass vor Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen am jeweiligen Bilanzstichtag nicht alle wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt seien. Die Verbindlichkeit sei somit nicht wirtschaftlich im abgelaufenen Wirtschaftsjahr verursacht.

35
Unter dem 27.7.2021 erließ der Beklagte einen nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid für 2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und ging darin von Einkünften aus Gewerbetrieb der Klägerin i.H.v. ... € aus. Mit Schreiben vom 27.7.2021 zeigte der frühere Beklagte und jetzige Bevollmächtigte des Beklagten an, dass ein Zuständigkeitswechsel im Festsetzungsverfahren an den Beklagten erfolgt sei. Für das vorliegende Klageverfahren habe der Beklagte dem Bevollmächtigten Prozessvollmacht erteilt.

36
Entscheidungsgründe

37
Die Klage ist erfolgreich.

38
1. Die Klage ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin schriftsätzlich zunächst eine Rückstellung nur in Höhe von 337.900 € geltend gemacht und erst kurz vor bzw. in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf gewinnmindernde Berücksichtigung einer Rückstellung in Höhe von 349.000 € beantragt hat. Die betragsmäßige Erweiterung des Klageantrags stellt keine Klageänderung dar, die von den Voraussetzungen des § 67 FGO abhinge (vgl. Bundesfinanzhof ‒ BFH, Urteil vom 19.12.2012 XI R 38/10, BStBl II 2013, 1053).

39
2. Die Klage ist auch begründet.

40
Der Bescheid 2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Gestalt des Änderungsbescheides vom 27.07.2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung ‒ FGO). Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die von der Klägerin geltend gemachte Rückstellung in Höhe von 349.000 € zu berücksichtigen.

41
Nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) als Ausdruck eines handelsrechtlichen Grundsatzes ordnungsmäßiger Buchführung sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Ein Bilanzausweis ist u.a. aber dann geboten, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ‒ BFH ‒ vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, m.w.N.).

42
Ein Erfüllungsrückstand liegt hier vor.

43
Ein Erfüllungsrückstand liegt vor, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte. Der BFH knüpft den Begriff des Erfüllungsrückstands herkömmlicherweise eng an den schuldrechtlich gebotenen Zeitpunkt der Erfüllung. Darüber hinaus hat er aber auch eine an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Betrachtung genügen lassen, allerdings vorausgesetzt, mit der nach dem Vertrag geschuldeten zukünftigen Leistung wird nicht nur an Vergangenes angeknüpft, sondern Vergangenes abgegolten (BFH, Urteil vom 28. Juli 2004 XI R 63/03, BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866). Wann eine vertragliche Verpflichtung erfüllt ist, bestimmt sich seither auch bei Dauerschuldverhältnissen nicht mehr entscheidend nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sondern nach dem wirtschaftlichen Gehalt der geschuldeten (Sach-) Leistung (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, unter B.I.2., m.w.N.). Erfüllungsrückstand setzt nicht die Fälligkeit der vertraglich noch geschuldeten Leistung zum Bilanzstichtag voraus (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteile vom 5. Februar 1987 IV R 81/84, BFHE 149, 55, BStBl II 1987, 845; vom 15. Juli 1998 I R 24/96, BFHE 186, 388, BStBl II 1998, 728, m.w.N.; vom 9. Dezember 2009 X R 41/07).

44
a) Um eine Rückstellung gewinnmindernd berücksichtigen zu können, muss im Einzelnen danach zunächst eine ungewisse Verbindlichkeit vorliegen, also eine Verbindlichkeit, die dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewiss ist. Dies ist der Fall, wenn eine Verbindlichkeit dem Grunde nach besteht oder mit Wahrscheinlichkeit entstehen wird und hinsichtlich der Höhe dieser Verbindlichkeit Ungewissheit besteht. Die Inanspruchnahme aus der Verbindlichkeit muss wahrscheinlich sein (§ 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 HGB; vgl. BFH-Urteile vom 1. August 1984 I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44; vom 28. Juni 1989 I R 86/85, BFHE 157, 416, BStBl II 1990, 550; vom 5. Februar 1987 IV R 81/84, BFHE 149, 55, BStBl II 1987, 845; vom 19. Mai 1987 VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848; vom 8. Juli 1992 XI R 50/89, BFHE 168, 329, BStBl II 1992, 910, m.w.N.; vom 29. November 2000 I R 31/00, BFHE 194, 76, BStBl II 2004, 41).

45
Im Streitfall ist eine Verbindlichkeit dem Grunde nach durch den von der Klägerin eingegangenen Manteltarifvertrag für ... begründet worden. Dieser Tarifvertrag verpflichtet die Klägerin, die geschuldete Leistung gegenüber ihren Arbeitnehmern zu erfüllen. Dem steht nicht entgegen, dass diese Verpflichtung erst in der Zukunft zu erfüllen ist. Denn auch für eine erst in Zukunft entstehende Verbindlichkeit muss eine Rückstellung gebildet werden (BFH-Urteile vom 23. September 1969 I R 22/66, BFHE 97, 164, BStBl II 1970, 104; vom 10. August 1972 VIII R 1/67, BFHE 107, 195, BStBl II 1973, 9; vom 29. November 2000 I R 31/00, BFHE 194, 76, BStBl II 2004, 41). Da das Vorliegen dieser Voraussetzung zwischen den Beteiligten unstreitig ist, wird auf eine weitergehende Begründung an dieser Stelle verzichtet.

46
b) Die Bildung der Rückstellung verlangt darüber hinaus, dass die ungewisse Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr oder in der davor liegenden Zeit wirtschaftlich verursacht worden ist (BFH-Urteile in BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44; in BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848; vom 20. Januar 1983 IV R 168/81, BFHE 137, 489, BStBl II 1983, 375). Bezogen auf ein laufendes Arbeitsverhältnis ist dieses Erfordernis erfüllt, wenn eine künftige Leistung des Arbeitgebers im Hinblick auf eine schon bewirkte Leistung des Arbeitnehmers geschuldet wird (BFH, Urteil vom 29. November 2000 I R 31/00, BFHE 194, 76, BStBl II 2004, 41). Dies ist vom BFH für rechtsverbindlich zugesagte Zuwendungen aus Anlass eines Arbeitnehmerjubiläums angenommen worden (BFH-Urteil in BFHE 149, 55, BStBl II 1987, 845). Der BFH geht davon aus, dass die spätere Auszahlung der Zuwendung eine Gegenleistung des Arbeitgebers für eine bereits in zurückliegenden Jahren erbrachte Leistung des Arbeitnehmers darstellt. Soweit der Arbeitnehmer seine Leistung in der Vergangenheit erbracht habe, bestehe danach auf Seiten des Arbeitgebers ein Erfüllungsrückstand, der die Bildung einer Rückstellung gebiete (BFH, Urteil vom 29. November 2000 ‒ I R 31/00 ‒, BFHE 194, 76, BStBl II 2004, 41).

47
Auch dieses Erfordernis ist vorliegend erfüllt. Dem Beklagten ist zwar einzuräumen, dass der Anspruch auf Altersfreizeit noch von sich künftig realisierenden Bedingungen abhängig ist. Erst eine Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren und das Überschreiten der Altersgrenze von 60 Jahren lösen die Verpflichtung zur Gewährung der Altersfreizeit aus. Hat der Arbeitgeber aber schon Jahre zuvor Leistungen für den zeitlich nachfolgenden Eintritt dieser Voraussetzungen rechtsverbindlich zugesagt und ist die Zusage an die vergangene Dienstzeit und an die Betriebstreue des einzelnen Arbeitnehmers gebunden, liegen die Dinge anders. Unter solchen Umständen unterscheidet sich eine derartige Zusage nicht von einer sonstigen dienstzeitabhängigen Jubiläumsverpflichtung. Hier wie dort orientiert sich die Zuwendung an der bisherigen Betriebszugehörigkeit und verknüpft das zukünftige Ereignis mit den anteilig in der Vergangenheit erbrachten Diensten des einzelnen Arbeitnehmers (so zum Firmenjubiläum entsprechend BFH, Urteil vom 29. November 2000 I R 31/00, BFHE 194, 76, BStBl II 2004, 41). Infolgedessen wird ein entsprechender Erfüllungsrückstand aufgebaut, der die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung rechtfertigt.

48
§ 5 Abs. 4 EStG steht der Bildung einer Rückstellung nicht entgegen. Diese Regelung bezieht sich lediglich auf Rückstellungen im Zusammenhang mit einem Dienstjubiläum. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Auch § 6a EStG greift nicht, weil der Fall einer Pensionsrückstellung nicht vorliegt. Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig.

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c) Die Einwände des Beklagten führen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung der Sachlage.

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Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, ein Erfüllungsrückstand liege im Hinblick auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen vom 15.10.1987, VI 59/85, BB 1988, 1359, nicht vor, überzeugt dies nicht. In dem dort entschiedenen Fall hat das FG Niedersachsen das Recht einer Brauerei zur Bildung einer Rückstellung für Altersfreizeiten abgelehnt. Die zugrundeliegende Regelung des Manteltarifvertrages stellte unter anderem darauf ab, dass der jeweilige Arbeitnehmer in den letzten „10 Jahren ununterbrochen in Brauereibetrieben beschäftigt“ war. Eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit könne bei einer solchen Sachlage nicht gebildet werden, weil die erbrachten Arbeitsleistungen in keinem Bezug zur Dauer der Betriebszugehörigkeit ständen. Insoweit könne auch nicht auf die gezeigte Betriebstreue oder die Nichtausübung des Kündigungsrechtes abgestellt werden, denn es sei nicht eine Zugehörigkeit zum Betrieb, sondern zu einer Branche während zehn Jahren vorausgesetzt.

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In eben diesem Punkt unterscheidet sich der Sachverhalt des dem FG Niedersachsen vorliegenden Falls indes erheblich von dem hier zur Entscheidung stehenden: Die für die Klägerin und ihre Arbeitnehmer geltende Manteltarifregelung stellt nicht auf eine bloße Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu einer Branche ab, sondern auf dessen Betriebszugehörigkeit. Dementsprechend ist der Anspruch auf Altersfreizeit gerade als Teil des von der Klägerin geschuldeten Entgelts zu sehen. Die Arbeitnehmer der Klägerin treten mit ihrer Arbeitskraft in Vorleistung, die entsprechende Gegenleistung wird von der Klägerin demgegenüber erst in der Zukunft erbracht. Eben dies macht das Wesen eines Erfüllungsrückstandes aus (vgl. BFH, Urteil vom 26.5.1976, I R 80/74, BStBl. II 1976, 622).

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Der Hinweis des Beklagten, dass die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 11.11.1999 (BMF, IV C 2-S 2176-102/99, FMNR526000099, BStBl I 1999, 959) genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien, ist für den vorliegenden Fall ohne Relevanz. Unabhängig davon, dass ein solches Schreiben keinen rechtsverbindlichen Charakter hat, sei darauf hingewiesen, dass das Schreiben sich explizit bezieht auf die Bildung von Rückstellungen für Verpflichtungen zur Gewährung von Vergütungen für die Zeit der Arbeitsfreistellung vor Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis und Jahreszusatzleistungen im Jahr des Eintritts des Versorgungsfalls. Beides betrifft letztlich nicht den hier zu entscheidenden Fall. Andere als die vom BMF in dem Schreiben genannten Fälle eines Erfüllungsrückstandes sind durchaus denkbar und vom BMF nicht explizit ausgeschlossen worden.

53
Auch der Einwand des Beklagten, der die Verpflichtung auslösende Tatbestand müsse bereits vor dem Bilanzstichtag erfüllt worden sein, verfängt im vorliegenden Fall nicht. Der BFH hat klargestellt, dass dieser Gesichtspunkt ‒ in Abgrenzung zu früheren Entscheidungen des BFH zu anderen Sachverhaltskonstellationen ‒ dann nicht gilt, wenn die Voraussetzungen für die Verpflichtung kontinuierlich, insbesondere im Zeitablauf geschaffen werden (so explizit BFH, Urteil vom 5.2.1987, IV R 81/84, BFHE 149, 55, BStBl. II 1987, 845). In einem solchen Fall müsse auch die Rückstellung kontinuierlich gebildet werden, und zwar zeitanteilig nach der erbrachten Arbeitsleistung. Für den Fall einer Jubiläumsrückstellung hänge die Rückstellung unter anderem davon ab, wie viele Jahre die Arbeitnehmer dem Betrieb bereits angehört hätten. Insoweit unterscheide sich die Rückstellung darin nicht von einer Rückstellung für eine Pensionsanwartschaft des Arbeitnehmers. Eine solche Anwartschaft hätten dann auch die Arbeitnehmer erlangt, wenn ihr Anspruch aus der Zusage von der weiteren Betriebszugehörigkeit abhinge und sich dieser Tatbestand im Zeitablauf verwirkliche.

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Genauso verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Neben ihrer Arbeitsleistung bedarf es schlicht des Zeitablaufs, um die Merkmale der Betriebszugehörigkeit und die Altersgrenze zu erreichen, so dass aus der ungewissen Verbindlichkeit eine wirksame und fällige wird. Während letztere als Verbindlichkeit zu bilanzieren wäre, ist im zeitlichen Vorfeld der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale der Manteltarifregelung eine entsprechende Rückstellung zu bilden, da und solange die Verbindlichkeit noch ungewiss ist und nur noch vom Zeitablauf abhängt.

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Letztlich agiert der Beklagte dementsprechend widersprüchlich, wenn er die Bildung einer Rückstellung gänzlich ablehnt: Geht der Beklagte davon aus, dass erst mit Erreichen der Altersgrenze bzw. der Betriebszugehörigkeit der Tatbestand der auslösenden Verpflichtung erfüllt ist, so hätte er zumindest insoweit eine Rückstellung anerkennen müssen, als eben einige Arbeitnehmer diese beiden Merkmale ja bereits erfüllen. Der angefochtene Bescheid kann schon von daher keinen Bestand haben und erweist sich bereits hinsichtlich der Versagung der Rückstellung dem Grunde nach als rechtswidrig. Im Übrigen stellen sich die Merkmale der Altersgrenze und Betriebszugehörigkeit aber eben als vom Zeitablauf abhängige Merkmale dar, die der Verbindlichkeit, wie oben dargestellt, gerade ihre Ungewissheit geben. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass gerade auch für diejenigen Arbeitnehmer, die diese Merkmale noch nicht erfüllen, eine Rückstellung zu bilden ist.

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Die Klägerin hat ihre Berechnungsgrundlagen zur Bestimmung der Höhe der Rückstellung vorgelegt. Die Berechnung selbst wie auch die Rückstellung der Höhe generell sind vom Beklagten nicht bestritten worden. In der Berechnung sind alle Arbeitnehmer namentlich und nach Betriebszugehörigkeit und Dienstalter aufgeführt. Im Rahmen der Berechnung der Rückstellungshöhe hat die Klägerin sowohl eine Abzinsung berücksichtigt, als auch einen Faktor für Fluktuation einbezogen (s. zu den Anforderungen an die Rückstellungshöhe BFH, Urteil vom 07. Juli 1983 ‒ IV R 47/80 ‒, BFHE 139, 154, BStBl II 1983, 753, Rn. 19; vom 29. November 2000  I R 31/00, BFHE 194, 76, BStBl II 2004, 41). Die Höhe der Rückstellung begegnet danach keinen Bedenken. Die Klägerin war nach alledem berechtigt, in ihrer Steuerbilanz eine Rückstellung in Höhe von 349.000 € gewinnmindernd anzusetzen.

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3. Die Kostenregelung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

58
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

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5. Gründe, die die Zulassung einer Revision rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Insbesondere ist weder erkennbar, dass hier ein Fall grundsätzlicher Bedeutung vorläge (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch der einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Var. FGO). Vielmehr werden gefestigte Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall angewendet.

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